USA - Todesurteil aufgehoben

Free Mumia Bündnis Deutschland 06.01.2012 17:05 Themen: Repression Weltweit
WILMINGTON *-- Häftling in Delawares Todestrakt könnte schon nächste Woche gegen Kaution frei kommen

Original von SEAN O'SULLIVAN vom 4. Januar 2012, 11:33 Uhr

Während einer kurzen Anhörung am Dienstag, bei der die Ankläger sprachlos blieben, hat der Richter der höheren Instanz John A. Parkins Jr. die Verurteilung und das Todesurteil von Jermaine Wright für den Mord an einem Angestellten eines Spirituosenladen Phillip Seifert im Januar 1991 aufgehoben.

Parkins sagte, dass er trotz eines aufgezeichneten Geständnisses nicht auf die Beweise vertraue. Er sagte, er plane in der nächsten Woche eine Anhörung, nach der Wright möglicherweise gegen Kaution frei gelassen werden könnte.
Vor 20 Jahren wurde Wright zum Tode verurteilt. Der einzige Mensch, der länger in Delawares Todestrakt sitzt ist Robert Gattis, der Ende Januar durch die Giftspritze hingerichtet werden soll.

Als Parkins die Verurteilung und das Todesurteil im Fall Wrights nach dem Gesetz für nichtig erklärte, brach ein Dutzend von Wrights Familienangehörigen und Freunde im Gerichtssaal kurzzeitig in Jubel aus bis die Gerichtsvollzieher sie wieder zur Ordnung riefen.

Wright schüttelte die Hände seiner Anwälte Herbert Mondros und James Moreno und umarmte sie.

Später sagte Moreno, dass sie die Aktion des Richters für eine absolute Verteidigung ihres Mandanten hielten.

Auch Wrights ursprünglicher Prozessanwalt Jack Willard war vor Gericht anwesend und erklärte kurz, dass ihm dieser Fall 20 Jahre lang schlaflose Nächte beschert hätte. Er lobte Parkins für sein Urteil. „Es gibt einen Gott und dieser Gott hasst Ungerechtigkeit”, sagte Willard zu Parkins.

Die Kläger Greg Smith und Danielle Brennan waren von Parkins Urteil deutlich überrascht und wollten beim Verlassen des Gerichts keinen Kommentar abgeben. Einige Stunden später kam aus dem Büro der Staatsanwaltschaft Delawares ein kurzes Statement: „Wir werden das Gerichtsurteil prüfen um zu entscheiden, wie wir weiter vorgehen. Wir werden unsere Entscheidung mitteilen, sobald sie getroffen ist.“

Familienangehörige Seiferts begleiteten die Anhörung am Dienstag nicht, doch Phillips Bruder Lawrence, dem der Spirituosenladen gehörte sagte am Dienstag, dass Parkins Urteil „falsch“ war und dass er im Laufe des Verfahrens von Wrights Schuld überzeugt worden wäre.
„Ein Richter sagt, er sei schuldig und ein anderer Richter sagt, er wolle ihn frei lassen”, kommentierte Seifert. „Ich glaube, hier sollte ein dritter Richter sprechen.“
Laurie L. Levenson, Juraprofessorin an der Loyola Law School in Los Angeles sagte, der Fall Wright sei „außergewöhnlich beunruhigend”, vor allem weil, es vor dem Urteil am Dienstag so viele Revisionen gab.

„Bei diesem Strafjustizsystem sollten alle Sirenen losgehen”, sagte sie und ergänzt, dass es in Fällen wie diesen, die 10, 15 oder 20 Jahre alt sind, immer öfter zu solch überraschenden Wendungen komme. „Möglicherweise ist das ein Grund dafür, dass die Geschworenen immer seltener die Todesstrafe fordern. Wir sehen, dass man schnell falsch liegen kann.“


Mangelnde Beweise

Wright wurde 1992 in einem Verfahren für schuldig befunden, den 66-jährigen Seifert während eines Überfalls auf das Hi-Way Inn auf dem Gov. Printz Boulevard, bei dem 30 $ erbeutet wurden, erschossen zu haben.

Die Geschworenen schlugen für Wright die Todesstrafe vor und der Richter verhängte sie. Einige Jahre später wurde Wright in einem Revisionsverfahren eine zweite Strafanhörung bewilligt. Eine zweite Jury stimmte mit 10:2 Stimmen für die Todesstrafe. Sowohl das Urteil als auch die Strafe wurden vom Delaware Supreme Court aufrechterhalten.

Am Dienstag sagte Seifert, die Beweise zeigten deutlich, dass Wright auf seinen Bruder, dessen eines Bein zum Teil amputiert war geschossen habe. Wright habe den Laden verlassen, sei zurück gekommen und habe noch einmal auf ihn geschossen. "Er wollte den Zeugen töten und das tat er”, sagte Seifert und ergänzt, dass die Zeit die Philip Seifert später im Krankenhaus verbrachte, aufgrund seiner Verletzungen hirntot, „die reinste Qual“ war.
Mit seinem 101-seitigen Urteilsschreiben antwortet Parkins auf Wrights vierten Antrag auf Freilassung nach Urteilsverkündung und bemerkt, dass die Beweise im Fall gegen Wright – mit der Ausnahme des aufgenommenen Geständnisses – „unzureichend bis nicht vorhanden“ waren.

Er sagte, es gebe keine objektiven Beweise die darauf hindeuteten, dass Wright die Tat begangen habe. Es konnten keine Mordwaffe, keine Finger- oder Fußabdrücke gefunden werden. Niemand konnte Wright bei einer Gegenüberstellung identifizieren und die Überwachungskamera gebe keine Aufzeichnungen über die Straftat her.

Parkins stellte auch fest, dass die Polizeibeamten in diesem Fall so verzweifelt nach Hinweisen suchten, dass einer sogar gesagt haben soll, er würde für Informationen bezahlen und „verteilte im Kirkwood Community Center auf der Suche nach Informanten 20 $ Scheine“.
Bezüglich des Geständnisses schrieb Parkins, dass sich Wright, der unter dem Einfluss von Heroin stand – und scheinbar während dem 13-stündigen Arrest und dem Verhör Heroin bei sich hatte – phasenweise merkwürdig verhielt. Laut Urteil habe sich Wright im Verhörraum einmal in Embryonalstellung unter dem Tisch auf den Boden zusammen gerollt. Später „bestand Wright darauf, seine Antworten auf ein Blatt Papier zu schreiben und schob es [dem Polizeibeamten] zu, der es wiederum zu Wright zurück schob, der daraufhin das Papier aufaß“.

Nur die letzten 40 Minuten des Verhörs wurden aufgezeichnet.

Parkins schrieb, dass Wright auf dem Video die Einzelheiten des Verbrechens ganz offensichtlich durcheinander brachte und einige Male den „Vorschlägen durch den Beamten nachgab“ und seine Aussage änderte.

Parkins sagte, das Gericht hätte das Geständnis – in dem Wright seinen Mitangeklagten Lorinzo Dixon belastete, er hätte ihm gedroht ihn zu erschießen, wenn er Seifert nicht erschießen würde - nicht vollends unberücksichtigt lassen können, denn einige Einzelheiten, die Wright aussagte, stimmten.

Parkins entschied aber auch, dass die Polizei einen Fehler gemacht habe, als sie Wright über sein Recht auf Aussageverweigerung aufklärte. Ein Beamter erklärte Wright, er habe Anspruch auf einen Anwalt und sollte er sich keinen leisten können, bekäme er einen gestellt, „wenn der Staat der Auffassung ist, dass Sie tüchtig sind und einen braucht (sic)“.

Die Kläger behaupteten, der Polizeibeamte hätte „bedürftig” und nicht „tüchtig” gesagt, aber Parkins bemerkte, dass dieser Beamte auch dem Mitangeklagten Dixon die Aussageverweigerung falsch erklärte. (Dixon gab später den Raubüberfall und den Waffenbesitz zu, aber laut Urteil bestreitet Dixon heute, vor Ort gewesen zu sein.)


Vorenthaltene Beweise

Parkins stellte in seinem Urteil auch fest, dass die Ermittler dem Staatanwalt wichtige Beweise vorenthielten die dazu hätten führen können, dass die Geschworenen von Wrights Unschuld hätten überzeugt werden können.

In der Mordnacht gab es einen nahezu identischen Überfallsversuch in einem anderen Spirituosengeschäft nicht weit entfernt, bei dem das Opfer die Räuber sah und die Polizei schloss Wright als Verdächtigen aus. Parkins ist der Meinung, dass die Geschworenen zu dem Schluss hätten kommen können, dass dieses Duo und nicht Wright und Dixon für den Mord an Seifert verantwortlich waren.

Parkins zweifelte auch an der Zeugenaussage eines Gefängnis-Spitzels, der behauptete gehört zu haben, dass Wright ein Geständnis ablegte und der seit dem die Zeugenaussage unter Eid widerrief.

„Alles in Allem sieht das Gericht dem Ausgang des Verfahrens ohne Zuversicht entgegen“, schrieb Parkins.

Parkins begann und schloss sein Urteil – und seine Kommentare von der Richterbank – damit, indem er über das Opfer sprach und den Mord als brutal und sinnlos beschrieb.
„Während der ganzen Verhandlung hat das Gericht die Tatsache, dass am 14. Januar 1991 ein unschuldiger Mensch durch die Hand eines anderen starb, nicht aus den Augen verloren“, sagte Parkins und fügt hinzu, dass er wisse, dass sein Urteil Seiferts Familie und Freunden zusätzlichen Schmerz und Frust verursachen wird. „Nichtsdestotrotz ist das Gericht ein Beschützer der Verfassungsrechte eines jeden Bürgers, auch die des Angeklagten“, sagte Parkins.

„Hier handelt es sich um einen Musterbeispiel dafür, was alles schief laufen kann”, sagte Professorin Leyenson. „Wenn wir uns überlegen, dass ein Mensch so nah vor seiner Hinrichtung steht und es hinsichtlich seiner Schuld noch so viele Ungereimtheiten gibt, dann sollte jeder einmal inne halten und verschnaufen.“
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Ergänzungen

Hospira & Lundbeck verdienen noch immer an

Todesstrafe in den USA 06.01.2012 - 17:37
Doctors call on pharma firm Hospira to stop supply of execution drugs
 http://www.reprieve.org.uk/press/2012_01_06_doctors_Hospira_executions/


Factsheet on Lundbeck’s Nembutal - The Issue

Lundbeck manufactures a drug called Nembutal. Nembutal’s principle clinical uses are in treating patients with a rare and extreme form of epilepsy (refractory status epilepticus) and in reducing intracranial pressure. In both situations, Nembutal is not the first drug that a doctor will choose, but it may be necessary as a last chance when other drugs have failed. Nembutal is administered intravenously in a highly regulated ICU setting.
Over recent months, three quarters of US states with active death chambers have changed their lethal injection protocol to Nembutal (either as a single overdose, or in a cocktail with pancuronium bromide and potassium chloride). Other states will soon follow, and very soon every execution in the US will be carried out using Lundbeck’s Nembutal.

 http://www.reprieve.org.uk/static/downloads/2011_11_01_PUB_Lundbeck_distribution_system.pdf


zusammengefasst in deutsch:

In den USA haben die meisten hinrichtenden Bundesstaaten sehr schnell auf die enge Versorgungsenglage von Natrium Thiopental reagiert, für das seit Dezember 2011 ein Exportverbot aus der EU in die USA besteht. Natrium Thiopental ist das erste Gift des bis vor kurzem bei Hinrichtungen verabreichten Giftspritzen Cocktails. Während der US-Pharma Konzern Hospira noch immer der alleinige Versorger von Pancuronium Bromide, dem
zweiten Präparat bei Hinrichtungen ist, hat sich für sich an erster Stelle eine "Alternative" in mehr als 20 US Bundesstaaten entwickelt: der "alte Bekannte", der dänische Konzern Lundbeck liefert nun sein Produkt namens Nembutal, wie die britische Menschenrechtsorganisation Reprieve am 6. Januar 2012 meldete (  http://www.reprieve.org.uk/static/downloads/2011_11_01_PUB_Lundbeck_distribution_system.pdf ).

Lundbeck sind Heuchler

Weg mit der Todesstrafe überall! 06.01.2012 - 18:02
Charakteristisch für den zynischen Umgang des dänischen Konzerns Lundbeck mit Kritik an seiner Rolle in der US Todesstrafe ist es, dass sie ihr Präparat an einen Dritthändler namens Akorn Inc. aus Lake Forest in Illinois verkaufen und nicht mehr selbst an die Gefängnisse liefern, in denen Gefangene von einzelnen US Bundesstaaten ermordet werden.