Feuerschutz

bauarbeiter 25.12.2011 22:24 Themen: Freiräume
Zu den Sicherheitsmassnahmen in den voherigen Diskussionsbeiträgen zum Brand im Rauchhaus.
Natürlich ist es jetzt erstmal am wichtigsten, sich solidarisch um die Leute im Rauch-Haus zu kümmern. Deshalb finde ich es auch richtig, dass die Beiträge jeweils nach unten verschoben wurden. Dennoch ist es wichtig, endlich über einen Schutz für die (wenigen noch existierenden) Projekte nachzudenken.
Es ist immehin nicht der erste Brand solcher Art (Rote Flora; KTS; Alte Pauline; Gardelegen; T-Stube etc, um nur einige zu nennen.) Eigentlich ist es nur dem Zufall zu verdanken, dass es noch keine Toten gab. Sehr hilfreich fand ich beispielsweise den Beitrag "Brandschutz für besetzte Häuser (und überhaupt)"
 http://anarchosyndikalismus.org/arbeitssicherheit/brandschutz/index.html
Dennoch kann man für relativ wenig Geld einige grundlegende bauliche Sicherheitsmassnahmen realisieren, egal, ob sie nun den Vorschriften der Berufsgenossenschaften entsprechen oder nicht.

Zunächst ist eine der wichtigsten (und leider auch arbeits- und geldintensivsten) Massnahmen die Schaffung von sogenannten "Brandzonen", dh.: Wenn es schon zu einem Brand kommt, sollte er mit seinem Rauch auch möglichst lange da bleiben, wo er ist. 30.-€ Türen aus Presspappe und alte klapperige Holztüren sind bei einem Raumbrand, der schnell um die 1000°C erreichen kann, in wenigen Minuten durchgebrannt. Fazit: das Feuer ist binnen weniger Minuten in Nachbarraum un frisst sich weiter durch. Unterschätzt wird dabei häufig, dass die erhöhte Raumthemperatur selbst weiter entfernte Gegenstände "von selbst" entflammt. Ausserdem tritt natürlich auch der toxische Rauch weiter aus, während die weitere Sauerstoffzufuhr zum Brandherd "gewährleistet" ist . Am besten geeignet sind natürlich Feuer- und Rauchschutztüren. Vor allem sollten der Keller und das Treppenhaus von den einzelnen Etagen getrennt werden, da das Treppenhaus aufgrund der aufsteigenden Hitze und des Rauches erstens natürlich das Feuer weiter ausbreiten lässt, und zweitens natürlich einen Fluchtweg unmöglich macht. Jede Etage, die mit einer Brandschutztür ausgestattet ist, lässt den eingeschlossenen Personen die Möglichkeit, "in Ruhe" auf die Feuerwehr zu warten ohne ein sich durchfressendes Feuer im Nacken zu haben. (Ich weiss natürlich nichts über die genauen Umstände des heutigen Brandes, aber die zwei Leute, die auf die Strasse gesprungen sind, hätten mit Sicherheit weniger Panik bekommen, wenn sie sich hinter einer Feuerschutztür bzw. Wänden befunden hätten.)

Wenn es nicht möglich ist, Feuerschutztüren zu kaufen (Geld oder bauliche Hindernisse) kann man zB. dünne Holztüren provisorisch recht einfach mit Siebdruckplatten (für Flightcases oder Betonverschalungen) aufrüsten. Sie sind schwer entflammbar und einfach aufzuschrauben. Nur im Schlossbereich muss man ein wenig rumbasteln. Darüber hinaus bieten sie in Verbindung mit einem guten Schloss auch einen guten "Einbruchsschutz" (Seinerzeit war so die Eingangstür der Alten Pauline dermassen sicher, dass selbst die Feuerwehr mit schwerem Gerät nicht in der lage war, ins Haus zu kommen. Für eventuelle Bullenbesuche könnte das auch hilfreich sein)

Dünne Wände aus Holz etc sollten dementsprechend auch nachgerüstet werden (Rigips, Fermacell oä.) Alte Holztreppen sollten unbedingt von unten mit deiner doppelten Rigipsschicht verkleidet werden.

Dekorationsbedingte oder schallhämmende Vorhänge / abgehängte Teppiche sind in der Regel ein gefundenes Fressen für ein Feuer. Die meissten Teppiche entwickeln im Brandfalle extrem toxische Gase, die schnell alle im Gebäude befindlichen Personen vergiften. Am besten geeignet ist in der Regel Molton. Das ist ein Baumwollstoff, der extrem schwer entflammbar ist, schallhemmend wirkt und speziell im Bühnenbereich zum Einsatz kommt. Darüber hinaus ist er weitaus billiger als zB. Billigteppiche
(um die 3.-€/m²) Die üblichen Hersteller liefern zudem auch ein Brandschutzzertifikat, was bei einer eventuellen behördlichen Brandschutzkontrolle immer gut ankommt. Wir haben in unserem Konzertladen (in Marseille) sogar Polstermöbel damit bezogen und diese wurden von der "commission de sécurité" nun als schwer entflammbar eingestuft.

Zugängliche Fenster im Erdgeschoss / Keller können trotz Gittern immer schnell dazu genutzt werden, sie einzuschlagen und Brände zu legen. (zB. Brandanschlag auf die alte Pauline 2000) Man kann zumindest kleinere Fenster und Luken mit Verbund-Sicherheitsglas umrüsten, dh. zwei oder mehrere mit einer inneren Folie verklebten Glasscheiben. Diese haben den Vorteil, dass es sehr schwer ist, die Scheiben so zu zerstören, dass man etwas brennendes durchwerfen kann. Ausserdem zerspringen sie nicht ganz so schnell unter Hitzeeinwirkung wie einfache Scheiben, so dass ein Feuer nicht ganz so schnell durchdringen kann. Auch im Falle eines bereits existierenden Feuers im Inneren halten sie ein wenig länger, was die Sauerstoffzufuhr verhindert. Bei uns in Marseille haben kürzlich Leute versucht, die Scheiben mit einem Spaten zu durchschlagen; sie sind gescheitert, die Scheibe ist zwar gesprungen, aber sie ist noch am Platz.
Darüber hinaus haben sie den Vorteil, dass sie Schallisolierender sind als Einfachglas. Oft werden sie bei Umbauarbeiten in Büros einfach weggeworfen, da es für die Baufirmen oft zu teuer ist, diese neu zu schneiden. Das Schneiden ist allerdings kompliziert, und erfordert ein wenig Erfahrung (beide Seiten erst schneiden, dann anbrechen, Brennspiritus drauf; anzünden, Folie biegen und Folie mit Cutter durchschneiden)

Offenliegende Stahlträger im Gebäude sollte man unbedingt verkleiden (Rigips oder Putzschicht mit Wärmeisolierung). Stahlträger verbiegen sich bereits ab einer Themperatur von nur 600°C! Bei einem üblichen Hausbrand können die Themperaturen aber erheblich höher sein, so dass der Stahlträger bereits nach wenigen Minuten (!) anfängt, sich durchzubiegen und aus seiner Verankerung rutschen kann. Damit kann ein ganzes Gebäude innerhalb weniger Minuten einsturzgefährdet sein. Das bedeutet nicht nur Gefahr für die restlichen Leute im Haus, sondern kann die Arbeit der Feuerwehr erheblich erschweren. Ausserdem ist eine Weiternutzung des Gebäudes nach einer Renovierung gefährdet oder gar unmöglich. (Holzbalken halten übrigens erheblich länger stand.)

Man sollte sich auch unbedingt einiger Bausubstanzen entledigen. Styropordeckenverkleidungen bzw Wandisolierungen aus Styropor zB. sind hervorragend geeignet um sich ein Feuer möglichst schnell ausbreiten zu lassen. ( http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/videos/minuten385.html ab min 35) Vom sich entwickelnden Rauch ganz zu schweigen. Das gleiche gilt übrigens auch für PVC Fussbodenbeläge. All diese Stoffe können im übrigen auch nach einem kleinen Brand eine Weiternutzung des Gebäudes verhindern. (s.:  http://www.naturkost.de/aktuell/970811c.htm )

Dies sind einige wenige Beispiele, wie man mit wenig Kohle und relatv wenig Arbeit eine Katastrophe zumindest eindämmen kann oder aber zumindest, WENN es denn schon ein Feuer gibt, eine Weiternutzung nach dem Brand möglich sein wird.
So, das war nun eine Menge technischer Scheiss, aber ich denke, Dass das dennoch ein Thema für Projekt- und Hausversammlungen sein sollte, da faschistisch motivierte Anschläge trotz aller militanter Prevention nie auszuschliessen sind. Ganz abgesehen von blöden Unfällen. (Wir hatten erst gestern ein 1m hohes Karamellfeuer in unserer Küche) Es wäre zu beschissen, wenn unsere letzten Projekte sich in Rauch auflösen und nicht auszudenken, wenn eines Tages jemand stirbt.
Solidarische Grüsse an alle im Rauchhaus und beste Besserung an all die Verletzten aus Marseille.
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Ergänzungen

Feuerfeste Türgriffe

sirene 26.12.2011 - 02:43
Nur so als kleine Ergänzung. Eine feuerfeste Tür bringt überhaupt nichts, wenn ihr nicht auch feuerfeste Türgriffe einbaut. Diese sind etwas teurer als normale Türgriffe und in jedem Baumarkt erhältlich.

Der Unterschied zwischen normalen und feuerfesten Türgriffen ist, daß durch Hitze normale Türgriffe schmelzen können und die Tür sich nicht mehr öffnen lässt, feuerfeste Türgriffe haben einen Eisenkern, der nicht schmilzt.

Ansonsten sind Rauchmelder und Feuerlöscher ein Muß. Öffentliche Gebäude (und große Wohnanlagen) haben zudem noch Steigleitungen für Löschwasser in jeder Etage und vor dem Gebäude, zudem gibt es immer einen zweiten Ausgang als Fluchtweg. Dies erfordert aber erhebliche bauliche Maßnahmen.

Feuerfeste Türgriffe?

ohjicz 26.12.2011 - 08:56
es ist schon ganz gut, wenn die griffen abschmelzen. zumindest bei brandschutztüren. diese sollen als rauchbarrieren dienen und dem Feuer keine Luft zum atmen geben. ein backdraft wäre vermutlich wesentlich schlimmer, als Personen ohne fluchtmõglichkeit (was natürlich trotzdem ne ganz widerliche Vorstellung ist), denn sobald ein flüchtender die falsche Tür öffnet, zündet der ganze laden durch, was in der Regel zu schwereren Schäden und ausgeprägteren Verletzungen führt...

Solidarität nach Berlin
werde mich hier vor ende der Woche nicht loseisen können, werde aber spätestens im neuen Jahr helfen kommen

Brandschutz-Broschüre

Anarchosyndikat Köln/Bonn 26.12.2011 - 09:54

"Brandschutz für besetzte Häuser (und überhaupt)"
 http://anarchosyndikalismus.org/arbeitssicherheit/brandschutz/

Solidarität mit dem Rauchhaus (Bethanien) Kre

Solihainer 26.12.2011 - 12:51
Selbstbestimmte Räume aufbauen, ausbauen, verteidigen, erhalten!

Im Rauchhaus, einem Teil des Bethaniens in Berlin Kreuzberg hat es in den Morgenstunden des 25.12.2011 an mindestens zwei Stellen gebrannt.
Aufgrund der Lage der Brände ist von Brandstiftung durch Rechte auszugehen. Das ist aber noch nicht bewiesen, solange kein Brandbeschleuniger gefunden wurde, usw...

Das Rauchhaus braucht jetzt dringend Unterstützung!

Es wird u.a. um Folgendes gebeten:
- Wasserkanister
- Warmhaltebehälter für Essen und Trinken (z.B. Thermoboxen, Thermoskannen)
- Direkte Hilfe vor Ort

Zum Thema Brand im Rauchhaus:
 http://de.indymedia.org/2011/12/322297.shtml

Angesichts der sinnlosen aufflammenden Diskussionen wer an so einem Feuer und den Folgen Schuld ist, wenn es keine Rechtsradikalen waren, soll hiermit nochmal ein klares solidarisches Statement dazu abgegeben werden.

Die Zurichtung der Menschen, insbesondere in Berlin ist schon so weit vorangeschritten, daß kaum zu erwarten ist, daß sich hunderte Partygäste auf einmal korrekt verhalten.
Es sind dagegen viel mehr Vorsichtsmaßnahmen, wie Brandschutzeinrichtungen und Sicherheitskonzepte (In case of fire, nazis, cops, etc.!) vonnöten. Davon können sich alle Projekte eine Scheibe abschneiden.
Wenn die Partygäste aus dem Koma aufwachen, keine gebrochenen Knochen, eine Rauchgasvergiftung oder andere auszukurierende Folgeschäden davongetragen haben, sollten sie sich an den Solidaritätsaktionen ebenso beteiligen und sich nicht nur als Opfer fühlen (müssen). Nur gemeinsam sind wir stark. Also, stärken wir uns gegenseitig den Rücken und helfen wir uns selbst. Denn von Staat, Kapital und dem Gewaltapparat ist nichts zu erwarten und sollte auch erst garnichts erwartet werden.
Ganz im Gegenteil. Besinnt Euch darauf warum es diese Räume gibt.
Die Welt ist kein Ponyhof und die Nacht nicht nur zum Tanzen da.

Zum Thema Brandschutz in selbstorganisierten Räumen:
 http://de.indymedia.org/2011/12/322344.shtml

stimmt...

....... 26.12.2011 - 13:03
so brandschutzmaßnahmen einzurichten ist eigentlich garnicht so schwer...

zb. alte holztüren mit reststeinen vom bau gut mit mörtel einschalen, damit der rauch nicht durchkriechen kann, rundum abdichten mit feuerfestem dichtband...
zusätzlich mit schwerentflammbaren gipsplattenresten und oberflächlich mit blechresten, zb. alu, bewehren, gut verschrauben...
dazu einfach mal bei baustellen rumfragen, bauunternehmen abtelefonieren, wer reste abgeben kann, ne robbe mieten, rumfahren, zeug sammeln, einbauen...
das sind ja schon einfachste maßnahmen...
ok, dafür werden "arbeitskräfte" und zeit gebraucht!

fenster von außen gegen angriffe sichern, dh. kein holz vorbau sondern metallrahmen, etc...
und vor allem für den notfall von innen öffnebar machen...

alte feuerlöscher dies noch tun und löschdecken sind auch nicht teuer... zb alte nva und bw decken... damit lassen sich "personenbrände" löschen...
zur not einfach mal nen kurs bei der jugendfeuerwehr besuchen, usw...
und da nach materialien rumfragen...
oder bei den chemielehrer_innen an den schulen und bei hausmeister_innen in öffentlichen einrichtungen wie unis, etc...

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hmmmmm — tom

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sicherheitskonzept — vom Fach