[GRE] Goethe-Institut in Thessaloniki besetzt

Linksradikale aus der BRD 09.09.2011 12:10 Themen: Antifa Antirassismus Globalisierung Soziale Kämpfe
Am 8 September 2011 wurde das Goethe-Institiut in Thessaloniki (Griechenland) von verschiedenen Linksradikalen aus der BRD temporär besetzt. Hintergrund waren die Gerichtsverfahren gegen NS-Verbrechen in u.a. in Griechenland, wo im Kontext dessen das Institut kurz vor der Zwangsversteigerung stand. Im Fokus der Kritik stand auch die Bedeutung des staatlichen Instituts als deutsche Standortwerbung in der Krise.
Gegen 12:00 Uhr Ortszeit betraten die 25 Besetzer*innen das Goethe-Institut an einer viel befahrenen Verkehrsstraße im Zentrum Thessalonikis. Sie erklärten das Institut für zwei Stunden besetzt und hingen mehrere Transparenten auf deutsch und griechisch auf.

Als Grund ihrer Besetzung gaben die Aktivist*innen in einem Flugblatt (siehe unten) die Gerichtsverfahren gegen NS-Verbrechen im besetzten Europa, u.a. in Griechenland, an. Die BRD wehrt sich gegen jegliche Entschädigungsforderungen an die Opfer, die sich seit den 90ern durch sämtliche Instanzen geklagt haben. Nun hat es die Bundesregierung soweit gebracht, dass sie im Zusammenhang dieser Verfahren am 12. September 2011 vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag nicht auf der Anklagebank, sondern auf dem Platz der „Geschädigten“ Platz nimmt.
Zwischenzeitlich stand in Griechenland, wo die Klagen der Opfer in den höchsten Instanzen bewilligt wurden, u.a. das Goethe-Institut zur Zwangsversteigerung, da die Bundesregierung die Zahlungen verweigerte. Die BRD intervenierte massiv und bekam 2007 durch den Europäische Gerichtshof der Menschenrechte in Straßburg recht. In ihrem Flugblatt verweisen die Besetzer*innen auf die politische sowie ideologische Bedeutung dieser Interventionsmaßnahmen der BRD. Das Goethe-Institut hat für die Bundesregierung „kulturelle Repräsentanz“; diese Einrichtung dient laut Außenminister Westerwelle einer bedeutungsvollen Standortwerbung. Insbeondere in Zeiten der Staatsschuldenkrise werden die Bemühungen Deutschlands klar, sich nicht nur als ein wichtiger Player der innereuropäischen Standortkonkurrenz hervorzutun, sondern ebenfalls mit dem Etikett „Kulturnation“ zu glänzen.

Die Mitarbeiter*innen des Goethe-Instituts reagierten bis auf wenige Ausnahmen sehr interessiert, zum Teil gar verständnisvoll und diskussionsbereit. Nachdem der Institutsleiter den deutschen Konsul in Griechenland über die Aktion telefonisch informierte, bat er die Besetzer*innen zur Diskussion. Er selbst habe großes Verständnis für die Aktion. Er fände es richtig, was die Besetzer*innen als Beschwerde gegen den Verlauf der Gerichtsprozesse bezüglich der NS-Verbrechen vortragen. Leider seien ihm und allen Mitarbeiter*innen die Hände gebunden, da sie im Goethe-Institut dem Auswärtigen Amt subsumiert sind. Hierbei wurde über die vermeintliche Unabhängigkeit der Goehte-Institute diskutiert, wird diese doch sonst immer besonders hoch gehalten. In diesem Fall jedoch wollte sich der Institutsleiter als staatlichen Charaktermaske nicht eindeutig für eine Opfergruppe und somit für Entschädigungszahlungen positionieren, schließlich könne er nicht gegen die deutschen Interessen handeln. Dass mit „deutschen Interessen“ nur die Verweigerung jeder materiellen Wiedergutmachung der NS Verbrechen des Dritten Reichs gemeint ist, musste dann auch der Institutsleiter zugeben. Den Widerspruch zwischen den von den Instituten vertretenen Anspruch einer „Kulturnation Deutschland“, eines mittlerweile „humanistischen Deutschlands“ und der ganz anders verlaufenden – von kapitalistischen Sachzwängen, Abschiebung und Sozialchauvinismus sowie Raissismus geprägten – Realität konnte auch der Institutsleiter nicht erklären.

Die Besetzer*innen forderten die Entschädigungen als moralische Minimalverpflichtung der deutschen Gesellschaft, machten sich jedoch keine Ilusionen über das Handlen staatlicher Akteure im Kapitalismus, letzlich geht es um eine befreite Gesellschaft jenseits der materiellen und ideologischen Zwänge.

Draußen verteilten die Aktivist*innen Hunderte Flugblätter auf griechisch. Einige Passant*innen blieben interessiert stehen und ließen sich in Gesprächen mit den Besetzer*innen auf die Thematik ein. Nach zwei Stunden zogen die Besetzer*innen – wie angekündigt – ab. Sophia, eine der Aktivist*innen, zeigte sich zufrieden: „Wir sehen die Aktion als Erfolg. Wir konnten unser Anliegen klar formulieren und nach Außen tragen. Dass die Mitarbeiter*innen und der Institutsleiter sich zu Gesprächen bereit erklärten, fanden wir erfeulich. Allen Erwartungen entsprechend konnte niemand von ihnen die Abhängigkeit vom Staat und damit eine faktische Ohnmacht, z.B. in diesem Fall gegenüber der Entscheidung über die Entschädigungsforderungen, argumentativ leugnen. Ein weiterer Beleg dafür, dass der ganz große Coup, die Freiheit und das wirklich schöne Leben, nur abseits von Staat, Nation und Kapital zu erkämpfen ist. Wir werden hier weitermachen und fordern an dieser Stelle natürlich weiterhin: NS-Opfer entschädigen! Deutsche Täter*innen sind keine Opfer.“

Außerdem wies Sophia auf einige Termine hin, die die Themenschwerpunkte der Besetzer*innen – die Verfahren wegen der NS-Kriegsverbrechen sowie kapitalistische Krise, Sozialchauvinismus und Ausgrenzung – bedienen:
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- 11.09.11, 20 Uhr, im YFANET, Thessaloniki (GRE): „Zeit, um zu reden und zu handeln“
Veranstaltung des ...umsGanze!-Bündnisses zur Krise und grenzübergreifender, antinationaler Handlungsmöglichkeiten der radikalen Linken.
www.umsganze.de
http://www.yfanet.net/


- 12.-16.09.11. Internationaler Gerichtshof (IGH), Den Haag (NED): „Keine Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen! Auf nach Den Haag!“
Der AK Distomo ruft dazu auf, vom 12.-16.09.11 die Klage der BRD gegen die Republik Italien im Gerichtssaal des IGH kritisch mitzuverfolgen
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/ak-distomo/


- 02.10.11, 19 Uhr, Bonn (GER): „The only PIIG'S the System! Organisiert den Vaterlandsverrat!“
Die ...umsGanze!-Gruppe Antifa AK Köln ruft dazu auf, am Vorabend der Einheitsfeierlichkeiten der BRD nicht nur gegen die Deutschland-Party, sondern auch gegen die ideologische Krisenverarbeitung mit sozialchauvinistischem und rassistischem Anstrich zu demonstrieren. Empfohlen von ...umsGanze!.
http://www.no-racism.de/2okt/
http://umsganze.de/pages/posts/bonn-2.-oktober-the-only-piigrsquos-the-system-23.php



Anhang: Flugblatt der Besetzer*innen:


Kein Vergeben, kein Vergessen! NS-Verbrechen verjähren nicht!


Am 12. September 2011 endet vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ein juristischer Prozessdauerlauf. Nach jahrzehntelangen Klagewellen von Opfern der Kriegsverbrechen aus der NS-Besatzung wird nun auf höchster Instanz darüber entschieden, ob die Täternation Deutschland für die geforderten Entschädigungszahlungen aufkommen muss. Dabei sitzt entgegen aller Erwartungen nicht der Nachfolgestaat des „Dritten Reiches“ – die BRD – auf der Anklagebank. Nachdem im Zusammenhang dieser Entschädigungsprozesse deutsches Hab und Gut innerhalb der ehemals okkupierten Grenzen vor der Zwangsversteigerung stand, um den Reparationskosten endlich materielle Basis zu verleihen, intervenierte die Bundesregierung. Nun klagt in Den Haag ausgerechnet sie gegen die bereits begonnenen Zwangsversteigerungen und relativiert damit die Verbrechen der NS-Besatzer in ganz Europa, wie z.B. das Massaker im griechischen Distomo. Auch das Goethe-Institut in Griechenland stand kurz vor der Verpfändung. Die Goehte Institute dienen zu weitaus mehr als bloß der „Verbreitung deutscher Sprache“. Sie ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Standortwerbung. Denn insbesondere vor dem Hintergrund der Staatsschuldenkrise offenbart sich die innereuropäische Standortkonkurrenz.

Distomo bleibt unvergessen

Distomo – dieser Name eines kleinen Dorfes in Mittelgriechenland ist ein Symbol für den deutschen Vernichtungskrieg. Dort hat eine SS-Division am 10. Juni 1944 in einer „Vergeltungsaktion“ gegen Partisan*innen der Region den Großteil der Dorfbewohner*innen niedergemetzelt sowie deren Hab und Gut abgebrannt. 218 „Bandenangehörige“ (SS-Bericht-Wortlaut) jedes Geschlechts und jedes Alters – mit dabei auch Kinder und Säuglinge – wurden bei der „Säuberungsaktion“ ermordet. Anlass war eine antifaschistische Aktion der Partisan*innen, bei der drei Nazi-Okkupanten unschädlich gemacht werden konnten. Die Nazis nutzen die Glegenheit, um ihren Vernichtungswahn auszuleben. DER SPIEGEL berichtete 1988 über das Massaker in Distomo: „Schwangere Frauen wurden aufgeschlitzt, manche Opfer mit dem Bajonett gemeuchelt. Anderen wurden die Köpfe abgetrennt oder die Augen ausgestochen.“ (DER SPIEGEL 1988, Nr.1, S.43)

Das Verbrechen in Distomo fügt sich in das allgemeine Bild der NS-Besatzungen. Auch in Polen, der ehemalige Tschechoslowakei, Italien u.v.a. besetzen Ländern fanden solche Massaker statt. Doch die BRD, der Nachfolgestaat des besiegten „Dritten Reiches“, hat nie Anzeichen gemacht, ernsthaft – d.h. weder finanziell noch rechtlich – für die Entschädigung tausender Opfer dieser Massaker aufzukommen. Zwar wurden symbolische Minimalbeträge an sog. „Repatationskosten“ gezahlt; diese dienten allerdings viel mehr einer Inszenierung der „Aufarbeitung“ und erreichten fast nie die überlebenden Opfer der Besatzungsverbrechen bzw. deren Angehörige selbst. Und das obwohl diese seit den 90er Jahren massiv Klagen gegen die BRD erheben. Die deutsche Justiz wies alle Klagen zurück und bewies damit ihre Parteilichkeit für den NS-Nachfolgestaat. Die höchsten Gerichte Griechenlands und Italiens hingegen gaben den Klägern recht. Die Entschädigungskosten, die die Bundesregierung an die Opfer zu zahlen habe, beliefen sich auf 28 Millionen Euro. Als die beiden Länder aufgrund der ausbleibenden Zahlung mit Zwangsversteigerungen deutscher Liegenschaften innerhalb deren Grenzen – u.a des Goethe-Instituts in Griechenland – beginnen wollten, schaltete sich die Bundesregierung ein und nötigte Rom und Athen, jene Zwangsversteigerungen zu annulieren.

NS-Verbrechen und europäische Appeasementjustiz

Der „Aufklärungsweltmeister“ bewies wieder einmal, wo die Schranke der NS-Aufarbeitung liegt – nämlich dort, wo ihr Hab und Gut konkret gefährdet ist. Im Juni 2011 gab der europäische Gerichtshof in Straßburg der deutschen Berufung auf ihre „Staatenimmunität“ recht und machte Klagen der Opfer, die die höchsten Gerichte in Griechenland und Italien passierten, damit nichtig. Am 12. September 2011 wird vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag die letzte Etappe des Prozessmarathons ausgetragen. Dort sitzt allerdings nicht die Bundesregierung auf der Anklagebank; das Perverse an diesem Prozess wird sein, dass die Klage der Täternation Deutschland gegen Italien verhandelt wird; Deutschland prangert Italien dafür an, dass es bereits einigen wenigern Opfern der NS-Massaker die Entschädigung durch den Beginn der Zwangsversteigerungen deutscher Liegenschaften bewilligte. Durch diese „ungesetzliche Praxis der italienischen Gerichte“ werde die „deutsche Souveränität“ verletzt, heißt es von Seiten der Klägerin. In der letzen Runde dieser Prozessodysse hat es die Bundesregierung tatsächlich geschafft, als Täternation in Rolle des Anklägers zu schlüpfen. Die deutschen und europäischen Grerichte offenbaren damit wiedermals, was von Staat und Justiz zu halten ist. Die bedingslose Entschädigung aller NS-Opfer kann nur erkämpft werden!

Gegen Standortkonkurrenz! Hoch die internationale Solidarität!

Goethe-Präsident Klaus Dieter Lehmann weiß um die Verdienste der Goethe-Institute für die Interesse der Bundesrepublik. Als „kulturelle Repräsentanz“ ist die Einrichtung mit inzwischen weltweit 150 Instituten in 92 Ländern vertreten. Lehmann führte die politische Funktion dieses Jahr bei der Feier zum 60. Jahrestag der Gründung des Goethe-Instituts aus: Nach dem zweiten Weltkrieg sei es darum gegangen, ein „Bild eines weltoffenen Deutschlands“ zu propagieren. Dadurch solle die „Diskursfähigkeit“ in den verschiedenen Weltregionen gestärkt werden, was gewiss auch den deutschen Vorzeigefirmen wie Siemens etc. so manche Türen öffnet.

Auch heute sieht der deutsche Außenminister die Institutionen der „kulturellen Repräsentanz“ vor allem als einen Faktor der Standortwerbung. (Boersenblatt 6.07.2011) So bestehe laut Westerwelle die zentrale Aufgabe in der Standortkonkurrenz darin, den „Wettbewerb um die hellsten Köpfe“ zu gewinnen (Festrede für das Goethe-Institut am 05. Juli 2011). Schließlich kann sich die BRD so Ausbildungskosten sparen und Fachkräfte aus dem Ausland für seinen Weltmarkt-Erfolg nutzen. Solche imperialistischen Strategien münden sowohl in der BRD als auch in Griechenland in Reformen der Universitäten, die einerseits „Exzellenz-Cluster“ schaffen und die akademischen Elitenbildung stärken; zugleich wandelt sich der Rest der Bildungseinrichtung mittels Repression und Prekarisierung zu einem Hort der Ausbildung von billigen Lohnarbeiter*innen.

Gegen Krisennationalismus und Sozialchauvinismus

Die Werbung für die „deutsche Kulturnation“ ist gerade in der Krise für die BRD eine zentrale Angelegenheit geworden. Vor dem Hintergrund der Staatsschuldenkrise schwinden die „Sympathien“ für das deutsche Kapital und seinem Staat zunehmend. Rassistische und sozialchaunvinistische Hetze versuchen Lohnarbeiter*innen sowie ganz allgemein ausgebeutete Unterdrückte in Europa zu spalten und die Bevölkerung auf nationale Schicksalgemeinschaften einzuschwören. Diese ideologischen Verarbeitungen der Staatsschuldenkrise passen zu den Interessen des Standorts Europas, welcher der „dynamischste Wirtschaftsraum“ der Welt werden soll. Innerhalb des europäischen Binnenmarktes konnte Deutschland südeuropäische Staaten niederkonkurrieren und dadurch zum berühmt-berüchtigten „Exportweltmeister“ aufsteigen. Nun sollen Staaten wie z.B. Griechenland dem deutschen Beispiel folgen und ebenfalls „den Gürtel enger schnallen“: niedrigere Löhne, weniger soziale Leistungen und weitere Privatisierungen. Deutschland und Frankreich üben dafür massiven Druck auf europäische Institutionen aus, damit mittels sog. „Strukturanpassungen“ die Länder Europas „fit“ für den Weltmarkt gemacht werden. Und auf dieses Ziel setzen nicht nur Angela Merkel, Nicolas Sarkozy, die EZB und die Brüsseler Eliten. Auch der griechische Ministerpräsident Giorgos Andrea Papandreou sieht im Prozess der Entwertung von Lebens- und Arbeitsverhältnissen eine „Chance“ für die griechische Nation, um den Standort Griechenland für das heimische wie internationale Kapital attraktiv zu machen. Der gemeinsame Weg von Papandreou und Merkel buchstabiert sich als Sozialabbau und Lohnkürzung.

Staat und kapitalistische Produktionsweise zwingen alle, ihr Auskommen im Wettstreit gegeneinander zu sichern. Krisen sind dabei unausweichlich, kein „Stresstest“ wird sie verhindern können. Sozialchauvinismus und Rassismus sind die neuen Leitideologien dieser Crash-Gesellschaft. Sie fordern Anpassung und Ausgrenzung gleichermaßen; sie erhöhen den Druck auf alle und jede*n Einzelne*n auf sich selbst. Aber auch abseits der Krise gilt für uns: Wir wollen keinen sozialeren, kulturelleren oder straffer regulierten, „nachhaltigen“ Kapitalismus, sondern gar keinen! Es geht um eine Kritik, für die es weder Institutionen oder Parlamente noch feste Verfahren gibt: Es geht um die Kritik gesellschaftlicher Herrschaft als ganze.


Gegen die Relativierung deutscher Geschichte! Für die Entschädigung aller Opfer des NS-Faschismus! Kämpfen wir gemeinsam gegen Staat, Nation und Kapital!

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Ergänzungen

Video zu Distomo

anonym 09.09.2011 - 17:16

Mehr Fotos

mehr 09.09.2011 - 17:22
Bilder von der Aktion

23.24. September: Antinat Seminar mit Tiqqun

.. 10.09.2011 - 10:02

23. bis 24.9. Antinationales Seminar gegen die kapitalistische Reorganisation

Veranstaltung zur inhaltlichen Vorbereitung der Proteste die Einheitsfeierlichkeiten in Bonn.

Ankündigung als PDF

23.- 24. September, Autonomes Zentrum Köln

Mit: Tiqqun (Frankreich), Detlef Hartmann (Materialien für einen neuen Antiimperialismus), Terminal 119 (Griechenland), TOP B3RLIN (…umsGanze! Bündnis)

Organisiert vom Antifa AK Köln

Die Staatsschuldenkrise in Europa fügt den täglich tausend guten Gründen gegen Staat, Kapital und Nation, noch weitere hinzu: Mittels Schock-Therapien, Entwertungspolitiken, Zerstörung von Sozialgarantien und Aufstandsbekämpfung wird für Viele das Leben noch beschissener, als es unter dem altem Ordnungsgefüge kapitalistischer Ausbeutung ohnehin schon war. Mit der Reorganisierung des kapitalistischen Kommandos über die Gesellschaften werden die „Lebensbedingungen“ den heutigen kapitalistischen Verhältnissen „angepasst“; das verdeutlicht, dass das schöne Leben nur jenseits der herrschenden Gesellschaftsordnung zu haben ist. Mit der Wiederentdeckung der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus verklärt der mediale Diskurs die Krise zugleich als naturwüchsig und schicksalhaft. Neben dieser neuen ideologischen Mobilmachung begegnen zugleich diverse soziale Kämpfe der Reorganisation der kapitalistischen Verwertung in den europäischen Ländern.

Detlef Hartman von den „Materialien für einen Neuen Antiimperialismus“ sieht in den Kämpfen gegen die Entwertungen der Lebensbedingungen eine offensive Manifestation der Herstellung einer neuen Gesellschaftlichkeit von unten. Das Kapitalverhältnis als solches agiert rein defensiv, denn es kann keine Subjektivität herstellen. Jedoch verhindert die verbreitete Stimmung der neoreformistischen Linken, dass die radikale Linke an die Lust des Politischen an der revolutionären Selbstorganisation der sozialen Verhältnisse anknüpft. Die Herstellung einer solchen Lust bleibt aber die Voraussetzung für eine globale, revolutionäre Perspektive auch im Herzen der Bestie (BRD).

Im Moment der „Krise“ sieht die antinationale Gruppe Terminal 119 aus Griechenland, wie der „Patriotismus eine Love-Story“ wird. Die ideologische Verarbeitung der „Krise“ verläuft als das bekannte Gesicht einer Instrumentalisierung der Krise, um die Massen von den nationalen Interessen zu überzeugen und dafür von allen Aufopferung zu fordern – unabhängig von ihrer sozialen Lage bzw. ihrer Klassen- oder Parteizugehörigkeit und anderen Identitäten. Insofern handelt es sich nicht um die „Krise der Gesellschaft“, sondern um eine kapitalistische Reorganisation, verwirklicht durch das Schüren von Rassismus und Ängsten ums Vaterland, die für jede Einzelne und jeden Einzelnen das Maß der Ausbeutung neu aushandelt – jedoch für die Lohnabhängigen immer zum Schlechteren. Hieraus folgt die Notwendigkeit einer Ideologiekritik an der griechisch-nationalen Geschichtserzählung, die sich als Form einer ökonomischen und schicksalhaften Entwicklung verkauft.

Auch für TOP B3rlin (…umsGanze!) ist die Kritik der Nation essentieller Bestandteil einer kohärenten linksradikalen Position. Denn die Identifikation mit dem Herrschaftsapparat Nation wurzelt als ideologischer Reflex und »objektive Gedankenform« (Marx) in den grundlegenden ökonomischen und institutionellen Beziehungen der bürgerlichen Gesellschaft. Jeder relevante politische Konflikt ist national strukturiert. Der autonome Politikansatz distanzierte sich zu Recht von den erbaulichen Mythen linker Politikmacherei: weder »Klasse« noch »Volk« taugen als Subjekte der Emanzipation. Warum, erklärt die Kritik nationaler Ideologie. Insofern war und ist antinationale Kritik ein Fortschritt im Bewusstsein der Unfreiheit. Die Herausforderung besteht nun darin, diese geläuterte Kritik wieder praktisch zu machen. Keine einfache Aufgabe, weil sich diese Praxis gegen die geronnenen Interessen und institutionellen Formen richten muss, in denen Politik für gewöhnlich eingeschlossen ist. Der Input des Workshops wird als Grundlage den Text “Zurück in die Politik” von TOP B3RLIN haben.

Zugleich verkündet das Organ des Zusammenhangs des Sinns der imaginären Partei (Tiqqun) aus Frankreich: „Eh bien, la guerre!“. Der unsichtbare Beobachter der Situation spricht aus, dass wenn eine Zivilisation ruiniert ist, sein Ruin erklärt werden muss. L‘ historie n‘ est pas finie (die Geschichte ist nicht am Ende), es braucht zunächst unsere Einwilligung. So lange ein einziger freier Mensch existiert, ist dies genug, um zu bekunden, dass die Freiheit nicht tot ist. Die Frage ist demnach nie, wie mit seiner Zeit leben, sondern für oder gegen sie. Der „Ruin der Zivilisation“, den wir miterleben, bedeutet das Ende der Gesellschaft zu fordern – ohne Kompromisse. Denn der Einbruch erfahrener Realitäten lässt die Ethik des Bürgerkriegs zum Ausdruck kommen, die eines Tages den Namen „Unsichtbares Komitee“ erhielt. Rein zufällig machte sich unlängst ein „Unsichtbares Komitee“ zum Chronisten einer Situation: Des kommenden Aufstands.

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