Verfahren gegen FeldbesetzerInnen eingestellt

cpp u.a. 29.08.2011 18:17 Themen: Biopolitik Repression Ökologie
Amtsgericht Rostock stellt Strafverfahren gegen gentechnik-kritische Aktivist_innen nach deren offensiver Prozeßführung ein
Im April 2009 besetzten unabhängige Aktivist_innen Flächen des AgroBioTechnikums in Groß Lüsewitz, um gegen den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu protestieren. Im Verlauf des folgenden Polizeieinsatzes wurden die Personalien zahlreicher Aktivist_innen aufgenommen. Zunächst schien das Verfolgungsinteresse der Behörden hoch - vermutlich durch zwei nächtliche Zerstörungen von verschiedenen Feldern mit GVOs auf denselben Flächen angestachelt: Die Polizei legte eine umfangreiche Ermittlungsakte an und der Protest gegen die Gentechnik am AgroBioTechnikum in Groß Lüsewitz schaffte es 2009 in den Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
Nachdem die meisten Aktivist_innen den Anfang 2010 verschickten Strafbefehlen widersprachen, fand am 1. Juni 2010 der erste Verhandlungstag gegen drei der Aktivist_innen wegen vorgeworfenen Hausfriedensbruches am Amtsgericht Rostock statt. Doch ein leichtes Spiel mit vermeintlich juristischen Laien wurde das Ganze nicht. Nach nur einer viertel Stunde veranlasste der völlig überforderte Richter die vollständige Räumung des Gerichtssaales. Mehrere Personen - darunter auch Angeklagte - wurden von den eilends in über 20 Polizeifahrzeugen herbeigeholten Polizisten (darunter Verkehrsbeamte, Hundeeinsatzstaffel sowie Bundespolizei ) festgenommen. Sie erhielten später Hausverbote für das Amtsgericht. Eine angemeldete Mahnwache vor dem Gericht löste die Polizei rechtswidrig auf.
“Offenbar ist den Dienern der Justiz damit die Lust am Verfahren vergangen“, kommentierte eine Angeklagte die daraufhin auf unbestimmte Zeit verschobene Gerichtsverhandlung. Erst am 25.11.2010 wurde das Verfahren neu aufgenommen. Das Gericht verwehrte diesmal der Öffentlichkeit einschließlich Pressevertreter_innen komplett den Zugang zum Gerichtssaal. 30 bis 40 Polizist_innen sollten einen Ablauf nach Wunsch des Gerichtes sicherstellen.
„Doch wir ließen uns nicht einschüchtern“ so ein Gentechnikgegner rückblickend. Unterstützer_innen äußerten immer wieder auch außerhalb des Gerichtssaals ihre Empörung und Abneigung gegen die Rolle von Staatsinstitutionen, einer unerwünschten Risikotechnologie zum Durchbruch zu verhelfen. Die Angeklagten begründeten indessen mit dem richterlichen Verhalten am ersten Prozeßtag den Verdacht der Befangenheit des Gerichts und kündigten weitere Anträge an, mit denen sich Staatsanwaltschaft und Gericht offenbar nicht beschäftigen wollten, denn nach kurzer Unterbrechung wurde das Verfahren gegen die drei Gentechnikkritiker_innen auf Staatskosten eingestellt.
Einige Monate später verschickte das Gericht an alle verbliebenen Angeklagte das Angebot, die Verfahren ohne Auflagen und auf Staatskosten einzustellen. Diskussionen dazu waren offenbar gar nicht mehr erwünscht: „Sollten Sie sich bis zu dem Termin nicht gemeldet haben, werte ich dies als Zustimmung“ so der Wortlaut des richterlichen Schreibens. Aufgrund eines gerichtsinternen Fehlers wurde das Einstellungsangebot ein zweites Mal mit einer um einen Monat verschobenen Frist verschickt. Einem Angeklagten, der diesem Angebot ausdrücklich schriftlich widersprach und so eine Aufklärung der Vorwürfe herbeiführen wollte, wurde trotzdem der Einstellungsbeschluss geschickt. „Wir lernen daraus, dass Repression nur wirkt, wenn mensch es auch zulässt“, kommentierte der Aktivist den plötzlichen Unwillen der Gerichte zur öffentlichen Verhandlung nach anfänglich großem Aufwand. Richter und Staatsanwälte seien auch nur Menschen, die eine begrenzte Ausdauer besitzen. „So macht Widerstand also doppelt Sinn – an den Feldern und Institutionen der Gentechnikanwendung. Und vor Gericht“. Die praktische Aktion vor Ort sei allen aber das Wichtigste: So zeigten einige der früheren Angeklagten auch deutliche Freude über die jüngsten Feldbefreiungen am AgroBioTechnikum, die mehrere der damals mit der Besetzung nicht verhinderten Versuchsflächen unschädlich machte. „Ich halte die Zerstörung gentechnisch veränderter Pflanzen für richtig und notwendig. Gentechnik ist eine Technologie, die Wenigen zu Macht und Profiten verhilft und dafür Viele in Abhängigkeiten stürzt, außerdem ist die Ausbreitung von einmal ausgebrachten gentechnisch veränderten Organismen durch die Möglichkeit der Auskreuzung unkontrollierbar. Es freut mich, wenn Menschen dem aktiv entgegentreten“, so eine von ihnen.

Weitere Informationen
Zur Besetzung  http://de.indymedia.org/2009/04/246035.shtml und  http://de.indymedia.org/2009/04/246648.shtml
Zum 1. Prozeßtag:  http://de.indymedia.org/2010/06/282889.shtml
Zum 2. Prozeßtag:  http://de.indymedia.org/2010/11/295181.shtml
Zum AgroBioTechnikum: www.aggrobiotechnikum.de.vu

Direkter Kontakt zu Aktivist_innen

Telefon: 015777253934
eMail:  aggro-prozess@riseup.net
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Ergänzungen

Termine zum Thema Gentechnik-Seilschaften

Bio-Okay 29.08.2011 - 21:57
Donnerstag, 1.9., 18 Uhr in Magdeburg-Buckau (Thiembuktu, Thiemstr. 13): Ton-Bilder-Schau "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften zwischen Behörden, Forschung und Gentechnikkonzernen" (Ref.: Jörg Bergstedt)

Freitag, 2.9., 19 Uhr in der Bördegärnterei (Bauernstr. 8, Erxleben): Ton-Bilder-Schau "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften zwischen Behörden, Forschung und Gentechnikkonzernen"

Samstag, 3.9., 19 Uhr in Braunschweig (Brunsviga, Karlstraße): Ton-Bilder-Schau "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften zwischen Behörden, Forschung und Gentechnikkonzernen"

Sonntag, 4.9., 15.30 Uhr auf dem Hoffest des Biolandbetriebes Lindenhof in Eilum östlich von Wolfenbüttel: Ton-Bilder-Schau "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften zwischen Behörden, Forschung und Gentechnikkonzernen" (zudem ein Infostand dort)

Sonntag, 4., 19 Uhr in Braunschweig Brunsviga): Lesung "Radikal mutig" mit Hanna Poddig


InnoPlanta-Forum 2011: Das Treffen der deutschen Gentechnik-Seilschaften ... am Montag ab 15 Uhr ist im Dorf Üplingen eine Gegendemonstration angemeldet.

Auszüge aus dem Programm:
*Montag, 5.9. ab 17 Uhr: Registierung, Besichtigung Schaugarten und Stiftungsgut
*ab 19 Uhr: Begrüßung (u.a. durch Landes-Landwirtschaftminister Aikens)

*Dienstag, 6.9. ab 9 bis 17 Uhr: Veranstaltung im Hofgut (Mittagspause 13.30 bis 15 Uhr)
*ab 15 Uhr: InnoPlanta-Preisverleihung mit Redebeiträgen (die Preise gehen an Andreas Sentker, ZEIT und Autor des Hetzartikels "Ökoterror", Reinhard Szibor, Uni Magdeburg und Phrasendrescher mit Terrorismusvorwürfen und Nazivergleichen, und Christiane Nüsslein-Vollhardt)


Donnerstag, 29.9. um 19.30 Uhr in der WERKSTATT Mainz-Mombach, Strunkgasse 11: Ton-Bilder-Schau "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften zwischen Behörden, Forschung und Gentechnikkonzernen" (Ref.: Jörg Bergstedt; Inhalt: siehe 4.11.)

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Wachtelweizen — Schnepfe