Mecklenburg-Vorpommern: Landtagswahlen 2011 - NPD verliert zu wenig

Kombinat Fortschritt 30.08.2011 23:59 Themen: Antifa
Update Sie haben rund ein Drittel der Stimmen im Vergleich zur letzten Wahl 2006 verloren. Doch das reicht nicht. Mit sechs Prozent zieht die NPD in das Schweriner Schloss und stellt dabei fünf Abgeordnete. Ihre besten Ergebnisse konnten die NPD wieder vor allem im Ostteil des Landes holen. In den großen Städten des Landes zeigte sich die NPD - wie auch schon 2006 - eher unterdurchschnittlich.
Aufruf der Kampagne Wake Up - Stand Up

Veranstaltungen: 1.Basteltag 22.06., Vorstellung auf dem Fusion-Festival, Vorträge zu Frauen in der Naziszene mit Andrea Röpke: 31.08, Peter-Weiss-Haus-Rostock, 20 Uhr 01.09., AJZ Neubrandenburg, Vorträge zu Nazis in MV mit Vorstellung der Kampagne: 14.07. AJZ Neubrandenburg, 14.07. Ikuwo Greifswald, 02.08. Tiko Wismar, 05.08., Hafen-Vokü Hamburg, 08.08., Komplex Schwerin, 13.08. K.u.T.-Sommerschlacht Wakenstädt bei Gadebusch, 18.08., Peter-Weiss-Haus-Rostock, Die Kampagne beim Antira-Sommerfest in Rostock, Infostand bei der Sommerschlacht

Die Ausgangsposition für die NPD sollte eigentlich ganz gut sein. Mit knapp über sieben Prozent war sie 2006 in den Landtag gewählt worden. Größere interne Skandale wie in Sachsen, wo nicht unerhebliche Teile der Fraktion sich innerhalb der ersten Legislaturperiode auflösten, hat es hier nicht gegeben. Vollen Mutes verkündete Udo Pastörs das Wahlziel 8%+x. Doch nichts dürfte ferner der Realität sein, im Gegenteil noch ist lange nicht ausgemacht, ob die neonazistische Partei den Sprung über die magische Fünf-Prozent-Hürde schafft. 7 Gründe warum es die NPD vermutlich nicht schaffen könnte:

1. 2006 profitierte die NPD von zwei Sondereffekten. Erstens gab es eine enorme Proteststimmung in der Bevölkerung, die sowohl bundes- als auch landespolitische Ursachen hatte. Zweitens wurde damals eine rot-rote Landesregierung abgelöst. Vor fünf Jahren, stand die PDS somit die als Auffangbecken für Protestwähler nicht zur Verfügung. Dies ist heute anders. Allerdings möchte sich die Linke-MV vor allem als verlässlicher Koalitionspartner für die SPD empfehlen und verzichtet lieber auf einen dezidiert populistischen Wahlkampf. Insgesamt können Protestwähler_innen nicht wie in dem sonst üblichen Maße durch nicht-rechte Parteien absorbiert werden, allerdings dürfte ihre Zahl im Jahr 2011 deutlich geringer sein. Und mit der Linken und gewissermaßen auch den Grünen stehen zumindest Alternativen bereit.

2. Die große Proteststimmung vor 5 Jahren speiste sich vor allem aus der desolaten wirtschaftlichen Lage und Perspektive in MV. Mittlerweile haben sich die ökonomischen Rahmendaten jedoch deutlich aufgehellt. Auch wenn die gesunkende Arbeitslosigkeit sich auch durch den demographischen Wandel, sowie der Abwanderung, erklären lässt. Führt dies doch zu Verringerung des Arbeitskräftereservoir. Und während die Lage in den ländlichen und kaum besiedelten Gebieten nach wie vor, wenig Anlass zum Optimismus bietet, konnten zumindest die größeren Städte den Abwärtsstrudel bremsen oder gar zum Stillstand bringen. In einigen Ausnahmeregionen, wie etwa dem Raum Rostock, hat die wirtschaftliche Dynamik gar erheblich zugenommen. Die Grundstimmung ist eine andere und von dieser kann die NPD nicht profitieren.

3. Die NPD ist eine Partei für überzeugte Neonazis und Protestwähler_innen. Sofern der Protest, in Form des Wahlkreuzes, nicht nur der reinen Triebabfuhr dienen soll, nutzen sich die Qualitäten einer solchen Stammtischpartei aber auch relativ schnell wieder ab. Gerade in MV (siehe auch den nachfolgenden Punkt) hat der Einzug der NPD zu keiner nachhaltigen Veränderung der Politik geführt. Wie auch? Der demographische Wandel und die ökonomischen Randbedingungen sind Phänomene, die sich nur äußerst bedingt durch eine veränderte Landespolitik bekämpfen lassen. NPD zu wählen ist destruktiver Protest. Anders liegt es bei den Grünen, die durch Fukushima auch in MV profitieren, die bereits bei ihrer Gründung zumindest eine perspektivisch realistische Forderung erhoben hatten (Atomausstieg). Ein ernsthafter konstruktiver Protest kann seinen Adressaten nicht über die NPD erreichen. Für einige Wähler_innen, die noch beim letzten mal für die NPD stimmten, dürfte sich diesbezüglich ein gewisser Lerneffekt eingestellt haben. Die NPD will nichts im Landtag erreichen, sie kann nichts im Landtag erreichen, nichts wird dadurch besser, dass die NPD Stimmen kriegt.

4. Anders als in Sachsen, wo unter Federführung des "Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung" sich große Teile der konservativ-bürgerlichen Parteienspektrums als "Extremistenjäger" berufen fühlen und die CDU nach dem Motto 'Rechts neben der CDU darf es keine Partei geben' Fragen des Patriotismus für diskussionswürdig hielt, ist ein solcher Rechtsruck in MV ausgeblieben. Die NPD wird im Landtag klar seitens der demokratischen Parteien ausgegrenzt. Dies ist in Sachsen anders, wenn etwa versucht wird mit dem Hinweis auf die Ausschreitungen in Dresden im Februar auch die Linke in die Nähe der NPD zu rücken. Auch blieben skandalöse Repressionsmaßnahmen wie sie jüngst in Sachsen in Augenschein zu nehmen waren aus. (Auch wenn es natürlich auch in MV mit Matthias Brodkorb auch so einen Irrläufer gibt). In MV dagegen scheint die Bekämpfung der NPD auch eine persönliche Angelegenheit für den amtierenden Innenminister Lorenz Caffier (CDU) geworden zu sein. Dies führt uns bereits zum fünften Punkt.

5. Die Selbstentlarvung der NPD. Wohl kaum ein anderer Landesverband tritt so radikal auf wie die neonazistische Partei in MV. Und sie belässt es dabei nicht nur bei verbalradikalen Entgleisungen, rund 100 Angriffe auf Parteibüros, Rathäuser und ähnlichem sprechen eine, deutliche Sprache. Die Serie riss erst mit Beginn der heißen Wahlkampfphase. Aber dennoch halten noch etwa 15% der Befragten einer Infratest dimap Studie die NPD für eine ganz normale Partei. Gleich ein doppelter Irrtum, denn das Scheitern des Verbotsantrages hatte nichts mit mangelnder Verfassungsfeindlichkeit der NPD zu tun, sondern lag vielmehr an den Überlfluß der V-Männer, die von den Inlandsgeheimdiensten nicht aus der Partei abgezogen werden sollten. Und zum anderen will die NPD selbst keine normale Partei sein. Somit wollte und konnte sie sich nicht von den Angriffen auf die Bürgerbüros distanzieren. Im Gegenteil: Auf verschiedenen Portalen im Internet, einschließlich bei "MuPInfo", dass auf den NPD-Kader David Petereit zugelassen ist, wurden die Vorfälle sarkastisch kommentiert. Dies mag die 150-Prozentigen Kameraden_innen zu 160-Prozentigen Volksgenoss_innen machen. Aber auch diese können nur einmal abstimmen und die Gefahr der Abschreckung von möglichen Protestwähler_innen wächst.

6. Der Wahlkampf war eine Selbstoffenbarung. Die Partei war in diesem Jahr für die "Wahlschlacht" wesentlich schlechter "munitioniert" als noch 2006. Ihr Wahlkampfetat schrumpfte um fast ein Drittel. In der Folge übte sich die NPD in den ersten Wochen des Wahlkampfes noch in Zurückhaltung. So versuchte man zwar flächendeckend präsent zu sein, beließ es jedoch zunächst bei einer geringen Dichte. "Ein Dorf, ein Plakat" schien das Kommando gewesen zu sein. Auch personell war die Partei bisher schlecht aufgestellt. So bedurfte es dem Import aus fremden Landesverbänden, um wenigsten eine Grundabdeckung mit Infoständen zu gewährleisten. Dort, wo frühzeitig die Termine bekannt worden, ging die NPD in der Regel im Protest unter. Auch die Außenkommunikation spricht Bände. Schlecht geschauspielerte und schlecht geschnitte Videofilmchen sorgen nicht für Wahlwerbung, sondern für Hohn und Spott. Die Filme genügen nicht einmal den Mindestansprüchen. Gerade der Ton, hinterlässt einen jämmerlichen Eindruck. In der eigenen Berichterstattung kann sich die NPD bis heute nicht für eine Strategie entscheiden. Mal besteht die radikale Linke in MV aus marginalisierten Spinnern, die keinen Einfluss auf ihren Wahlkampf haben. Am Tag darauf wird wieder das ewige Leid der 'nationalen Opposition' beklagt, dass sie seitens der, vom 'Demokratenmob' aufgehetzten, 'Antifa' wieder schwere Rück- und Niederschläge einstecken musste. Das wirkt wenig souverän und dürfte auch im eigenen Lager für Irritationen sorgen.

7. Man mag den einen oder anderen Grund, der hier für ein mögliches Scheitern angeführt wurde, negieren oder sogar alle Argumente verwerfen. Aber auch nach den Zahlen zu urteilen, ist ein Wiedereinzug der NPD alles andere als sicher. Gleich die beiden letzten Umfragen sehen die NPD nur bei 4,5%. Zum Vergleich: 2006 lagen sie zu diesem Zeitpunkt in den Umfragen bei 7% und damit ziemlich dicht am Endergebnis. Auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt, wo die Partei einmal knapp scheiterte und einmal noch geradeso über die 5%-Hürde sprang, standen die Parteien wesentlich besser dar und wurden bereits Wochen vorher bei 5% gehandelt. Noch schlechter stand die NPD bisher bei keiner Landtagswahl in den Umfragen, wo sie sich ernsthafte Hoffnung auf den Wiedereinzug machte. Außer in Thüringen, da scheiterte sie mit 4,3% jedoch deutlich. 4,5% in den Umfragen ist denkbar knapp - keine Frage, aber schon jetzt lässt sich konstatieren, dass die NPD in jedem Fall zu den Verlierern gehören wird, vor allem gemessen an dem, was vorher als Wahlerfolg deklariert worden ist.

Pressemitteilungen der Kampagne: Neonazi-Angriff auf Anti-NPD-Aktion in Rostock, Nach Neonazi-Angriff in Rostock: Kampagne warnt vor Verharmlosung rechter Gewalt, Seit Montag: Welle rechter Gewalt im Wahlkampf, Rechte Übergriffe am Wochenende überschatten Wahlkampf, Kaffeefahrt gegen Nazis und Rassismus, Demonstration gegen Neonazis am Sonnabend in Bad Doberan, 150 bei Protest gegen NPD-Wahlkampf in Bad Doberan, Kundgebung in Erinnerung an Rostock-Lichtenhagen, Eindrucksvolle Geräuschkulisse erinnert an Rostock-Lichtenhagen, Kundgebung am Sonnenblumenhaus erinnert morgen an Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen, Bunter Aktionstag gegen braunen Einheitsbrei der Neonazis, 19 Jahre nach Rostock-Lichtenhagen: Antirassistische Kundgebung am Sonnenblumenhaus, Gewalttäter und Kriminelle im NPD-Wahlkampf I: Dirk Bahlmann, Gewalttäter und Kriminelle im NPD-Wahlkampf II: Stefan Köster, Gewalttäter und Kriminelle im NPD-Wahlkampf III: Karsten Münchow
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Ergänzungen

Alle auf nach Schwerin

Wake up - Stand up 31.08.2011 - 13:39
Kommt alle zur Antifa-Demo am 3. September nach Schwerin. Startpunkt ist um 12 Uhr am Hauptbahnhof. Den Aufruf und weitere Infos findet ihr hier:  http://wakeup-standup.info/termine/demo-in-schwerin/

Video-Statement von Supershirt

Egon 01.09.2011 - 02:46
... auch die Band Supershirt haben noch ein Statement zur Kampagne und zur Demo in Sn abgegeben

Senatswahlen in Berlin

Gregor 09.09.2011 - 11:22
Habe leider kein passenderen Artikel gefunden. Wir haben auf der Seite http://www.krankenversicherung.net/berlin-wahl alle Gesundheitssprecher zu regionalen Gesundheitsthemen befragt, die NPD haben wir dabei aber auch außen vorgelassen. Sowas kann man nicht unterstützen. Wer sich also für Politk in der Hauptstadt interessiert, dem empfehle ich sich die Statements der gesundheitspolitischen Sprecher mal anzuschauen. Grüße Gregor

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Zu früh — Antifa

Arbeitslose — pitti pl.

@pitti — Schnattchen

Zusammenhalt?! — MUß

Leipzig — --