Solidarität mit kämpfenden Spätkauf-Kollegen
Am Mittwochabend wurde im Berliner Stadtteilladen Zielona Gora im Rahmen des Roten Abends der Internationalen Kommunist_innen (www.interkomm.tk) informiert, wie sich ein Beschäftigter eines Spätkaufs in Berlin-Friedrichshain gegen Niedriglohn und eine 60-Wochen-Stunde auf Minijobbasis wehrt. Auf der Veranstaltung wurde auch eine Solidaritätskampagne mit den kämpfenden Kollegen angekündigt.
Regelmäßige Indymedia-Leser_innen sind über den Konflikt schon informiert. Ein Beschäftigter eines Spätkaufs in Berlin-Friedrichshain wehrte sich gegen seine schlechten Arbeitsbedingungen und wurde daraufhin gekündigt. Ein Versuch von Kolleg_innen, durch ein Gespräch den Chef zur Rücknahme der Kündigung zu bewegen,.endeten mit einem Hausverbot der Kolleg_innen. Mittlerweile wurde der Kollege von ihm angezeigt, weil er über seine Arbeitsbedingungen informierte. Der lässt sich aber nicht einschüchtern und klagt nun mit Hilfe eines Anwalts und mit Unterstützung der anarchosyndikalistischen FAU den entgangenen Lohn ein. Diese juristische Auseinandersetzung ist beim gegenwärtigen Kräfteverhältnis eine notwendige Ebene. Wichtig ist aber auch eine Öffentlichkeits- und eine Solidaritätsarbeit, die den Kollegen den Rücken und Beschäftigten in ähnlicher Lage Mut macht, sich ebenfalls zu wehren und ihre Rechte einzufordern.
Zu Beginn der Veranstaltung erklärte der Kollege noch einmal, warum er sich auf diese Arbeitsverhältnisse eingelassen hat. Dabei wurde noch einmal deutlich, dass es nicht darum geht, einen Sptäkaufbetreiber als den Bösen hinzustellen. „Ziel unseres Angriffs ist vielmehr eine Politik, die ganz bewusst einen Niedriglohnsektor geschaffen hat, um den Preis der Ware Arbeitskraft zu senken“, erklärt ein Referent der Internationalen Kommunist_innen. Der Einzelhandel und auch die Gastronomie gehören insgesamt zu den beliebtesten Sektoren auf diesem Gebiet. So berichtete der Kollege, dass er ein unentgeltliches Praktikum in einem Plus-Markt gemacht hat, das vom Jobcenter genehmigt war. Damit sollte in Form einer Art Probezeit erkundet werden, welche besonders gut ausbeutbar sind. Die Hoffnung war groß, und deshalb ließen sich die Kolleg_innen vier Wochen von einer Chefin anschnauzen, wenn sie mal nicht schnell genug schufteten. Hätten sie selber gekündigt, wären sie beim Jobcenter sanktioniert wurden. Also schuftete unser Kollege vier Wochen umsonst und war dann froh, im scheinbar familiären Spätkauf einen Job zu finden. Schließlich waren dort alle per du und bald verwaltete der Kollege den Laden und war eine Art Filialleiter auf Minijobbasis. Daher fiel ihm anfangs der geringe Lohn und die lange Arbeitszeit gar nicht auf. Als er aber vergeblich um Urlaub bat, begann er zu erkennen, dass er auch Rechte hat. Eskaliert ist der Konflikt dann, als der Kollege forderte, dass eine Kamera, die ihn hinter der Kasse beobachten sollte, anders geschaltet werden sollte. Mittlerweile hat der Kollege ein Stellenangebot bekommen. Dort soll er ab 3 Uhr morgens Regale bei einem Discounter auffüllen, Nacharbeit auf Hartz IV-Basis, unterstützt vom Jobcenter.
Von den Emmelys dieser Welt -
Im Anschluss ging ein Genosse von der FAU auf die politischen Hintergründe des Falles ein. Die Grundlage ist der wachsende Niedriglohnsektor Einzelhandel, wo sich regerechte Ketten der Prekarität herausgebildet haben. Erwerblose, die mit Unterstützung des Jobcenter solche kleine Läden eröffnen, gehen ebenso dazu, wie Menschen mit Niedriglöhnen, die auf den Einkauf in solchen Löhnen angewiesen sind. Der Boom diese Läden sorgt wiederum für den Druck auf die Arbeitsbedingungen in Discountern und Einzelhandelsketten. Mit dem Verweis auch die Konkurrenz dieser Läden werden dort Löhne gesenkt und Arbeitszeiten erhöht. Mittlerweile gibt es viele Discounter mit Öffnungszeiten rund um den Uhr. In den Spätverkäufen wird das wiederum genutzt, um die Schraube noch mehr anzudrehen. Diese von der Politik gewollten Spirale der Verarmung einer ganzen Branche kann nur entgegen getreten, wenn sich die Kolleg_innen wiedersetzen.
Der Kollege ist ein Beispiel. Ein Genosse, der Internationalen Kommunist_innen erinnerte an den Kampf der Kaiser’s-Kassiererin Emmely, die nicht zufällig in der Einzelhandelsbranche mit ihren Kampf gegen die Kündigung wegen angeblicher Unterschlagung von Flaschenbonds Zeichen gesetzt hatte. Die Soziologin Ingrid Artus schrieb in einem Beitrag, dass der Kampf der „Emmelys dieser Welt“ unsere Solidarität braucht. Das sollte nun in dem ganz konkreten Fall umgesetzt werden.
- und den Kampf um ein solidarisches Netzwerk
Karl-Hein Schubert von der Trend-Onlinezeitung formulierte die Notwendigkeit, ein solidarisches Netzwerk zu schaffen, um den kämpfenden Kollegen zu unterstützen.
Das Beispiel ist das Online-Magazin. Weil es einen Bericht von Kolleg_innen des Spätkauf-beschäftigten abgdruckte, bekam Schubert als presserechtlich Verantwortlicher eine Abmahnung und sollte nicht nur den Artikel entfernen, die Autor_innen benennen sondern auch fast 800 Euro bezahlen. Dass sei eine besondere Form von Einschüchterung, betonte Schubert. Er ließ sich nicht einschüchtern und nahm auch den juristischen Kampf auf. Mittels einer Schutzschrift sicherte er sich ab und so konnte verhindert werden, dass der Artikel entfernt werden und damit der Kampf des Kollegen geschwächt würde. Auf Trend wurde mittlerweile ein Solidaritätsaufruf veröffentlicht ( http://www.trend.infopartisan.net/trd0911/t640911.html). Auch am Roten Abend wurde ein kleiner Geldbetrag gesammelt. Dabei geht es nicht um die Unterstützung eines kritischen Internetmagazins sondern auch um die Solidarität mit dem Kollegen. Auch er wurde angezeigt, fühlte sich bei einem Besuch in der Nähe des Spätkaufs bedroht und braucht daher Unterstützung. Die Veranstaltung war daher der Startschuss einer Solidaritätskampagne, an der sich die FAU, die Internationalen Kommunist_innen, Kund_innen des Spätkaufs, Nachbar_innen in Friedrichshain, denen es nicht egal ist, wie die Arbeitsbedingungen in der Nachbarschaft sind, beteiligen. Das primäre Ziel ist die Solidarität mit den Kollegen bei der Durchsetzung seiner Lohnforderungen. Dass kann wiederum Kolleg_innen in ähnlicher Situation Mut machen, sich ebenfalls zu wehren.
Damit soll aber auch deutlich werden, dass es nicht um einen “bösen Chef“ sondern um kapitalistische Verwertung geht, die hier an einen konkreten Fall angegriffen wird. Es soll damit auch eine Organisierung im Stadtteil erreicht werden. Anders als bei Großbetrieben gibt es eben in Spätverkäufen keine solidarische Kolleg_innen,, die auch Druckmittel wie Streiks zur Durchsetzung ihrer Forderungen einsetzen können. Daher braucht es die Unterstützung aus der Nachbarschaft. In den USA gibt es dafür den Begriff des City-Organizing. Nun wird sich zeigen, ob in einem Stadtteil, wie Berlin-Friedrichshain, wo es viele linke Projekte, auch diese Unterstützung praktisch wird. . Ein Datum steht schon fest. Am 26. Oktober soll es um 18 Uhr in der Nähe der U-Bahn Samariterstraße eine Solidaritätskundgebung mit den Kollegen geben.
Zu Beginn der Veranstaltung erklärte der Kollege noch einmal, warum er sich auf diese Arbeitsverhältnisse eingelassen hat. Dabei wurde noch einmal deutlich, dass es nicht darum geht, einen Sptäkaufbetreiber als den Bösen hinzustellen. „Ziel unseres Angriffs ist vielmehr eine Politik, die ganz bewusst einen Niedriglohnsektor geschaffen hat, um den Preis der Ware Arbeitskraft zu senken“, erklärt ein Referent der Internationalen Kommunist_innen. Der Einzelhandel und auch die Gastronomie gehören insgesamt zu den beliebtesten Sektoren auf diesem Gebiet. So berichtete der Kollege, dass er ein unentgeltliches Praktikum in einem Plus-Markt gemacht hat, das vom Jobcenter genehmigt war. Damit sollte in Form einer Art Probezeit erkundet werden, welche besonders gut ausbeutbar sind. Die Hoffnung war groß, und deshalb ließen sich die Kolleg_innen vier Wochen von einer Chefin anschnauzen, wenn sie mal nicht schnell genug schufteten. Hätten sie selber gekündigt, wären sie beim Jobcenter sanktioniert wurden. Also schuftete unser Kollege vier Wochen umsonst und war dann froh, im scheinbar familiären Spätkauf einen Job zu finden. Schließlich waren dort alle per du und bald verwaltete der Kollege den Laden und war eine Art Filialleiter auf Minijobbasis. Daher fiel ihm anfangs der geringe Lohn und die lange Arbeitszeit gar nicht auf. Als er aber vergeblich um Urlaub bat, begann er zu erkennen, dass er auch Rechte hat. Eskaliert ist der Konflikt dann, als der Kollege forderte, dass eine Kamera, die ihn hinter der Kasse beobachten sollte, anders geschaltet werden sollte. Mittlerweile hat der Kollege ein Stellenangebot bekommen. Dort soll er ab 3 Uhr morgens Regale bei einem Discounter auffüllen, Nacharbeit auf Hartz IV-Basis, unterstützt vom Jobcenter.
Von den Emmelys dieser Welt -
Im Anschluss ging ein Genosse von der FAU auf die politischen Hintergründe des Falles ein. Die Grundlage ist der wachsende Niedriglohnsektor Einzelhandel, wo sich regerechte Ketten der Prekarität herausgebildet haben. Erwerblose, die mit Unterstützung des Jobcenter solche kleine Läden eröffnen, gehen ebenso dazu, wie Menschen mit Niedriglöhnen, die auf den Einkauf in solchen Löhnen angewiesen sind. Der Boom diese Läden sorgt wiederum für den Druck auf die Arbeitsbedingungen in Discountern und Einzelhandelsketten. Mit dem Verweis auch die Konkurrenz dieser Läden werden dort Löhne gesenkt und Arbeitszeiten erhöht. Mittlerweile gibt es viele Discounter mit Öffnungszeiten rund um den Uhr. In den Spätverkäufen wird das wiederum genutzt, um die Schraube noch mehr anzudrehen. Diese von der Politik gewollten Spirale der Verarmung einer ganzen Branche kann nur entgegen getreten, wenn sich die Kolleg_innen wiedersetzen.
Der Kollege ist ein Beispiel. Ein Genosse, der Internationalen Kommunist_innen erinnerte an den Kampf der Kaiser’s-Kassiererin Emmely, die nicht zufällig in der Einzelhandelsbranche mit ihren Kampf gegen die Kündigung wegen angeblicher Unterschlagung von Flaschenbonds Zeichen gesetzt hatte. Die Soziologin Ingrid Artus schrieb in einem Beitrag, dass der Kampf der „Emmelys dieser Welt“ unsere Solidarität braucht. Das sollte nun in dem ganz konkreten Fall umgesetzt werden.
- und den Kampf um ein solidarisches Netzwerk
Karl-Hein Schubert von der Trend-Onlinezeitung formulierte die Notwendigkeit, ein solidarisches Netzwerk zu schaffen, um den kämpfenden Kollegen zu unterstützen.
Das Beispiel ist das Online-Magazin. Weil es einen Bericht von Kolleg_innen des Spätkauf-beschäftigten abgdruckte, bekam Schubert als presserechtlich Verantwortlicher eine Abmahnung und sollte nicht nur den Artikel entfernen, die Autor_innen benennen sondern auch fast 800 Euro bezahlen. Dass sei eine besondere Form von Einschüchterung, betonte Schubert. Er ließ sich nicht einschüchtern und nahm auch den juristischen Kampf auf. Mittels einer Schutzschrift sicherte er sich ab und so konnte verhindert werden, dass der Artikel entfernt werden und damit der Kampf des Kollegen geschwächt würde. Auf Trend wurde mittlerweile ein Solidaritätsaufruf veröffentlicht ( http://www.trend.infopartisan.net/trd0911/t640911.html). Auch am Roten Abend wurde ein kleiner Geldbetrag gesammelt. Dabei geht es nicht um die Unterstützung eines kritischen Internetmagazins sondern auch um die Solidarität mit dem Kollegen. Auch er wurde angezeigt, fühlte sich bei einem Besuch in der Nähe des Spätkaufs bedroht und braucht daher Unterstützung. Die Veranstaltung war daher der Startschuss einer Solidaritätskampagne, an der sich die FAU, die Internationalen Kommunist_innen, Kund_innen des Spätkaufs, Nachbar_innen in Friedrichshain, denen es nicht egal ist, wie die Arbeitsbedingungen in der Nachbarschaft sind, beteiligen. Das primäre Ziel ist die Solidarität mit den Kollegen bei der Durchsetzung seiner Lohnforderungen. Dass kann wiederum Kolleg_innen in ähnlicher Situation Mut machen, sich ebenfalls zu wehren.
Damit soll aber auch deutlich werden, dass es nicht um einen “bösen Chef“ sondern um kapitalistische Verwertung geht, die hier an einen konkreten Fall angegriffen wird. Es soll damit auch eine Organisierung im Stadtteil erreicht werden. Anders als bei Großbetrieben gibt es eben in Spätverkäufen keine solidarische Kolleg_innen,, die auch Druckmittel wie Streiks zur Durchsetzung ihrer Forderungen einsetzen können. Daher braucht es die Unterstützung aus der Nachbarschaft. In den USA gibt es dafür den Begriff des City-Organizing. Nun wird sich zeigen, ob in einem Stadtteil, wie Berlin-Friedrichshain, wo es viele linke Projekte, auch diese Unterstützung praktisch wird. . Ein Datum steht schon fest. Am 26. Oktober soll es um 18 Uhr in der Nähe der U-Bahn Samariterstraße eine Solidaritätskundgebung mit den Kollegen geben.
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(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
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Ergänzungen
presse zum dem fall
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F10%2F07%2Fa0149&cHash=315583a9c3
Neues Deutschland: ++
http://www.neues-deutschland.de/artikel/206864.bier-und-paeckchen-kippen-und-ausbeutung.html
In diesem Zusammenhang auch...
http://www.trend.infopartisan.net/trd0911/t640911.html
Labournet ebenfalls abgemahnt
Lieber Späti als nie?
http://www.fau.org/artikel/art_110923-124300
Einstw. Verfügung gegen TREND
Artikel der FAU dazu
Darin heißt es auch:
> Beschäftigte in Berliner Späti-Läden, die mit ihrer Situation unzufrieden und an einem Austausch
> interessiert sind, können sich gerne bei der FAU Berlin melden. Kontakt: faub-spaeti(a)fau.org.
fette
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Name?
Wow!
Verbrauchertipp
Wer in Spätis einkauft oder arbeitet, is selber schuld. Ein berlin-typisches Phänomen. Jeder weiß doch, dass die meisten in den Händen einiger mafiöser Großfamilien sind, mit Wucherpreisen abzocken und eine gesetzliche Lücke nutzen für ihre Arbeitnehmer_Innen-feindliche Öffnungszeiten.
Discounter boykottiere ich auch, weil ich die Geiz ist geil Mentalität auf dem Rücken der Löhne der Arbeitnehmer_Innen zum kotzen finde. Wer bereit ist, nur 55cent für nen Liter Milch zu zahlen, weiß auch, dass er damit jemanden ausbeutet. Dann doch lieber nur Leitungswasser, dafür aber mit reinem Gewissen.
Bioläden oder der Bauer aufm Boxi sind Teil der von der Bionadebourgeosie vorangetriebenen gentrification und gehen schonmal garnich.
naiv?
Das Schwein hat seine Läden in der Sama 3
Freiwilligkeit - Reaktanz - Liebe
Eine Kürzung von 10, 30 oder 100 Prozent wegen "Arbeitsverweigerung" oder "schuldhafter Kündigung" dürfte für viele Menschen eine Hürde sein und so steigen sie nicht aus einem Arbeitsverhältnis aus, dessen Bedingungen sie nicht wollen. Die Problematik eines "Nein heisst Nein" ist ja, dass viele Menschen im Angesicht von Realitäten nicht oder nur in geringen Maßen wissen was sie wollen und/oder ihren Willen nicht verständlich ausdrücken können. Das gilt sowohl für die Arbeitgebungs- als auch für die Arbeitnehmungsseite.
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg
Schon in der Bibel gibt es diese Situation. Nämlich im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg - http://de.wikipedia.org/wiki/Gleichnis_von_den_Arbeitern_im_Weinberg - Dieses Gleichnis offenbart einige Dinge. Die Kontrolle über die Produktionsmittel liegen nicht bei allen Verhandlungsparteien, sondern bei einer Person - dem Herrn - die daraus resultierend in den Verhandlungen eine bessere Position inne hat. Nun könnte man ja meinen, dass diese Person keine Arbeit hat, jedoch dürfte die Koordinierung der Produktion, die Verteilung der Produktionsmittel und die Auszahlung des Lohns eine wertvollere Leistung sein als nur ein Arbeiter im Weinberg vollbringt. Die bessere Position ist also gerechtfertigt. Die Frage muss aber sein, wie die bessere Position vergeben wurde und ob die bessere Position auch besser entlohnt werden soll. Nebenbei wäre es radikal zu Fragen, ob Lohn überhaupt gerecht ist. In diesem Gleichnis wird aber angedeutet, dass alle ihr Auskommen haben müssen und die Frage der erbrachten Leistung weniger zählt als das Auskommen der mehr oder weniger arbeitenden Menschen. Dieses Gleichnis ist also Vorbild eines Bedingungslosen Grundeinkommen - beschreibt aber zugleich auch die Vertragsfreiheit.
Wenn jemand etwas freiwillig tut - z.B. weil jemand seien Arbeit liebt - dann kann diese Person auf eine Entlohung der Arbeit verzichten. Wenn jemand beispielsweise für Antifagruppe XY Flyer verteilst, dann kommt er oder sie danach ja auch nicht angerannt und will plötzlich dafür Geld haben. Wenn aber jemand mit dieser Arbeit Geld verdienen will, dann geht er zu Antifagruppe XY und einigt sich auf einen Lohn. Ich recherchiere gerade zum Thema Strassenprostitution/Sexarbeit und dort ist es ja ähnlich und viel deutlicher: Entweder Du machst etwas freiwillig oder in Abhängigkeit der Bedürfnisse. In der Abhängigkeit selbst gibt es dann noch eine "selbstbestimmte Vertragsgebundenheit" oder die grenzverletzende Erfüllung der Bedürfnisse. Die Abhängigkeiten sind hierbei wechselseitig.
In der feministischen Kritik an den Praktiken von Versionen der "Reproduktion der Arbeitskraft" zeigt sich der Unterschied zwischen Liebe und Entlohnugsdenken. Eine Abhängigkeit, z.B. die Bedürfnisse nach Sex, Anerkennung oder Fortpflanzung, besteht in einer Beziehung zwischen zwei Menschen. Da es aber Millionen von Menschen gibt, dürfte sich die Abhängigkeit auch auf andere Bedürfnisse oder Ängste beziehen. In einer Vertragsbeziehung wo sich alle Vertragspartner und Vertragspartnerinnen sich wohl fühlen, wird sich gegenseitig mehr oder weniger umsorgt. Das ohne der Arbeit einen Wert zu geben. Also auch nicht, dass eine Frau mehr 5 mal mehr das Abendbrot macht oder 10 mal mehr im Monat die Kinder vom Kindergarten abholt. Doch gibt es diese Liebe plötzlich nicht mehr, dann hat die Arbeit plötzlich einen Wert und die sich ungerecht behandelt fühlenden Personen wollen einen Ausgleich für ihre Arbeit haben. Bei einem in der Beziehung enstandenen Kind (u.a.) ist eine unabhängige Vertragsverhandlung dann sicher nicht mehr möglich und so werden immer öfter übergeordnete Insanzen (z.B. Gerichte) angerufen.
Und so ist es dann auch bei dem hier genannten Späti-Arbeiter. Im Gegensatz zu familiären Angelegenheiten dürfte es jedoch einen Arbeitsvertrag geben. Dort dürfte auch drin stehen, wie Überstunden entlohnt. Viele kennen aber auch die Reaktanz, die in dem Werk über die Abenteuer vom Tom Sawyer deutlich wird. Tom Sawyer muss einen Zaun streichen, macht das aber den Vorbeikommenden schmackhaft und verdient daran, dass andere seine Arbeit machen. Die Frage ist also, ob der Arbeitgeber auch wirklich Arbeitgeber war - oder kein (ungewollter) Dienstleister. Wenn die Arbeitsstunden, die über der im Arbeitsvertrag genannten Arbeitsstunden liegen, geleistet wurden, ohne dass es einen gesonderten (vielleicht auch mündlichen) Vertrag gibt, dann könnte es tatsächlich so sein. Die Frage wäre auch hier, ob es sittenwidrig/legal ist von reaktantem Verhalten zu profitieren.
http://de.wikipedia.org/wiki/Reaktanz_(Psychologie)
Ein anderes Problem ist, dass viele Bedürfnisse, die eigentlich vor einem Verhältnis zwischen Personen vereinbart werden müssten, erst während der vereinbarten Tätigkeit erkennbar werden. Von daher müssten libertäre Kräfte eigentlich unbefristete Arbeitsverträge angreifen und ergebnisorientierte Kurzzeit-Entlohnung bevorzugen.
Da es sich in Deutschland mit Arbeitslosengeld 2 und ein paar hundert Euro zusätzlich nach meinen Bedürfnissen nicht gut Leben lässt, kann ich den genannten Späti-Verkäufer nur unterstützen. Auch wenn er anscheinend nicht fähig ist freie Vereinbarungen zu treffen. Es geht mir in bestimmten Situationen ähnlich. Mich interessieren aber auch die Verhältnisse des Arbeitgebers / Spätverkauf-Betreibers. Ich glaube nicht, dass es sich um einen "Feind" handelt, sondern dieser auch Abhägigkeiten unterliegt und er auch nicht den grossen Gewinn macht.
Erst das Fressen, dann die Moral - und einige werden beim Fressen eben fetter als andere...
5 finger