Mumia Abu-Jamal im Baskenland

Klaus Armbruster 26.12.2011 19:59 Themen: Antirassismus Repression Weltweit
FREIHEIT FÜR MUMIA ABU-JAMAL - Aktivitäten in Euskal Herria (Baskenland) 2011
Im Mai 2011 organisierten die baskischen Komite Internalistak eine Veranstaltungsreihe zu politischen Gefangenen weltweit durch. Auf Veranstaltungen kamen Kurdistan, Irak, Leonard Peltier, der deutsche antiimperialistische Widerstand über eingeladene Referent/innen zur Sprache. Auch Mumia Abu-Jamal war Thema, denn gerade war der Film “In prison my whole life” ins Spanische übersetzt worden.
Im Baskenland hatte es immer wieder vereinzelte Aktivitäten oder Veranstaltungen zu Mumia gegeben. 2000 hatten zwei Gemeinden und das baskische Parlament Resolutionen beschlossen, in denen die Rechtmäßigkeit des Verfahrens gegen Mumia grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Um 2004 war Ramona Africa von der MOVE-Bewegung zu einer Diskussionsveranstaltung zu Besuch im Gaztetxe Kukutza in Bilbo-Rekalde. Die Presse, links wie rechts, reagierte mit Artikeln auf neue Bewegungen im Fall. Sonst bewegte sich nichts um Mumia, was nicht unbedingt verwundern muss in einem kleinen Land mit über 700 politischen Gefangenen, die verteidigt, betreut und regelmäßig besucht werden wollen.

Im Anschluss an die Veranstaltungsreihe fand sich eine kleine Gruppe zusammen, die Mumia wieder mehr in die baskische Erinnerung rufen wollte, vor allem in Anbetracht des bevorstehenden 30. Jahrestages seiner Verhaftung. Nachdem wir den Film bereits ins Spanische übersetzt hatten, stellten wir nun die Verbindung her zu einem baskischen Verlag, der den Film auch in Baskisch und Katalan publizieren sollte: Eguzki Bideoak. Tatsächlich lag er zur jährlichen Buchmesse in. Durango im Dezember auf dem Tisch und fand gute Aufnahme.

Doch bereits vorher versuchte die Gruppe “Freundinnen Mumias im Baskenland” (Euskal Herriko Mumiaren Lagunak), öffentlich an Mumia zu erinnern: mit einer öffentlichen Pressekonferenz auf einer Bilbao-Brücke, die Mumias Namen erhalten sollte; mit einer massiven Graffiti-Aktion im bizkainischen Sopela, bei der u.a. ein Bild Mumias entstand; mit einer Resolution, die im Laufe der Wochen mehr als 40 soziale und politische Gruppen, Gewerkschaften und Besetzte Häuser unterschrieben aus Orten zwischen Iparralde, dem französischen Baskenland, und Gijon in Asturien. Es folgte eine breite Pressekampagne, mit der wir auf offene Ohren stießen. Die einzige baskischsprachige Tageszeitung BERRIA publizierte einen zweiseitigen Bericht (!), in GARA war Platz für einen längeren Gastbeitrag. Vor allem Radios interessierten sich für die Geschichte Mumias, Tas-Tas Irratia, Hiri Irratia, Irola Irratia, Radio Popular und Baztan Irratia machten (teilweise wiederholt) Berichte und Interviews. Das baskische Fernsehen EITB war zwei Mal vertreten, dazu kamen Veröffentlichungen auf verschiedenen Internetseiten und auf der Webseite der Freundinnen Mumias www.mumiaaske.wordpress.com, hier vorwiegend in baskischer Sprache.

Für die Buchmesse (eine kulturelle und kommerzielle Veranstaltung, die zwischen dem 4. Und dem 8.Dezemeber immerhin 100.000 Menschen anzog) konnte die Gruppe den baskischen PEN-Club und den Verlag Txalaparta für eine Lesung gewinnen. Die PEN-Vorsitzende Laura Mintegi und Mikel Soto von Txalaparta lasen Texte von und über Mumia Abu-Jamal, begleitet von den Klängen des traditionellen und von jeweils zwei Personen gespielten baskischen HTxalaparta, und von einem ebenfalls typischen Bertsolari-Reim-Sänger.

Am Global Screening am 9.Dezember beteiligten sich die meisten der Firmanten der Resolution, allein in Bilbao gab es 4 parallele Projektionen. Insgesamt waren es zwischen Iparralde, Asturien und Madrid geschätzte 27 Vorführungen, mit Schwerpunkt im Baskenland: (Asturien: Cambalache Oviedo, La Semiente Entregu; Kantabrien: Santander La Libre, Torrelavega Ayto; Bizkaia: Arrigorriagako Ez Dot Sinisten Kulturgunea, Santurtziko La Kelo Gaztetxea, Leioako Udondo Gaztetxea , Sopelako Plaza Beltza, Deustuko Gazte Lokalea, Bilboko Izar Beltz Ateneoa, Bilboko Gatazka Gunea; Araba: Laudioko Gaztetxea, Gasteizko Hala Bedi Taberna; Gipuzkoa: Azkoitiko Matadero, Oñatiko Arrano taberna, Debako Gaztetxea, Billabonako Gaztetxea, Iruneko La Kaxita Gaztetxea, Ibarrako Gaztetxea, Bergarako Gaztetxea; Navarra: Lizarrako Gaztetxea, Zaraitzu Gaztetxea/Otsagabia; Iparralde: Donapaleuko Aldaka Gaztetxea, Mauleko Zinka Ostatua; Madrid: Social Center LaPiluca, Complutense University). Sowie weitere, von denen nichts bekannt ist. Im Januar folgen: Reus und Badalona, Katalonien, und Segovia in Castilla.

Am Tag nach dem Global Screening waren Unterstützerinnen und Presse erneut auf die Brücke neben der Altstadt Bilbaos eingeladen. Unter den Klängen von zwei regionalbekannten Rappern wurde die Brücke umbenannt in “Mumia Abu-Jamal Brücke”. Es folgte eine Info-Veranstaltung in Sopela, die sich mit der Geschichte Mumias und der US-Bürgerrechtsbewegung auseinandersetzte. Abgeschlossen wird das Jahr in Sopela auf der traditionellen letzten-Freitags-Kundgebung. Mit diesen Kundgebungen wird jeden Monat und in so gut wie allen baskischen Orten an das Schicksal der baskischen politischen Gefangenen erinnert – Mumia wird am 30.Dezember mit einem Transparent vertreten sein.

Die Nachricht von der definitiven Rücknahme der Todesstrafe gegen Mumia kam mitten während der Aktivitäten. Es ist tatsächlich positiv, nicht mehr befürchten zu müssen, dass Mumia von einem Monat auf den anderen hingerichtet werden kann. Bleibt dennoch festzustellen: gestern war Mumia unschuldig zum Tode verurteilt, heute ist er unschuldig zu lebenslang verurteilt – das Ziel weiterer Solidarität kann nur die Freiheit Mumias sein. Dazu müssen sicher Mumia selbst, seine Anwältinnen und sein engeres Umfeld die neue Situation analysieren und möglicherweise neue Strategien entwerfen.

Fazit: Insgesamt können die vergangenen Aktivitäten zu Mumia als überaus positiv betrachtet werden. In Anbetracht der limitierten Kräfte konnte ein sehr gutes Medienecho erzielt werden, das nur dadurch relativiert wird, dass baskische Medien und Öffentlichkeit für Folter, Knast und politische Gefangene überdurchschnittlich sensibilisiert sind. Auch wenn es im Baskenland keine Todesstrafe gibt, haben viele Menschen schnell eine Vorstellung von Mumias Situation – nicht zuletzt aufgrund eigener oder familiärer Erfahrung.

Auch für die Zukunft sind Soldaritätsprojekte für Mumia in Arbeit, es können nie genug Mitstreiterinnen für diesen Kampf und gegen den Mainstream gewonnen werden.

Fotos zu den baskischen Aktivitäten sind bei FlickR zu finden, sie können jederzeit für die Solidaritätsarbeit benutzt werden, es gilt Copyleft:
www.flickr.com/photos/txeng/sets/72157628392275855/

Euskal HerrikoMumiaren Lagunak / Mumias Freund/innen im Baskenland
Kontakt:  mumiaaske@gmail.com

Zur momentanen Situation Mumias:

Nach der Entscheidung von Bezirksstaatsanwalt Seth Williams, nicht länger auf die Todesstrafe gegen Mumia Abu-Jamal zu bestehen, ist Mumia am 14.12. aus dem Hochsicherheitsgefängnis SCI Greene in Waynesburg, Pennsylvania, in das SCI Mahanoy in Frackville verlegt worden. Dieses Gefängnis mittlerer Sicherheitsstufe mit 4000 Insassen befindet sich 170 Kilometer nordwestlich von Philadelphia. Nach Auskunft des Anstaltsleiters unterliegt Abu-Jamal dort zunächst der »Administrativhaft«. Dieser Absonderungsstatus bedeutet nach den Strafvollzugregeln, »dass seine Anwesenheit im Normalvollzug eine Bedrohung für Leben und Eigentum des Gefangenen, der Bediensteten, der Mitgefangenen, der Allgemeinheit oder der Sicherheit und Ordnung der Anstalt darstellt«. Abu-Jamal werde nach erfolgter Eingangsüberprüfung in den Normalvollzug verlegt.
Dass Staatsanwalt Williams seine Entscheidung im Beisein von Maureen Faulkner, der Witwe des erschossenen Polizisten Daniel Faulkner, und in Anwesenheit der rechten Polizeibruderschaft Fraternal Order of Police (FOP) bekannt gab, mag auf den ersten Blick überrascht haben. Vor kurzem hatte die FOP noch vor kurzem »Grillt Mumia!«-Aufkleber verteilt. Beobachter/innen des Verfahrens hatten unterschiedliche Erwartungen gehabt, Mumia selbst war von einer Ablehnung ausgegangen, was ein neues Verfahren bedeutet hätte. Eine neue Jury hätte in diesem Verfahren theoretisch zwar wieder ein Todesurteil fällen können, dennoch äußerte sich Abu-Jamal enttäuscht über das Wegfallen des öffentlichen Gerichtstermins. Er und sein Anwaltsteam hätten dort Beweise für seine Unschuld vorbringen können, auf Grund der anwaltlichen Nachforschungen der letzten Jahre waren die Argumente für Mumia nie besser als heute. Das wussten sicher auch Williams und die FOP. Gleichzeitig wurde bekannt, dass sich der schwarze Staatsanwalt Williams für das Amt des Bürgermeisters in Philadelphia interessiert. Ein neuer Mumia-Prozess, in dem alte schmutzige Tricks und rassistische Gerichtspraxis ans Tageslicht gelangen, belegt mit neuen Zeug/innen, das konnte somit absolut nicht in Williams Interesse sein. Besser also, die Partie abzusagen, als haushoch zu verlieren.
Unerwähnt blieb auch der wahre Grund, warum die »Law and Order«-Troika sich nun damit zufriedengeben will, dass Abu-Jamal »bis an sein Lebensende im Gefängnis bleibt«: Zwischen 2001 und 2011 haben die US-Bundesgerichte mehrfach darüber befunden, dass das Todesurteil gegen Abu-Jamal »verfassungswidrig« sei, weil die Jury 1982 im Prozess falsch instruiert worden war. Die Geschworenen nahmen damals an, strafmildernde Umstände nur einstimmig anerkennen zu dürfen und verhängten deshalb die Todesstrafe.
Am Jahrestag seiner Verhaftung am 9. Dezember 1981 sprach Mumia via Telefon auf der zentralen Solidaritätsveranstaltung zu den Versammelten im National Constitution Center von Philadelphia. Dabei äußerte er sich auch zur Entscheidung der Staatsanwaltschaft von Philadelphia, das Todesurteil gegen ihn nicht mehr durchsetzen zu wollen. Der frühere Black Panther räumte ein, er sei von der Erklärung des Staatsanwalts überrascht gewesen, habe vielmehr im Gegensatz zu vielen Unterstützern und seinen Anwältinnen fest mit einer Verhandlung über das Strafmaß gerechnet. »Nun werden wir den Kampf auf anderer Ebene führen«.
Unterstützer/innen in den USA rufen dazu auf, Mumia Solidaritätspost zu schicken (M.Abu-Jamal, AM 8335, SCI Mahanoy, 301 Morea Road, Frackville, PA 17932, USA). Damit werde nicht zuletzt den Behörden klargemacht, dass die internationale Öffentlichkeit weiterhin wachsam ist.
Wachsamkeit scheint nach einem Bericht von Prisonradio.org über eine Versammlung der rechten Fraternal Order of Police (FOP) am 8. Dezember in einem Vorort Philadelphias auch geboten. Im Beisein des Ehrengastes Maureen Faulkner, der Witwe des angeblich von Abu-Jamal getöteten Polizisten, beendete FOP-Präsident John McNesby seine Rede, in der er Bedauern über das gerichtlich aufgehobene Todesurteil gegen Abu-Jamal ausdrückte, mit den Worten: »Das nächste Mal, dass ich von ihm etwas höre, ist es hoffentlich sein Nachruf!«
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Ergänzungen

Rebel Diaz unterstützt Mumia

freier Download 28.12.2011 - 01:27
Die New Yorker Hip Hop Crew Rebel Diaz hat einen coolen Song über Mumia an seinem 30. Haftjahrestag veröffentlicht und zum freien Download ins Internet gestellt:

 http://rebeldiaz.bandcamp.com/track/never-a-prisoner-free-mumia

neue Plakatserie der Free Mumia Kampagne

bestellen & kleben 28.12.2011 - 01:30
Die Free Mumia Bewegung hat eine Plakatserie über die Gefängnisindustrie, politische Repression, institutionellen Rassismus und die Todesstrafe in den USA erstellt:
 http://www.freiheit-fuer-mumia.de/material.htm

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