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Was ist eigentlich gefährlich an Facebook?

Frank Schweizer 12.09.2011 10:10 Themen: Netactivism
Viele betrachten facebook mit einem kritischen Blick, doch der Widerstand der Bevölkerung gegen das „social network" wird geringer. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit munkelte man allerhand Negatives über die neue Vernetzungsform. Zwar hallen die skeptischen Äußerungen noch nach, aber eher wie das dröhnende Horn eines am Horizont verschwindenden Dampfers.
Die Kritik an facebook lässt sich in zwei Vorwürfen bündeln.

Der eine lautet: facebook sei nichts anderes als ein Spionageinstrument. Der Geheimdienst habe sich dank facebook immense jährliche Kosten gespart, da die Bürgerinnen und Bürger nicht nur freiwillig angeben, mit wem sie soziale Kontakte pflegen. sondern auch, was sie gerade tun oder zu tun im Begriff sind. Was früher die Arbeit mehrerer Agentinnen verlangt,. kann jetzt ein einziger Ermittler durch einen bloßen Knopfdruck erledigen. Mitarbeiterinnen der CIA und führende facebook-Köpfe sollen angeblich bei vielen Gelegenheiten zusammen gesehen worden sein.
Dieser Vorwurf gegen facebook mag stichhaltig sein oder auch nicht. Es bleibt doch zu fragen. ob beispielsweise Terroristinnen wirklich das Online-Portal benutzen, um sich mit Waffenhändlern auf ihrer Freundschaftsliste zu vernetzen oder gar um auf ihrem schwarzen Brett mit ihren neuesten Attentaten zu prahlen. Ein „normaler" Bürger ohne Verwurzelung in der Terrorszene wird sich da recht schnell sagen, dass er unter den Millionen Benutzerinnen - ohne kriminelle Absichten - der CIA nicht mit Äußerlungen darüber ins Auge fällt, dass er morgen grillen geht, und einer Freundschaftsliste. welche aus Leuten besteht, die er aus der Kantine flüchtig kennt. Der zweite Vorwurf gegenüber facebook lautet, dass es die Privatsphäre zugunsten der eigenen Interessen (Gewinn neuer Nutzerinnen) und für so genanntes „data mining" (Verkauf von Daten an Firmen zu Werbezwecken) verletze.
Das ist sicherlich eine ernst zu nehmende Anschuldigung, aber im Grunde ist facebook nur ein Beispiel für das übliche Internetgeschchen: BenutzerInnen geben an vielen Stellen Daten preis, die von den Onlinefirmen genutzt oder verkauft werden. Verletzung von Privatsphäre und „data rnining“ an facebook festzumachen, bedeutet nur, allgemeine Tendenzen an diesem „Sündenbock" zu bestrafen: maschinenlesbare Ausweise. Online-Banking, profitorientierte Suchmaschinen, die Unbedarftheit, mit der Kreditkartendaten weitergegeben werden. zahlreiche datenintensive Anmeldeformulare, Vorratsdatenspeicherung usw. Vor diesem Hintergrund setzt vermutlich bei vielen irgendwann die resignierende Haltung ein, dass das soziale Netzwerk nicht schlimmer oder besser als andere handele
Selbst facebook scheint es wichtig zu sein, zu betonen, dass sie nicht die einzigen sind, die es mit dem Datenschutz nicht so genau nehmen. facebook engagierte die PR- Agentur Burson-Marsteller, über seinen Konkurrenten Google gezielt Falschmeldungen in renommierten Zeitungen wie z.B. der Washington Pest zu lancieren. Diese bestanden ausgerechnet in der Behauptung. Google werde die Privatsphäre verletzen, indem die Suchmaschine Daten für Dritte sammele. Die Ethik. die dahinter steckt. ist verblüffend. Genauso gut hätte facebook die PR-Firma damit beauftragen können. zu verbreiten, dass der Datenschutz ihrer Kundinnen facebook am Herzen liege. Stattdessen aber zog man es vor, einen „Mitschuldigen" zu schaffen. Es geht nicht darum, etwas nicht zu tun, sondern jemand zu finden. der es auch tut. So scheint definiert zu werden, dass sozial vertretbares Handeln ,mit der Masse zu schwimmen' bedeutet.
Beide Kritikpunkte werden nach und nach in den Augen der Menschen an Gewicht verlieren. Gegenüber Computern, Handys und dem Internet (dessen Benutzer zuerst als Pornosucher bezeichnet wurden) war man zu Anfang aufgrund von ähnlich., Bedenken genauso kritisch. Zeit und persönlicher Nutzen erledigten die Einwände schließlich. 23% der Bevölkerung sind bereits in facebook eingetragen (Stand 2011).

Die Frage, die neu gestellt werden muss, lautet Was ist eigentlich gefährlich an facebook?

Die Antwort darauf ist vielfältig. Auf der technischen Seite macht facebook die privaten Homepages überflüssig. Es ist ein Schritt weg von Seiten, die vom Benutzer kontrolliert werden, hin zu einem von einer Firma kontrollierten Angebot. Der User gibt ein Stück Freiheit auf und erhält dafür ein Stück Bequemlichkeit.
Das ist Teil der allgemeinen Entwicklung des Internets, das zuerst auf die Initiative von Privatpersonen setzte, mit all den Freiheit. und Ungeregeltheiten, die damit verbunden waren. und durch die die Menschen ins Netz gelockt wurden. Immer mehr wird die Kontrolle des Internets den Firmen überlassen. Im Grunde liegt sie jetzt schon wieder in den Händen kommerzieller Anbieter. und ihnen wird erlaubt, unsere Welt durch Informationskontrolle zu formen. Bei facebook geht es nicht um Information, sondern um unsere Person.
Der User speichert einen Teil seines Ichs online. Durch diesen Upload unserer Persönlichkeit müssen wir sie den Bedingungen der digitalen Welt unterwerfen. Sich dem Cyberkosmos zu überlassen bedeutet. Subjektivität zu deformieren, genauer gesagt, die schützenden Grenze. des Ichs zu öffnen und damit ein digitales Konstrukt zu schaffen.

Wie geschieht das?

Der facebook-User erfindet zunächst von sich einen Online-Klon. Die Daten - Bilder, Hobbys, Interessen, Einträge am schwarzen Brett - entwerfen ein digitales Anderes, eine Art elektrifiziertes Abbild des eigenen Selbst. Dass es sich dabei um eine Idealisierung der eigenen Person handelt, trifft die Sache nur in seltenen Fällen. Das Gegenteil ist eher richtig: Man findet meist eine Reduzierung des Ichs, eine ins richtige Licht geschrumpfte Daseinsform, geradezu dröge und farblos.
Der Online-Klon ist grundsätzlich gut gelaunt. An manchen Tagen ist er allerdings ihr eine kurze Zeit traurig, weil irgendein Missgeschick passierte. Dann erhält er Trost von anderen Online-Klons. Der Online- Klon - obwohl er kein Denkertyp ist - hat immer etwas (versteckten) Tiefgang, was man an der Auflistung der Lieblingsmusik (eine schwermütige Gothic-Band oder ein gealterter Liedermacher) oder an seiner Buchauswahl sieht, die ein oder zwei Bestseller-Bücher enthält, die ein namenloser Verlagsmogul als geistreich in den Handel gegeben hat.
Der Online-Klon hat ganz viele Freunde. Denn er ist im Grund ein feiner Kerl. was an seiner Fotogalerie zu bemerken ist, wo er offenherzig an ausländischen Brunnen, mit einem Bierglas im Festzelt oder im hiesigen Vorgarten in einem Abendkleid posiert. Der Online-Klon und vier Online-Clown verschmelzen gern.
Die Freudschen Kategorien von Über-Ich, Ich und Es müssten noch durch das digitale Ich (alias den Online-Klon) erweitern werden. Entdeckte die Psychoanalyse des 20. Jahrhunderts eine Idee, die schon mit den Romanfiguren Dr. Jekyll und Mr. Hyde vorgebildet war - nämlich dass die Menschen ein düsteres, verborgenes Selbst besitzen -, entdecken die Menschen im 21. Jahrhundert ihr digitales Anderes.
Das reale Ich und das digitale Ich treten auseinander. Wenn jenes zweite erst entworfen wurde, spiegelt es zurück auf den Erfinder. Das Ich-Bewusstsein ändert sich. Zudem ist das digitale Ich ermächtigt, im Namen des realen Ichs zu handeln (zumindest im Cyberkosmos). Das reale Ich dagegen muss die Vorgaben des digital. Ichs in der Realität erfüllen.
Das digitale Ich ist Subjektivität, in eine bestimmte Gussform gebracht. Angepasst. mit scharfkantigen Konturen. Während Mr. Hyde gerade der unangepasste Teil des Selbst war, ist das Cyber-Ich ein Mitläufer. Es ist die Summe seiner seichten Leidenschallen (Musik. Hobbys), fremdes kurzer Sentenzen (Mottos, Zitate): die aus dem Netz gezupft wurden, und spontanen Augenblicke, Befindlichkeiten, die am schwarzen Brett erscheinen. Bedenklich sind die Selbstauskünfte, die der Nutzerin der Kategorie „Info" über sich selbst gibt. Beruf, Schule, Arbeit, Bücher. Filme. Fernsehsendungen, Spiele. Aktivitäten, Interessen etc. Der Nutzer entwirft eine Art Produktbeschreibung seines Ichs.

Statt PS, Höchstgeschwindigkeit, Hubraum oder Bremsweg wird die Subjektivität in andere Kaufentscheidungskategorien übersetzt. Kaum jemand scheint sich daran zu stören, dass sich Personen zu Artikeln in einem Supermarktregal stilisieren. Subjektivität wird zu „Meine Interessen", der Mensch zum Humanangebot und das digitale Ich zur Unterform der Ware. Die Freundesliste - möglichst lang - ist eine Anhäufung und Zurschaustellung von sozialem Kapital. facebook ist eine Firma mit wirtschaftlichen Zielen, vor deren Karren sich das Ich spannen lässt. Subjektivität dient zuerst als Rohstoff und dann als Produkt. Flapsig formuliere Du benutzt nicht das Internet, das Internet benutzt dich. Aber nicht nur die Warenwirtschaft wird in der Menschengalerie abgebildet. Die User üben die eigene Verwaltbarkeit ein.
In George Orwells Roman „I984" (verfasst 1948) entwarf der Autor die Vision eines Staates, in dem jeder gleich sein muss: gleiche Kleidung, gleiches Aussehen, gleiches Denken. Damals dachte man, dass das sichere Erkennungsmerkmal eines üblen Staatsapparats sei, dass er jegliche Individualität unterdrücke, um kritikfrei Macht ausüben zu können. Es war der Philosoph Foucault, der in seinen Hauptwerken wie die „Geschichte der Sexualität" darauf hinwies, dass Macht darauf drängt, den Einzelnen sein Innerstes zu entlocken. Wirkliche Kontrolle ist erst möglich, wenn der Bürger seine Eigenheiten offenlege denn dann kann deren Regelung beginnen (durch Gesetze, Vorschriften oder durch Schaffung so genannter Rahmenbedingungen). Die Online-Welt, in der politische. aber mehr noch marktwirtschaftliche Interessen enthalten sind, hat Foucault Recht gegeben. Das digitale Ich ist das Ich in zerlegten Stücken. Der sich selbst kategorisierende Mensch ist der kontrollierbare Mensch. Daran hängt die Durchführbarkeit von Wirklichkeit. Wenn es zu viele kreative, anders denkende Menschen gäbe, die Dinge wollen, die nicht angeboten werden, und Wirklichkeiten wünschten, die nicht sind, würde die Unzufriedenheit wachsen. Menschen aber, die gelernt haben, sich selbst zu identifizieren und sich freiwillig in eine angebotene Schublade einzuordnen, werden stets die Angepassten sein.
Vielleicht würde ein neuer, heute geschriebener Orwellscher Science-Fiction-Roman eine Gesellschaft zeigen, deren reales Ich ins digitale Ich upgeloadet wurde, und eine Welt, in der der Staat den nicht digitalisierbaren Rest nach erfolgtem Upload löscht: eine superkontrollierbare Welt aus BürgerInnen mit wohlgesichteter Individualität.
So weit sind wir noch nicht. Heutzutage übt sich bei facebook der Bürger erst einmal ein, seine Subjektivität in beherrschbare Teile zu zerlegen. Nicht um sich von einem bösen Häuflein Diktatoren befehlen zu lassen, sondern um seine Verwaltbarkeit vorzubereiten.
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Ergänzungen

Facebook auf den Sack gehen

Daniel 12.09.2011 - 14:51
Wer mal wissen will was da so gespeichert wird, dem empfehle ich folgenden Link.
 http://www.europe-v-facebook.org/DE/Daten_verlangen_/daten_verlangen_.html
Lasst euch ein Backup schicken und ihr seht was da so alles geloggt wird :)

Kritik leider unvollständig/ falsch...

M. Salzhügel 12.09.2011 - 15:23
1. Soziale Netzwerke als Spionageinstrument
Der Einwand "Es bleibt doch zu fragen. ob beispielsweise Terroristinnen wirklich das Online-Portal benutzen, um ..." erfasst ein wichtiges Problem nicht: der Staat beschränkt sich bei der Spionage nicht auf Leute, die wir vielleicht als gefährlich einstufen. Der Staat entscheidet selber, wen er für gefährlich hält und überwachen möchte. Siehe mg-Verfahren, wo es eben genügt bestimmte Bücher oder Worte zu kennen, Zugang zu Bibliotheken zu haben etc. Oder eben Kontakt zu einer Person zu haben, die für "verdächtig" gehalten wird. Wenn bekannt ist, mit wem man rumhängt, hat der Staat zumindest zusätzliche Anhaltspunkte, mit wem man zusammen z.B. das böse linksextremistische Flugblatt geschrieben hat. Und auch wenn die staatlicherseits gezogenen Schlussfolgerungen vielleicht nicht stimmen - die Leute sind dann trotzdem von Repressionen betroffen.

2. Öffentlichkeit & Normierung
Das eigene Verhalten, die Vorlieben und Interessen werden öffentlich dokumentiert und können in der Regel auch der Person zugeordnet werden, sei es, weil bereits der "richtige" Name angegeben ist, oder durch die Verknüpfungen zu Freund_innen oder... (anders als z.B. ein Kochforum, wo unter einem Pseudonym nur zu diesem bestimmten Thema gepostet wird). Gleichzeitig sind aber nicht alle Interessen oder Vorlieben gesellschaftlich akzeptiert - ich habe dann die Wahl, z.B. entweder zu meiner anarchistischen Einstellung zu stehen oder noch mal einen Arbeitsplatz zu finden. D.h. es bleiben nur die sowieso schon akzeptierten Meinungen und Vorlieben öffentlich sichtbar, wer "anders" ist fällt hingegen noch mehr auf.

Dass ich das eigene Profil auch verbergen kann, hilft da kaum weiter: ich muss dadurch auf den mit einem öffentlicheren Profil einhergehenden Nutzen verzichten (Sichtbarkeit der eigenen Meinung, Kontakt zu Gleichgesinnten, ...), ich mache mich durch ein "geheimes" Profil in manchen Augen verdächtig, die Freund_innen im Netzwerk können leichter (versehentlich) Informationen über mich preisgeben, aus meinen (öffentlichen) Freund_innen können Rückschlüsse auf mich gezogen werden, ich muss darauf vertrauen können, dass der Konzern die DAten nicht weiterverkauft und dass die Daten nicht gehackt und verkauft werden können...

Zwang auf nicht Teilnehmende

teilnehmer 12.09.2011 - 16:22
Bei dem Artikel fehlen meines Erachtens noch die Zwänge, welche auf nicht teilnehmende Personen ausgeübt werden. Einerseits direkt durch Gesichtserkennung von Fotos und Präsenz auf vielen Webseiten. Außerdem auch indirekt durch statistische Auswertungen von vorhandenen Profilen und den damit einhergehenden Rückschlüssen die auf soziale Vernetzung nicht angemeldeter Personen möglich sind. Zusätzlich dazu wäre es wünschenswert auch den vermeintlichen Datenschutz der Firma als freiwillig zu erkennen. Da sich vermutlich die AGBs je nach (wirtschaftlicher) Lage ändern können.

Wollen wir Facebook-Freunde werden?

EA 12.09.2011 - 16:59
Zu Facebook gibt es viel zu sagen und es ist im Moment eh in aller Munde. Trotzdem wollen auch wir hier unseren Senf dazu abgeben. Auslöser dafür ist der um uns herum festzustellende ka­tastrophale Umgang mit Facebook, gera­de auch unter Linksradikalen. Wir nutzen kein Facebook und das aus gutem Grund. Unsere Ablehnung ist nicht reflexhaft, aus einer techno­phoben Haltung heraus, sondern aus dem Bestreben, einen verantwortungsbewuss­ten Umgang mit neuen Medien zu fördern und von Menschen aus emanzipatorischen Bewegungen auch einzufordern. Grade bei jenen, die es in ihrem täglichen politischen Handeln mit der Legalität nicht so genau nehmen und sich bewusst in die Konfrontation mit Staat und Na­zis begeben, ist die zu beobachtende Sorglosigkeit nicht nur überraschend sondern auch gefährlich!

Aber kommen wir zuerst zu Facebook selbst. "Facebook, das nette ‚sozi­ale' Netzwerk, lässt George Orwells ,Big Brother' blass vor Neid werden. Facebook will nicht weniger als der zentrale Anlaufpunkt im Netz für möglichst viele Men­schen werden und damit die Kommuni­kation bei sich mono­polisieren, kontrollie­ren und ihr seine Regeln aufzudrü­cken." (Aus der Rede zur Ver­leihung des "Big Brother Award's" 2011 an Facebook) Die Autor_innen der "Laudatio" auf Fa­cebook haben dabei eine umfangreiche Sammlung an unschönen Details über das Online-Netzwerk zusammengetragen, die wir hier in aller Detailfülle nicht wieder geben werden. Nur so viel: bei Facebook handelt es sich um eine Firma, deren aktueller Wert auf über absurde 50 Milliarden Euro geschätzt wird. Dieser Wert be­ruht lediglich auf dem Preis, den Investor_innen bereit sind für die Aktien von Facebook zu zahlen. So ähn­lich wie Google sammelt Facebook per­sönliche Daten der Nutzer_innen im großen Stil: Emailadressen, Wohnorte, Aufenthaltsorte, Verbindungen, Bilder, Telefonnummern, Texte, besuchte Webseiten und vieles mehr.

Um genau zu sein, eigentlich alles an Daten an die Facebook irgendwie kom­men kann. Der Markt für personalisier­te Werbung im Internet boomt und der Besitz von persönlichen Daten stellt ein immenses Kapital dar. Was Facebook selbst - abgesehen von personalisier­ter Werbung - noch für Interesse an solchen Daten haben könnte und in Zu­kunft haben wird, ist Spekulation und wir haben keine Lust uns angesichts der offensichtlichen Tatsachen hier mit Karten lesen zu beschäftigen. Wir wehrten uns schließlich auch gegen die Volkszählung 2011; gerade, weil nicht klar ist was in Zukunft mit diesen Daten alles noch passieren könnte und weil umfassende Datensätze immer die Möglichkeit eines Missbrauches (oder bei geänderter Rechtslage oder Machtver­hältnissen Gebrauchs) zum Nachteil poli­tischer Gruppierungen, ethnischer Minder­heiten oder anderen, potentiell unliebsamen Personenkreisen ermöglichen.

Es liegt auch auf der Hand, dass zum Beispiel Repres­sionsorgane ebenfalls ein immenses Interesse an Netzwerken, Freundschaftsbeziehungen, Tagesgestal­tung, Vorlieben, etc, hegen. Das eben diese Organe Anfragen an Fa­cebook zu einzelnen Benutzer_innen­profilen stellen, ist kein Geheimnis und ganz ehrlich, auch wenn sie nicht diesen offiziellen Dienstweg gehen, ist es kein all zu großes Problem, selbst an auf "privat" gestellte Pro­file zu gelangen. Wer weiß denn bitte schön wirklich sicher ob der Account der alten Freundin, wirklich der alten Freundin gehört? Alles in allem ser­viert mensch hier persönliche Daten, Vorlieben und Verbindungen auf einem Silbertablett, ohne dabei wirklich über etwaige Konsequenzen bescheid zu wissen oder sich über die Risiken Ge­danken zu machen. Ganz im Gegenteil. Es werden Bedenken einfach beiseite geschoben, zu groß ist die Verlockung, "dazu" zu gehören. Von Freunden und Freundinnen von Face­book bekommen wir an dieser Stelle in der Regel zu hören: "Ja ja, das wissen wir doch alles, aber wir sind total vorsichtig, haben gar nicht unseren richtigen Namen angegeben und schrei­ben auch nichts schlimmes." Uns är­gert dieser Umgang gewaltig. Zum einen könnte mensch mit der gleichen Argu­mentationslinie auch gegen Vermummung auf Demos oder für Kameraüberwachung argumentieren: "Ich mach doch gar nichts schlimmes...". Nur die Bullen wird das im Zweifelsfall nicht inter­essieren. Zum anderen bezweifeln wir, dass Alle immer ganz vorsichtig sind. Persönliche Vorlieben und Aktivitäten werden sich trotz allem anhand des Profils erkennen lassen, ebenso wie Wohnort und Freundeskreis. Wer hier­bei auf der Ausrede beharrt, doch gar nicht mit dem realen Namen und Foto angemeldet zu sein, bewegt sich hier­bei in einer trügerischen Sicherheit. Wer dabei mit anderen Menschen kommuniziert, deren richtige Identität zu zu ordnen ist, läuft darüber auch Gefahr, identifiziert zu werden. Und selbst, wenn die Vorbereitungen von Aktionen nicht über Facebook erledigt werden, ist das nur ein schwacher Trost.

Wir müssen nicht erst mit Verfahren nach §129a konfrontiert sein, damit es für die Bullen und VSler interessant wird, mit wem wir wann und wo Kontakt haben. Wenn aller­dings eine Ermitt­lung nach §129a ins Spiel kommt, dann kann ein Facebook­Profil den Bullen genügen, um eine Le­gitimation für Ab­hörmaßnahmen gegen die Facebook-"Freunde" der Betroffenen und gegen deren "Freunde" zur Hand zu haben! Zu erinnern ist hier an die Kampagne "Castor Schottern", die eben­falls eine Facebook-Seite nutzte. Die Staatsanwaltschaft drohte in diesem Zusammenhang an, gegen alle "Freund_ innen" dieser Seite ein Ermittlungs­verfahren wegen Aüfruf zu Straftaten einzuleiten. Dies ist vermutlich eher eine hohle Drohgebärde, aber es zeigt, das Repressionsbehörden Facebook auch als Informationsquelle nutzen. Darü­ber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass Facebook-Profile den Er­mittlungsbehörden und Geheimdiensten Einblicke in Freund_innenkreise und Beziehungen bieten, die es ihnen er­möglichen sich Leute rauszufischen die ihrer Meinung nach als Spitzel in Fra­ge kommen könnten und ihnen so Ansatz­punkte für Anquatschversuche gibt

Wir rufen dazu auf, die Finger von Fa­cebook zulassen und stattdessen auf überprüfbare Opensource-Kommunikations­mittel wie Jabber (mit OffTheRecord) oder PGP verschlüsselte E-Mail-Kommuni­kation zurückzugreifen. Diese funktio­nieren technisch gesehen zwar nicht wie Facebook, bieten aber in ihrer Summe einen absolut gleichwertigen Ersatz ei­ner digitalen Kommunikation, ohne dabei Unternehmen Gewinne zu verschaffen und staatlichen Stellen die Arbeit abzuneh­men.

Wir treten lieber direkt mit unseren Freunde und Freundinnen in Kontakt oder schreiben ihnen E-Mails oder Jabbernachrichten als uns auf eine zentralisierte Kommu­nikation, eine Technologie die soziale Kontakte und Freundschaften per Mausklick und nicht per direktem Kontakt vortäuscht, zu verlassen. Wir wollen unsere FreundInnen nicht zu Nummern in unserem Facebookprofil oder zu einer Messeinheit unseres eigenen "Wertes" machen. Kurz wir wollen unsere Bezie­hungen nicht in eine Warenform pressen lassen.

Einige Autonome unterwegs auf dem Datenhighway des 21. Jahrhunderts

quelle des artikels

mensch 12.09.2011 - 19:11
es sollte noch darauf hingewiesen werden, dass dieser text zuerst in der graswurzelrevolution  http://www.graswurzel.net/361/ veröffentlicht worden ist und erst dann hier gepostet wurde, so gesehen crossposting...

a

b 12.09.2011 - 19:51
Zuerstmal ist es gut, dass FAcebook nun auch in der radikalen linken zur Disposition steht.
Facebook verfügt über nahezu unendliches Wissen und damit auch über extrem viel macht und diese macht sollte niemand, kein Mensch, kein unternehmen und kein Staat bekommen.
Der Text ist gut, formuliert(genauso wie der EA Text) eine längst überfällige Kritik, nur, und das ist vllt. das Hauptproblem, schlägt eine schon lange verlorene Schlacht. Auch wenn sich ein kleiner reflektierter Teil Facebook vorenthält, so wird doch der komplette Rest dieses Planeten mittelfristig, sofern die technischen Gegebenheiten es zulassen, zu Facebook gehen. Und damit sei als Denkanstoß darauf hingewiesen, dass dies die gesellschaft noch massiver beeinflussen wird als bisher. Soziale Kontakte werden nicht mehr in der Realität gepflegt und Politische Agitation, auch Linksradikale, wird sch die Selbssteinschränkung auf Facebook zu verzichten dauerhaft nicht erlauben können.
Das ist die vllt. schwierigste Frage, weil abgesehen von der sehr treffenden kritik bietet Facebook Möglichkeiten der Agitation, die nützlich bis notwendig sind. Und genau darin liegt das Dilemma, auf der einen Seite FAcebook gegenüber oppositionell sein zu wolen, auf der anderen Seite aber in seiner politischen Arbeit davon abhängig zu sein.
Wirkt etwas wirr, ist letztlich auch ein Spontaner Text, aber dieser Aspekt sollte nicht vergessen werden.

Ermittler in sozialen Netzwerken

Ick 12.09.2011 - 22:47
Dass die Bullen in Netzwerken rumhängen ist bekannt.
 http://www.taz.de/!48715/
Kann man ja auch mal nach suchen, das haben viele Zeitungen und blogs gebracht.

Klon

Iceflame 15.09.2011 - 22:16
"Der facebook-User erfindet zunächst von sich einen Online-Klon. Die Daten - Bilder, Hobbys, Interessen, Einträge am schwarzen Brett - entwerfen ein digitales Anderes, eine Art elektrifiziertes Abbild des eigenen Selbst."

Das hängt von der Nutzung des Anwenders ab. Wenn jemand ein echtes Foto reinstellt, ist das kein Fake. Eine idealisierte Persönlichkeit ist genau der Reiz den das Internet bietet. Ich zb. habe lieber im Internet mit einem symbolischen Bild eines Charakters am anderen Ende zu tun, als offline mit einem symbolischen Charakter dass sich in einem Bild ausdrückt, mit dem ich zu tun habe. Das Internet zeigt die Seele. Diese kann unecht sein. Aber genauso wie es das Problem der Person ist, wenn sie den Orgasmus beim Sex vortäuscht, mir das scheissegal ist und ich trotzdem drauf abfahr und meine Befriedigung habe, ist es das Problem der "Faker", wenn ich ihr Klon lieber habe als sie, wenn ich mit ihnen offline, zu tun haben müsste. Dass damit viel Scheisse gebaut wird ist klar. Die Frage ist nur wer baut scheisse und warum. Ein Bruch des Vertrauens liegt dann also nicht zwischen mir und der "Rolle"/dem Klon/des Fakes vor, ja ich wäre nicht einmal demjenigen böse der diese Figur erschafft (wenn er das nicht aus böswilligen Gründen tut), sondern zwischen den Nutzern die mich für dieses Eingehen der Lüge bestrafen, sie ausnutzen für ihre Zwecke, den Nutzern die entweder nicht zugeben dass sie diese Rolle spielen oder hinter dem PC sitzen und diese Rolle für etwas anderes benutzen als die Rolle vorgibt. Ein Beispiel: kreiere ich eine zweite Person von mir mit einem anderen Bild von mir (einem Zeichentrickbild von einer Comicfigur die ich gerne habe), ich habe cybersex mit jemanden. Die Person hat ihren Spaß. Ich habe meinen Spaß. Ist doch alles ok. Kreiere ich eine Comicfigur um die psychologischen Analysen die ich aus dieser Unterhaltung gezogen habe nutzen kann um sie u.a. kollektiv offline zu verwerten um damit ganz viele Frauen zum Sex mit mir oder anderen Personen zu bewegen, ist das ein Missbrauch. Der Vertrauensbruch liegt also nicht zwischen mir gegenüber dem Nutzer/dem Klon vor, sondern zwischen mir und der Verwendung des Klons/der realen Motivation des Nutzers hinter dem Klon. Demnach ist die Kritik falsch dass Facebook Verantwortung dafür trägt, wenn Menschen mittels dieser Funktionalität missbraucht, überwacht, kontrolliert oder offline unterdrückt werden. Im Gegenteil zeigt das nur dass Facebook eine Plattform ist um enormes Potential an Bedürfnissen auszudrücken, die offline nicht gestillt werden können (zb. weil jemand zu hässlich oder zu unbequem ist um jemanden kennenzulernen, ohne sich als Comicfigur zu verkleiden, oder man will keine echten Beziehungen sondern nur schnell mal die alte Freundin/Freund vergessen in der Hoffnung sie/er kommen zurück), das alles bietet das Internet. Diese Funktion derart zu diskreditieren, ist eine Rücksichtslosigkeit der Menschen die auf sie angewiesen sind zu kommunizieren. Das stellt schon ein Angriff auf das Vertrauen der Menschen in die Absicht dieser Plattform und in die Technik diese anzubieten dar. Es ist kein Wunder dass sich dann Betreiber mit der Polizei verbünden, um sich gegen solche Kriminalität zu schützen betreffend ihrem Ruf oder ihre User schützen wollen in dem sie glauben die Polizei würde ihnen dabei helfen, diesen Missbrauch abzustellen. Was natürlich nur geht wenn die Polizei ideologisch neutral gegenüber den Werten derjenigen steht die diese Funktion ausnutzen und nicht heimlich sich mit freut wenn Nacktfotos von Jugendlichen überall rumschwirren, außerhalb der überprüfbaren gesellschaftlichen Stellen oder Frauen offline zu was gezwungen werden können, weil man ihre Vorlieben über das Internet rausgelockt hat und sie in eine Falle gelockt hat aus der sie nicht mehr heraus kommen. Sicher bietet das vielen Formen der Kriminalität Schutzraum.


Doch aber nur und weil dieses Vertrauen der Menschen nicht einmal in einer virtuellen Welt davor geschützt zu sein erschüttert wurde, wird, so dass sie nicht einmal darüber ädiquate Hilfe bekommen um sich offline davor schützen zu können. Zudem was sollen Anbieter machen wenn die Polizei da mit drin steckt? Was sollen sie machen wenn niemand anderes das Thema zufriedenstellend angeht und ihnen nur die Option lässt : Aufhören oder sich mit der Problematik alleine gelassen fühlen?


Eine radikale Politik würde akzeptieren dass eine virtuelle "Ebene" in der Gesellschaft , ein Ort für Phantasie, benötigt wird. Radikale Politik wäre es diese Plattform zu schützen.
Vor Angriffen auf diese Funktionalität, im offline Leben. Radikale Politik ist es das Vertrauen der Menschen zu beschützen und es nicht noch weiter zu zerschlagen, in dem man ihnen auch noch den letzten Zufluchtsort für Kontakte nimmt. Einen Ort wo sie anonym aber auch mit echten Fotos sich kennenlernen können, bevor sie sich offline, einander annähern wollen.

Die Kritik ist daher verkürzt und trifft vollkommen die falschen Thematiken. Sie kann als Lösung für politische Aktionen meiner Meinung nach nicht herhalten.

Soziale Netzwerke als Spionageinstrument II

N 18.09.2011 - 23:13
Endlich mal ein Text in Inymedia den ich zustimmen kann ;)
Nur finde ich Eure Ansichten in d i e s e n Fall viel zu gemässigt.

Habt das nicht mitbekommen, das mit den "Masterpasswort"
des ->"RAMPUS INTERVIEW" von 2010???

Das hat eine ehemalige Mitarbeiterin gesagt es GAB mal ein Masterpasswort,
mit dem man, angeblich nur innerhalb der Mutterfirma, AUF ALLE DATEN, ALLER
USER zugreifen könnte!!!

Ok, ich gebe zu das ich als ehemaliger Unteradmin mir auch gedacht
habe, "Na, und? Ein (Voll-)Administrator kann ohnehin immer und überall
auf alle Daten(-banken)zugreifen!"

ABER GENAU DAS IST DER PUNKT! Warum benötigt man da ein Masterpasswort?
->Weil "Nichtadministratoren" (Polizei, Geheimdienste etc.) in div. Ländern
"schnell und unbürokratisch" zur "warum berechtigter Interessen" auf die
Daten a u ß e r h a l b jederzeit zugreifen "m ü s s e n!"

Nur soooo machen Masterkennwörter erst richtig Sinn.

Was denkt ihr?

Kommt mir bitte aber nicht damit, das Sugarbaby Zuckerberg, die Existenz mit
dem Masterkennwort/ern, zutiefst "erschüttert" zurückgewiesen hat!

Fakt ist auch, das es jetzt scheinheilige Berichte in den Mainstreammedien gab,
das der böse Mubarak und der böse Gaddafi durch seinen Geheimdienste auch den
Internetverkehr (einschließlich Facebook) überwacht hat.
Ob die in der Zeit der "tiefen Freundschaft" mit den westlichen Staaten durch
deren Geheimdienste nicht auch Unterstützung, also auch Mastercodes bekommen
hatten? Bei der Telefonüberwachung ist es erwiesen, das er westliche Ausrüstung
zu Überwachung bekommen hat.
Warum soll es das nicht auch bei der Überwachung des Internets der Fall gewesen sein?!!!!

Und wenn das dort möglich war....


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