Hamburg: Zu den Altersfeststellungen im UKE

Montgomery 31.10.2011 00:07 Themen: Antirassismus Blogwire Repression

MUF – das steht für „Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge“. In einer Zeit, in der weltweit Millionen von Menschen auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Armut und Elend sind, gibt es unter ihnen zahlreiche, die noch Kinder und Jugendliche sind und die z.T. alleine unterwegs sind. Nur wenige schaffen es bis nach Deutschland. Im Jahr 2009 meldeten sich in Hamburg dennoch 402 solcher Menschen. Nach „Untersuchungen“ waren es dann aber nur noch 176. Wie das?

„Die Mitarbeiter sorgen dafür, dass vom Familiengericht ein Vormund bestellt wird und die Kinder- und Jugendlichen in geeigneten Einrichtungen der Jugendhilfe betreut werden. Hierfür bewilligt sie die dafür notwendigen Hilfen. Des Weiteren unterstützt und berät er den vom Familiengericht bestellten Vormund.“ heißt es auf der Internetseite des Bezirksamtes Hamburg-Mitte. Doch hierfür müssen sie erst ein mal beweisen, dass sie tatsächlich minderjährig sind. Und das ist gar nicht so einfach. Offizielle Dokumente, sofern überhaupt vorhanden, werden faktisch nicht anerkannt. Statt dessen nimmt die Ausländerbehörde eine „Fiktivsetzung“ (heißt wirklich so) des Alters vor. Diese muss dann durch einen Arzt bestätigt werden. Hierbei gilt jedoch keine freie Arztwahl, anerkannt werden seit 2001 ausschließlich Gutachen, die im Institut für Rechtsmedizin im UKE durchgeführt werden.

Ebenfalls seit 2001 ist dieses Institut berühmt-berüchtigt. Hier starb Achidi John an einem der umstrittenen Brechmitteleinsätze, die eingeführt wurden, um Dealer überführen zu können. Damals wie heute ist der Leiter dieses Institutes Klaus Püschel, der ebenfalls damals wie heute für viele ein beliebtes Hassobjekt darstellt. Wenn er nicht gerade am Störtebeker-Schädel oder an Moorleichen hantiert, zeichnet er für die Altersfeststellungen verantwortlich. Sind die Flüchtlinge dann erst einmal älter gemacht, verlieren sie automatisch das Anrecht auf Schulbesuch, Unterbringung in einer Jugendeinrichtung und Schutz vor einer Umverteilung in andere Bundesländer. Deshalb ist es für die Betroffenen dann auch praktisch unmöglich gegen diese Altersfestsetzungen juristisch vorzugehen. Auch eine Abschiebung ist dann leichter und schneller durchführbar. Die Abschiebebehörden haben also ein klares Interesse an der Feststellungen einer Volljährigkeit.

Dies geschieht nicht im Einklang mit einer Entscheidung des 110. Deutschen Ärztetages. Der hat sich gegen Altersfeststellungen ausgesprochen, da sie nicht ausreichend wissenschaftlich fundiert und nicht mit dem ärztlichen Berufsethos vereinbar seien, da sie weder Prävention noch Therapie einer Krankheit darstellen. Juristisch unzulässig sind Altersfeststellungen derzeit in Asylverfahren. Deshalb wird minderjährigen Flüchtlingen in den Mund gelegt, dass sie gar kein Asyl beantragen wollen, auch wenn das für sie überhaupt keinen Sinn macht. Im Mai war Püschel zu Gast an der HAW (Hochschule für Angewandte Wissenschaften), um seine Brechmitteleinsätze und Altersfeststellungen zu verteidigen. Ein Bericht findet sich hier: http://linksunten.indymedia.org/de/node/40748

An der Uni Hamburg existiert mittlerweile ein Beschluss des Studierendenparlamentes, in dem das Institut für Rechtsmedizin aufgefordert wird, „zu dem Thema ihrer Involviertheit in der Altersbestimmung von Flüchtlingen Stellung zu beziehen.“ Außerdem heißt es: „Die Mitglieder des Studierendenparlaments lehnen die Fiktivsetzung des Alters von Flüchtlingen durch Ärzte ab und schließen sich damit einer entsprechenden Entscheidung des 110. Deutschen Ärztetages an.“ Diese Entscheidung kam nach einer fast einjährigen Verzögerung zustande. Die im AStA tonangebende Juso-Hochschulgruppe hatte sich einerseits nicht getraut die Altersfeststellungen zu verteidigen, anderseits gefürchtet den SPD-Genossen Püschel, der seinen Auftrag noch vom damaligen Innensenator Olaf Scholz bekommen hatte, zu kritisieren.

Da sich an der Zusammensetzung des AStAs bis heute nur wenig verändert hat, hat jetzt die Hochschulgruppe SDS zwei Veranstaltungen zu dem Thema vorbereitet. Auftakt bildet eine Info-Veranstaltung, die am Dienstag, den 1.11. um 19:00 in der T-Stube am Fachbereich Sozialwissenschaften (Pferdestall) am Allende-Platz 1 stattfindet. Eine Woche später, am 8.11. um 19:00 Uhr, findet dann eine Podiumsdiskussion zu dem Thema am Fachbereich Sozialökonomie (HWP) im Von-Melle-Park 9 statt. Hierzu sind Mehmet Yildiz, der migrationspolitische Sprecher der Linksfraktion in der Bürgerschaft, Arno Münster, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, Fanny Dethloff, Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen evangelischen Kirche, sowie erwähnter Professor Klaus Püschel eingeladen.

Weitere Infos zu dem Thema: http://www.b-umf.de/images/evaluation_hamburg_2010.pdf

www.vahlenstein.blogspot.com
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