Hoyerswerdas Bürgermeister und sein Problem mit dem Pogrom von 1991

addn.me 22.09.2011 10:17 Themen: Antifa Antirassismus Blogwire
Wenige Tage nach einer Erinnerungsdemonstration anlässlich der rassistischen Ausschreitungen vom August 1991 hat der Bürgermeister der nordostsächsischen Stadt Hoyerswerda sich gegenüber dem Deutschlandradio zu den Vorwürfen der Initiative "Pogrom 91" geäußert. Darin wird einmal mehr deutlich, wie wenig sich in den letzten Jahren an den Begründungen und Rechtfertigungen aus den Reihen der politisch Verantwortlichen vor Ort geändert hat.
Vor zwei Wochen wurden drei ehemalige Vertragsarbeiter, welche selbst von den rassistischen Pogromen 1991 betroffen waren, von Hoyerswerdaer Bürgerinnen und Bürgern rassistisch beleidigt und bepöbelt. Als eine Woche später rund 300 Menschen an die Pogrome vor 20 Jahren erinnern wollten, wurden sie von Nazis beschimpft. Sie zeigten den Hitlergruß und einigen von Ihnen dürften auch für die Beschädigungen an den Autos der angereisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer verantwortlich sein. Nun äußerte sich der Bürgermeister der Stadt Hoyerswerda, Stefan Skora (CDU), in einem Interview mit dem Deutschlandradio (Audio Stream). Dabei relativierte er das Anliegen der Initiative "Pogrom 91" und stellte fest, dass die DemonstrantInnen das Verhalten der Nazis provozierten.

Einmal mehr verwies der Bürgermeister der nordostsächsischen Stadt auf die vor allem in Sachsen praktizierte Theorie des politischen Extremismus. In seiner Auseinandersetzung mit den rassistischen Krawallen vor 20 Jahren und den Ereignissen vom Wochenende stellt er fest, dass er "gegen Extremismus von beiden Seiten" sei. Der Initiative "Pogrom 91" warf er "aus der Historie heraus" die Verwendung falscher Begrifflichkeiten vor und kritisierte die Verwendung des Wortes Pogrom durch "Auswärtige" als "Beleidigung für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Hoyerswerda". Die Beschimpfungen und Hitlergrüße der provozierenden Nazis am Rande der Demonstration vom Wochenende seien hingegen ein Ergebnis "demokratischer Spielregeln".

Die Vorfälle während des Besuchs ehemaliger Vertragsarbeiter am Ort der Krawalle wenige Tage zuvor, begründete er ebenfalls mit "einer gewissen Interessenslage" des anwesenden Kamerateams. Davor hatten mehrere Nazis die ehemaligen Bewohner des Ortes rassistisch beschimpft und Affenlaute imitiert, obwohl Bürgermeister Skora zuvor Filmemacherin Julia Oelkers noch versichert hatte, dass die Stadt sicher sei.

Was die örtliche CDU unter einer inhaltlichen Auseinandersetzung versteht, zeigt ein Blick auf die Internetseite der CDU Hoyerswerda, da werden die Ereignisse vor 20 Jahren nicht einmal erwähnt. Wie die CDU so dafür Sorge tragen will, "dieses Gedankengut und dieses Verhalten auch aus den Köpfen herauszubekommen", bleibt letztendlich ihr Geheimnis.

Videobericht des MDR: 20 Jahre nach der Ausländerhetze in Hoyerswerda (15.09.2011)
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Ergänzungen

Skora im Deutschland-Radio

Berlin_Autonom 22.09.2011 - 12:26
Nicht, dass es heisst, es seien Dinge aus dem Zusammenhang gerissen...

Das Interview nochmal in voller Länge.

Geniales Interview: unbedingt reinhören!

muss ausgefüllt werden 23.09.2011 - 02:28
Es grenzt nicht an, sondern es IST Dreistigkeit, wie dieser CDU-Schleimer "argumentiert": 'interessierter Journalismus' und eine 'Demonstration von Auswärtigen' seien es gewesen! Bei der städtischen Erinnerungs-farce hätte es 'so etwas' ja nicht gegeben (tja, Hoyerswerda's Nazis sind halt echt anständige Jungs und Madels... aber bei diese Auswärtige da!). Überhaupt läßt er auf seine Hoyerswerdaer Bürgis nichts kommen - 20 Jahre hätten da eben noch nicht ausgereicht, um ein Mindestmaß an Menschlichkeit zu regenerieren.

Wie er sich dreht und windet, sich pausenlos wiederholt und vom Extremismus schwafelt! Was für eine unglaubliche Matschbirne.
So MUSS sich Geschichte wiederholen!
Antifa heißt auch: rein in die sog. 'sozialen Brennpunkte' und ethischen Anschauungsunterricht leisten!

Hoyerswerda - Das Pogrom und die Folgen

Bea 26.09.2011 - 15:42
Ein Artikel zu Hoyerswerda findet sich von mir auf:

 http://bea.blogsport.de/2011/09/17/20-jahre-pogrom-von-hoyerswerda/