“Nazi-Leaks”: NPD-Kader bewaffnen sich

Freundeskreis Gamma 07.10.2011 19:06 Themen: Antifa Medien Militarismus
Offenbar haben sich führende NPD-Aktivisten aus Leipzig und Umgebung illegal mit scharfen Waffen ausgestattet: Laut internen Partei-Dokumenten, die der GAMMA-Redaktion vorliegen, sind der Leipziger NPD-Chef und Landesvorstands-Mitglied Helmut Herrmann sowie das Mutzschener NPD-Landtagsmitglied Winfried Petzold und dessen Frau in Besitz von Pistolen und Gewehren gelangt. Petzold ist auch Betreiber des so genannten NPD-”Bürgerbüros” (“Nationales Zentrum”) im Leipziger Stadtteil Lindenau. [1]

In einer E-Mail vom 8. Juli 2011 rühmt sich der Borsdorfer Gerd Fritzsche damit, den drei Personen “durch den Reservistenverband der Bundeswehr in Leipzig” sowohl Waffen als auch die vorgeschriebenen Waffenbesitzkarten besorgt zu haben. Die E-Mail ist unten im vollen Wortlaut dokumentiert.



Hintergrund

Fritzsche ist selbst kein NPD-Mitglied, sitzt aber als Sympathisant mit NPD-Mandat seit 2008 im Kreistag des Leipziger Landes. Außerdem ist er ehemaliges Mitglied der neonazistischen Leipziger Burschenschaft “Germania”. [2]

Innerparteilich gilt Fritzsche als Querulant. Weil er sich nicht an Absprachen hielt, hat ihm die NPD-eigene “Kommunalpolitische Vereinigung” (KPV), die Mandatsträger der Partei schult und koordiniert, bereits zum Jahresanfang die Unterstützung entzogen. Nachfolgend kam es zum Zwist mit dem sächsischen NPD-Chef Holger Apfel, der Fritzsche vom jüngsten Landesparteitag am 9. Juli im erzgebirgischen Auerbach kurzerhand ausgeladen hat. Darüber wurde auf Nazi-Websites öffentlich berichtet.

In der nachfolgend dokumentierten E-Mail polemisiert Fritzsche gegen Apfel, abgeschickt wurde der Text nur einen Tag vor dem Landesparteitag. Apfel will sich bekanntlich beim kommenden NPD-Bundesparteitag am 15./16. Oktober in Dessau zum Bundesvorsitzenden wählen lassen [3] und erhielt dafür beim Landesparteitag den Zuspruch der Deligierten der sächsischen Kreisverbände. [4] Allerdings gibt es auch im Umfeld des eigenen Landesverbandes Kritik an Apfel – die hier von Fritzsche schriftlich dargelegt wurde.

Einschätzung der Rechtslage

Wie genau Fritzsche die Waffenbesitzkarten besorgt hat, die den Besitz von Schusswaffen erlauben, ist unklar. Falls seine Schilderung stimmt, sind sie jedoch unrechtmäßig ausgeteilt worden: In Sachsen werden sie ausschließlich von Kreis- und Stadtverwaltungen ausgestellt – und nicht vom Reservistenverband. Bedingung ist laut Gesetz das “Vorliegen der erforderlichen Zuverlässigkeit” [5], damit scheiden vorbestrafte Personen aus.

Herrmann wurde zuletzt 2010 wegen Verwendens von NS-Symbolen rechtskräftig verurteilt. Bei wörtlicher Auslegung des Waffengesetzes können Waffenbesitzkarten auch nicht an Personen ausgegeben werden, die Mitglied von Organisationen sind, welche “gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind”. Die NPD dürfte diese Ausschlussklausel erfüllen.

Herkunft und Authentizität

Die E-Mail stammt von einem Mailserver der NPD, der offenbar von Hackern geknackt wurde. Der gesamte Datenbestand – zehntausende Mails aus 79 Accounts zahlreicher Kreis- und Landesverbände sowie Unterorganisationen und von Funktionären der NPD – wurde Mitte September bereits der Presse zugespielt. [6] Schon im Februar 2011 waren zahlreiche NPD-E-Mails unter dem Schlagwort “Nazi-Leaks” veröffentlicht worden. Damals wurde u.a. bekannt, dass die NPD das Abstimmverhalten ihrer kommunalen Mandatsträger – darunter auch ihrer beiden Leipziger Stadtratsabgeordneten – durch regelrechte Befehle steuert. [7]

Den Datenbestand des neuerlichen Hacks und damit auch die hier dokumentierte E-Mail schätzen wir nach mehrwöchiger Prüfung als zweifellos authentisch ein.

Über die Weise der Datenbeschaffung liegen uns indes keine Informationen vor. Als Begleiterscheinung des digitalen Angriffs auf die Nazipartei sind zahlreiche ihrer “Weltnetzseiten” aber noch immer nicht erreichbar.

E-Mail im Volltext:

From: “Gerd Fritzsche” (gerd.fritzsche@t-online.de)

To: (info@npd-dresden.de), (info@npd-erzgebirge.de), (aae@npd-nol.de), (vorstand@npd-leipzig.net), (info@npd-nordsachsen.de), (kontakt@npd-vogtland.de), (NPD-Bautzen@gmx.de), (info@npd-saechsische-Schweiz.de), (info@npd-mv.de), (inf@qnpd-chemnitz.de)

Cc: “udo voigt” (vorsitzender@npd.de), “Steffen Heller” (steffen_heller@t-online.de), (trebsner@arcor.de), (odal14@gmx.net), “Wilko Winkler” (wilkowinkler@yahoo.de), “Tony Keil” (Baldur18@web.de), (akblk@onlinehome.de), “Rabauke” (rabauke88@gmx.de)

Subject: Der Offenbarungseid des Holger Apfel

Date: Fri, 8 Jul 2011 16:30:33 +0200

Liebe Freunde und Kameraden,
meinen Gruß zuvor!

Für den morgigen Landesparteitag der Sachsen – NPD hat ein gewisser Holger Apfel und der gesamte Landesvorstand der NPD einstimmig ein Hausverbot für meine Person beschlossen.

Für welches böse Spiel geben sich dabei eigentlich Petzold und Herrmann her?

Beide haben mir über die Falschheit, Unfähigkeit, Raffgier und Parteifeindlichkeit des Holger Apfel monatelang, jahrelang 2009 und 2010 bei gemeinsamen Schießübungen im Reservistenverband der Bundeswehr in Leipzig volldröhnende Klagelieder gesungen.

Dafür gibt es namentlich bekannte Zeugen.

Wörtlich Helmut Herrmann: “Apfel kann weder mit Geld noch mit Menschen umgehen.”

Dank meiner Hilfe haben Herrmann, Petzold und seine Frau auch Waffenbesitzkarten und entsprechende Waffen (Pistolen und Gewehre) durch den Reservistenverband der Bundeswehr in Leipzig erhalten.

Damals konnten natürlich Herrmann und Petzold große und größte Kübel von Gift und Galle über den “unfähigen und nicht tragbaren Herrn Apfel” im Schützenhof Leipzig beim gemeinsamen Kurz- oder Langwaffenschiessen auskippen.

Heute sind beide anscheinend wieder Systemlinge der Apfelmafia.

Wie hoch war der Preis? In Euro? Motto: Was soll mein dummes Geschwätz von gestern.
Oder sollte man besser formulieren: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich!?

Man könnte noch vieles mehr nennen, beispielsweise die falsche Adresse (Namen und Anschrift hier bekannt) für Apfel in Dresden während seiner Zeit als Stadtrat. Wieso posaunt sonst Hartmut Krien durch die Lande, er habe genug Material um Apfel zu erpressen und sich dadurch entsprechende Posten und Geld zu sichern?

Denkt mal darüber nach und lest bitte die im Anhang stehenden Meinungen von langjährigen NPD-Mitgliedern in Sachsen. Und wenn jetzt wieder Leute sagen; “Ach Gottchen, das schadet doch unserer Bewegung”, dann sage ich: Reinigt die eigenen Reihen von Konjunkturrittern und Beutelschneidern. Möglichst bald.

Sven Tautermann hats beschrieben, wie es gehen kann.

Meine besten Wünsche allen Gutgesinnten

Gerd Fritzsche
Kreisrat mit Mandat der NPD

Anhang:

From: sven.tautermann@freenet.de
To: ‘Wilko Winkler’ (wilkowinkler@yahoo.de), ‘Rabauke’ (rabauke88@gmx.de), ‘Steffen Heller’ (steffen_heller@t-online.de), ‘Gerd Fritzsche’ (gerd.fritzsche@t-online.de)
Subject: RE: LPT
Date: Fri, 08 Jul 2011 12:04:00 +0200

Hallo Leute,

also entweder gehen alle hin und machen Alarm oder keiner und zeigen so unsere Verachtung für diese Agentenshow, alles andere ist einfach nur erbärmlich!

MkG
Sven

—–Ursprüngliche Nachricht—–

Von: “Wilko Winkler” [wilkowinkler@yahoo.de]
Gesendet: Thu. 07.07.2011 23:32
An: wilkowinkler@yahoo.de
Betreff: LPT

Nur zu Euer Information:

Vom KV Mittelsachsen werden von fünf Delegierten auch nur einer oder zwei, wenn überhaupt, am Sa. teilnehmen.

Warum könnt Ihr Euch sicher denken…

Der Termin (ein Schelm, der böses dabei denkt)…ein Witz. Ebenso die örtlichkeit. Ich muß am Sonntag früh ohnehin am Flughafen in Stuttgart sein. Heute beginnen in Sa. die Schulferien.

MkG
Wilko

—–Ursprüngliche Nachricht Ende—–

Quellen

[1] Mehr zum NPD-”Bürgerbüro” unter www.fenceoff.org
[2] NPD-Blog, 10.07.2010: http://npd-blog.info/2010/07/10/leipziger-burschenschafter/
[3] GAMMA, 20.09.2011: http://gamma.noblogs.org/archives/579
[4] GAMMA, 12.07.2011: http://gamma.noblogs.org/archives/399
[5] Siehe §5 des geltenden Waffengesetzes (WaffG): http://www.gesetze-im-internet.de/waffg_2002/__5.html
[6] NPD-Blog, 18.09.2011: http://npd-blog.info/2011/09/18/nazi-leaks-npd-30/
[7] GAMMA, 18.02.2011: http://gamma.noblogs.org/archives/262

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Ergänzungen

jetzt auch in den Medien

gefunden 07.10.2011 - 19:20
Die TAZ:

Neonazis im Reservistenverband
Rechtsextreme ballern mit

Neue E-Mails aus dem Innenleben der NPD zeigen: Beim Reservistenverband können NPD-Funktionäre ungestört mit Bundeswehrwaffen hantieren. von A. SPEIT & M. KAUL

BERLIN/HAMBURG taz | Beim Reservistenverband der Deutschen Bundeswehr dürfen Mitglieder und Funktionäre der rechtsextremen NPD ungerührt Schießübungen abhalten und mit Waffen aus dem Bundeswehrbestand hantieren. Der Reservist Gerd Fritzsche ist ein solcher Fall. Das zeigen neue Emails aus dem Innenleben der NPD.

Der parteilose Kreistagsabgeordnete sitzt als Kandidat der NPD im Kreistag des Landkreises Leipzig. Der taz bestätigte Fritzsche, dass er wiederholt an Waffenübungen der Bundeswehrorganisation teilnahm. In einer Email an zahlreiche NPD-Funktionäre, die der taz vorliegt, behauptet er, dass auch der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Winfried Petzold sowie Sachsens NPD-Landesvize Helmut Herrmann mit ihm im Leipziger Schützenhof beim "Kurz- oder Langwaffenschießen" Übungen absolvierten.

In der Email heißt es: "Dank meiner Hilfe haben Hermann, Petzold und seine Frau auch Waffenbesitzkarten und entsprechende Waffen (Pistolen und Gewehre) durch den Reservistenverband der Bundeswehr in Leipzig erhalten." Von der Mail will Fritzsche heute nichts mehr wissen. Die zwei betroffenen NPD-Politiker waren für die taz am Freitag nicht zu erreichen.

Doch Michael Sauer, Vizepräsident des Reservistenverbandes, eine Organisation mit rund 250 hauptamtlichen Mitarbeitern, die dem Verteidigungsministerium unterstellt ist und jährlich über 16 Millionen Euro vom Staat erhält, bestätigt: "Die drei Herren sind bei uns Mitglieder." Es sei bekannt, dass einer der Männer ein kleinkalibriges Gewehr, ein anderer eine Pistole besitze. Fakt ist auch: Im "Schützenhof" finden tatsächlich Schießübungen des Verbandes statt.
Reservistenverband fühlt sich machtlos

Zwar beschafft der Reservistenverband weder Privatwaffen, noch verteilt er Waffenbesitzkarten. Doch wer Mitglied bei den Reservisten ist, wird vom Ordnungsamt, das die Besitzerlaubnis vergibt, im Regelfall als waffenkundig eingeschätzt. So können waffenbegeisterte Rechtsextreme über die Reserve der Bundeswehr an Waffen kommen - und anschließend entspannt im Verein üben.

Plus: Wer Mitglied bei der Reservistenorganisation ist, kann auch eigene Gäste mit zu den Schießübungen bringen. So bietet der Staat unfreiwillig eine Übungsstruktur für Rechtsextreme, die an ihrer Waffentauglichkeit feilen wollen. Kameradenausflug zum Ballerstand? Kein Problem.

Das gefällt auch dem Reservistenverband nicht - doch er fühlt sich machtlos. Mit einer Satzungsänderung versuchte der Verband in der Vergangenheit eine Grundlage zu schaffen, um Rechtsextreme aus den eigenen Reihen verbannen zu können. Doch heute räumen auch die Spitzenfunktionäre ein, dass ihre eigene Satzung diesbezüglich wirkungslos ist. "In zahlreichen Prozessen haben wir zwar gerne, aber leider erfolglos viel Lehrgeld bezahlt", sagt Sauer. Das sei zwar gut investiertes Geld, weil es beweise, dass der Verband keine rechtsextremen Mitglieder haben wolle.
Ohne NPD-Verbot geht es nicht

Doch nützen, so Sauer, würde die neue Regelung kaum etwas. "Solange die NPD nicht verboten ist, sind uns die Hände gebunden. Die Dauerlösung wäre, man hätte den Mut, verfassungsfeindliche Parteien zu verbieten."

Das Argument reicht Kerstin Köditz nicht. Sie ist Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im sächsischen Landtag - und fordert nun Konsequenzen vom Reservistenverband. Alle drei genannten Personen seien einschägig in Erscheinung getreten, heißt es von ihr. "Die NPD ist zwar nicht verboten. Aber in jedem Verfassungsschutzbericht wird die Partei als militant kämpferisch gegen die demokratische Grundordnung beschrieben. So blauäugig kann ein Vize-Präsident des Reservistenverbandes doch nicht sein."

Doch der Reservistenverband steht mit der Problematik nicht ganz allein. Ganz ähnlich erging es in der Vergangenheit dem Bundeswehrverband, der sich - anders als der Reservistenverband - nicht von Staatsgeldern, sondern von seinen Mitgliedsbeiträgen finanziert und eine Art "Gewerkschaft der Soldaten" ist.
Juristisch kompliziert

Nachdem der Bundeswehrverband im Mai 2009 den NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt hinauswerfen wollte, zog dieser vor die Verbandsschiedskommission. Diese nahm die Entscheidung des Bundesvorstandes zurück - weil Voigt niemals rechtskräftig verurteilt wurde. Noch heute ist Udo Voigt, Spitzenmann unter Deutschlands Neonazis, zahlendes Mitglied im Bundeswehrverband und weiterhin auch Hauptmann der Reserve. Schwer vorzustellen, was das im Ernstfall bedeuten sollte.

Die Situation ist juristisch kompliziert, denn auch die Fachleute sagen, es könne nicht für jeden Einzelnen einen Gesinnungscheck geben. Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagt zwar: "Es ist wichtig, dass die Verbände im Kampf gegen Rechtsextremismus immer wieder deutliche Ansagen machen und alle Möglichkeiten nutzen, die rechtlich haltbar sind." Aber die Probleme der Politik dürften nicht auf dem Rücken der Verbände ausgetragen werden. Arnold: "Hier hilft nur ein NPD-Verbot."

Und so zeigt sich einmal mehr, was eine Folge des gescheiterten NPD-Verbotes ist, das aufgrund der Schwemme von Verfassungs-Spitzeln unter den Rechtsextremen nicht zustande gekommen war: Erst die Bundeswehr, dann der Reservistenverband - und ab geht es zum Waffenhändler. So kann eine rechtsextreme Schießkarriere laufen.

 http://www.taz.de/Neonazis-im-Reservistenverband/!79536/

Waffen über den Reservistenverband

()=? 07.10.2011 - 19:25

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Das — SEK...

Falsche Einschätzung — R.oland I.onas B.ialke

Na ja, — Diak

GOOD NIGHT PRIDE — Alice im Wunderland

Privatsphäre — nur