Nazis in Rostock - Dümmer gehts immer...

Tim Krugfelch 20.07.2011 22:02 Themen: Antifa

Plötzlich wird der Wahlkampf heiß. Es hängen noch längst keine Wahlplakate an den Laternen, da gehen in einem Rostocker Neubauviertel schon Jugendliche aufeinander los. Es folgt ein Großeinsatz der Polizei. Steht MV - und besonders die Hansestadt - vor einer Gewaltwelle?

Klar ist: Am Montag hatten Mitglieder einer antifaschistischen Kampagne in Toitenwinkel Flugblätter gegen die NPD verteilt. Im weiteren Verlauf dieses Spaziergangs trafen sie auf drei Neonazis. Eine körperliche Auseinandersetzung entbrennt und am Ende liegt ein Neonazi oberkörperfrei in der Abendsonne auf dem Gehweg. Schnell beginnt der Kampf um die Deutungshoheit des Ereignisses. Kein Wunder gehören die Drei doch zu den führenden Köpfen der gewaltaffinen lokalen Neonaziszene und sind eng mit der NPD verbandelt. Und während im 'Weltnetz' die Kameraden sogar Schwierigkeiten haben der eigenen Anhängerschaft ihre Propaganda unterzujubeln, werden auf der Straße weiter Fakten geschaffen. Denn seit Montag kam es in Rostock und Umgebung zu fast ein Dutzend Angriffen auf Bürgerbüros und andere Ziele. Die rechte Szene macht mobil. Außenwirkung, Risikoabwägung oder die langfristige Perspektive - kurz rationales politisches Handeln - scheint keine Rolle (mehr?) zu spielen.


"Vermummte jagen Passanten"

Im Stadtgebiet im Rostocker Nordwesten sind 30 vermummte Linke unterwegs. Sie verteilen Flugblätter (NONPD) und kleben linksradikale Plakate. Die Gewaltbereiten führen außerdem große Schottersteine und Flaschen mit sich. Als sie drei andersdenkende Anwohner erblicken, greifen sie diese sofort an. Bewerfen sie mit Steinen und Flaschen.

So heißt es in einem verbreiteten Flugblatt. Fast schon panisch scheinen die Bemühungen der rechten Szene, sich ins rechte Licht zu setzen. In der Hektik titelt man auch schnell von einem "Desater" (sic!) für die antifaschistische Kampagne "Wake up - Stand up!" Da nun der Bürger sich angewidert von der linken Gewalt, auch von deren Inhalten abwende. Doch dieser Schuss ging nach hinten los. Obwohl bereits zahlreiche veröffentlichte Fotos belegen, dass diese Darstellung hanebüchend sein muss, wurde sich dennoch dafür entschieden, die Version der Geschichte kolportieren zu wollen.

Passanten, die gerade mit Steinen und Flaschen beworfen werden?


Auch hier von einem Angriff der Linken nichts zu sehen


Regloses Opfer? Robert Lubitz

"Ostseeadler" - Wenn du nur geschwiegen hättest...

Auch bei "Thiazi", dem bundesweit größten rechten Forum, werden die Vorkommnisse ausführlich debattiert. Die Rostocker Naziszene muss sich Kritik gefallen lassen. Von einem "Himmelfahrtskommando" ist bzgl. der drei waghalsigen Recken die Rede. Das kann der Nutzer "Ostseeadler" natürlich nicht auf sich sitzen lassen, schließlich ist er der 'NSR' ("Nationale Sozialisten Rostock") zuzurechnen und meint das Engagment rechtfertigen zu müssen:

Vielleicht war es auch einfach nur so, dass man nicht mit einer so großen Masse an Gegnern gerechnet hat. Klare Information gab es zu dem Zeitpunkt ja nicht und wenn es z.B. nur 10 Zecken gewesen wären, dann hätte die Sache auch wieder ganz anders ausgehen können.

Während die Polizei also wegen schweren Landfriedensbruch und ähnlichem ermittelt und die Personalien, der bei der Auseinandersetzung verletzten Kameraden, aufgenommen hat, posaunt ein Insider also heraus, was die Ursache für diese Kamikazeaktion war. Es mangelte an Aufklärung.
Ebenso klar ist damit, was die drei tatsächlich wollten. Nämlich den vermeintlich kleinen Trupp von Antifaschisten aufmischen. Clausewitz formulierte einmal: "Nichts ist schwieriger, als der geordnete Rückzug aus unhaltbarer Position."
Vielleicht war es die Lektüre militärtheoretischer Schriften, wahrscheinlicher jedoch erinnerte man sich die letzte Titelgeschichte eines Landserheftes: Trotz der erheblichen Überzahl des politischen Gegners ging man in die Offensive. Selbst in der Naziszene hält man die Schwelle zwischen "heroischer Aufopferung" und blanker Dummheit für bereits deutlich überschritten. Auch wird gewarnt in Zukunft nicht mehr so beleibte Personen bei derartigen Unternehmungen mitzunehmen.
Das kann nicht nach entspannter Marschmusik in den Ohren der nationalen Aktivisten aus dem Nordosten klingen. Wohl um die eigene Aktionsfähigkeit zu beweisen, schlug man wild um sich. Antifaschisten sprechen von einer regelrechten Welle rechter Gewalt seit Montag. Neben Angriffen auf Parteibüros, die bereits hohe Wellen schlagen, weiß die Inititiative "Wake Up - Stand Up!" sogar von Angriffen auf Privatpersonen. Besonders bezeichnend: Opfer wurde anscheinend ein Ehepaar, deren Sohn vor Jahren bei einem Internethändler linke Kleidung bestellt hatte. Seit einigen Jahren kursieren die Namen der Besteller des "Red-Stuff-Versand" im Internet. Rechte Cracker hatten vor mehr als 6 Jahren die Daten entwendet. Der Sohn jedoch ist schon vor Jahren ausgezogen.
Unterdessen unternimmt, die auf den NPD-Kader David Petereit zugelassene, Plattform "MuPInfo" alles noch so absurde, um die Mär von den arglosen Nationalisten in MV weiter aufrecht zu erhalten. So wird auf dem Portal wiederholt behauptet, dass ein Angriff auf ein SPD-Büro am Montag Abend vermutlich auf das Konto von "Linksextremisten" geht, um den 'nationalen Widerstand' zu diskreditieren. Doch dafür bedarf es keinerlei externen Unterstützung. Der "Ostseeadler" selbst zitiert einen Bericht über den Angriff auf das Büro und munkelt über einen möglichen Zusammenhang mit der Auseinandersetzung wenige Stunden zuvor. Der zitierte Artikel wird wohlwollend in der Naziszene aufgenommen. Alle halten es für die adäquate Antwort. Eine Operation unter falscher Flagge vermutet niemand. Solche Ungereimtheiten, die darauf schließen lassen, dass die eine Hand gerade nicht genau weiß, was die andere tut, kommen häufiger vor. Da stört es auch in der Propaganda nicht wirklich, wenn selbst die eigenen 'Kameraden' darauf hinweisen, dass das angebliche "reglose Opfer" gerade den Kopf anhebt. (Vielleicht sucht Robert gerade nach seinen Bruder, der zuvor die Flucht ergriffen hatte.)
Auch die Begründung warum man sich vermummen müsste, scheint gewagt. Man verweist darauf, dass es sich bei den Kameraden um bundesweit bekannte Personen handelt.
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Auch in Rostock nicht der größte. Robert Lubitz - hier stehend - in Dresden (Februar 2010)

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Benjamin Köpke (mit "Schirmmütze") auf der NPD Demo in Greifswald am 1. Mai 2011

Insofern war die Vermummung sowieso überflüssig. Bereits während sich die Angreifer näherten, wussten die Antifaschisten, um wen es sich dabei handelte. Und auch, dass die beiden Lubitzbrüder und Benjamin für 'gewagte Manöver' bekannt sind. Vielleicht war der Angriffsplan der drei, aber auch doch nicht ganz so unausgegoren, wie der Ausgang vermuten lässt. Der Administrator von NSrostock weiß zu berichten: Wie uns geflüstert wurde, behaupten Toitenwinkler aber hartnäckig, dass noch eine weitere Gruppe unterwegs gewesen sein soll. Vielleicht handelte es sich da ja um weitere Nationalisten und man wollte sich mit diesen treffen. Kam halt jedoch nie bei diesen an. Gesichert ist diese Angabe jedoch nicht. Genauso gut kann es sich dabei um weitere Linksextremisten gehandelt haben.

Da die Grupppe der Antifaschisten sich ungeteilt in Toitenwinkel aufhielt, muss es sich - glaubt man den Angaben der Nazis - bei der anderen Gruppe um Rechte gehandelt haben. Damit stünde im Raum, ob nicht ein koordinierter Angriff geplant war. Zuviel Spekulation? Die drei "Opfer" wollten sich jedenfalls gegenüber der Polizei zum Tathergang nicht äußern. Vielleicht wussten sie wenigstens in diesem Augenblick was sie tun.



(C) Tim Krugfelch 2011
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Ergänzungen

Do. Neuer Angriff von Neonazis in Rostock

RostockerIn 22.07.2011 - 19:24
Am Donnerstagabend gab es in Rostock einen neuen Überfall von Neonazis auf einen Menschen mit Migrationshintergrund. Das Opfer wurde nach dem Überfall mit Blutergüssen und anderen Wunden in einer Straßenbahn angetroffen, wo es unter Schock von dem Überfall der Neonazis berichtete.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Tralala — lustig.peter

Achtung.. — !!!

@Achtung — Ach was

Julia — Dumm, dümmer, Nazi

was? — sugl

anti-antifa? — recherche mitte?

@Antifas aufs Maul...usw. blaa — lachender mann

Nix gelernt — Sportler

lichtenhagen — Name

Kommentar — o