Die radikale Linke stürmt die Mailänder Börse

Aug und Ohr 06.09.2011 00:14 Themen: Repression
Basisgewerkschaften und centri sociali - niemand anderer kann Berlusconi beseitigen!
Die radikale Linke stürmt die Mailänder Börse

Die Basis-Linke mobilisiert schon vor dem morgigen Generalstreik und hat sich die Mailänder Börse vorgenommen.

Es waren nicht viele, aber die haben Furore gemacht! Der Protest galt dem neuen – die Reichen schonenden – Belastungspaket. Einem Teil der Protestierenden gelang es heute morgen, bis in den 4. Stock vorzudringen und dort ein Büro zu besetzen (1), einem anderen Teil wurde der Weg beim Eingang vom Sicherheitspersonal versperrt (2).

Vor der Börse, auf der Piazza Affari (3), wurde, nach dem Muster der spanischen acampadas, ein kleines Zeltlager, bestehend aus sieben Zelten, errichtet (4). Die Polizei war gleich da und versuchte , zwei Zelte – in denen sich Leute befanden! – gewaltsam zu entfernen. Daraufhin kam es zu Auseinandersetzungen, bei denen zwei AktivistInnen verletzt wurden. Schließlich zogern sich die Ordnungshüter zurück (5).


Vom Balkon im 2. Stock hingen die Fahnen der Basisgewerkschaft herab. „Predicate Austerity! Raccoglierete rivolte! Que se vayan todos!“ hieß es (Ihr predigt Sparen, ihr werdet Revolten ernten! Verschwindet von der Bildfläche!) (5)
Durch zähes Verhandeln gelang es, nach zwei Stunden (so lange blieb immerhin die Börse besetzt), für die Zusage des Abzugs die Zusicherung zu erhalten, bis Dienstag auf dem Platz bleiben zu dürfen - bis zum Tag des Generalstreiks.

Draußen gingen die Auseinandersetzungen weiter, und die PlatzbesetzerInnen erkämpften sich auch hier die Zusage, daß zwei Zelte vor der Börse – auch Palazzo Mezzanotte, Palais Mitternacht, genannt (6), bleiben durften, die anderen mußten in den hinteren Teil des Business-Platzes (Piazza Affari) verfrachtet werden. Auf diesem Platz traf am Abend um ½ 9 Uhr der Protestzug der (links von der CGIL stehenden) Metallarbeitergewerkschaft FIOM ein, an dem sich auch große Teile der radikalen Basis-Linken beteiligten.

Zwei Kräfte waren an der Aktion beteiligt: etwa 8 AktivistInnen des Mailänder Centro Sociale Cantiere (5) („Werkstatt“, „Baustelle“) und der USB (Unione Sindacale di Base), der größten Basisgewerkschaft des Landes, eigentlich ein Zusammenschluß dreier Basisgewerkschaften, der 2010 gegen die staatsnahen Gewerkschaften entstand (7).

Bei der Ankündigung der Teilnahme am Generalstreik bemerkte Pierpaolo Leonardi von der Führung der USB: „Wir möchten darauf aufmerksam machen, daß das Belastungspaket 2010-2011 sich auf insgesamt 130 Milliarden Euro beläuft, das entspricht einer Summe …, die drei Mal so hoch ist wie die des Sparpakets von Amato (8) im Jahre 1992, mit dem der Eintritt in die EU erkauft wurde. Die kämpferische Gewerkschaftsbewegung (9) fordert dagegen die völlige Tilgung der Schulden, die Einstellung der Rüstungsausgaben, eine aktive Budgetpolitik im sozialen Bereich, in der Bildung, beim öffentlichen (gesellschaftlichen) Eigentum. …“ (10)

Aber etwas – für das bisher völlig EU-treue Italien - Neues merkt man in folgenden Ausführungen: „ Das Regierungspaket verschärft sich von Tag zu Tag, es ist der Ausdruck eines regelrechten Klassenhasses gegen die Arbeiter, die Pensionisten, die Arbeitslosen, die Jugendlichen und die Prekären. Dieses Paket darf nicht beschlossen werden. … Die Europäische Union ist nicht die Lösung der Probleme, sondern die Krankheit selbst, und morgen werden wir in ganz Italien gegen den sozialen Raubbau, der den Nationalstaaten aufgezwungen wird, um die unersättliche Gier der Banken und Spekulanten zu befriedigen, auf die Straße gehen.“

Die centri sociali verstehen sich nicht als Subkultur, die kämpferischen Gewerkschaften nicht als Steigbügelhalter des Kapitals.

Aug und Ohr, 5. 9. 2011



(1) Irruzione antagonisti, polizia tenta sgombero, ANSA, 5. 9. 2011
(2) Gli “antagonisti” occupano Piazza Affari: «Rubano ai poveri per dare ai ricchi», online news, 5. 9. 2011
(3) auf neudeutsch: Business-Platz
(4) Milano, scontri in Piazza Affari - blitz dei centri sociali in Borsa, La Repubblica, 5. 9. 2001
(5) Borsa Milano, irruzione degli antagonisti, Corriere della Sera, 5. 9. 2011.Der brutale Räumungsversuch ist hier zu sehen!
(6) nach ihrem Erbauer, Paolo Mezzanotte
(7) Nasce l'Unione Sindacale di Base, Global Project, 14. 5. 2010
(8) Giuliano Amato, Ministerpräsident von 1992 bis 1993 und 2000 bis 2001
(9) Im Original “il sindacalismo conflittuale”. “Conflitto” bedeutet im Italienischen nicht bloß “Konflikt” im blassen Sinn etwa von Interessensdivergenz, sondern tiefgehende und aktive soziale Auseinandersetzung. Eine „conflittuale“ Gewerkschaft könnte man also mit „kämpferische“ Gewerkschaft, oder militante Gewerkschaft umschreiben, wenn man hier „militant“ im Sinne von aktiver Teilnahme am politischen Kampf versteht, und nucht ind er abgehalfterten Zeitungsbedeutung von „gewalttätig“.
(10) Manovra bis: USB, esprime odio di classe. Non deve essere approvata, Asca, 5. 9. 2011
Predicate Austerity! Raccoglierete rivolte!
Que se vayan todos!
(Ihr predigt Sparen, ihr werdet Revolten ernten! Verschwindet von der Bildfläche!)


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