Spanien

Während Spaniens Regierungschef Zapatero sich doch dem allgemeinen Druck beugt und die Parlamentswahlen von Frühjahr 2013 auf den 20.November diesen Jahres vorzieht, kocht in den Töpfen der caserolladas die VoKü-Suppe der Proteste weiter, wärmend und schäumend zugleich….

RÄUMUNGEN der CAMPS

Anfang diesen Monats wurden die Camps in Castellón, Cáceres, Badajoz, Santiago de Compostela, Palma und Las Palmas geräumt. Im Grossen und Ganzen vollzogen sich die staatlichen Eingriffe ohne Zwischenfälle, da die Bewegung 15M ausdrücklich pazifistisch ist. Dennoch kam es auf Las Palmas zu mehreren Verletzten, die ärztlich behandelt werden mussten…

Mindestens in Madrid sind die Indignados seit der Grossdemonstration nach dem Sternmarsch am 23./24. July dabei, Camps wieder aufzubauen…

Dass überhaupt grössere Zusammenstösse vermieden wurden, gründet sich in der Erkenntnissstrategie der Empörten, dass Eigeninitiative schlicht effizienter ist, als bei ungleichen Gewaltverhältnissen zwangsweise den Kürzeren zu ziehen und Energien darauf zu verschwenden, Wasserwerfen und Gassalven versuchen auszuweichen. Auf lange Sicht bringt weder dies etwas noch ein Betteln um die Erfüllung von Forderungen an irgendwelche „Autoritäten“

INHALTE

Das wird den Indignados nämlich gerne unterstellt: ein bürgerlicher Jammerhaufen zu sein, der nichts weiter will, als bequeme Reformen, um irgendwelche Annehmlichkeiten zu sichern…
Doch das entspricht bei Leibe weder dem Intelligenzniveau der Idignados und auch nicht ihren Bedürfnissen. In Spanien geht es längst nicht mehr um den Käse auf dem Brot, sondern ums Brot an sich. Es geht nicht um Mieterhöhungen sondern um Obdachlosigkeit, nicht um Regelsätze für Arbeitslose, sondern darum, dass sie überhaupt ein Existenzminimum erhalten…Und so naiv, von den Verursachern der Miseren einen Wandeln zu erwarten, sind die Hunderttausende nicht, die da seit langen Wochen mutig, konsequent und v.a. kompetent kämpfen…
Die Transparente und Schilder (keine vorgedruckten und verteilten, sondern eigene, selbstgemachte) drücken aus, was wirklich erkannt und empfunden wird: Es ist keine Krise, es ist Betrug - Es ist nicht die Krise, wir mögen euch nicht - Sollen die für all das bezahlen, die dafür verantwortlich sind…Natürlich werden Forderungen gestellt, es handelt sich ja auch nicht um einen Putsch, sondern um eine Bewegung der Bevölkerung, die einem repressiven Apparat gegenübersteht, der durchaus keine Skrupel hat zuzuschlagen….

Dafür werden aber parallel auch gleich die adäquaten Entwürfe zu einer effektiven Umstrukturierung, etwa des Bank,-und Finanzwesen mitgeliefert und sogar manchmal, wie am 27.July in Madrid, unter Repression, in den Kongress „gebracht“; will heissen in entschlossenen Aktionen, wo dann Hunderte Empörte dahinter und vor den Polis stehen. Es handelt sich dabei eben nicht um ein passives Ersuchen, dass von oben herab etwas getan wird, sondern darum, dass das umgesetzt wird, was auf den Vollversammlungen ausgearbeitet wurde. Solange die Banken und die Politikerinnen den langen Arm haben, etwa ganze Familien auf die Strasse zu setzen, Imigranten auszuhungern und abzuschieben und zu kriminalisieren und zu inhaftieren, was ihnen im Wege steht, müssen diese Forderungen und Entwürfe versuchsweise zur Debatte gestellt werden..

Das ist ein Teil der Arbeit dieser Bewegung, die nicht nur in den Strassen schläft, Theater spielt und Blumen hochhält. Sie ist durchaus denkfähig und weiss sehr genau, was sie will und wie ein Umbau bestimmter Strukturen aussehen soll, um allen Menschen ein menschenwürdiges Dasein im Land zu ermöglichen…(Spanischsprechende könnten längst die Forderungen der Indignados auf ihren Blocks stehen haben, denn nur so wird auch eine Debatte über die herrschende Ökonomie der EU draus…es geht doch nicht „nur“ darum, dass protestiert wird und wie, sondern um ökonomische Willfährigkeiten, an denen z.B. die BRD ihren guten Anteil hat…also zu denen gehört, „die zahlen sollten, da sie verantworten„; dementsprechend gehen uns hier sowohl die Zusammenhänge, als auch die inhaltlichen Forderungen der spanischen (und selbstredend der griechischen und afrikanischen Revolutionsbewegungen sehr wohl soviel an, dass sie irgendwo einlesbar sein sollten!!!!…..)

STRUKTURIERUNG

Die Bewegung der Indignados hat sich entschieden, ihre Schwerpunkte in die Stadtteile zu verlegen, um dort effizient zumindest damit zu beginnen, andere Strukturen aufzubauen, die basisdemokratischen und selbstverwalteten Charakter haben oder damit befasst sind, einen solchen zu entwickeln.
Es muss sich vergegenwärtigt werden, dass hier nicht primär bereits zuvor schon Autonomien, wie Soziale Zentren, besetzte Häuser etc. um einen Wandel ringen, sondern mehrheitlich sogar Menschen, die zuvor gar nicht politisch aktiv waren. Sie alle lernen in diesem recht langen, gemeinsamen Prozess zunächst einmal, sich zu artikulieren, zu koordinieren und schließlich zu organisieren und das gelingt ihnen bislang echt gut. Sie gehen schließlich nicht auf eine Demo und dann wieder nach Hause und haben den Redebeitrag irgendeines Vorblöckers angehört und gut hasta la vista…
Diese Leute halten kontinuierliche Volksversammlungen ab und selbst wenn es mit dem Konsens Probleme gibt…(wer das aus Erfahrung kennt, stelle sich das mal mit Hunderten vor... )sie haben konkrete Veränderungsvorschläge parat, die gemeinsam erarbeitet wurden. Und es bleibt auch bei keiner Theorie, denn ihre si Demos sind nie vorbei, sondern irgendwo sind sie ständig am weitergehen, wie Glühwürmchen, da und dort, der Funke ist immer lebendig, bis sie wieder zusammenfinden, wie jetzt vergangenes Wochenende in Madrid….

Unbedingt lesenswerter!!! Bericht (in engl.) zum Sternmarsch nach Madrid
(  http://de.indymedia.org/2011/07/311275.shtml )vielen Photos:
 http://takethesquare.net/2011/07/28/la-lucha-sigue-the-struggle-of-the-indignados-continues-spanishrevolution-15m-europeanrevolution/
Madrid 23./24.July in zig Bildern…
 http://takethesquare.net/2011/07/26/july-23rd-24th-in-madrid-in-pictures-marchaindignada-spanishrevolution/

KONKRETES…

Handeln ergibt sich aus diesem Lern,-und Entwicklungsprozess auch…wie das Beispiel des enormen Widerstandes gegen die ständig stattfindenden Zwangsräumungen wegen Verschuldung zeigt. Immer wieder stemmen sich Hunderte BewohnerInnen eines Stadtteils gegen den Angriff auf eine Einzelperson oder Familie, sehr häufig auch alleinerziehende Mütter mit Kindern, Arbeitslose, die eh schon nichts mehr haben und die ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen können. Dabei kommt es nicht selten zu Konfrontationen mit den Polizeikräften (erst am 27. wurden 120 Mann und 10 Wannen zu einer Räumung aufgeboten)..

Auch die Solidarität mit MigrantInnen nimmt zu. So wurde bspw. im madrider Stadteil Lava Pies, wo es die meisten Razzien gegen ausländische Menschen gibt, mehrfach versucht diese zu verhindern (für Spanischsprechende: Stadtteilorganisation, Lava Pies (das andere Madrid, Empfehlung an Neuköln und beso)
 http://lavapies.tomalosbarrios.net. )Selbiges auch an den Brennpunkten Ceuta und Cadiz. Aber auch in „gutbürgerlichen“ Stadtteilen werden konsequent Zwangsräumungen verhindert…was dazu führt, dass es mehrere Versuche gibt, die meist mit einer Durchsetzung enden, aber nicht immer…
Mag sein, dass sich an diesem Vorgehen gegen die Zwangsverarmung der Bevölkerung irgendwann ein Funke entzündet und es zu einer Eskalation kommt…

Bislang zeigen die Indignados eine meisterhafte Geduld im konsequenten SichDagegenstellen, gepaart auch hier mit ganz konkreten Entwürfen einer anderen Sozialpolitik. Bislang wurden an die 60 Räumungen verhindert und das geschieht nicht einfach so, spontan, sondern ist gut organisiert und verlässlich strukturiert: Orga-Seite zur aktuellen Verhinderung von Zwangsräumungen (span.;franz.;engl)
 http://stopdesahucios.tomalaplaza.net/#


MARSCH NACH BRÜSSEL

Letzten Dienstag haben 30 Indignados auf der Puerta del Sol in Madrid kundgetan, dass sie sich auf einen Fussmarsch nach Brüssel begeben werden.Die AktivistInnen (inzwischen auf 40 angewachsen) wollen am 8. Oktober die europäische Hauptstadt erreichen, um vor dem Europaparlament ihre Klagen und Vorschläge für eine bessere und gerechtere Gesellschaft auf globalen Niveau dazulegen. Am 17.September planen sie in Paris ankommen, wo sie sich mit anderen Empörten aus Italien, Griechenland, Portugal, Deutschland undFrankreich vereinen werden, um dann gemeinsam den Weg zum EU-Parlament fortzusetzen.
Dort dann wird eine Demonstration stattfinden, um zu zeigen dass es sich bei der Protestbewegung "Echte Demokratie Jetzt" um eine tatkräftige und bestens organisierte Bewegung von Menschen aller Atersstufen und Schichten handelt, die es schlicht Leid sind, die Fehler und Versäumnisse der Politik auszubaden.

Der Marsch soll den Mobilisierungen Kontinuität verschaffen und je mehr Menschen von je mehr Orten sich anschliessen oder darauf aufmerksam machen, desto besser. Eine Idee deren Wiege die Bequemlichkeit war, ist das nicht, denn die Route umfasst immerhin stolze mindestens 1.500 Kilometer. Von verschiedenen Punkten Spaniens aus, starteten StudentInnen und Arbeitslose, die auf ihrem Weg die Botschaft der Bewegung bekanntmachen und gleichzeitig Ideen und Vorschläge sammeln werden. Empörte anderer Länder wie bspw. Im französischen Toulouse oder Aachen (BRD) wollen sich ihnen anschliessen, um am 15. Oktober in Brüssel eine grosse gemeinsame Dermonstration der Bewegung der Entrüstung abzuhalten und Inhalte und Vorschläge laut zu machen….Die auf dem Weg gesammelten Problematiken verschiedener spanischer Regionen sollen als Forderungsdokument dem EU-Kongress übergeben werden.
Der spanische Marsch setzte sich aus sieben Gegenden in Bewegung: Galicia, Murcia, País Vasco (Baskenland), Cataluña, Andalucía, Extremadura und Valencia.
Facebook-Seite des Marsches (der SpanierInnen):
 http://www.facebook.com/pages/15M-Marcha-Bruselas/1150
Marsch nach Brüssel in Französisch:
 http://roadtobrussels.blogspot.com/


Photogalerien zu aktueller Polizeigewalt gegen die Bewegung 15M auf:
 http://www.20minutos.es/noticia/1120681/0/madrid/indignados/congreso/


Sehr gute Seite mit Nachrichten und Life-Button zu den Revolutionen in aller Welt (engl.):
 http://www.europeanrevolution.net/

Artikel zur Revolucion espanola:
 http://de.indymedia.org/2011/05/308788.shtml
 http://de.indymedia.org/2011/06/310980.shtml
Für Leute mit Spanischkenntnissen empfehlen sich folgende Seiten
 http://spainrevolution.com/revolt/?cat=3
(hier gibt einen lifechat, streaming, Fotos, aktuelle nachrichten, Artikel und fäden
in das Herz/die Herzen der Bewegung
 http://www.democraciarealya.es/
die seite von demoracia real ya direkt mit zugang zu allen regionalen gruppen
 http://www.juventudsinfuturo.net/
Jungend ohne Zukunft
 http://www.tercerainformacion.es/
Contrainformationszeitung

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