Justiz schützt Justiz: Federballaffäre Gießen

Volker und Team 14.09.2011 23:28 Themen: Repression

Die polizeiliche Nazimethoden in Gießen (Feststellungen in einem OLG-Urteil) sollen ohne Anklage bleiben. So will es der Generalstaatsanwalt und lehnte Anklagen gegen RichterInnen, PolizeibeamtInnen und Volker Bouffier, damals Innenminister, heute Ministerpräsident ab. Hintergrund ist eine absurde Nacht mit Federballspiel und erfundenen Straftaten. Der Hauptbetroffene will nun klagen, um ein Gerichtsverfahren zu erzwingen.

Am 14.5.2006 überfielen uniformierte Kommandos vier Menschen auf dem Weg zur Projektwerkstatt nahe dem Ort Reiskirchen. Obwohl die Polizei wegen einer Observation genau wusste, dass die AktivistInnen nichts Verbotenes getan hatten, sperrte sie alle vier ein (einen mehrere Tage), beschlagnahmte Kleidung, containertes Essen und Fahrräder, wollte drei Personen zur Abgabe von DNA zwingen und durchsuchte ohne Rechtsgrundlage die Projektwerkstatt. Dazu dachte sie sich Straftaten mit politischen Hintergrund aus, verschleppte Beschwerden, sperrte Leute mit gefälschten Akten in falsche Knäste usw. Die (Nicht-)Aufarbeitung geriet zur Meisterstunde Gießener Rechtssprechung, wegen der Dominanz des hessischen Innenministers in seiner Heimatstadt Gießen auch „Bouffiersches Recht“ genannt. Nun wurden - nach 5 Jahren Vertuschungsermittlungen - die Verfahren gegen beteiligte RichterInnen, PolizeibeamtInnen und den inzwischen zum Ministerpräsidenten aufgestiegenen Mitdrahtzieher eingestellt. Dafür erfand der Generalstaatsanwalt einen dubiosen handschriftlichen Vermerk ohne Datum, Unterschrift und ungeklärter Urheberschaft. Auf dem stände, dass die Observation damals nicht geklappt hätte und daher das seit fünf Jahren auch von Polizeiseite immer wieder bestätigte Alibi des Betroffenen doch keines sei. Der hat nun Klage eingereicht, um einen gerichtlichen Entscheid zu erhalten. Doch Hessens mafiose Justiz dürfte zusammenhalten und auch diese letzte Option abschmettern ...

 

Rückschau

Das Geschehen selbst liegt über 5 Jahre zurück. Es dauerte mehrere Monate, bis die Betroffenen und ein Anwalt die Hintergründe des merkwürdigen Polizeieinsatzes und der Verhaftungen klären konnten. Da aber wurde dann klar: Geplant war Größeres - offenbar waren Polizei und Innenministerium von der Hoffnung geblendet, ihre KritikerInnen endlich mal länger mundtot machen zu können. Denn dem 14.5.2006 vorweg gingen jahrelange Auseinandersetzung über Innenpolitik, Vertreibung aus der Gießener Innenstadt, Überwachung, Abschiebungen und mehr. MancheR mag sich noch an den Kamera-Gottesdienst erinnern, der in Gießen "uraufgeführt" wurde, an umfangreiche Fakes und Plakatveränderungen z.B. zu Wahlen oder an eine rechte frühe Fälschung der Polizei, wie aus einer Gedichtelesung ein Brandanschlag gebastelt wurde. Das Straßentheater Mars-TV wurde in dieser Zeit entwickelt - und die Polizei krönte alles mit einer abgefahrenen Polizeistatistik, nach der linksradikale Kriminalität von 2002 auf 2003 in Gießen um 657 Prozent gestiegen war.

Als Anfang Mai 2006z zweimal die gemeinsame Anwaltskanzlei der Innenminister von Hessen (damals: Bouffier) und Thüringen (damals: Gasser) attackiert wurde, entwickelten Innenministerium, Landes- und regionale Polizei den Plan, die StörerInnen aus dem Verkehr zu ziehen. Zwar hat nie jemand herausgefunden, wer die frechen Angriffe auf die Kanzlei startete, aber der Anlass war trotzdem klar. Idee war, die AktivistInnen aus der Projektwerkstatt zu einer neuen Attacke zu reizen, sie die auch ausführen zu lassen (alle Polizeieinheiten wurden angewiesen, nicht mehr einzugreifen), aber das Ganze durch eine High-Tech-Überwachungspolizei, das MEK, zu überwachen. Genau das lief in der Nacht auf den 14.5.2006 auch ab - einschließlich einer spektakulären Verhaftung mit Sprüngen aus fahrenden Polizeiwagen (die daraufhin ineinander krachten). Nur eines ging schief: Die AktivistInnen begingen keine Straftaten, sondern spielten Federball - vor Gerichten und vor dem Knast. Doch die Polizei wollte jetzt Ruhe, nahm trotzdem alle fest und fälschte die Straftaten einfach. Die Observation musste sie nun aber verschweigen, denn die schuf den AktivistInnen ja das perfekte Alibi.

Weitere Rückblicke:

 

5 Tage eingesperrt - "Schutzhaft", wie später ein Gericht offiziell feststellte

Alle vier Verhafteten verbrachten die Nacht und Teile des Folgetages im Polizeipräsidium Gießen. Einen hielten sie noch länger fest - doch dazu brauchten sie die Straftaten, die aber ja nicht stattgefunden hatten. Also dachten sie sich welche aus - arrogant legte der Haftrichter sogar einen Vermerk darüber an, dass er die Observation beim Federballspiel verschweigen sollte. Doch genau das wurde später zum Verhängnis. Denn in und um die Projektwerkstatt wurde nun gewerkelt, recherchiert, der juristische Abnutzungskampf aufgenommen nach dem Motto: Immer verlieren (die mafiosen Justizkreise bieten keine anderen Möglichkeiten), aber dabei Daten sammeln.

 

Aufklärung durch Betroffene, Vertuschung durch Behörden

Doch nach drei Monaten haten die AktivistInnen und ein Anwalt die Hintergründe recherchiert - und seitdem betreiben Polizei, Justiz und Innenministerium Schadensbegrenzung. Ein absurdes Kartell des Schweigens und Lügens baute sich auf. Auf keinen Fall durfte es zu irgendwelchen Gerichtsverfahren führen, denn dann würde der ganze Komplott auffliegen und zumindest vielen Amts- und LandrichterInnen, Polizeiführung, Staatsschutz und weiteren PolizeibeamtInnen aus Gießen sowie dem damaligen Innenminister und heutigen Ministerpräsident das Amt kosten können. Das zu verhindern, was nun also Aufgabe der VertuscherInnen vom Amt, die eigentlich ErmittlerInnen sein müssten.

Zunächst aber mussten sie eine dicke Packung hinnehmen, denn ein Zivilsenat des Oberlandesgerichtes, welches nicht mehr im Gießener Filz verankert war, sondern in Frankfurt tagte, fällte am 18.6.2007 ein bemerkenswertes Urteil (20 W 221/06). Darin werden die Widersprüche benannt und festgestellt, dass alles rechtswidrig und die Vorwürfe frei erfunden waren. Das Ganze gleiche der Praxis von Schutzhaft im Dritten Reich - so formulierten es die RichterInnen. Ein Schock für die Gießener Repressionsbehörden, die seitdem wesentlich zurückhaltender sind. Was sollen sie auch tun? Eine Titulierung als Nazipolizei wäre wahrscheinlich keine Beleidigung mehr ...

 

Last exit: Vertuschung

Die Obrigkeit konnte also nur noch Schaden begrenzen, nicht mehr recht angreifen. Die Justiz nutzte eine eher harmlose, öffentliche Aktion (Feldbefreiung 2006), um Rache zu nehmen für das Scheitern der ersten Kriminalisierung. Sie steckte den Betroffenen gleich für 6 Monate in Haft. Ansonsten aber war eher Ruhe, während die Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden überlegten, wie sich Spuren verwischen, entlastende "Beweise" erfinden und die ganze peinliche Geschichte umschreiben könnten. So vergingen Jahre, in denen kaum noch etwas geschah. Immer wieder wurde eingestellt, der Betroffene legte Widerspruch ein und die Ermittlungen liefen auf dem Papier weiter.

Eigentlich war die Sache mit der Zeit durch. Das Ermittlungsverfahren dümpelte vor sich hin, keine Landtagsfraktion hatte auf die Briefe der Betroffenen geantwortet und auch der Petitionsausschuss des Landtages beließ es bei inzwischen drei Zwischennachrichten, dass alles in Bearbeitung sei - eine tatsächliche Antwort liegt auch nach fünf Jahren nicht vor. Regierungsparteien und die im Wechsel mit ihnen an Machtausübung interessierte Opposition wehrte den Angriff auf ihre Elitestellungen offenbar erfolgreich ab. Gras wuchs spürbar über die Sache - Aussitzen und Herrschen entpuppte sich wieder einmal als erfolgreiche Strategie.
Doch da passierte doch noch etwas - über vier Jahre nach der absurden Nacht. Pitt von Bebenburg und Matthias Thieme schrieben 2010 das Buch "Ausgekocht", in dem ein Kapitel "Die Federballaffäre" zu finden ist. Ein Auszug aus diesem Kapitel erschien in der Frankfurter Rundschau am 23.8.2010. Andere Medien zogen nach - aber nur zögerlich. Die meisten verschwiegen alles weiter ...

Doch zunächst wieder kam es, wie es kommen musste: Die staatlichen Behörden schützten die StraftäterInnen in Robe, Uniform und Ministerrang - und stellten brav wenige Tage vor Bouffiers Amtseinführung als Ministerpräsident alle Ermittlungen ein. Es hätte sich nichts ergeben ... und das dürfte sogar stimmen, denn wer nicht nicht sucht, der findet auch nichts. Dann tauchte ein Schreiben von Bouffier auf - eine Antwort auf die Anfrage eines Grünenpolitikers. Grundaussage von Bouffier: Ich weiß von nichts. Damit aber bestätigte er genau, was der Betroffene Justiz und Polizei immer vorwarf - nämlich, dass sie gar nicht ermittelten. Wenn der Beschuldigte noch nicht einmal etwas davon mitbekommen hat, hat es wohl kein Ermittlungsverfahren gegeben ...

FR am 27.8.2010 zu den Gedächtnislücken von Bouffier sowie ein Kommentar im Wortlaut:
"Eine gravierende Panne bei der Polizei bringt einen Mann zu Unrecht in den Knast. Wer für die Freiheitsberaubung strafrechtlich verantwortlich ist, kann die Justiz nach langen Ermittlungen nicht aufklären. Die politische Verantwortung jedoch liegt auf der Hand: Chef der Polizei ist Innenminister Volker Bouffier. Das ist jener Mann, der sich heute leider nicht mehr an die Umstände der Freiheitsberaubung erinnern kann. Am Dienstag will er zum Ministerpräsidenten gewählt werden. CDU und FDP zeigen keinerlei Interesse daran, dass das Unrecht aufgeklärt wird. Sie verweisen darauf, dass man den zu Unrecht inhaftierten Aktivisten mit Vorsicht genießen müsse, da er selbst in der Auseinandersetzung mit Politik und Polizei nicht vor Straftaten zurückschrecke. Doch nur umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wer verhindern will, dass Menschen Vertrauen in parlamentarische Politik und die Sicherheitsbehörden verlieren, muss solches Unrecht verhindern. Wenn es trotzdem geschieht, muss alles zur Aufklärung getan werden. Die hessischen Regierungsparteien tun jedoch genau das Gegenteil."

Im Oktober 2010 fragte die SPD im Landtag nach, was es denn nun mit dem Ganzen auf sich habe. Im Dezember beschwerte sie sich, warum es keine Antwort gäbe.

Der Bericht in der Gießener Allgemeinen am 28.12.2010 mit einer Kurzzusammenfassung der damaligen Abläufe und einem Zitat des Gießener FDP-Abgeordneten Greilich, der offenbar findet, dass selbst sein kläglicher Rechtsstaat nicht allen zustehen soll ...
Die unrechtmäßige Verhaftung des Reiskirchener Politaktivisten Jörg Bergstedt im Sommer 2006 in Gießen beschäftigt den Landtag. Nach Mitteilung der SPD-Landtagsabgeordneten Nancy Faeser gibt es seit Anfang Oktober einen Berichtsantrag ihrer Fraktion in der Angelegenheit, der noch nicht beantwortet worden ist. Faeser kritisiert das »zögerliche Vorgehen« des Innenministeriums bei der Aufklärung der Hintergründe der damaligen Polizeiaktion.
Rückblende: Der Gründer der Saasener Projektwerkstatt war in der Nacht des 14. Mai 2006 festgenommen worden, als er sich radelnd auf dem Heimweg von Gießen nach Saasen befand. Die Polizei machte ihn verantwortlich für Schmierereien an einem Wohnhaus und eine Sachbeschädigung der CDU-Kreisgeschäftsstelle im Spenerweg. Und weil man ihm unterstellte, er werde weitere Straftaten begehen, blieb er vier Tage im Vorbeugegewahrsam. Später kam heraus: Bergstedt konnte es nicht gewesen sein, denn der selbsternannte Berufsrevolutionär spielte zeitgleich mit einem Gesinnungsgenossen Federball vor dem Landgericht an der Ostanlage und radelte im Anschluss Richtung Saasen davon. Lückenlos dokumentiert wurden die Schritte der »Spaßguerilla« in dieser Nacht, weil ein Mobiles Einsatzkommando der Polizei, das sich ansonsten eher um Schwerverbrecher wie Geiselnehmer kümmert, Bergstedt und Co. observierte. Gegen seine Ingewahrsamnahme, die das Gießener Landgericht wenige Tage später bestätigte, legte Bergstedt beim Oberlandesgericht Frankfurt Beschwerde ein - und hatte Erfolg. Der Beschluss des OLG, die Inhaftierung für rechtswidrig zu erklären, sorgte im Juni 2007 für Aufsehen, weil das OLG - unter Bezugnahme auf die Praxis im Dritten Reich - vor einer missbräuchlichen Anwendung des im hessischen Polizeigesetzes verankerten Unterbindungsgewahrsams in Richtung einer Schutzhaft warnte.
Der Fall blieb überregional lange Zeit unbeachtet. Erst Ende August dieses Jahres, nachdem die »Frankfurter Rundschau« (FR) unmittelbar im Vorfeld der Wahl von Innenminister Volker Bouffier (CDU) zum Ministerpräsidenten ganzseitig unter der Überschrift »Feinde fürs Leben« eine Männerfeindschaft zwischen dem Minister aus Gießen und dem Politaktivisten aus Saasen zeichnete und dabei von einem »erstaunlich wenig beachteten Skandal« schrieb, wurde die Opposition im Landtag hellhörig; zumal der Bericht den Eindruck erweckte, Bouffier könnte direkt Einfluss auf den Polizeieinsatz in jener Sommernacht des Jahres 2006 genommen haben.
Der Innenausschusses des Landtags befasste sich dann wegen der FR-Berichterstattung am 26. August mit dem Fall des »Herrn B.«, als der Grünen-Abgeordnete Jürgen Frömmrich vom damaligen Staatssekretär Boris Rhein und dem damaligen Landespolizeipräsidenten Norbert Nedela Informationen begehrte.
Seinerzeit warnte der Gießener FDP-Landtagsabgeordnete Wolfgang Greilich die Opposition vor einer Parteinahme für Bergstedt. Greilich sagte laut Protokoll: »Ich empfehle ganz kollegial starke Zurückhaltung bei der Befassung mit diesem Fall des Herrn B., der jetzt ganz nebenbei - damit hatte der Innenminister offenkundig überhaupt nichts zu tun, er war noch nicht einmal in der Nähe -, rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, weil er schwere Sachbeschädigung vorgenommen hatte. Ich empfehle Zurückhaltung mit dem Fall. Irgendwann fällt das auf den zurück, der meint, er müsse solche Themen nach oben bringen.«
Frömmrich entgegnete, er wisse die Person und dessen Umfeld sehr wohl einzuordnen, aber es gehe darum, dass auch in solchen Fällen »nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gehandelt werden muss«. Jemand zu Unrecht vier Tage einzusperren, sei schließlich »keine Petitesse«. In ihrer Presseerklärung vom vergangenen Donnerstag spricht die SPD-Abgeordnete Faeser von einem »prekären Sachverhalt« und fordert umgehend eine »umfassende Aufklärung« durch den neuen Innenminister Rhein. Faeser: »Im Interesse der Polizei muss alles unternommen werden, den Eindruck zu verhindern, dass die Ursachen für offenkundig rechtswidriges Verhalten in der Polizei verschleiert oder nicht aufgeklärt werden.« Denn bis heute habe das Polizeipräsidium Mittelhessen nicht erklären können, wie es zu der Ingewahrsamnahme habe kommen können, obwohl die Polizei selbst habe wissen müssen, dass der Festgenommene die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen haben konnte.

Dann endlich - am 28. Januar 2011 geschrieben - folgte die Antwort aus dem, inzwischen von Boris Rhein geleiteten, Innenministerium. Doch die fiel dürftig aus. Wurde hier gemauert? Die Frankfurter Rundschau berichtete am 19.2.2011 (Seite Hessen 1).
Dann folgte plötzlich eine Wendung? Die Polizei haut eine völlig neue Version raus - so in der FR am 26.5.2011 (PDF).

Fall Jörg Bergstedt. Nach fünf Jahren eine neue Version
Die unrechtmäßige Festnahme von Jörg Bergstedt in Hessen gibt weiter Rätsel auf. Nun hat das hessische Innenministerium eine neue Version geliefert, wonach das Polizeipräsidium erst eine Woche nach der Festnahme vom Alibi des Umweltaktivisten erfahren hat.
Gut fünf Jahre nach dem unrechtmäßigen Freiheitsentzug gegen den Umweltaktivisten Jörg Bergstedt hat das hessische Innenministerium eine neue Version geliefert. Demnach erfuhr das Polizeipräsidium erst eine Woche nach der Festnahme, dass Bergstedt von Polizeikräften beobachtet worden war und daher die ihm vorgeworfenen Straftaten gar nicht begangen haben konnte.
Bergstedt war am 14. Mai 2006 nach Sachbeschädigungen nahe dem Wohnhaus des damaligen Innenministers Volker Bouffier (CDU) für vier Tage festgesetzt worden. Er war jedoch zur Tatzeit von Polizeikräften beim Federballspiel beobachtet worden.
Landespolizeipräsident Udo Münch sagte am Donnerstag im Innenausschuss des Hessischen Landtags auf eine Anfrage der SPD, das Polizeipräsidium habe „erst sechs oder sieben Tage später“ erfahren, dass Bergstedt gesehen worden sei. Erst dann hätten die „Objektschutzkräfte“ ihre Berichte über diese Nacht vorgelegt. Diese „Fremdkräfte aus der Bereitschaftspolizei“ hätten Bergstedt beobachtet und nicht, wie bisher angenommen, „Observationskräfte“. Am Morgen nach der Festnahme seien nur die „Observationskräfte“ befragt worden.
Unklar blieb aber weiterhin, warum Bergstedts Alibi den Gerichten vorenthalten wurde. Nach Münchs Angaben hatte die Polizei die Berichte der Objektschützer am 22. Mai erhalten und noch am gleichen Tag an die Staatsanwaltschaft weitergegeben.
Die Justiz konnte bisher in zahlreichen Ermittlungsverfahren keinen Schuldigen für die Freiheitsberaubung ausfindig machen. Keine Ermittlungen gab es allerdings nach Angaben von Innenminister Boris Rhein (CDU) und der Wiesbadener Staatsanwaltschaft gegen den mittelhessischen Polizeipräsidenten Manfred Schweizer.

Da stellten sich doch einige Fragen:

  • Wenn die Polizei Gießen das nicht wusste, warum gibt es dann Protokolle von Einsatzbesprechungen in den Akten, bei denen über die Observation berichtet wurde und die lokalen Einsatzgruppen angewiesen wurden, selbst nicht mehr zu kontrollieren?
  • In den Akten war zu lesen, dass die Einsatzzentrale über alle Beobachtungen informiert werden sollte. Wurde das missachtet, ohne dass es der Polizei selbst auffiel?
  • Warum erteilte die Einsatzzentrale um 1.26 Uhr den Befehl, nach den späteren FederballspielerInnen zu suchen, weil die Observationskräfte (wegen einer Metallschranke) die RadlerInnen verloren hatten? Diese Information können sie wohl nur von den Observationskräften selbst erhalten haben.
  • Nach den Aktenvermerken haben dreimal Fahrzeuge der Gießener Polizei selbst das Federballspiel beobachtet und ihre Beobachtungen an die Einsatzzentrale durchgegeben. Es ist in einem Vermerk einer Gießener Polizeistreife explizit von Federballspiel die Rede. Von dort erhielten sie jeweils den Auftrag, nicht weiter zu observieren, weil Observationsspezialkräfte vorhanden seien. Wieso konnte die Einsatzzentrale solche Einsatzbefehle geben, wenn sie von den Observationskräften nichts wusste?
  • Wieso stehen im Antrag auf Unterbindungsgewahrsam Observationsergebnisse? Und warum wurde Richter Gotthardt angewiesen, von der Observation nichts zu sagen?

Die gesamte Story der Landespolizei war nichts als eine erneute komplette Lügenstory, um vergangene Lügengeschichten zu vertuschen. Dann folgte das trostlose Ende: Der Generalstaatsanwalt stellte alle Verfahren ein. Die Beschuldigten hätten die Aussagen verweigert, deshalb sei die Sache nicht aufzuklären. Das Kartell des Schweigens schützte sich so also selbst - Logik der Herrschenden!
Allerdings: Der Einstellungsbescheid war in Teilen trotzdem interessant, denn er enthielt mal wieder eine neue Story, wie alles abgelaufen sein soll. Jetzt hieß es, das MEK hätte gar nicht am richtigen Ort gestanden und die FederballspielerInnen seien gar nicht observiert worden.
Kommentierung des Anzeigenstellers dazu ...

 

"Fiese Tricks von Polizei und Justiz", die Ton-Bilder-Schau zu 3 krassen Fällen

Unter dem Titel "Fiese Tricks von Polizei und Justiz" existiert eine Ton-Bilder-Schau. Sie kann auch als Veranstaltung "gebucht" werden - garantierte 2,5 Stunden Mischung aus Krimi, Kabarett, Theater und Recherchevortrag!
Inzwischen existieren mehrere Varianten online: Einmal als Filmmitschnitt einer Veranstaltung in Regensburg. Und zum zweiten als Reihe von Internetseiten, die mit Tonmitschnitten untermalt sind. Die Auszüge stammen aus dem Mitschnitt einer Veranstaltung Anfang Januar 2007 in Königs-Wusterhausen - quasi der Uraufführung der Ton-Bilder-Schau (nachdem deren Wirkung schon mit kleineren Bausteinen auf kleineren Veranstaltungen auffiel). Wer Interesse hat, diese Veranstaltung auch mal in die eigene Stadt/Region zu holen - das ist möglich! Kontakt über kobra@projektwerkstatt.de oder Tel. 06401/903283.

 

Termine zum Thema

  • Sonntag, 25.9. um 17 Uhr in Berlin (New Yorck im Bethanien, Mariannenplatz 2 in Kreuzberg - Seitenflügel): Ton-Bilder-Schau "Fiese Tricks von Polizei und Justiz" (Beschreibung siehe oben)
    anschließend um 20 Uhr: Workshop zu kreativer Antirepression (offensiver Umgang mit Polizei und Gerichten)
  • Montag, 26.9. um 12 Uhr im Verwaltungsgericht Berlin (Kirchstr. 7, Raum siehe Aushang dort): Verfahren wegen einer Klage gegen Personalienkontrollen im Eingang des Amtsgerichts Tiergarten - gewinnt der Kläger, sind die Persokontrollen weg! Hintergrund ist ein Verfahren, bei dem der Angeklagte nicht ohne mehrfache Kontrolle durchgelassen wurde und so ein Verfahren verlor.
  • Donnerstag, 10.11. um 20 Uhr in Frankfurt (Club Voltaire): Informationsgespräch zu Willkür von Justiz und Polizei mit Jörg Bergstedt (Veranstalter: HU Frankfurt)

Weitere Veranstaltungen möglich. Absurderweise hat es bislang gerade im Rhein-Main-Gebiet erst wenige Veranstaltungen dazu gegeben - Hauptgrund sind nicht Bouffier & Co., sondern Führungslinke (aus Parteien, Alt-Autonome usw.), die ihre Dominanz autoritärer Politikkonzepte in den dortigen Städten wahren wollen und Veranstaltungen in Plena oder durch Druck von außen verhindern. Bouffier würde es ihnen danken ...

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Ergänzungen

hessische zustände und v. bebenburg

gießen killed me 15.09.2011 - 18:50
was zum hören dazu gibts hier als mp3. mr bergstedt bekommt einen ziemlich eindeutigen stempel aufgedrückt, das buch von herrn bebenburg ist evtl. trotzdem ganz interessant. schon wahnsinn das weiterhin millionen die cdu wählen...

 http://www.nachdenkseiten.de/upload/mp3/ausgekocht_-_hinter_den_kulissen_hessischer_machtpolitik.mp3

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