Solidarität mit Gülferit Ünsal

solidarischer mensch 14.01.2012 03:15 Themen: Antirassismus Repression Soziale Kämpfe
Seit 21.Oktober sitzt die türkische Linke Gülaferit Ünsal in der JVA-Lichtenberg in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft hat erfolgreich einen Auslieferungsantrag an Griechenland gestellt, wo die Frau die letzte Zeit gelebt hat. In dem Artikel befindet sich einige Hintergründe zu ihr und ihrem Verfahren.
Obwohl es im letzten Jahr in Griechenland eine zivilgesellschaftliche Bewegung gegeben hat, die sich gegen ihre Auslieferung wandte, war die deutsche Justiz erfolgreich. Ünsal wurde ausgeliefert.
Das ist auch eine Folge des Drucks von Kerneuropa, namentlich von Deutschland auf den griechischen Staat. Nach dem Ende der Militärjunta war die griechische Regierung öfter aus der Reihe der EU-Staaten getanzt, und hatte Linke, die dort Asyl gesucht haben, nicht ausgeliefert, wenn sie aus politischen Gründen verfolgt wurden. Denn in Griechenland wurden damals aus den Erfahrungen mit dem Widerstand gegen die Militärdiktatur politische Gründe anerkannt, die in anderen EU-Ländern als Terrorismus verfolgt wurden. Ein bekanntes Beispiel war der 2004 in Griechenland gestorbenen Rolf Pohle. Er hatte dort als Lehrer und Übersetzern arbeiten können, während er in Deutschland als angebliches RAF-Mitglied kriminalisiert worden war. Auch viele kurdische und türkische Linke hatten in Griechenland lange Zeit mehr Möglichkeiten, einen Flüchtlingsstaus zu bekommen. Der Druck der EU auf Griechenland erschwert die Bedingungen für sie, wie die Auslieferung von Ünsal zeigt. Doch der Widerstand der griechischen Zivilgesellschaft war eine gute Vorarbeit, um jetzt in Deutschland eine Solidaritätsarbeit aufzubauen.

Widerstand gegen 129b
So schrieb die griechische „Gruppe der Anwält_innen für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant_innen “ in ihrer Stellungnahme gegen Ünsals Auslieferung:
„Die strafrechtliche Verfolgung von Personen, die rechtmäßige politische Aktivitäten ausführen, auf Grundlage ihrer angeblichen Beteiligung an Organisationen, die die europäischen Regierungen willkürlich als „terroristisch“ charakterisieren, ist Gesinnungsstrafrecht und widerspricht dem strafrechtlichen Grundsatz, dass Handlungen und nicht Überzeugungen verfolgt werden.“
Damit sprechen die griechischen Menschenrechtsanwält_innen einen wichtigen Punkt an. Der §129 b macht es möglich, völlig legale juristische Aktivitäten als Terrorismus zu verfolgen. Im Fall von Gülaferit Ünsal wirft ihr die Bundesanwaltschaft vor, die Tätigkeit für die in Deutschland und der Türkei verbotene marxistische DHKP/C geleistet zu haben und prompt ist ein Verkauf von legalen Zeitungen und die Solidaritätsarbeit mit politischen Gefangenen in der Türkei Terrorismus- Diese Funktion hat der §129a seit Jahrzehnten für die linke Bewegung hierzulande, der §129 b macht es nun seit einigen Jahren möglich, die deutsche Justiz auch über die Landesgrenzen auszudehnen.
Verfahren soll in Berlin stattfinden

Noch ist die Anklage gegen Ünsal nicht eröffnet worden. Aber es wird damit gerechnet, dass das Verfahren in Berlin stattfinden wird. Begleitend soll es eine Solidaritätsarbeit geben, die die Forderung nach Abschaffung des § 129 a und b mit konkreter Solidaritätsarbeit verbindet. Auch hier ist die Vorarbeit aus Griechenland wichtig. Dort wurde gegen die Auslieferung nach Deutschland gekämpft. Es gibt die Idee, Aktivist_innen von den griechischen Menschenrechtsorganisationen einzuladen, zu beobachten, wie es Ünsal nun nach der Auslieferung geht und wie der §129 b wirkt. So kann eine Antirepressionsarbeit über die Landesgrenzen hinaus ausgebaut werden. Wobei es hier noch viele Versäumnisse gibt. So wäre es natürlich interessant gewesen, schon vor Ünsals Auslieferung zu erfahren, dass es in Griechenland eine Bewegung gibt, die sich gegen ihre Auslieferung nach Deutschland wehrt. Aber keine Griechenlandkorrespondent_innen, auch nicht von linken Zeitungen haben diesen Widerstand erwähnt. Deshalb muss hierzulande die Solidaritätsarbeit mit Gülaferit Ünsal erst aufgebaut werden. Dieser Artikel zu den Hintergründen ihres Falles ist ein Anfang. Es ist schließlich eine Schwäche der linken Antirepressionsstrukturen, wenn es fast 3 Monate dauert, bis überhaupt die Auslieferung Ünslas einer größeren Öffentlichkeit bekannt wird.
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Ergänzungen

Kundgebung für Gülaferit Ünsal

antirepression 14.01.2012 - 13:36
Solidaritätskundgebung für Gülaferit Ünsal
15.1.2012
Wo: JVA- Berlin Lichtenberg, Alfredstr. 11, U5 -Magdalenenstr.
Wann: 13:30 Uhr


Seit dem 21. Oktober 2011 sitzt die türkische Linke Gülaferit Ünsal in der JVA für Frauen, Alfredstr. 11, 10365 Berlin – Lichtenberg in Untersuchungshaft. Sie war auf Betreiben der Bundesanwaltschaft aus Griechenland nach Deutschland ausgeliefert worden. Ihr wird mit Hilfe des §129 vorgeworfen, "Rädelsführerin" in der "ausländischen terroristischen Vereinigung" DHKP-C zu sein. Konkret wird sie beschuldigt von Oktober 1999 bis August 2008 Führungsfunktionen in Europa übernommen zu haben und vor allem Finanzen für die Organisation in der Türkei beschafft zu haben. In den letzten Jahren sind zahlreiche türkische und kurdische Linke verschiedener Organisationen, die oft schon viele Jahre in türkischen Knästen gesessen haben und teilweise gefoltert wurden, von deutschen Gerichten mittels dieser Paragraphen zu hohen Haftstrafen verurteilt worden...

Treffpunkt nach der LL Demo: 13.00 Uhr, U-Bahn Lichtenberg (Ausgang Siefriedstraße)