[B]: Mietenstopp-Demonstration

mieter 02.09.2011 16:35 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Am 3.9.2011 ver­an­stal­tet ein brei­tes Bünd­nis aus Stadt­teil­in­itia­ti­ven ver­schie­de­ner Kieze, Mie­ter_in­nen und un­ab­hän­gi­gen Grup­pen eine große De­mons­tra­ti­on. Das Motto lau­tet: „Gegen Mie­ter­hö­hung, Ver­drän­gung und Armut“. 2 Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl soll noch einmal deutlich gemacht werden, dass mit und von den Parteien keinerlei Änderung der neoliberalen Stadtpolitik zu erwarten ist. Die stark steigenden Mieten können nur dann gestoppt werden, wenn die Betroffenen sich selbst organisieren und politisch tätig werden.
Der Organisationsansatz der Kiezinitiativen soll mit der Demonstration gestärkt werden.

Die Lage

Die Mieten steigen in Berlin rasant an. Gerade in den Innenstadtbezirken ist die Lage dramatisch. Die von Protesten begleitete Vorstellung des Mietspiegels im Mai zeigte nochmals deutlich die verschärfte Situation auf dem Wohnungsmarkt.
Der gestiegene Mietspiegel macht weitere Mietsteigerungen möglich. So verkündet die vom rot-roten Senat privatisierte Wohnungsbaugesellschaft GSW, welche im letzten Jahr an die Börse gegangen ist, dass sie die Mieten in den nächsten zwei Jahren um durchschnittlich 6,8 Prozent erhöhen will. Dass ein Unternehmen aus einem Markt mit starker Nachfrage, Profit zu erzielen versucht, ist ganz normale kapitalistische Realität. So wollen auch die noch im städtischen Besitz befindlichen Wohnungsbaugesellschaften ihre Mieten kräfig erhöhen. Der Teufelskreis aus steigenden Mieten und dem daraufhin erhöhtem Mietspiegel scheint nicht zu durchbrechen.
Die soziale Lage verschärft sich durch diese Entwicklung weiter. Ein steigender Anteil von Menschen mit geringen Einkommen werden aus der Innenstadt in Randgebiete verdrängt. Andere Menschen müssen von ihrem ohnehin knappen Einkommen immer mehr Geld an anderer Stelle sparen, weil sie ansonsten ihre Miete nicht mehr bezahlen können.

Wahlkampf

Der Berliner Bürgermeister Wowereit verkündet derweil munter weiter, dass bei einer wachsenden Wirtschaft eben auch die Lebenshaltungskosten steigen würden. Während die Mieten vor allem im billigeren Marktsegment aber überdurchschnittlich stark angestiegen sind, steigen gerade die Löhne von Menschen mit geringen Einkommen kaum oder stagnieren sogar.
Laufend wird in der bürgerlichen Presse stolz verkündet, dass sich Berlin eben ändert und dass nicht jede Veränderung schlecht sei. Wohin die Entwicklung der steigenden Mieten führt, darüber scheinen die Politiker_innen nicht sonderlich viel nachzudenken. Ghettos am Stadtrand, Luxusquartiere für die wenigen Reichen in der Innenstadt, verschärfte soziale Konflikte und die krasse Verschärfung von Armut und Elend werden mit einem Wahlkampf zugekleistert, der verspricht die sozialen Gegensätz in Berlin zu versöhnen (Kotti und Kudamm, Miete und Schutz, ...). Den Märkten wird blindlings vertraut, sie werden schon die richtigen Preise festlegen und die Stadt im Konkurrenzkampf der Metropolen an der richtigen Stelle positionieren. Der Glaube an Markt und Kapital scheint auch im Jahr 4 der großen Krise nicht sonderlich erschüttert zu sein.

Die Bewegung

Diese Entwicklung verdient nichts anderes als entschlossenen und wütenden Widerstand. Die bürgerlichen Parteien stehen diesem Widerstand notwendig entgegen, sie möchten am Wohnungsmarkt, am Gegegnsatz zwischen Armut und Reichtum und daran, dass die Wohnungen im Besitz von Immobilienfonds, börsennotierten Wohnungsbaugesellschaften und sonstigen Kapitalhaufen sind, unbedingt festhalten. Maximal können sie sich irgendwelche kosmetischen Änderungen an der neoliberalen Stadtumstrukturierung vorstellen. Wir wollen aber nicht etwas weniger Ferienwohnungen und moderate Mietsteigerungen, sondern eine Stadt, die für die Menschen da ist und nicht zur Erzielung von Profiten. Diese Stadt kann nicht kapitalistisch organisiert sein.
Deswegen muss die Konsequenz sein, dass sich die Betroffenen selbst organisieren, dass sie erkennen, dass die kapitalistische Stadt für steigende Mieten und Verdrängung verantwortlich ist und nicht irgendwelche "Yuppies" oder "Schwaben". Die Kiezinitiativen stellen einen Organisationansatz dar, der versucht unmittelbare und breite aber trotzdem radikale Politik zu machen.
Die Demonstration wurde bisher in der bürgerlichen und sonstigen Presse erstaunlich positiv aufgenommen. Der Tagesspiegel schreibt von der neuen APO, die Berliner Zeitung verkündet den Aufstand der Mieter und erwartet 10.000 Teilnehmer_innen bei der Demonstration am Samstag und auch die Jungle World berichtet.

weitere Informationen: Mietenstopp
Mietenstopp-Demonstration // Sa., 3.9.11 // 14 Uhr // Hermannplatz



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Die von den Kiezinitiativen veranstaltete Demonstration wird u.a. von der Gruppe "Andere Zustände Ermöglichen" (AZE) unterstützt. Der Aufruf der Gruppe:

Mein Kiez

Die Verhältnisse vor der eigenen Haustür ändern sich, die Kämpfe gegen diesescheinen zunächst auf den eigenen Kiez begrenzt zu sein. Der Protest hat häufigeinen subkulturellen Ursprung, die Entwicklung des Kiezes in eine anderesozio-kulturelle Richtung wird beklagt. Neue Kneipen, teure Autos und schickeKleidung sind die Erscheinungsformen der neuen Milieus, die zunehmend unter demStichwort Gentrifizierung als schlecht und bekämpfenswert erachtet werden. Allzu oftbleibt die Kritik an dieser Oberfläche stehen.

Miete und die Möglichkeit der Intervention

Es ist somit eine Weiterentwicklung, wenn die stattfindende Demonstration keinegegen Gentrifizierung, sondern gegen (steigende) Mieten undVerdrängung ist. Der Versuch Miete als solches stärker zu thematisieren, entsprichtihrer Rolle in städtischen Verhältnissen, denn sie ist eine zentrale ökonomischeKategorie in der Stadt. Außerdem drängt sie sich durch die dramatischeMietpreisentwicklung der letzten Jahre in Berlin auf und hat dadurch im linkenDiskurs an Bedeutung gewonnen wie keine andere Kategorie, Arbeit eingeschlossen.Denn während Arbeit stärker durch bürgerliche Kategorien erklärt wird (niedrigerLohn wegen Globalisierung, Standort Deutschland, …), sagt die bürgerliche Ideologierecht wenig dazu, warum die Mieten eigentlich immer weiter steigen müssen.Da es im Feld der Miete keine der Gewerkschaft vergleichbare Institution gibt, diedie Rechte der Betroffenen vertritt und sich und die Interessen der Betroffenengleichzeitig dem kapitalistischenNormalzustand unterwirft, ist dieses Feld also freier, diskursiv weniger besetzt undweniger erklärt. Wenn also Studierende, Arbeitslose und prekär Beschäftigte sich vonBetriebskämpfen abwenden, beginnt das Mietverhältnisse eine neue zentrale Rolleeinzunehmen in der Möglichkeit, die gesellschaftlichen Zustände grundlegend zupolitisieren und zu kritisieren. Denn es erscheint derzeit zunehmend so, dass daswas uns vereint weniger die Kategorie der Arbeit ist, als die der Miete.

Die konkurierenden Städte

Dabei wird schnell klar, dass sich steigende Mieten nicht ausreichend aus lokalenGründen, seien sie politisch oder ökonomisch, erklären lassen. Steigende Mieten treffen die Metropolen nicht nur in Hamburg und Berlin,verschärfte "Lebenshaltungskosten" treffen die Menschen weltweit, seitdem die staatliche Politik inden letzten Jahrzehnten die Doktrin der Marktförmigkeit totalisiert hat. DieZuspitzung findet also in einem internationalen Konkurrenzfeld der städtischenStandorte statt, die in ihrem scheinbaren Zwang nach einem handlungsfähigen HaushaltKostensenkung und Einnahmenerhöhungen verpflichtet sind. Aber nicht nur inDeutschland versagt die ideologische Betreuung, der Glaube an das Paradigma derAlternativlosigkeit nimmt stetig ab. Die dadurch ermöglichte Betreibung derPolitisierung der eigenen Stellung rührt letztlich an die Grundlegung derEigentumsverhältnisse als solche und exemplifiziert die antagonistischeGrundstruktur marktförmiger Vergesellschaftung anhand des Verhältnisses zwischenMietenden und Vermietenden.

Der Kampf um die Blosslegung dieser Strukturen kann und muss einen „internationalen“Bezug entwickeln, beginnt aber unmittelbar vor der eigenen Haustür.
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Ergänzungen

wenn wa wat ändan wolln

müssn wa det selba machn 02.09.2011 - 17:11
hier ein ganz praktisches Beispiel aus Berlin-Neukölln:
Anfang 2010 wurde nun auch das Haus Fuldastraße Ecke Weichselplatz verkauft – an die Grundstücksgemeinschaft Weichselplatz. Diese will modernisieren und sanieren... Gentrifizierung ist ein geflügeltes Wort, aber wir sind keine Zahlen, mit denen man nach Belieben herumspielen kann, wir sind Menschen! Wir fürchten um die Grundlage unserer Existenz: unser Dach über dem Kopf.
Wir wollen bleiben,
denn hier fühlen wir uns zu Hause,
hier wollen wir unser Kinder großziehen,
hier wollen wir alt werden,
hier, in diesem Kiez wollen wir leben!
Wir lassen uns unser Lebensumfeld
nicht einfach so zerstören.
 http://fuldaweichsel.wordpress.com/

Am Samstag um 13 Uhr vor dem Haus Fuldastr./Weichselplatz gibt es ein Kieztreffen der Kiezini Fulda-Donau, mit Kaffe, Kuchen, Infos, kennenlernen und Gesprächen, um dann gemeinsam an der Mietenstopp-Demo teilzunehmen.
 http://fuldaweichsel.wordpress.com/2011/08/30/kieztreffen-zur-mietenstopp-demo/

Die Häuser denen die drin wohnen!

Gentrification

Ryan Harvey 02.09.2011 - 21:24

bilder

--- 03.09.2011 - 22:41

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 4 Kommentare

Ich warte ja schon auf den ersten Dortmund

Kommentar... 02.09.2011 - 17:23
Viel Erfolg für eure Demo!

Antirassistisches Konzert

Zusammen Handeln 02.09.2011 - 17:55

Antirassistisches Konzert
6.September I 15 Uhr I Kottbusser Tor [Berlin]

 http://www.youtube.com/watch?v=CwbzjOTJ8T4
 http://zusammenhandeln.blogsport.eu/

Antirassistisches Konzert

Zusammen Handeln 02.09.2011 - 17:55

Antirassistisches Konzert
6.September I 15 Uhr I Kottbusser Tor [Berlin]

 http://www.youtube.com/watch?v=CwbzjOTJ8T4
 http://zusammenhandeln.blogsport.eu/

Zum Thema "Kiezinitiativen"

Ex-Prenzlauer Berg 02.09.2011 - 20:04
Muss man eigentlich Borderliner oder nur ein Masochist sein um mit "Kiezinitiativen" wie z.B. der Bürgerinitiative Oderbergerstraße, die eigentlich nur aus zugezogenen Yuppies besteht, zusammen gegen Verdrängung und Mietwucher zu demonstrieren, während genau diese Penner schuld daran sind, daß der Kiez erst so geworden ist? Natürlich ist der Hauptfeind der Kapitalismus und natürlich ist er als Konsequenz zu bekämpfen aber eben auch alle die sich als dessen Grundpfeiler darbieten und ich demonstriere nicht mit solchen Leuten dafür, daß sie in dem Kiez wohnen bleiben können aus dem sie hunderte Altmieter erst verdrängt haben, mit Geld, Arroganz und Besatzerattitüde, die gilt es genauso zu bekämpfen. Das Schlachtfeld beginnt prinzipiell vor der eigenen Haustür! Was wir brauchen sind klare Fronten und keine zwielichtigen Verhältnisse. Man muss sich klar für eine Seite der Barrikade entscheiden, ein Spagat wird schnell zur Blutgrätsche.