Zomia: Erneut nur Versprechungen [HH]

Luther B. 21.11.2011 22:33 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Das Ultimatumsspielchen geht weiter, Bezirk Altona versucht Zomia zu erpressen, Senat hält sich weiterhin bedeckt.
Soap Opera made in Hamburg: SPD. Da gibt es einen Bezirksamtschef, der beleidigt ist, weil er nicht Senator wurde.
Daraufhin treibt er seine Spielchen und lässt nichts aus, was den Senat ins Wanken bringen könnte. Und was tut der?
Eine gute Frage, denn weder von der stark angegriffenen Senatorin Blankau noch vom ersten Bürgermeister Olaf Scholz wird zu dem neuen Fall Stellung bezogen.
Das alles auf dem Rücken eines kleinen Bauwagenplatzes, den eigentlich keiner stört.

Was Bezirksamtsleiter Schreiber (Bezirksamt Mitte, SPD) reitet, dass er sich so sehr an diesem Bauwagenplatz aufhängt scheint klar. Nachdem er immer mehr Missgunst auf sich und seine Partei gezogen hat ist er jetzt dabei einen Sturm auszulösen. Während auf Polizeiseite noch spekuliert wird, wie groß die Unterstützung für diesen Platz und seine BewohnerInnen ausfallen könnte, ist eigentlich seit der "Zomia bleibt"-Demo längst klar, dass die Zeichen auf Sturm stehen.
Der Angriff auf den Bauwagenplatz und seine BewohnerInnen wird als Angriff auf alternatives Leben überhaupt angesehen - und somit als Kriegserklärung aufgefasst.
Das scheint auch dem SPD-Senat immer klarer zu werden - und so griff er unter der Hand doch ein. Die Hoffnung war anscheinend, dass sich der Platz dem Druck beugt und Altona den Platz wohlwillend aufnimmt. Doch auch wenn die SPD im Bezirk Altona ein Interesse daran hat, sich als liberal und weltoffen darzustellen um nicht noch mehr WählerInnen zu verlieren, die in diesem alternativ geprägten Viertel vorherrschen, so ist sie anscheinend nicht bereit, den Preis dafür zu zahlen. Anstelle mit ehrlichen Angeboten zu kommen, wurden auch hier Nebelkerzen gezündet. Der Gipfel der Dreistheit: selbst die Verantwortlichen leugnen nicht, dass das "Angebot" wenn überhaupt dann nur sehr temporär nutzbar ist, geeignet für einen Wagenplatz ist es nicht. Aber anstelle eine Lösung zu suchen die für alle Beteiligten annehmbar ist, wird versucht Zomia zu erpressen. Bis zwölf Uhr heute Mittag sollte Zomia nach Altona gezogen sein - sonst würde für nichts mehr garantiert werden können.

Garantieren ist ein gutes Stichwort:
Der Zaubertrick, um Zomia sowohl loszuwerden als auch selbst eigentlich doch nichts getan zu haben war: eine Garantie abgeben.
Wenn Zomia den Platz wechselt auf "das Angebot" bzw. den Interimsplatz dann könne doch in aller Ruhe gesucht werden und garantiert würde noch ein Platz gefunden - so die SPD-Fraktion Altona. Aber mit Bedauern mussten sie feststellen, dass sich Zomia nicht erpressen lässt - und das Ultimatum hat verstreichen lassen.
Ganz schön gemein von denen, dabei sah es schon so gut aus. Ein Gewinn für beide Seiten wäre es gewesen - also sowohl für SPD-Altona als auch für SPD-Mitte.
Denn Schreiber wäre der harte Hund geblieben - wunderbar für ein Schill-Publikum, was immerhin die Schillpartei damals mit fast 20% gewählt hat - und Altona sich als weltoffen präsentieren. Erinnert irgendwie an den Peronismus in Argentinien, wo im Ehepaar Peron er als Hitlerverehrer die Reaktion begeisterte während sie als emanzipierte und nächstenliebende Frau den sozialistischen Flügel bediente.
Anscheinend wurde dabei eines vergessen: damit Zomia das Angebot annimmt reicht Druck machen nicht aus. Zu groß die Solidarität, die ihnen quer durch Hamburg entgegenweht.
Auch um Zomia in der Öffentlichkeit unter Druck zu setzen reicht das hoffentlich nicht, denn bei all dem Bedauern der SPD-Altona bleibt eine Frage:
Warum sollen sie nicht da bleiben wo sie sind bis ein wirklicher Platz gefunden ist?
Außer für den SPD-internen Streit um das Machtgebaren Schreibers abzufedern hätte ein Umzug keine weiteren positiven Auswirkungen. Fakt ist und bleibt, dass sie da, wo sie jetzt sind niemanden stören. Es ist nichts in naher Zukunft geplant, was daran etwas ändern würde. Also warum eine temporäre Ausweichfläche?
Wer Garantien gibt braucht Vertrauen - das ist die Währung nach der Garantien bemessen werden. Mit diesem Schritt hat sich die SPD die Verhandlungen schwerer gemacht, denn das Vertrauen
nach einem solch Plumpen Erpressungsversuch dürfte gegen Null tendieren. "Auf Augenhöhe verhandeln" (Verbreitete Forderung im Recht auf Stadt Netzwerk) ist das jedenfalls nicht.

Wie weiter?
Eher ernüchternd ist die Pressemitteilung der SPD-Altona, wie der Streit aufgelöst werden könnte. Anscheinend völlig überrascht vom Misslingen ihres Plans fällt ihr nichts anderes ein, als zu versuchen ihn weiter fortzuführen: Es wird einfach ein neues Ultimatum gesetzt. Ist ja auch verlockend, schließlich ist man ja in der Position die Pistole auf die Brust zu setzen.
Bis Donnerstag wird dem Platz noch einmal Zeit gegeben, sich es doch bitte anders zu überlegen. Noch einmal drei Tage sollen sie Bangen, dann dürften sie doch endlich weichgekocht sein, alles aber auch alles anzunehmen um dieser Situation endlich entrinnen zu können und mal wieder ausschlafen und das eigentliche Leben genießen zu können.
Das ist gerade lang genug um sowohl weiter den Druck aufrechtzuerhalten als auch zu verunmöglichen, dass eine Auszeit entsteht.
Bisher sieht allerdings nichts danach aus, als ob sich Zomia weichkochen lässt. Von daher drehen sich die Spekulationen auch eher darum, was wohl die SPD nach dem Verstreichen des neuen Ultimatums gedenkt zu tun: wird sie Zomia am Castor-Wochenende räumen? Wird sie überhaupt räumen? Kommt jetzt das lang erwartete Eingreifen von Olaf Scholz?

Wir dürfen gespannt sein, die Soap-Opera geht weiter. Wenn dieser SPD-interne Machtkampf nicht auf dem Rücken von Nichtbeteiligten ausgetragen werden würde wäre es amüsanter. So bleibt ein tiefes angeekelt sein von Parteipolitik und einer Form der Demokratie, die sich von dem Anspruch für die BewohnerInnen der Stadt zu agieren schon lange verabschiedet hat.
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Ergänzungen

Interimsplatz?

haha Altona 22.11.2011 - 13:40
Es gibt doch schon ein Angebot für einen Interimsplatz und zwar in Hamburg Mitte. Dieses Angebot steht auch noch und gerade im Falle einer Räumung, absolut solidarisch und ohne Erpressungsversuch.
Da muss sich Altona schon was einfallen lassen um dagegen anzustinken.
Nach der Räumung ist vor der Besetzung - aber das müssen Hamburgs Politiker wohl mal wieder lernen...

Info

Zomia 22.11.2011 - 23:46
Wagengruppe Zomia, 22. November – Gegenstandpunkt zur aktuellen Veröffentlichungen der SPD Hamburg

Die Wagengruppe Zomia hat mit Erstaunen und Empörung die gestrige Pressemitteilung der SPD wahrgenommen – entgegen der Behauptung konstruktiver Gespräch wird hier eine mediale Diffamierung begonnen. Das Ziel ist durchsichtig: Solidarität und Unterstützung sollen vorbereitend für eine Räumung entzogen werden. Dazu ist das Argument der überheblichen, anspruchsvollen WagenbewohnerInnen, die immer neuen Forderungen stellen, gar nicht dumm.

Dem entgegnen wir: Zomia ist und war immer bereit, umzuziehen, wenn das grundlegende Bedürfnis erfüllt ist. Dieses ist nach wie vor eine langfristig geeignete Fläche für das Projekt. Das Problem, einen Wagenplatz in Hamburg-Mitte zuzulassen, ist kein juristisches, sondern ein Politisches. Selbst das heftig umstrittene Hamburger Wagengesetz lässt die Duldung von Wagenplätzen bis zu fünf Jahren zu. Bis heute gibt es keine pragmatischen Gründe, dass Zomia nach Altona umziehen sollte. Der Anschein, dass die Altonaer SPD dazu verdonnert wurde, mit schnellen Willkommensgrüßen Markus Schreiber in Mitte den Rücken freizuhalten, wird immer durchsichtiger: Statt in Ruhe abzuwarten, bis die konstruktiven Gespräche abgeschlossen sind und einem Umzug nichts im Wege steht, wird nun eine halbfertige Lösung zum golden Kalb erklärt und die Wagengruppe als störrischer Esel dargestellt. Andy Gote und Sören Schumacher sprechen von einem halben Dutzend Plätzen, die Zomia bereits abgelehnt hätte. Sie haben sich verzählt. Und verschweigen dabei auch noch gern, dass unter den „Angeboten“ solche Unverschämtheiten wie „alternative Standorte“ unter einer Schnellstraßen-Brücke, unter einer 380.000Volt Hochspannungsleitung oder auch direkt neben der Landebahn am Flughafenzaun waren.

Nun die neue Wendung: In Altona sollen wir auf eine „Zwischenlösung“, von der sich jedoch Politik und Wagengruppe schon im Vorfeld einig waren, dass die Fläche ungeeignet ist. Anschließend werde eine von Zomia akzeptierte langfristige Alternative gesucht und gefunden. Wie sollen wir jedoch davon ausgehen, dass uns die selben Szenarien wie jene der vergangenen Monate nicht in kurzer Zeit in Altona erneut passieren? Zomia ist absolut bereit für einen Umzug, denn auch wir haben kein Interesse an einer Eskalation. Wenn sich aber die verschiedenen Teile der SPD so offensichtlich die Bälle zuspielen, um Zomia dumm dastehen zu lassen, braucht es ein bißchen mehr als die vage Aussicht auf einen unbekannten Platz, um Vertrauen in eine langfristige Lösung zu entwickeln.

Warum kann Zomia nicht in Wilhelmsburg bleiben, bis ein fester Platz in Altona zugesagt werden kann? Weil Schreiber so lange nicht mehr zurükgehalten werden kann – beziehungsweise soll? Warum soll er das nicht und warum gilt laut Senat das Umzugsangebot nicht mehr nach einer Räumung? Weil eigentlich Zomia unter Druckt gesetzt werden soll, damit Schreiber sein Gesicht nicht verliert?

Doch es geht seit Jahren um mehr, als dass einzelne Politiker_innen ihr Gesicht verlieren könnten. Es geht um verfehlte Stadtpolitik in Hamburg! Damit ist Zomia ein Symptom von Vielen. Aus diesem Blickwinkel ist es fast beliebig, ob es um die Sexarbeiter_innen in St. Georg, die Wohnungslosen in St. Pauli, die Privatisierung des Bahnhofsvorplatzes oder den Abriss der Essohäuser geht. Derzeit brodelt es wieder an vielen verschiedenen Konfliktfeldern in der Stadt - mit Zomia soll einer beseitigt werden. Damit wird den Wohnungsuchenden in Hamburg eins immer schwerer vermittelbar: Das ihnen noch 15 Wohnungssuchende mehr hinzugefügt werden sollen – nur um das Ego eines einzelnen Machtpolitikers zu befriedigen. Das vor dem Hintergrund, dass schon jetzt absehbar ist, dass die SPD ihre vollmundigen Versprechen zum Wohnungsbau nicht halten wird. Wenn die Politik schon nicht in der Lage ist, eines der größten Probleme dieser Stadt zu lösen, warum legt sie dann auch noch denen, die sich alternative Lösungen suchen, Steine in den Weg?

Wir sind gerne bereit konstruktive Gespräche mit dem Bezirk Altona zu führen und eine gemeinsame Lösung zu finden. Dafür muss die SPD nur eins tun: Den von ihr geschaffenen künstlichen „Sachzwang“ auflösen und zeigen, dass sie ein ehrliches Interesse an einer einvernehmlichen Lösung hat!

Doch wir wollen den Blick über den eigenen Tellerrand nicht vergessen, es geht in dieser Auseinandersetzung um mehr als das alternative Wohnen auf einem Wagenplatz. Es geht darum, Alternativen zu schaffen; uns nicht einfach wie es der Politik gefällt hin und her schieben zu lassen, der Vertreibung aus den Bezirken entgegen zu stehen, zu zeigen: Es geht auch anders! Es geht hier um unser Recht auf Stadt! Überall werden Menschen immer prekäreren Lebensbedingungen ausgesetzt. Die Bedrohung fängt bei Wohnraum an, geht hin zum Arbeitsplatz, zur Freitzeitgestaltung und bleibt stehen bei den Lebensmittelausgaben. Durch die Prekarisierung von Wohnungs- und Arbeitsplatz werden immer mehr Existenzen kaputt gemacht. Die Vertreibung der Armen aus den Stadtteilen wird vorangetrieben. Wir sind angetreten, dem eine Alternative entgegen zu setzen. Ja, wir haben schon eine Wohnung! Was wir brauchen ist eine Fläche, auf der wir stehen können! Auch die haben wir und bis heute sprechen keine pragmatischen Gründe dafür, diese zu verlassen. Wir haben wie alle anderen Menschen dieser Stadt das Recht auf Wohnraum. Dieses Recht wird nicht erteilt, es gehört allen – unabhängig von sozialer oder nationaler Zugehörigkeit! Wenn wir uns das Recht auf Stadt nehmen, verändert sich nicht nur die Stadt: Es verändern sich unsere Bezugspunkte, Beziehungen und Begegnungen. Die Stadt gehört allen!

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