[HRO] Nachttanzdemo gegen die Gesamtscheiße

Nachtschwärmer_Innen 13.11.2011 23:31 Themen: Freiräume Repression
Samstag Abend zogen ca. 99 – 150 Menschen auf einer Demo unter dem Motto „Rave it, Haszelhoff – We are looking for freedom“ vom Neuen Markt durch die Innenstadt bis zum Margaretenplatz. Es war die erste Nachttanzdemo seit Anbeginn der Menschheit in Rostock und trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt wurden die Tanzbeine geschwungen.
Fast pünktlich um 20 Uhr begann die Demo vor dem Rostocker Rathaus mit einem Redebeitrag zu den Auflagen vom Ordnungsamt. Diese waren mehr als ungewöhnlich und noch dazu unmöglich.So war die Dezibelgrenze mit 70dB kaum umsetzbar und das Ordnungsamt wies gleich nett darauf hin, dass allein der Generator die Lautstärke erreichte. Dann sollte die Anlage plombiert werden, was technisch nahezu unmöglich ist und noch dazu wahrscheinlich mit hohen Kosten verbunden wäre. Aber das Beste was sich das Amt ausgedacht hat, war die Musikdauer. So sollten die Menschen 10 Minuten zur Mucke tanzen dürfen um dann eine 5- minütige Ruhepause einlegen zu müssen. Die Veranstalter_Innen der Demo sind wegen diesen Auflagen vor das Verwaltungsgericht in Schwerin gezogen, aber dort schien der zuständige Richter die Beschwerde nicht gelesen zu haben und lehnte den Antrag mit fadenscheinigen Begründungen ab. Ein Grund für die Beschränkung der Lautstärke und der Musikdauer war die Verhinderung der Dauerbeschallung der Anwohner_Innen an der Strecke. Da die Demo aber in Bewegungen war, war diese Befürchtung völlig unbegründet. Ganz davon abgesehen, dass die meisten Menschen am Rande der Demo und an der Wegstrecke eher aus den Kneipen und Wohnungen raus kamen und teilweise sogar mit zur Musik tanzten, als sich deswegen zu beschweren.

Die Idee der Demo war, Mauern einzureißen, gegen Nazis, Sexismus, das kapitalistische System, Atomtransporte, Leistungszwang und weniger politische Themen wie lästigen Fahrkartenkontrollen, zu frühem Aufstehen und Stadionverbote anzutanzen, die schon fast ständig den Alltag begleiten und erschweren. Jetzt setzte der Staat mit diesen bekloppten Auflagen weitere Grenzen dazu.
Aber dies hielt sowohl die Veranstalter_Innen als auch die teilnehmenden Menschen nicht ab, den Samstag Abend mal anders zu beginnen. Nach einem weiteren Redebeitrag der genau die Grenzen und den Frust des Alltags beschrieb und kritisierte, machten sich die Tanzfreudigen auf den Weg. Zu diesem Zeitpunkt war die Musik kaum zu hören, was sich aber im Laufe der Wegstrecke irgendwie stark änderte. Trotzdem waren die Menschen nicht deprimiert, eher das Gegenteil. Es wurde mitgesungen, viele hatten Krachmacherzeux wie Trommeln, einen Gong und Trillerpfeifen mit, waren mit David Haszelhoff und anderen glitzernden Masken verkleidet, schmissen Konfetti in die Luft, zündeten Wunderkerzen an und ließen somit den „normalen“ Alltag mit all seinen Grenzen und Mauern einfach hinter sich. Es war ein bunt gemischter Haufen, aus verschiedensten Spektren, an diesem Abend auf der Straße.

Am Doberaner Platz gab es eine Zwischenkundgebung, wo noch mal auf die Antifa Demo am 10. Dezember in Greifswald aufmerksam gemacht wurde. Danach ging es gut gelaunt weiter durch die engen Straßen in der KTV. Kurz vor der Endkundgebung kam dann auch noch mal ein bisschen Pyro zum Einsatz und ein spontaner a-Kapella Song beendete den Demonstrationszug nach einem letzten Redebeitrag zum demnächst stattfindenden Castor Transport.

Trotz dieser blöden Auflagen und kurzer Mobilisierungszeit war diese erste Nachttanzdemo sehr gelungen und hat viel Spaß gemacht. Da gegen die Gesamtscheiße angetanzt wurde, wurde viel Raum für eine Menge unterschiedlicher Themen gegeben, wie auch auf Transpis und Pappschildern deutlich wurde.
So kam auch die Politik nicht zu kurz. Obwohl einige Leute dies kritisierten, bot gerade der Rahmen dieser Demo viel Raum für eigene politische Aktionen und kreative Handlungen.

Die Polizei hielt sich an diesem Abend zwar zurück, so lief die Demo ohne Spalier, jedoch waren viele zivile Kräfte an diversen Ecken anzutreffen und beobachteten die Demo über die ganze Zeit.

Es wird wohl nicht die letzte Nachttanzdemo in Rostock bleiben...
We are looking for freedom!!

Ein Video ist beim Medienkollektiv Manfred zu finden.

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Ergänzungen

Diskurs

Standardtänzer 16.11.2011 - 08:32
Also in meinen Augen stand hier keineswegs die Radikalität oder ähnliches im Vordergrund. Diese Demo war absichtlich so angelegt, dass ein relativ breites Spektrum an Menschen erriecht wird, was eindeutig gelungen ist. Vielleicht hätte man tatsächlich ein wenig mehr politischen Bezug reinbringen können, was aber zu verzeihen ist, da es die erste Nachttanzdemo in HRO war und man es ja beim nächsten mal durchaus berücksichtigen kann. Für die Kürze der Orgazeit, muss ich sagen hat man hier doch schon was ziemlich kuhles auf die Beine gestellt.

Es ist wichtig das auch solche Aktionen stattfinden, denn zum einen wird hier gezeigt, dass die Rostocker Szene aktiv ist. Zum anderen kann man durch solche Demos Menschen erreichen die sonst keinen Bezug zur Politik haben. Würde man ständig solche Angstdemos bringen, würde der Kontakt zum "Bürger" vollständig verloren gehen.

Ich finde es sehr wichtig zu zeigen, dass es auch friedliche und sehr kreative Alternativen gibt, was mit der Demo wunderbar gelungen ist. Die Stadt wurde für kurze Zeit zu einem Freiraum, der offen für alle war und die Menschen, wenigstens für einen Moment, vom Alltag befreit hat.

Vielen dank an alle die Organisiert, Aufgelegt und auch einfach nur Teilgenommen haben. Würde mich über eine Wiederholung sehr freuen.

Li(e)bertäre Grüße

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

Kritik — joa

@Kritik — Dancing Queen

@Dancing Queen — joa

na — ja...

Ergänzend sei zu sagen... — Hamburger Hasz

Danke — ck