TÜV NORD Bildung: Ausbeutung TÜV geprüft

Vilfredo Pareto 20.07.2011 00:32 Themen: Soziale Kämpfe
Starr vor Angst um den eigenen Arbeitsplatz sind zurzeit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der TÜV NORD Bildung GmbH. Der Mutterkonzern TÜV NORD hatte Anfang Mai angekündigt, ein Drittel aller bundesweit Beschäftigten nicht mehr weiterbeschäftigen zu können und außerdem die Hälfte der rund 40 Bildungszentren in Deutschland schließen zu müssen – aus wirtschaftlichen Gründen.
Just ein Jahr zuvor hatte die TÜV NORD AG die RAG Bildung von der Ruhrkohle AG (RAG) gekauft und mit dem Betriebsrat im Zuge der Übernahme eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Diese garantiert, dass keinem Mitarbeiter in den nächsten drei Jahren aus betriebsbedingten Gründen gekündigt wird, und dass bestehende Tarifverträge mindestens drei Jahre fortgeführt werden.
Der Vorstand der TÜV NORD AG wurde dann von der wirtschaftspolitischen Entwicklung in Deutschland völlig überrumpelt. Noch Anfang Januar 2011 hatte der Vorstandsvorsitzende Dr. Guido Rettig für das Geschäftsjahr 2011 prognostiziert, dass die TÜV NORD Bildung den Umsatz des Unternehmens TÜV NORD derart ankurbeln würde, dass 2011 mit Umsätzen in Milliardenhöhe gerechnet würde (siehe  http://www.haz.de/Nachrichten/Wirtschaft/Niedersachsen/TUeV-Nord-Chef-Guido-Rettig-im-Interview).
Plötzlich jedoch habe die Bundesregierung einen dramatischen Richtungswechsel vollzogen und die Mittelzuweisungen an die Bundesagentur für Arbeit (hauptsächlicher Geld- und Auftraggeber für die TÜV NORD Bildung) drastisch abgesenkt.
Die Sparpläne des Vorstandes setzen nun an den Gehältern der Angestellten an: Sie sollen auf 15 % (West) bzw. 22 % (Ost) verzichten. Ein Drittel der Mitarbeiter/innen soll künftig ihr Gehalt nicht mehr von der TÜV NORD Bildung sondern direkt von der Bundesagentur für Arbeit beziehen.
Auf einer Betriebsversammlung in Mönchengladbach sollten den Mitarbeiter/innen diese Pläne heute, 19.07.2011, schmackhaft gemacht werden. Begleitet wurde die Versammlung von einer Solidaritätskundgebung von Betriebsangehörigen.
Auf der Betriebsversammlung bedauerte der Vorstandsvorsitzende Dr. Rettig seine Sparpläne zutiefst und entschuldigte sich zerknirscht „bei allen, die entlassen werden“: „Das tut mir unendlich leid“. Er persönlich hält die Vorgänge in der Politik für „absolut unfair“, und berichtete: „So unfair bin ich noch nie behandelt worden von der Politik“. Aber ihm sind leider die Hände gebunden: „Mehr als in meiner Haut mich beschissen fühlen, kann ich auch nicht, tut mir leid“. Glücklicherweise gäbe es bei der TÜV NORD AG keine „renditegeilen Vorstände oder Geschäftsführer“. Bedingt durch seine Sozialisation würde auch er selbst nicht so ticken. Diese soziale Einstellung schlägt sich ebenfalls in seiner Auffassung nieder, dass eine gesamtgesellschaftliche Verbesserung dann erreicht ist, wenn es einem einzelnen Individuum überdurchschnittlich gut geht (siehe  http://www.tuev-nord.de/cps/rde/xbcr/tng_de/ethik.pdf). Ein Großteil der Belegschaft hatte dann auch Verständnis für die Zwangslage des Präsidiumsmitglieds des VdTÜV (Verband der TÜV, Interessenvertretung der TÜV, die Parlamente, Ministerien sowie öffentliche und private Organisationen auf nationaler und internationaler Ebene berät und bei der Europäischen Union eine Repräsentanz in Brüssel unterhält). Wenn er an die Dumpinglöhne seiner Mitarbeiter denke, schlafe er schließlich auch schlecht, so Rettig. Und entschuldigte sich zum wiederholten Male: „Mehr ist nicht drin, sorry“.

Seinem Chauffeur, der den gesamten Nachmittag während der Versammlung im Dienstwagen ausharrte, überreichten Mitarbeiter einen symbolischen „Rettich für den Rettig“, um die Verdauung des gewissensgeplagten Vorstandsvorsitzenden anzukurbeln und ihm geruhsamere Nächte zu ermöglichen. Und so die gesamte Gesellschaft wieder ein Stück zu verbessern.
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