Zur aktuellen Situation in Kairo

rechercheguppe 10.09.2011 18:33 Themen: Blogwire Weltweit
Proteste auf dem Tahrirplatz#Stürmung der israelischen Botschaft#Veranstaltungen in Berlin und Hamburg
I. In Kairo haben am Freitag mehrere zehntausend Menschen auf dem Tahrir Platz demonstriert. Mobilisiert hatten die säkuläre Gruppen, die Moslembrüder und andere „islamische Gruppen“ waren nicht beteiligt. Seit Monaten schon ist die Opposition gespalten.
Teile der Moslembrüder werden als möglicher Stabilitätsfaktor vom regierenden Militärrat gesehen, auch die USA äußerten sich in diese Richtung.
Schon den Demonstrationen im Juli, bei denen es vor allem in Suez zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und den „Sicherheitskräften“ gekommen war, und die sich auch gegen die Militärregierung gerichtet hatten, waren die „islamischen Gruppen“ ferngeblieben.
Sie mobilisierten stattdessen kurz darauf erstmalig breit zu einem eigenen Protesttag auf dem Tahrir Platz. Busse aus dem ganzen Land brachten die Anhänger der „islamischen Gruppen“ nach Kairo, am Ende füllten Hunderttausende den Platz, die säkulären Gruppen standen unter Schock.

Zu dem gestrigen Protesttag war langfristig mobilisiert worden, ob er überhaupt stattfinden würden können, war bis zuletzt unklar. Erst am Donnerstagabend zogen sich die Sicherheitskräfte vom Platz zurück, den sie seit Wochen besetzt hatten.



II. Am Freitagnachmittag begannen Menschen zum Gebäude der israelischen Botschaft zu strömen. Hier werden die Berichte uneinheitlich, teilweise wird behauptet, Tausende seien auf einem Schlag aufgetaucht und hätten sofort angefangen, die Mauer, die sich vor dem Hochhaus, in dem sich die israelische Botschaft befindet, mit mitgebrachtem Wrkzeug nieder zu reissen.
Unstrittig ist, dass die ägyptischen „Sicherheitskräfte“ stundenlag untätig zuschauten, wie die Mauer niedergerissen wurde, auch als einer Gruppe gelang, in das Gebäude vorzudringen, wurde dagegen nicht eingeschritten. Der Botschafter und seine Mitarbeiter wurden vom Gelände gebracht, eine kleinere Gruppe von Angestellten musste sich in einem „panicrooom“ in Sicherheit bringen und wurde erst nach Stunden von einer ägyptschen Eliteeinheit befreit.
Später gingen die „Sicherheitskräfte“ gegen die Demonstranten vor der Botschaft vor, in der Folge kam es zu stundenlangen Strassenschlachten, bei denen mindestens vier Menschen getötet wurden.



III. Die gestrigen Ereignisse sind innerhalb der ägyptischen Gesellschaft umstritten. Viele teilen die Kritik der „islamischen Gruppen“ an der Politik der israelischen Regierung. Die Erschiessung von fünf ägyptischen Grenzschützern vor ein paar Woche durch israelischen Soldaten, als diese ein palästinensiches Kommando nach einer Aktion verfolgten, hatte einiges an nationalistischer Mobilisierung zur Folge. Aber auch Teile der der säkulären Opposition begrüssen die Aktionen vor der israelischen Botschaft. Der Militärrat dürfte sein eigenes Spiel spielen. Schon seit Mai kommt es immer wieder zu Demonstrationen vor der israelischen Botschaft. Die „Sicherheitskräfte“ haben es auch schon in der Vergangenheit zugelassen, dass Menschen das Gebäude erklimmen und die Fahne abreissen konnten. Auf diplomtischer Ebene wird dann immer wieder im Anschluss das Bedauern über die Vorkommnisse geäußert.
Auf jeden Fall führen die gestrigen Ereignisse vor der israelischen Botschaft dazu, dass niemand mehr über die Proteste auf dem Tahrir Platz redet, die säkuläre Opposition dürfte dadurch weiter geschwächt werden.



Es folgt die Berichterstattung von den Gefährten von egyptianspring.blogsport.de zum gestrigen Tage:



„Freitag abend auf dem Tahrir-Platz: Der friedliche Protesttag war vorbei, im Abendlicht Gruppen mit Handschuhen und Plastiktüten über den Platz um ihn zu säubern. Doch während die einen noch aufräumten, sorgten andere wenige Kilometer weiter für mehr Scherben als wohl jemand an diesem Abend erwartet hätte. Schon am frühen Nachmittag war eine Gruppe von Demonstrant_innen zur israelischen Botschaft gezogen, die in einem 20-stöckigen Gebäude neben der Nilbrücke zum Stadtteil Giza liegt. Dort ist letzte Woche eine gewaltige Mauer errichtet worden, die verhindern soll, dass wie vor wenigen Wochen Demonstrant_innen an das Gebäude gelangen. Vor vier Wochen war ein junger Ägypter an der Außenwand der Fassade hinaufgeklettert und hatte unter dem Jubel von Zuschauern die israelische Flagge verbrannt und die ägyptische gehisst (später hatte ihm der Gouverneur seiner Heimatstadt eine Wohnung und einen Job versprochen, noch später hat die Zeitung Al-Masr Al-Youm herausgefunden, dass es sich scheinbar nicht um eine einzelne Person, sondern eine Gruppe von vier Leuten handelte, und der gefeierte Ahmad Shafat gar nicht derjenige war, der geklettert war.)



Der Angriff

Am Freitag nun begannen die Demonstranten am Nachmittag, mit Hämmern und Eisenstangen die Mauer zu zerlegen, es sollte ein Symbol gegen die Absperrung der Botschaft sein. Selbst Präsidentschaftskandidat Ayman Nour nahm teil. Zu der Aktion hatten Aktivisten übers Internet aufgerufen, Teilnehmern zufolge war nur geplant, die Mauer abzubauen und dann wieder zu gehen. Während noch an der Mauer gearbeitet wurde, begann jedoch eine Gruppe von vier Leute, erneut am Gebäude hochzuklettern. Als sie zwei Stunden später tatsächlich ankamen, warfen sie jedoch nicht nur die Flagge hinunter, sondern begannen unzählige Papiere aus einem über der Botschaft gelegenen Lager herauszuwerfen, wie Schnee segelte das weiße Papier aus dem Nachthimmel herab. Wenige später stand die Etage in Flammen. Unten tanzten ekstatisch die Menschen, Demonstrant_innen kletterten auf die Panzer der Armee. Die Armeesah weiter zu, erst eine ganze Weile später griff zuerst die Polizei, dann das Militär ein: 12 Stunden Straßenschlacht folgten, Zahlen des Gesundheitsministerium am Samstag morgen: rund 1000 Verletzte, 2 Tote.



Die Diskussion

Eine heftige Schlacht begann zeitgleich auch bereits zwischen den Protestierenden, sie wurde nicht mit Steinen, sondern mit Worten und Zeilen (im Internet) ausgetragen. Schon während der Kletteraktion gingen die Meinungen derer, die das live oder im Fernsehen verfolgten, weit auseinander – und sie mögen so etwa 50/50 liegen. Während ausgerechnet die Aktivist_innen (in Ägypten werden so die zumeist aus der Oberschicht stammenden Internet-Aktivisten bezeichnet) euphorisch und außer sich diesen „Triumph“ feierten, sahen andere fassungslos oder wütend zu, wie, in ihren Augen gerade ihre Revolution zerstört wurde.



LeilZahra Leil-Zahra Mortada
The protest at #israeliembassy shows the internationality & geo-political importance of #Egypt #Tahrir revolution. Beauty!

Tarek Shalaby
tarekshalaby Tarek Shalaby
RT @Cer: RT @iRevolt: NATO violence; good. Arab violence; bad. #HouseArabs

Gigi Ibrahim جييييج
Gsquare86 Gigi Ibrahim جييييج
You are either with the revolution or you are not

Sandmonkey Mahmoud Salem
Also, if u don;t agree with every stupid emotional shit a fellow protesters does, u r a counter-revolutionary? Great. Fantastic. Thanks!

Mahmoud Salem
Sandmonkey Mahmoud Salem
Oh, so if u don‘t agree with attacking the Israeli embassy, u r a soft zionist sympathizer now? Lovely! Go fuck yourselves.

Gigi Ibrahim جييييج
The deeper we get into the revolution the more appearant it becomes who believes in the revolution & who is simply riding the wave

Sandmonkey Mahmoud Salem
@Gsquare86 And it’s up for who to decide who believes in it and who is riding the wave?

Die Fragen

Noch vor allen Diskussionen kamen bereits während der Kletteraktion von Leuten vor Ort wie aus der Ferne zahlreiche Vermutungen, dass da irgendwas „faul“ sei:

AhmedRaafat10 Ahmed Raafat
There’s something weird and suspicious about the force into the #israeliembassy
Feels like we‘re puppies and we‘re being played with #noscaf #israeliembassy Something is not right!



Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Ungereimtheiten:

- Warum greifen Polizei und Armee nicht ein? Militärpolizei war die ganze Zeit über in großer Zahl präsent, zudem Soldaten und Panzer, zudem ist ein Polizeihauptquartiert direkt daneben. Rund sieben Stunden hat das Militär die Demonstrant_innen gewähren lassen und zugesehen, wie sie die Mauer zerlegt haben – das aus politisch-symbolischen Gründen noch verständlich. Aber warum verhindert sie nicht, dass erneut Menschen zur Botschaft hinaufklettern bzw. hindert sie, wenn sie dort angekommen sind, nicht daran, in diese einzudringen und sie zu verwüsten oder gar anzuzünden, wie offenbar geschehen? Das Militär hat Spezialeinheiten wie die 777 die dazu ausgebildet sind, bewaffnete Terroristen zu stoppen – müssten diese nicht fähig sein, ohne große Gewaltanwendung vier unbewaffnete, sehr junge Männer zu stoppen? Bei früheren Gelegenheiten wie am 25.2. hatte das Militär keinen Skrupel, die 777 auch gegen vollkommen friedliche Demonstrant_innen einzusetzen.



- Die Informationen, die am nächsten Tag weiter herauskommen, machen die Sache nicht übersichtlicher. So schreibt Bloggerin Gigi Ibrahmin, sie habe mit einem der vier gesprochen, die in der Botschaft waren: „They raided the embassy spending 3hrs to break doors, found 3 Israelis who were escorted out by army, only only one got hit by protesters.“ – Das heißt, es waren Soldaten mit den vieren im Gebäude?

Es ist zumindest offensichtlich, dass das Militär die Aktion aus welchem Grund auch immer die Aktion zugelassen hat – wie auch schon „flagman“ Ahmed Shafat laut al-Jazeera berichtet hat, ein Offizier habe ihm zugenickt, als er begonnen habe zu klettern. Mit wenigen simplen und gewaltfreien Aktionen wäre die Stürmung der Botschaft zu verhindern gewesen – indem es schlichtweg den Eingang bewacht und verhindert, dass jemand zu klettern beginnt. Das war aber offenbar nicht gewünscht – die Armee und die Regierung haben die Situation bewusst eskalieren lassen wenn nicht gezielt dazu beigetragen. Aus welchem Grund und wofür sie das nutzt, das wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Um Druck vom Militär zu nehmen und den Protest auf ein anderes Ziel zu lenken? Um Wahlen weiter zu verschieben oder zu verhindern, mit dem Argument, die Situation sei nicht stabil genug und „diese“ Leute könne man ja nicht wählen lassen und eine dauerhafte Militärregierung sei weniger gefährlich als solch ein Mob – in dieser Argumentation unterstützt vom Westen, vermutlich? Aus Gründen innerhalb der Regierung? Oder um eine schärfere Gangart gegen Proteste vorzubereiten?

Erste Resultate des Abends: Premierminister Sharaf hat ein Rücktrittsgesuch eingereicht, im Internet wird gerätselt ob er durch jemanden vom Militär ersetzt werden wird. Und noch in der Nacht hat die Regierung verkündet, den Ausnahmezustand zu verschärfen und alle Polizisten die sich in Urlaub befinden zurückzurufen. “



Eine Möglichkeit, weiteres zur aktuellen Situation in Kairo und Grundsätzliches zur Entwicklung in Ägypten zu erfahren, bieten Veranstaltungen mit Aktivisten aus Ägypten in Berlin und Hamburg:



Ägypten: Revolution… and no end?
Tahrir-Platz-Aktivisten in Berlin und Hamburg, 14.-16.9.

Im Januar haben sie Geschichte geschrieben: die jungen Ägypter_innen, die in 18 Tagen Revolution das Regime von Präsident Mubarak stürzten und so nicht nur Ägypten, sondern den gesamten Nahen Osten aufwühlten. Die Rede von der „Facebook-Generation“ verschleiert, dass es sich nicht mehrheitlich um Kinder der Mittel- und Oberschicht handelt, sondern es sich vor allem um junge Menschen aus einfachen Verhältnissen handelt, die unter enormer Prekarität und Perspektivlosigkeit litten wie Teile der jungen Generation in zahlreichen anderen Ländern, in Ägypten zusätzlich unter einem extrem repressiven Staat und dem alltäglichen Rassismus.

Die Revolution hat nicht nur das Leben dieser jungen Menschen vollkommen verändert, mit der Revolution sind die jungen „Revolutionäre“ auch über Nacht zu einem politischen Akteur geworden, der die Richtung der Politik in Ägypten momentan wesentlich bestimmt. Der Großteil der Protestierenden ist weiterhin „unorganisiert“ oder in kleinen, neu gegründeten Gruppen aktiv und agiert im Wesentlichen auf der Straße. In den europäischen Medien mit ihrem Konzentration auf Parteien und organisierte Kräfte wird dieser Kern der Protestbewegung häufig vernachlässigt. Dabei ist gerade für linke Bewegungen in Europa ein Austausch mit ägyptischen Aktivist_innen höchst spannend ? worin lag der Erfolg der Bewegung? Wie ist der Brückenschlag mit anderen Teilen der Gesellschaft — von den liberalen über die Arbeiter_innen bis hin zu religiösen Kräften gelungen? Was können wir von den Ägypter_innen lernen, was sie von uns? Wie ist die Situation in Ägypten ein halbes Jahr nach der Revolution, haben sich die Hoffnungen erfüllt oder nicht?

In den letzten Monaten sind wiederholt deutsche und europäische Aktivist_innen nach Ägypten gereist und haben von ihren Eindrücken berichtet. Nun sind zwei junge ägyptische Aktivisten in Deutschland, um selbst von ihren Erfahrungen auf dem Tahrir-Platz und den Monaten danach zu berichten und sich mit Aktvist_innen aus Deutschland auszutauschen.



Berlin, 14.09, 17 Uhr, Versammlungsraum im Mehringhof, Gneisennaustr. 2a, U-Mehringdamm und 19.30 Uhr, im Rahmen der Veranstaltung „Internationalismus wird gemacht“;



Berlin, 15.09., 20 Uhr, Veranstaltung mit Filmvorführung „Thaura – Revolution in Ägypten“, Meuterei, Reichenbergerstr. 58, 10999 Berlin;



Hamburg, Freitag, 16.9., 20 Uhr, Centro Sociale, Sternstr. 2, U-Feldstr.; BUKO-Veranstaltung in Kooperation mit dem Eine Welt Netzwerk Hamburg (EWNW)



 http://uprising.blogsport.de/

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Ergänzungen

Dies und Jenes

peace 12.09.2011 - 10:26
"Um Druck vom Militär zu nehmen und den Protest auf ein anderes Ziel zu lenken? Um Wahlen weiter zu verschieben oder zu verhindern, mit dem Argument, die Situation sei nicht stabil genug und „diese“ Leute könne man ja nicht wählen lassen und eine dauerhafte Militärregierung sei weniger gefährlich als solch ein Mob – in dieser Argumentation unterstützt vom Westen, vermutlich? Aus Gründen innerhalb der Regierung? Oder um eine schärfere Gangart gegen Proteste vorzubereiten?"

Da sich in Ägypten de facto nichts geändert hat, kann auch darauf aufmerksam gemacht werden, das Mubarak schon zu seinen Zeiten, wenn er es brauchte, auch um die Antisemiten nicht gegen sich aufzubringen, diese bediente. Das kennt man in Israel schon.



@ no-peace:
a) Israel hat demokratische Revolutionen begrüßt. Es kann sich jedoch nicht vor einer Revolution auf die Seite der Revolution stellen, weil es sich damit gegen den Staat stellt, außerdem gab es in Ägypten keine demokratische noch irgendeine andere Revolution (auch wenn du und die deutsche Presse das gerne so hätten).
b) revlativierst du jegliche Appartheitsregime, wenn du das in Israel damit betitelst. Gerade in Zeiten des "arabischen Frühlings" sollte man bedenken, dass die einzigen demokratischen Freiheiten im nahen Osten - im bezug auf arabische Staaten -, die im jüdischen Staat Israel lebenden arabischen Israelis haben. Das die Leute aus Gaza und dem Westjordanland davon ausgeschlossen sind macht die Sache nicht zu einem Appartheitsstaat: Nur weil man als Person mit nur russischem Pass bis vor einiger Zeit ein Visum zur einreise in Deutschland brauchte, war Deutschland noch kein Appartheitsstaat. Dass die Palästinenser keine Pässe haben, um sich zwischen Staaten zu bewegen, ist größtenteils ihre Schuld und die ihrer arabischen "Freunde", die ihnen damals verboten einen Staat zu gründen und diesen bei Gründung wohl genau so mit ihren Militärs angegriffen hätten wie auch den Jüdischen.
c) Israel steht mit Syrien defacto im Kriegszustand. Wenn das mal kein klares Statement gegen das syrische Regime ist. Und dem Iran das Feld zu überlassen musste Israel nicht, da Syrien und Iran schon vorher gute Kumpels waren.

"Es ist evident, dass ein Land mit gerade mal 6 Millionen Einwohnern mit solch einer Politik nicht überleben wird."
Kleiner Prophet. Israel geht es super, trotz Krise ökonomisch relativ Stabil, erlebt gerade ganze manifestationen demokratischer Kultur (ohne Gewaltausbrüche)... Halluzinationen eines in Deutschland lebenden und seine politischen Ansichten nach zwei Zeitungen oder Medienportalen aufbauend. Du bist ein Genie und deine politischen Analysen sind reine Meinungsmache, die auf jegliche Realitätsprüfung verzichtet.

israel

besucher 12.09.2011 - 18:43
ich war vor einigen wochen in ägypten und dort habe ich mich mit einigen Leuten über die Revolution unterhalten. Irgendwann habe ich versucht mehr über die Einstellung der Leute zu Israel herauszufinden.
Es ist festzuhalten, dass der Großteil der ägyptischen Bevölkerung sehr negativ gegenüber Israel eingestellt ist. Ich habe auch Einzelne getroffen, die einen eliminatorischen Antisemitismus vertreten haben. Die in letzter Zeit zu bemerkenden Hakenkreuz-Graffitis in einigen ägyptischen Städten und die Ereignisse der letzten Zeit bestätigen diese Beobachtungen.
Was bedeutet das ?
1) Zum einen zeigt es, dass "internationale Solidarität" keine einfache Sache ist. Eine Revolution wie in Ägypten ist eben nicht nur einfach toll und super, weil es eine Revolution ist. Teil dieser Revolution ist eben auch eine nationalistische und antisemitische Mobilisierung der Massen. Gleichzeitig hatte und hat die Revolution auch emanzipatorische Elemente.
Würde eine Revolution mit vergleichbarem Nationalismus in Deutschland passieren, würde jeder Linksradikaler auf der anderen Seite stehen. In Ägypten müssen die spezielle Rahmenbedingungen beachtet werden. Eine "internationale Solidarität" muss allerdings immer kritisch sein.
2) Die Lage von Israel ist wirklich prekär. Erdogan hat vor einigen Tagen einen diplomatischen Krieg gegen Israel begonnen. Die schon an einem historischen Tiefpunkt befindlichen Beziehungen der Türkei zu Israel werden sich weiter massiv verschlechtern. Jede vorstellbare neue ägyptische Regierung wird versuchen die Beziehungen zu Israel zu verschlechtern, was extrem populär in der Bevölkerung ist. Viele der großen Strömungen in Ägypten, die Bewegung 6. April, die meisten Parteien und natürlich die Islamisten sind Israel gegenüber sehr feindlich eingestellt.
Die nächste Regierung wird voraussichtlich das Abkommen von Camp David aufkündigen und den Botschafter abziehen. Noch scheint sich kaum jemand mit den Konsequenzen dieser absehbaren Handlungen auseinanderzusetzen.
Als letzter Verbündeter Israels im Nahen Osten verbliebe damit Jordanien. Auch hier gibt es eine starke israelfeindliche Stimmung. Wenn nach der Türkei, auch Ägypten folgt, wird die jordanische Regierung folgen oder wird mit anwachsenden, destabilisierenden Massenprotesten konfrontiert sein.

Abgesehen davon, dass die Militärregierung eventuell die letzten Ereignisse provoziert hat, wird es in nächster Zukunft zu einer Eskalation im Nahen Osten kommen. Dies könnte im Gefolge der UN-Offensive der Palästinenser stehen. Auch eine kriegerische Auseinandersetzung ist nicht auszuschließen und wird immer wahrscheinlicher. Und das nicht trotz, sondern wegen den Revolutionen.
Die "westliche" Politik scheint auf diese Entwicklung überhaupt nicht vorbereitet und auch der radikalen Linken ständen dann wieder endlose Auseinandersetzungen bevor.
Die Auseinandersetzung mit den antiisraelischen Protesten in Kairo ist also eminent wichtig.

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no justice — no peace

@ fg — no peace