Bulgarien: Gewalttätige Übergriffe auf Roma

Klaus Maffei 28.09.2011 00:50 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
Ein Vorfall in der Stadt Katunitza ist von rechten Gruppen, Hooligans und Parteien missbraucht worden, um in Bulgarien nationale Krawalle vom Zaun zu brechen. In vielen Städten gibt es bis zur Stunde Demonstrationen und Versuche von Hooligans und Neonazis Zugang zu Vierteln zu bekommen, in denen Roma leben. Die Präsidentschafts- und Kommunalwahlen am 23. Oktober stacheln die Übergriffe noch zusätzlich an. Im Folgenden soll anhand von Augenzeugen- und Medienberichten versucht werden, die derzeitige Situation in Bulgarien zu beschreiben...
Freitag, 23. September

Am Freitag, den 23. September stirbt der 19-jährige Angel Petrov in Katunitza, einer knapp 3000 Einwohner Stadt. Angeblich soll ein Bekannter der für Kiril Raşkov, einem Mafiaboss, arbeitet den Kleinbus gefahren haben, von dem der Jugendliche überfahren wird. Gerüchte besagen, der Unfall war absichtlich herbeigeführt worden. Der Fahrer flieht vom Unfallort, vor dem Haus von Raşkov gibt es erste Proteste.


Samstag, 24. September

In Katunitsa kommt es abermals zu Protesten gegen den fast 70-jährigen Mafiaboss, hunderte Fußballhooligans kommen hinzu. In Folge brennt zunächst ein Haus der Familie und ein Mercedes, die Polizei greift zunächst nicht ein. Später kommen weitere Polizeieinheiten aus Plovdiv, sie können den Brand von zwei weiteren Häusern in verschiedenen Bereichen der Stadt nicht stoppen. Einige Anhänger des regionalen Fussballclubs Botev versammeln sich und singen rechtsradikale Lieder. Der herzkranke 16-Jährige Pavel Tolev bricht während der Riots zusammen und stirbt später im Hospital. Die Polizei bringt Kiril Raşkov und seine Angehörigen unter starkem Polizeischutz aus der Stadt. Es gibt 24 Festnahmen, 3 Polizisten und 2 Zivilisten werden verletzt.

Demonstranten in der Stadt Plovdiv im Viertel Stolipinovo, einem Viertel mit hoher Roma Population, versuchen einen Club in Brand zu stecken. In der Dzhumaya Moschee kommt es zu Angriffen auf eine türkische Hochzeit.


Sonntag, 25. September

Am Sonntag, den 25. September versammeln sich Demonstrierende auf dem Saedinenie Platz in Plovdiv. Hier nehmen hunderte von Bikern teil, sie kommen von einem Treffen in Sopot. Die Demonstrationen werden größtenteils auf Facebook organisiert, es wird zu Anti-Roma-Kundgebungen aufgerufen und es existieren Facebook-Gruppen mit Namen wie "Tod Zar Kirov - Auge um Auge, Zahn um Zahn". Die Partei Ataka ruft ebenso zum Protest gegen die Roma auf. Hunderte von Roma verlassen ihre Häuser und blockieren eine Straße in der Nähe des Maritsa Flusses. Auf Grund der hohen Gewaltbereitschaft der Demonstrierenden haben sich einige von ihnen mit Stöcken bewaffnet.

Laut Radio Bulgarien sollen 5000 Menschen auf dem Friedhof in Katunitza an der Beerdigung von Angel teilgenommen haben, die Polizei ist in der Stadt massiv präsent.

Der Unfallverursacher wird von der Polizei in der Nähe der türkischen Grenze festgenommen.


Montag, 26. September

Hunderte gewalttätige Demonstranten werden in Plovdiv festgenommen, die aus einer Demonstration ausbrechen wollen. Die Anzahl der Demonstrierenden beträgt dort 3000, sie werfen mit Steinen, Flaschen oder sogar Straßenschildern. Die Menge besteht aus vielen rechten Gruppen, Neonazis und Fußballhooligans. Auf dem Maria Luiza Boulevard kommt es zu Ausschreitungen als die Menge nach Adzhasan Mahala, einem Roma Viertel, vorrücken will. Ein Kameraman des Senders bTV wird angegriffen, seine Kamera zerstört, er flüchtet in seinem Auto.

In Sofia protestieren ungefähr 1500 Menschen, einige von ihnen versuchen das Parlament und die Moschee anzuzünden, dieser Versuch scheitert jedoch. Die Protestierenden rufen dabei Dinge wie: "sterbt Zigeuner!", "Zigeuner zu Suppe", oder "Türken unters Messer". Ebenso versuchen einige Protestierenden in benachbarte Roma Viertel zu gehen, was allerdings durch die starke Polizeipräsenz verhindert wird.

Auch in Varna versammeln sich Tausende, Gruppen versuchen in Roma Gebiete zu gelangen, dies scheitert jedoch ebenfalls, es gibt mindestens 18 Festnahmen.

In Pleven wird die Hauptverwaltung der "Bewegung für Rechte und Freiheit" angezündet, einer Organisation der türkischen Minderheit.

In Burgas gibt es einen Versuch einige Roma Frauen zu kidnappen, dies wird durch die Polizei verhindert. Einer der Veranstalter der Proteste wird verhaftet, 600 Menschen nehmen am Protest teil.

Auch in Pazardzhik und Veliko Tarnovo gibt es Proteste.

In Katunitza wird ein "Tag der Trauer" begangen, Bulgariens Staatspräsident Georgi Parvanov und Ministerpräsident Boiko Borissov rufen zum Frieden zwischen den Volksgruppen auf.

In ganz Bulgarien sind bisher 127 Leute wegen der nationalistischen Krawalle festgenommen worden.


Dienstag, 27. September

Die Proteste beginnen um 19:00, es gibt erste Nachrichten aus einigen Städten.

In Varna stehen 1000 Menschen vor dem Roma Viertel Maksuda, es gibt zahlreiche Verhaftungen als sie versuchen das Viertel zu betreten.

In Sofia sind Sirenen zu hören, es gibt Gerüchte über Ausschreitungen in Downtown Sofia, in der Nähe des Parlaments, die aber von der Polizei gestoppt wurden.


Videos zu den Protesten und Ausschreitungen:

 http://www.youtube.com/watch?v=OCfSlT4w2jc&feature=player_embedded

 http://www.youtube.com/watch?v=OCfSlT4w2jc&feature=player_embedded

 http://www.youtube.com/watch?v=6BgOAhy8PZ8&feature=player_embedded

 http://www.youtube.com/watch?v=cjLCGYoYWK4&feature=player_embedded

 http://www.youtube.com/watch?v=KoJ033TMxHE&feature=player_embedded

 http://www.youtube.com/watch?v=sg7a_RG8LJg&feature=player_embedded
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Ergänzungen

Bulgarien hat ein Neo-Nazi Problem

Berthold 28.09.2011 - 09:16
In vielen Städten finden sich mittlerweile viele geschmierte Hakenkreuze und Parolen wie z.B. "Juden raus", "Alle Türken ins Massengrab", "Bulgarien über alles", "NS", auf den Straßen, auf Grabsteinen, auf den Wänden von Schulen und religiösen Stätten.

Die berüchtigten Fans aus Plovdiv (Lokomotiv Plovdiv) hatten früher eine Zaunfahne mit der (deutschen) Aufschrift "Gott mit uns", links und rechts eingerahmt von einem Hakenkreuz. Diese ist aber mittlerweile verboten.

Roma ein Teil von Bulgarien

Ingo 28.09.2011 - 09:18
Von den 7,3 Millionen Bulgaren hatten bei der Volkszählung Anfang des Jahres gut 325 000 der Befragten angegeben, zur Roma-Minderheit zu gehören. Nach Schätzungen sollen in Bulgarien aber sogar rund 500 000 Roma leben.

Guter Artikel auf Telepolis:

Ingo 28.09.2011 - 09:19

Neuigkeiten

POC 28.09.2011 - 14:21
Die Polizei nahm mittlerweile insgesamt 141 Personen fest, wie die zuständige Staatsanwaltschaft mitteilte. Sieben wurden im Schnellverfahren verurteilt. Der Fahrer soll nach dem Bericht von Augenzeugen mit Absicht gehandelt haben, und fuhr nach dem Zwischenfall davon. Inzwischen sagte er, er habe am Ort nicht angehalten, weil er geglaubt habe, nur einen Hund umgefahren zu haben. Der Mann wird jetzt von den Ermittlungsbehörden des Totschlags beschuldigt.

Kiril Raschkow verhaftet

Surfer 28.09.2011 - 14:30
Der als «Zar Kiro» (König Kiro) bekannte Kiril Raschkow (69) aus dem Dorf Katuniza, dessen Clan als Auslöser der teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen gilt, wurde wegen einer Morddrohung festgenommen. Das sagte Vize-Innenminister Kalin Georgiew dem privaten TV-Sender Nowa Telewisija in Sofia am Mittwoch. Er sei inzwischen nach Plowdiw überstellt worden.

Bei Protestmärschen gegen die Roma-Minderheit gab es in der Nacht zum Mittwoch wieder viele Festnahmen. Landesweit wurden 168 Demonstranten festgenommen. Einige von ihnen hatten nach Angaben des Innenministeriums Bomben, Messer und Schlagstöcke bei sich. Proteste gab es in 14 bulgarischen Städten. Bei ähnlichen Aktionen waren seit dem Wochenende 230 Menschen wegen Störung der öffentlichen Ordnung festgehalten worden.

Quelle:  http://www.ahlener-zeitung.de/aktuelles/politik/wn_mobile_politik/1705506_Bulgarischer_Roma_Boss_Zar_Kiro_festgenommen.html

Antiziganistische Ausschreitungen überall ..

a3yo 29.09.2011 - 01:08
Bulgarien: Antiziganistische Ausschreitungen überall im Land

Seitdem am 23.September ein junger Mensch im bulgarischen Dorf Katunitza bei Plovdiv durch die örtliche Mafia ums Leben kam, nutzen faschistische Gruppen und andere Rassist_innen im ganzen Land den Vorfall, um anfangs legitime Proteste gegen Mafiastrukturen in “ethnische” Pogrome gegen Roma umzumünzen, Häuser anzuzünden und Romaviertel mit Waffen anzugreifen.

Kiril Rashkov, auch als “Zar Kiro” häufiger in den Medien und einflussreiche in der Mafia vor allem durch illegalen Alkoholhandel habe den Jugendlichen mehrfach mit bedroht und seine Leute geschickt, um ihn zu überfahren, so die Eltern des Verstorbenen. Da Rashkov Rom ist, wurde der Anlass von organisierten Faschisten in Bulgarien schnell aufgegriffen, um den Konflikt in einen ethischen umzudeuten. Rashkov pflegt scheinbar gute Beziehungen zur Polizei, wie selbst Mainstreammedien nicht verbergen und ist als reicher einflussreicher Mensch, der auch in Morden involviert ist, bekannt. Somit ist es mehr als verständlich, dass Menschen nach dem Vorfall auf die Strassen gehen. Schlimm ist dagegen, dass nicht Korruption und brutale kapitalistische Verhältnisse skandalisiert werden, sondern Medien und an der Regierung beteiligten Parteien wie Ataka schnell einen “ethnischen” Konflikt ausriefen und gleich auch die türkische Minderheit in Bulgarien mit ins Visier genommen wird.

Dies verlief leider sehr erfolgreich, wie sich an den zahlreichen Ausschreitungen in verschiedenen Städten Bulgariens sehen lässt. Bereits bei der ersten Demonstration in Katunitzka beteiligten sich angereiste Faschisten und im Zusammenhang mit den bevorstehenden Wahlen in Bulgarien in weniger als einem Monat sind die Angriffe auf Roma und andere nicht-Bulgar_innen alles andere als spontan.

Treffend beschreibt Tomasz Konicz in seinem Artikel auf Telepolis:

“Die angeblichen – bislang nicht bewiesenen – kriminellen Umtriebe des Roma-Klanführers Raschow dienten somit als Vorwand, als Katalysator, um den schwellenden Antiziganismus zum Ausbruch zu verhelfen. Die in Bulgarien allgegenwärtige Mafia-Herrschaft und Korruption wird somit in den Roma personifiziert, die zu Sündenböcken gestempelt werden. Die Kriminalität wird im Endeffekt zu einem “ethnischen” oder “rassischen” Merkmal der Roma ideologisiert. Soziale Widersprüche – wie etwa die tatsächlich weitverbreitete Elendskriminalität – werden so zu Eigenschaften einer Menschengruppe erklärt. Den verhetzten Pogromteilnehmern scheint es somit, als ob Kriminalität, Verelendung und Arbeitslosigkeit, die auch in Bulgarien seit Krisenausbruch wieder zunehmen, im Gefolge der Vertreibung der Roma ebenfalls verschwinden würden.”

Seit dem Tod von A.Petrov gab es zahlreiche Ausschreitungen gegen Roma und Türk_innen in Bulgarien. Das Haus von Rashkov wurde abgebrannt und seine Familie evakuiert. In Plovdiv versuchten mehr als 2000 Faschisten das dortige Romaviertel zu stürmen, lokale Roma gehen teilweise aus Angst vor Übergriffen nicht zur Arbeit und schicken ihre Kinder nicht mehr zur Schule, wie die Sofia News Agency berichtet. In Pleven wurde das Haus einer Organisation angezündet, die eng mit der türkischen Community verbunden ist. In Sofia versuchten zwischen 1000 und 2000 Menschen die Moschee anzuzünden und das Parlament. Es gibt eine sehr starke Polizeipräsenz in den Strassen, die versuchten, den Mob davon abzuhalten, in die Romaviertel zu gelangen. Es wird von lautstarken rassistischen Parolen wie “Zigeuner zu Seife verarbeiten” und “Türken unters Messer” berichtet. Der Mob ist mit Schaufeln, Messern und anderen Gegenständen bewaffnet. In Varna, Ruse und Burgas sind ebenfalls hunderte Menschen an antiziganistischen und rassistischen Angriffen beteiligt. Die Partei Ataka wirbt mit Solgans wie “Die Kriminalität der Zigeuner – eine Gefahr für den Staat” in Broschüren, die verteilt werden.

Es gibt zahlreiche Verhaftungen und Verletzte und die Roma wehren sich gegen die Angriffe. Offizielle von der EU hat den Medien gegenüber die Ausschreitungen verurteilt.

Es gibt einige Videoclips zu den Ausschreitungen:

 http://www.youtube.com/watch?v=Y-9d0eB4eCQ

 http://www.youtube.com/watch?v=wwM03CsHDpk&feature=player_embedded

 http://www.youtube.com/watch?v=OCfSlT4w2jc&feature=player_embedded#

siehe auch weitere Informationen auf englisch und deutsch:

 http://stopnazi-bg.org/english/74-katunitza

 http://www.heise.de/tp/artikel/35/35568/1.html

 http://de.indymedia.org/2011/09/317005.shtml

 http://www.novinite.com/view_news.php?id=132444

 http://a3yo.noblogs.org/post/2010/10/24/nazi-structures-in-bulgaria/#more-663

Kontakt zu lokalen Antirassist_innen, die auch gerne Interviews machen oder sonst mit Infos weiterhelfen:

stopnazi.bg (at) gmail.com

das gleiche Bild in unserem Nachbarland CZ

(muss ausgefüllt werden) 29.09.2011 - 22:05
 http://www.welt.de/politik/ausland/article13619813/Tschechien-den-Tschechen-Zigeuner-ins-Gas.html

Rechtsradikale: "Tschechien den Tschechen, Zigeuner ins Gas!"

Die Männer auf dem Fotos sehen zwar aus wie Nazis, sind aber Roma.

Roma Mafia-Boss bleibt in Haft

Infomania 30.09.2011 - 15:51
Der Roma-Boss, der als Auslöser für die teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen beschuldigt wird, bleibt weiterhin in Untersuchungshaft. Das beschloss ein Bezirksgericht am Freitag in der südbulgarischen Stadt Assenowgrad. Zuvor war bekannt geworden, dass der selbst ernannte Roma-König «Zar Kiro» wegen der Spannungen in Bulgarien nach Serbien fliehen wollte.

Dem Roma werden Morddrohungen gegen die Familie eines slawischstämmigen Jugendlichen vorgeworfen. Der 19-Jährige war vor einer Woche in dem Dorf Katuniza von einem Minibus mit Bekannten von «Zar Kiro» überfahrenen worden. «Ich fühle mich nicht schuldig», sagte der Beschuldigte im Gerichtssaal. Während der Verhandlung hatten sich Bewohner von Katuniza vor dem Gerichtsgebäude versammelt. Sie hätten «Mörder!» und «Wir wollen (seinen) Tod!» skandiert, berichtete der Staatsrundfunk.

Dem 69-Jährigen wird jetzt auch Steuerbetrug vorgeworfen. Der Roma-Boss soll nach Angaben der Behörden seit 2004 fast sechs Millionen Lewa (umgerechnet knapp drei Millionen Euro) Steuern hinterzogen haben. Zudem schulde der Mann seit 1998 Immobiliensteuern in Höhe von 75 000 Lewa. Die Finanzbehörde leitete eine Steuerprüfung ein. Die Bewohner von Katuniza hatten den Behörden vorgeworfen, dass der Roma-Boss unantastbar gewesen sei.

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Ergänzung — tschabo kai

@ tschabo kai — Ingo

Scheiss mafiagesindel — human lampshade

qwe — asd