Auf dem rechten Auge blind

Hypokritable 30.09.2011 13:35 Themen: Antifa Antirassismus Medien
Ergebnis des letzten Verhandlungstages im Ostkurvensaal Fall, anlässlich des brutalen Übergriffs (im Bremer Weserstadion) von einer Nazi-Hooligan Bande, auf eine Veranstaltung der antirassistischen Ultra-Gruppe "Racaille Verte" im Jahr 2007.
Protokoll/Bericht des letzten Verhandlungstages am 29.09.2011

Am Eingang des Amtsgerichtes Bremen wurden, nach der berechtigten negativen Berichtserstattung über das Gericht und seinen Bediensteten, nun die Kontrollen vor dem Gerichtssaal verstärkt und diesmal hierdurch sichtlich den Einschüchterungsversuchen der Nazi-Hools entgegengewirkt.

In der letzten Woche war es unter anderem den Nazis durch die offensichtliche Untätigkeit der Beamten gelungen, ungehindert Beleidigungen und Drohungen gegen Zuschauer_innen des Prozesses auszusprechen. Eine Anwältin, die als Prozessbeobachterin erschien, hatte die Möglichkeit die erniedrigenden Beleidigungen gegen ihre Person festzuhalten und brachte diese Straftat auch zur Anzeige (Vgl. letzter Bericht).

Das die Verteidiger heute in ihrer, an die die Öffentlichkeit und Medien gerichtete schwachen Rede, über Moral und Anstand auch den Versuch wagten, ihre Mandaten und deren Gefolgschaft lediglich als Opfer einer Hetzkampagne darzustellen, mag auch in Anbetracht der Geständnisse der Angeklagten, nicht davon ablenken, welch Geistes Kind diese Täter wirklich sind.

Die Verteidiger (RA) der Bremer Nazi-Hooligans im OKS Fall:

Hannes Ostendorf verteten durch RA Arnd Hohnstädter
Ingo Boeckmann verteten durch RA Matthias B. Koch
Gerry Bakker verteten durch RA Mark Braeske
Mirko Strube verteten durch RA Christof W. Miseré
Mirko Hohnstein verteten RA durch Mario Thomas
Nicolas Hahn verteten durch RA Stephan Weinert
Andre Sagemann verteten durch RA Wilfried Behrendt

Ergebnisse der Verhandlung/ des Deals:

Andre Sagemann. stimmte dem Vorwurf des schweren Hausfriedensbruchs zu, lehnte jedoch zunächst jede Beteilligung an der gefährlichen Körperverletzung ab. RA Behrendt wies in diesem Zusammenhang nachdrücklich darauf hin, dass er es „nicht mit seinen Prinzipien vereinbaren“ könne, etwas zu erklären, wovon er „keine Kenntnis“ habe.

Unter dieser Voraussetzungen wollte die Staatsanwaltschaft (StA) den Deal nicht annehmen und forderte von dem Angeklagten ein umfassendes Geständnis, da für ihn sonst das „niedrige Strafmaß nicht als angemessen“ zu sehen sei. Ansonsten zöge man eine Abtrennung des Verfahrens in Erwägung, in dem der Angeklagte Sagemann gesondert vor Gericht stehen würde.

Diese Auseinandersetzung zwischen Verteidiger und StA führte dazu, dass Sagemann spürbar unsicherer darin wurde, wie er sich noch zur Sache äußern sollte, Offensichtlich war die Taktik des Verteidigers Behrendt nicht aufgegangen und so zogen er und sein Mandant Sagemann sich zur kurzen Beratung zurück. Bis dahin hatte Sagemann auch auf die Frage des Vorsitzenden hin, noch jegliche Beteiligung an der gefährlichen Körperverletzung verneint. Schon gleich nach Rückkehr in den Gerichtssaal knickte Sagemann dann doch noch ein, mit der merkwürdigen Äußerung: „Ich nehme das Urteil an!“. - Dieses undeutlich geäußerte Geständnis genügte dem StA nicht. Daher forderte dieser von Sagemann ein deutliches zu verstehenden „Ja““ zu dem Vorwurf der schweren Körperverletzung. Sagemann folgte dem kleinlaut und das Gericht nahm das volle Schuldeingeständnis des Angeklagten zu Protokoll.

Als Beweismittel wurde ein ärztliches Dokument durch das Gericht verlesen, das darin feststellte, das eines der angegriffenen Opfer eine „Nasenbeinfraktur“ erlitten hatte, welche eine „Nasenreposition“ und in diesem Zusammenhang einen dreitägigen „stationären Klinikaufenthalt“ erforderlich machte.

Fragen des Gerichts zu den Verhältnissen der Angeklagten:

Mirko Hornstein, der angab noch Zuhause zu wohnen, bezeichnete sich im Zusammenhang mit seiner wirtschaftlichen Situation als ein „Einzelkämpfer“, der zuletzt einer Tätigkeit im Sicherheitsgewerbe nachging. Nach eigenen Angaben Hornsteins, hatte das Unternehmen Peek & Cloppenburg, für das Hornstein als Sicherheitsdienstleister arbeitete, das Vertragsverhältnis fristgerecht zum Ende August 2011 beendet. Ob ein Zusammenhang mit seiner Anklage und dem zu befürchtenden Imageverlust für das Unternehmen P & C, zu der Kündigung geführt haben könnten, wurde indes nicht deutlich.

Hannes Ostendorf, der seit einigen Jahren das Geschäft Baguette de France in Bremen Lilienthal führt, lies durch seinen Verteidiger heftigste Kritik gegen die Berichtserstattung laut werden. Nach Auffassung des Verteidigers würde durch die ungerechtfertigten medialen Darstellungen und Vorwürfe, Ostendorfs „wirtschaftliche Existenz vernichtet“. Die Verteidigung brachte leider keinen Beweis zu ihrer Behauptung. Eine schlechte Geschäftsführung oder lokale Marktsättigung wurden nicht erwogen.

Die Verteidiger schlossen ihre Position mit befremdlichen Lobes-Hymnen an den Vorsitz und der Staatsanwaltschaft, weil diese sich „bei ihren Entscheidungen“ nicht von der Demonstration (am Vortag 28.09.11) und der öffentlichen Meinung beeinflussen ließen. Einer der Verteidiger schwadronierte über das dritte Reich, durch die verfehlte Auffassung, die Kritiker und Demonstranten forderten für die Angeklagten Mittel des Rechtsstaates nicht anzuwenden und schließlich würde diese „Haltung die des dritten Reiches“ entsprechen. Zudem könne ihren Mandanten nicht der Vorwurf gemacht werden, „Rechts“ zu sein. Die Verteidigung sähe keinen Anhaltspunkt dafür. Diese Äußerung eines Verteidigers, brachte doch einige Ablehnung und Gelächter aus dem Zuschauerraum.

Wie schon in der letzten Woche abzusehen war, wurden Boeckmann, Bakker, Hahn, Strube, Ostendorf bezüglich der Anklage des schweren Hausfriedensbruchs geständig. Hornstein und Sagemann sind des „schweren Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit gefährliche Körperverletzung“ geständig. Dies sind auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verständigung (Deal) zwischen dem Gericht und den anderen Verfahrensbeteiligten. Bedenkt man das einige der Angeklagten schon seit Jahren immer wieder wegen Körperverletzungsdelikten und anderer ähnlicher Taten vor Gericht standen und bedenkt man das gerade hier es der Justiz möglich gewesen wäre die Angeklagten vor spürbare Konsequenzen zu stellen, bringt es Unverständnis hervor, wenn sich die Verfahrensbeteiligten auf eine Verständigung einigen, ohne das es hierzu tatsächlich Anlass gegeben hat. Das Gericht ist weder an eine Verständigung gebunden, noch kann sie bei der Mehrheit der Zeugenaussagen und dem offensichtlichen Hintergrund des Überfalls auf die Veranstaltung von Racaille Verte ausschließen, das hier tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind. Einen Prozess anzustreben, um Licht ins braune Dunkel zu bringen, wäre erste Aufgabe des offensichtlich erschöpften Gerichts gewesen.

Dieses Signal der Justiz hat nur eine verheerende Botschaft an Organisationen, Verbände, Gruppen und Einzelpersonen, die sich mit viel Risiko und Engagement gegen rechte Strukturen und Rechte Organisationen wie die, deren Teile wir vor Gericht erlebt haben, wenden. Bestraft werden nicht die rechtsextremen und rechtsradikalen Täter_innen, bestraft werden Menschen mit Zivilcourage, die sich gegen den braunen Mob mit friedlichen Mitteln zur Wehr setzen!

Abspann:

Der StA monierte, dass das „unkooperative Aussageverhalten der Geschädigten“ den langen Zeitraum bis zum Prozessbeginn maßgeblich verursachte habe. Des Weiteren sei für ihn die Beweislage auch „insgesamt schwierig“.

Gibt man zu bedenken, dass der ursprünglich mit den Prozess befasste StA Picard kurz vor Prozessbeginn den Urlaub antrat und es wohl kaum möglich war, einen so langwierig vorzubereitenden Prozess einfach dem Kollegen angemessen zu überantworten, mag sicherlich die Beweislage für den Vertreter schwierig erscheinen. Wie der ursprünglich mit dem Fall betraute StA Picard die Beweislage bewertet hätte, wird die Öffentlichkeit leider nicht mehr erfahren. Die stetigen Einschüchterungsversuche der Nazis in den ganzen Jahren vor dem Prozess auf die Zeugen, nun den Zeugen zum Vorwurf zu machen, zeigt wie Weltfremd so ein Prozess geführt wird.

Auch muss sich das Gericht der Kritik aussetzen, durch unerklärlich lange Zeiträume bis zur Verhandlung, die Angeklagten erst in den Genuss eines mehr als fragwürdigen Deals gebracht zu haben, wohl wissend um die eigene Überlastung und um die Möglichkeit, hier ebenso schnell und billig aus dem Licht der Öffentlichkeit zu entkommen, wie auch die Angeklagten.

So strebt man hier statt eines Hauptverfahrens, eine rein unter ökonomischen Erwägungen geführte Verständigung an und gibt sich keine Mühe der Tatsache ins Auge zu sehen, dass dieser Prozess mitnichten eine „familieninterne Streitigkeit“ unter Fußballfans war, sondern ein politischer. Die stetige Überlastung der Gerichte und dem inflationärem Gebrauch der StPO Verständigung (Deal) ist ebenso einer politischen Ursache geschuldet, wie es die Übergriffe der Nazi-Hooligans auf das antirassistisches Fest der „Racaille Verte“ Gruppe im Jahr 2007 war.

Man muss schon eine gehörige Portion Naivität oder Ignoranz mitbringen, hier nicht den Überfall als einen politisch motivierten zu erkennen sowie auch jeden Versuch der Relativierungen und Einschüchterungen gegen die Kritiker solch eines desaströsen Gerichtsverfahrens oder

einfach nur auf dem rechten Auge blind.
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Ergänzungen

Hannes Ostendorf?

frage 30.09.2011 - 14:33
ist das der sänger von kategorie c, der dort angeklat war. wenn ja, weshalb wird das nirgendwo erwähnt?

Jap

frrranz 30.09.2011 - 15:35
Ja, es ist Hannes Ostendorf, der Sänger von KC und Nahkampf. Warum das im Artikel keine Erwähnung fand, weiß ich auch nicht, es hätte allerdings eine genauere Beleuchtung von KC notwendig gemacht, denn offiziell ist KC ja eben eine völlig unpolitische Hooliganband, so wie das Gericht eben den Angriff auch als unpolitischen Hooliganangriff sieht.

Vielleicht erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass Hannes Ostendoof wegen schwerer Brandstiftung und Verstoßes gegen das Waffengesetzes bereits zu 2 Jahren verurteilt wurde. Die Veruteilung erging wegen eines Brandanschlages auf ein Flüchtlingsheim.

Rechtsanwälte

Antifaschist 02.10.2011 - 12:48
Bemerkenswert ist, dass die 7 Angeklagten letztlich von zwei Anwaltskanzleien vertreten wurden:

Der einschlägig bekannten Kanzlei RAe Braeske, Hohnstädter, Thomas, Thomasiusstraße 21
04109 Leipzig

sowie der Bremer Kanzlei RAe Behrendt, Koch, Weinert, Schlachte 30A, 28195 Bremen
(nach meinem Kenntnisstand haben die auch bereits Angeklagte aus dem Prozess gegen die Angreifer des Lidice-Haus vertreten).

Besonders RAe Behrendt und Koch haben sich hervorgetan, indem sie den Antifaschisten unterstellten, sie würden Zustände "wie im 3. Reich" fordern und letztlich schlimmer sein als ihre Mandanten...

RA Christof Misere, Kalker Hauptstraße 78
51103 Köln hängt wohl ausweislich seiner Homepage irgendwie mit RA Koch verseilschaft (Vielleicht die gleiche schlagende Verbindung zu Studienzeiten - könnte das mal jemand recherchieren und die Erkenntnisse hier Posten bzw. der Bremer Antifa zur Verfügung stellen?)

Das RA Behrendt sich diesebzüglich als "bekennender Alt-Linker" bezeichnet heißt nichts - Horst Mahler war auch zu NPD-Zeiten "bekennender Alt-Linker".

Keinen Fußbreit den Faschisten!