Weiter Ausweiskontrollen an Berlins Gerichten

Der böse Auweikontrollöhr 12.10.2011 15:38 Themen: Repression

Am 26.9. wurde vor dem Verwaltungsgericht in Berlin über die Frage verhandelt, ob es zulässig sei, dass im Eingang Berliner Gerichte die Personalien kontrolliert werden. Anlass war ein Verfahren im Jahr 2009, wo diese Kontrolle erhebliche Folgen hatte. Der damals Angeklagte war vor das Verwaltungsgericht gezogen, um die Kontrollen überprüfen zu lassen. Gestern ging nun das Urteil (mit Protokoll der Sitzung) ein ...

Kulturell war die Lage am 26.9.2011 vor dem Verwaltungsgericht Berlin interessant. Da saß ein Aktivist, der ohne eigene Wohnung und aus den Resten der Gesellschaft lebt (um unabhängig zu sein), einem Teil der Chefetage des Amtsgerichts Tiergarten gegenüber, die es gewohnt sind, Menschen niederzumachen, einzusperren, sozial zu isolieren, während sie sich selbst für Angehörige von was Besserem halten. Nun aber mussten sich diese hohen Herren von einem Hergelaufenen "beklagen" und dann auch noch im Prozess vorwerfen lassen, zu lügen. Dummerweise hatten sie wenig Argumente, das zu widerlegen.
Wenigstens mit dem Publikum mussten sie nicht sprechen. Zwar wurden sie in Pausen angesprochen, aber der tolle Chefrichter wandte sich zum vorne postierten Verwaltungsrichter und fragte: "Muss ich mich mit denen unterhalten?". Die Robenträger waren sich einig, dass nicht.

Der vorne saß, war der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts und hatte zu entscheiden, ob Personalausweiskontrollen am Eingang des Gerichts zulässig seien. Gegen die hatte der Aktivist nämlich eine doppelte Klage gegen eine erste allgemeine und gegen eine zweite spezielle Kontrolle eingereicht. Doch statt in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden, wollte sich der Verwaltungsrichter mit einem schnell erkennbaren, miesen Trick aus der Affäre ziehen: Er verneinte das Rechtsschutzinteresse des Klägers. Dieser hätte nämlich am fraglichen Tag im Jahr 2009 als Angeklagter das Amtsgericht Tiergarten nicht ohne gleich doppelte Personalienkontrolle nicht betreten dürfen, war deshalb zu spät zu seinem Prozess und so in sowie wegen Abwesenheit verurteilt worden. Der damalige Amtsrichter Herkenrath wusste um die Probleme beim Eingang, das Gericht sorgte absichtlich dafür, nicht telefonisch erreichbar zu sein. Denn nichts ist den nur einerseits verurteilungsgeilen, andererseits aber arbeitsscheuen RobenträgerInnen lieber als ein Urteil ohne Prozess. Beides zu vereinen, gelingt, wenn jemand mit Strafbefehl nicht zu seinem Gerichtsprozess kommt. Ein bisschen Nachhelfen ist zwar rechtswidrig, aber wer Richter ist, braucht das Recht nicht mehr zu beachten.
Um eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu verhindern, behaupteten die späteren Beschwerderichter, die Eingangssituation hätte mit dem Prozess nicht zu tun. Das war zwar gelogen - aber in Robe lügt es sich gefahrlos. Der Betroffene drehte aber den Spieß um und zog, weil ja nun alles nichts mehr mit Strafrecht zu tun hatte, vor das Verwaltungsgericht. Dort nun wurde sein Anliegen mit dem beschriebenen Trick abgewehrt. Vorher aber rangen der Kläger und sein Anwalt heftig mit den Beklagten und dem Verwaltungsrichter. Die Beklagten vom Amtsgericht reihten Lüge um Lüge hintereinander, um immer wieder neue Unstimmigkeiten erklären zu können. So wurde behauptet, dass ein Angeklagter auch ohne Ausweis ins Gericht käme. Dagegen stellte der Kläger einen Beweisantrag, der im Prozessverlauf allerdings nicht behandelt wurde. Noch absurder entwickelte sich anfangs ein Beweisantrag gegen die erfundene Story, die Personalienkontrolle sei nötig, um Hausverbote zu überprüfen. Das ist zwar an sich schon fragwürdig, eine solch umfangreiche Rundumüberprüfung mit derartigen Lappalien zu begründen, aber die anwesenden ZuschauerInnen waren sich mit den Kläger einig, dass die Geschichte gar nicht stimme. Also folgte der Antrag, eine Zuschauerin als Zeugin zu vernehmen, dass gar keine Hausverbotslisten überprüft worden seien. Der Richter wollte die Vernehmung nicht und formulierte zunächst, dass die Zeuginnenvernehmung ja nichts bringen würde, weil die Beklagten anderer Meinung seien. Welch ein Vorgang: Eine Beweisaufnahme ist gegenstandslos, wenn die beklagte Seite etwas Anderes sagt? Das wäre ja mal eine Neuerung: Wer eine Handlung abstreitet, kann nicht mehr verurteilt werden. Als der Richter diese offensichtliche Klassenjustiz (der Höhergestellte hat sowieso immer Recht, deshalb braucht es keiner Beweisaufnahme ...) aussprach, ging ein Raunen durch den Raum - und das bewog dann erst den Richter, die Zeugin vielleicht lieber doch zu vernehmen. Was natürlich auch nichts nützte, denn im Urteil dachte sich der Richter einfach eine neue Geschichte aus ...

Die Konstruktion des fehlenden Rechtsschutzinteresses erfolgte im Übrigen wie folgt:

  • Die zweite Personalienkontrolle im Jahr 2009 sei zwar rechtswidrig, aber die Amtsgerichtsvertreter hätten gesagt, dass das so nicht vorgesehen sei. Daher gäbe es auch keine Wiederholungsgefahr, folglich auch kein Rechtsschutzinteresse. Den Antrag des Klägers und seines Anwaltes, die bloße Behauptung mit der Vorlage der internen Weisung an die EingangsbewacherInnen zu beweisen, lehnte das Gericht als überflüssig ab. Immerhin hatten die tollen Hechte des Amtsgerichts die Existenz der Weisung selbst eingeräumt. Doch die Eliten der Gesellschaft müssen ihr Gelaber halt nicht beweisen - sie verfügen über eine eingebaute Wahrheit.
  • Die erste und allgemeine Personalienkontrolle im Jahr 2009 sei hingegen sowieso nicht rechtswidrig. Ein Rechtsschutzinteresse gäbe es aber auch nicht, weil der Kläger diese als Zuschauer ertragen musste, aber als damaliger Angeklagter nun von dem Verwaltungsgericht stände. Angeklagte aber kämen auch ohne Ausweis durch - behaupteten die hohen Herren vom Amtsgericht, und überprüfen muss mensch das ja nicht, weil die ja eben die eingebaute Wahrheit haben. Der Hinweis des Klägers, selbst im Fall, dass er als Angeklagter ohne Ausweiskontrolle ins Gebäude käme (was er bezweifelte und - erfolglos - unter Beweis zu stellen versuchte), in seinen Rechten betroffen zu sein, weil er als Angeklagter ein Anrecht auf Öffentlichkeit in seinem Prozess habe, ging einfach unter. Im Urteil findet sich davon kein Ton.
  • Schließlich stellte der Richter im Urteil fest, dass die Beweisanträge ohne Bedeutung seien, weil sie die Lage am Verwaltungsgerichtseingang überprüfen sollten, der Vorfall 2009 aber beim Amtsgericht erfolgte. Tja - so dumm sind Leute, die immer etwas Besseres sind und einen Extraeingang haben. Sonst hätten sie gewusst, dass Amtsgericht und Verwaltungsgericht in der Berliner Kirchstraße den gleichen Eingang haben und dort dieselben Leute jedeN kontrollieren unabhängig davon, ob mensch danach rechts ins Amtsgericht oder links ins Verwaltungsgericht weitergeht.

Summa summarum: Justiz halt. Es geht in die nächste Instanz.

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Ergänzungen

Kontrollen

Rol--and Bia--lke 12.10.2011 - 18:09
Ohne sich auszuweisen - d.h. ohne Lichtbildausweis - kommt man als angeklagte Person tatsächlich in die Kirchsztasse / Wilsnacker Strasse / Turmstrasse rein. Nämlich, wenn man die Vorladung zur "Hauptverhandlung" vorlegt. Allerdings ist hier das Problem, dass für Folgetermine in den meisten Fällen keine Vorladungen zugestellt werden, sondern das mündlich gemacht wird.

Ein Problem bei den Ausweiskontrollen - z.B. als Prozessbeobachter - ist, dass sich die Justizbediensteten die Namen merken und bei eventuellen Vorkommnissen die gemerkten Leute identifizieren und damit unter Druck setzen. Beispielsweise gab es mal einen Prozess, der extrem von Zuschauern und Zuschauerinnen überfüllt war - rechte, bürgerliche, linke und radikale - Aus ihrer Sicht "Linke", die den Prozess besuchen wollten und, wie alle, lägere Zeit im Gerichtsgebäude auf den Prozessanfang warten mussten, wurden aussortiert und rausgeschmissen. Da helfen Namen sehr, da sie damit sofort wissen wer "Hausfriedensbruch" begeht, wenn jemand nicht sofort spurt oder in den Prozess daneben geht. Obwohl auch das nicht rechtens ist, dann Hausverbot auszusprechen.

Und es gibt noch ein Problem: Im Kriminalgericht Moabit gibt es eine Videoüberwachung. Ich habe schon gesehen, wie ein Justizbediensteter einen PMS eine CD gegeben hat. Kann gut sein, dass dort Aufnahmen einiger Prozess beobachtenden Personen drauf waren. Auch Bewegungsprofile oder wer mit wen redet, lassen sich so nachvollziehen.

Woanders läuft es zwar ählich, teilweise auch anders. Ich war z.B. Bei einen Strafprozess in Potsdam, wo ich als Zuschauer auch ohne jegliche (Ausweis-)Kontrolle reingekommen bin.

Im Sozialgericht Berlin sind die Einlasskontrollen aber noch krasser - dort werden sogar die mitgebrachten Gegenstände geröntgt. Kann aber sein, dass das zwischenzeitlich anders ist.



@ Videoüberwachung?

rolan.d iona.s bialk.e 13.10.2011 - 00:17
Am Übergang vom Altbau zum Neubau befindet sich eine Kamera. Auch gibt es ein spezielles Sicherheitssystem im Haus, deren Einzelheiten ich jetzt aber nicht im Kopf habe. Das lässt sich aber an den Etiketten an manchen Türen nachvollziehen.

Vor zwei oder drei Jahren gab es mal eine Brandstiftung einer Einzelperson, so eine Zeugenaussage, am Kriminalgericht Moabit. Diese wurde aber entdeckt, da sich nachts im Gebäude Menschen aufhielten. Wenn das Gebäude schon geschlossen ist, z.B. 20 Uhr, dann sind trotdem noch Leute drin. Von der Putze bis zum Richter. Ausserdem ist die Rückseite des Kriminalgerichts ein Teil der JVA Moabit, sodass 24/7 Gefangene im Gebäude sind.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Fürs nächste Mal — kein Jurist

@kein jurist — egal

Videoüberwachung? — Hinweise

Reinigungskraft — Otto

"arbeitsscheu" — antifaschistin