Erstes Resüme zum Naziaufmarsch in Gießen

Gießener AntifaschistInnen 17.07.2011 15:57 Themen: Antifa
Am 16.07.11 fand eine - großspurig als bundesweit angekündigte - Demonstration von NPD, JN und "Freien Kräften" in Gießen statt. Dabei standen den 135 Nazis aus Hessen, Bayern und dem Saarland mehr als 2500 Menschen gegenüber von denen sich rund 1200-1500 an den Blockadeversuchen von "Gießen bleibt Nazifrei" beteiligten.
Ein erfolgreiches Blockieren des Neonaziaufmarsches wurde dem Bündnis Giessen bleibt Nazifrei aus mehreren Gründen verunmöglicht. Die Stadt Gießen verlegte die Neonaziroute in eine Gegend, die einem Blockadekonzept nur wenig Chancen ließ, da sie weitestgehen zwischen dem Fluss Lahn und einem hohen Bahndamm verlief. Darüber hinaus hielt die Stadt die Demonstrationsroute bis zum Demonstrationstag geheim. Auch das massive Polizeiaufgebot von rund 3.000 PolizistInnen auf einer wegstrecke von ca. 1,5 km. verhinderte ein effektives Blockieren. Trotz des eingehaltenen Aktionskonsenses, einschließlich des deeskalierenden Verhaltens seitesn der BlockadeteilnehmerInnen, setzte die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke ein, wobei einige Menschen leicht verletzt wurden.

Auch wenn die Neonazis die Demonstration bereits jetzt als Erfolg verkaufen, spricht allein die Zahl von 135 TeilnehmerInnenzahl bei einer als bundesweit angekündigten "Großdemonstration" für das Gegenteil. Im Vorfeld versuchten regionale Neonazis mit Gewaltandrohungen auf sich aufmerksam zu machen. Dies konnte jedoch die offensichtlich mangelnde Mobilisierung nicht ausgleichen. Die Demonstration ist dabei als symptomatisch für den Zustand der hessischen Neonaziszene und der NPD zu sehen.

Auch wenn die Blockaden gescheitert sind ist die Mobilisierung des Bündnisses Gießen bleibt Nazifrei als Erfolg zu werten. An den Blockadeversuchen beteiligten sich bis zu 1500 Menschen, die sich an verschiedenen Punkten in der Nähe der Neonaziroute einfanden. Dies obwohl die Polizei das Versammlungsrecht der GegendemonstrantInnen stark einschränkte und zahlreichen TeilnehmerInnen der Zugang zu angemeldeten Kundgebungen verweigert wurde. Nach der Abreise der Neonazis beteiligten sich über 1000 Menschen an verschiedenen Spontandemonstrationen die sich unter anderem gegen das Verhalten von Stadt und Polizei wendeten.

Das repressive Verhalten der Polizei setzte sich bis in die Abendstunden fort. Mehreren Festegenommenen wurde ein anwaltlicher Beistand verweigert und sie wurden bis in die Nacht festgehalten, wobei sogar die Wohnung eines der Festgenommenen während seiner Abwesenheit durchsucht wurde. Nur aufgrund einer Solidaritätsaktion vor dem Polizeirevier kamen die Festgesetzten gegen Mitternacht frei.

Eine umfangreiche Kritik an dem Verhalten von Stadt, Polizei und nicht zuletzt an dem ebenfalls mobilisierenden Bündnis "Gießen bleibt bunt" wurde in einer Pressemitteilung des Bündnisses Gießen bleibt Nazifrei formuliert.

 http://giessenbleibtnazifrei.blogsport.de/2011/07/17/pressemitteilung-von-giessen-bleibt-nazifrei-vom-17-07-2011/)

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Ergänzungen

Flugblatt

Peppermint Patty 17.07.2011 - 16:57
Ein Flugblatt das die Aktionen des Tages gut kommentiert,  http://neocommunistinnen.wordpress.com/2011/07/16/antinazispektakel/
Alerta.

Unhaltbare Zustände

Wetterau 17.07.2011 - 17:03
Etwa 130 Nazis aus Niedersachsen, dem Saarland, Baden-Würtemberg, Bayern sowie 2 panisch hinzugezogene neue Neo-Nazi-Redner(Borrmann + Apfel) zeigen des schwachen Zustand der NPD in Hessen. Nur Aufgrund der staatlichen Unterstützung konnte dieser Nazi-Haufen die bundesweite Demo überhaupt durchführen. Die Beteiligung aus Hessen war für die Nazis peinlich (Nazi-Gruppen kamen nur aus Wetzlar, Kassel und FFM - sowie einige versprengte Nazis aus der Wetterau.

Viel wichtiger ist es nun jedoch, die absolut berechtigte Kritik an Polizei, Stadt und "Gießen bleibt bunt" zu veröffentlichen und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Die unvertretbaren Aktionen von "Gießen bleibt bunt" haben jedoch nicht die Masse der dort organisierten Gruppen, sondern die "Organisatoren" des Bündnisses zu verantworten. Die meisten Gruppen wissen (noch) nicht, was dort in ihrem Namen gespielt wurde. Die Orgas von "Gießen bleibt bunt" haben zugelassen, dass die Polizei definiert, was an Protesten,Aktionen und Inhalten möglich ist und was nicht. Dieses Verhalten ist aus keiner demokratischen Perspektive vertretbar sowie tolerierbar.



ein paar Eindrücke

neutraler Beobachter 17.07.2011 - 17:59
Als jemand der an mehreren Punkten ziemlich nah am Geschehen war kann ich die Eindrücke nicht gänzlich bestätigen.

Was stimmt ist dass das Polizeiaufgebot für mittelhessische Verhältnisse groß war. Der Zugang in die Weststadt war schon am frühen morgen über die beiden Hauptbrücken mehr oder weniger nicht mehr möglich. Dass die Anzahl der Demonstranten in der Weststadt eher gering war lag aber (neben fehlender Ortskenntnis) wohl vor allen an einer gewissen Bewegungsfaulheit. Mit einen Umweg von einer guten halben Stunde (zu Fuß) war die Weststadt in welcher sich ein großer Teil der geplanten Route befand problemlos zu erreichen...motorisierte Demonstranten hätten natürlich noch weniger Probleme gehabt.

Auch in der Weststadt stand man an entsprechenden Blockadestellen einen Großaufgebot an Polizei gegenüber. Zumindest an dieser Stelle waren die entsprechenden Beamten allerdings (für Demonstrationsverhältnisse) erstaunlich zuvorkommend und langfristig sogar Diskussionsbereit. So wurde ein von seiner politischen Einstellung her zweifelhafter Videofilmer von den Beamten nach Rücksprache entfernt...auch wenn dem eine kleinere rechtliche Diskussion vorausging. Im allgemeinen ist die Blockade in der Weststadt als zu stationär anzusehen. Durch Seitenstraßen und kleinere Umwege wäre es wohl möglich gewesen näher an die Aufmarschroute zu kommen..diese Möglichkeiten wurden aber (wenn überhaupt) nur von einzelnen genutzt während ein Großteil der Blockade eher mit der Hitze als gegen eine Veranstaltung kämpfte.

Die einzigen (beobachteten) Polizeiaktionen gingen in der Weststadt leider ziemlich eindeutig aus einer Provakation von (entweder) rechtlich schlecht beratenen Demonstranten (oder solchen mit Lust am Opfersein) hervor. Wo liegt der Sinn im offenen tragen von Vermummungsgegenständen an einen Zeitpunkt zu welchen es KEINERLEI Veranlassung gab dies zu tun? An diesen Punkt schlägt die Polizei dann natürlich zu. Bei aller (sinnvollen) Kritik am Vermummungsverbot...was erwartet ein Mensch bei derartigen Verhalten. Nebenbei angemerkt...derartige Aktionen können dazu führen dass das abfilmen der gesammten Demonstration rechtmässig ist. Man schadet somit nicht nur sich selbst.

Alles in allen ein relativ gelunger Tag...auch wenn die übliche Geltungssucht bei einigen Teilnehmern vorhanden war.

SO WAS KOMMT VON SOWAS..

antifa 17.07.2011 - 19:23
Offensichtlich haben einige Leute andere Möglichkeiten gefunden ihren Protest zu artikulieren, fernab von Bullenschikanen:

Scheiben eingeschlagen - fünf junge Männer festgenommen

Um 13.45 Uhr wurde gemeldet, dass mehrere Vermummte in der Licher Straße am Gebäude der Volksbank mit Pflastersteinen Scheiben eingeworfen hätten und den Geldautomaten und Auszugsdrucker beschädigten. Am benachbarten Gebäude einer Landsmannschaft wurden ebenfalls die Scheiben eingeworfen und die Hausfassade mit weißer Farbe beschmiert. Schnell waren sie wieder verschwunden. Der Schaden wird auf etwa 150.000 Euro geschätzt. Auf dem Parkplatz vor der Volksbank wurden zudem verstreute Metallkrallen gefunden, die dazu führen können, dass die Autoreifen beschädigt werden. Im Zuge der Fahndung nahmen die eingesetzten Polizeikräfte im Stadtgebiet fünf junge Männer vorläufig fest. Bei diesen Männern im Alter von 21 bis 24 Jahren handelt es sich um vier aus Frankfurt und einen aus dem weiteren Rhein-Main-Gebiet. Die Ermittlungen dauern an.

So weit die Bullenpresseerklärung... peinlich, dass sie dann ewigkeiten später irgendwelche Leute mitgenommen haben, damit die Festnahmequote stimmt!

@peppermint patty

commi 17.07.2011 - 20:20
Die Einschätzung eines linken Bewegungsrummels mag stimmen. Jedoch waren trotzdem viele Leute bereit und entschlossen den Nazis etwas (nicht nur verbal oder symbolisch) entgegenzusetzen. Ich hoffe ihr wertet das nicht als "linken Bewegungsrummel", sondern als einen Moment gegen die politische Bewegung des deutschen Nationalismus. Das sind keine Spielplatz-Manöver und kein Militantes Abenteuerspielchen, sondern notwendig. Texte gegen die deutsche Scheisse alleine zu schreiben, reicht nicht. Das stoppt keinen Aufmarsch von deutschen Nationalisten, vergrößert aber hoffentlich die Anzahl der Leute auf der Gegnerseite, die ihre Ablehnung gegenüber den Nazischweinen aus den "richtigen" Gründen äußern und praktisch werden lassen (also nicht um ein "deutsches Zeichen" gegen Nazis zu setzen, oder Gießen "sauber" zu halten, da es hier keine Nazis gäbe usw.).

Bedauerlich, dass die Verhinderung von dem riesigen Bullenaufgebot vereitelt wurde, wobei ich die "Schuld" nicht einseitig auf die Polizei verschieben will. Ich habe viele Gesichter aus dem Rhein-Main Gebiet vermisst. Mit mehr Leuten und mehr Entschlossenheit wäre da mehr gegangen. Trotzdem unter den gegebenen Umständen not so bad.

Eine Stimme aus der Projektwerkstatt

egal 17.07.2011 - 21:38
Hmmmm ... das ist schon bemerkenswert: Polizei, Nazis, Stadt und Antifa feiern das Ganze als Erfolg. Das ist ja wie bei der Bundestagswahl, wo auch immer alle SiegerInnen sind. Nun ja - und dann distanzieren sich Antifas von einem Bündnis "Gießen bleibt bunt!", welches sie aber von Beginn an mitgetragen haben und sich nicht scheuten, zusammen mit Rechtsaußen wie der vom Bouffier-Clan geführten Gießener CDU zu paktieren. Schon der Aufruf war eine Katastrophe (da wird doch behauptet, dass rassismusfreie Gießen erhalten zu wollen - Moment mal, was soll Gießen sein?).
In der Projektwerkstatt wurde das Geschehen diskutiert (Kollektiventscheidungen gibt es hier ja nicht) - und niemand hatte auch nur im Entferntesten eine Neigung, diesen Unsinn zu unterstützen (nach der Wahrnehmung hier blieb das Umfeld der Projektwerkstatt die Einzigen, die diesem miesen Bündnis nicht beitraten). Einmischen wollte sich aber auch niemand - wer legt sich schon gern mit einer Mischung aus Bouffier und Antifa an. So wurde ein bisschen logistische Unterstützung angeboten - aber damit war es am 16.7. morgens dann auch vorbei, als Checker aus Frankfurt erstmal durchsetzen, dass Projektwerkstättler nichts zu suchen hätten im Protest.
So blieb Zeit, sich das Geschehen anzuschauen. Der Bericht hier auf Indymedia hat mit dem tatsächlichen Geschehen auf der Straße wenig zu tun. Klarer Sieger: Die Polizei. Nazis und Antifas: Harmlos. Es war wie auf einer Demo von ausgestrahlt oder Campact. Versuche zu Blockaden gab es nur dort, wo eh keine Nazis langwollten. Ansonsten war das eher Camping-Feeling. Fast lustig das Video der Gießener Allgemeine von der Zufalls-Fastkonfrontation im Gießener Bahnhof - kaum bewegen sich die Bullen, bilden die Linken Ketten statt zu versuchen, den Nachbarbahnsteig zu blockieren, wo die Faschos standen. Eigentlich hätten die Bullen gar keinen Kessel mehr machen brauchen.
Dabei waren aber die harmlosen Antifas noch das Beste des Tages. Irgendwo weit ab saßen die Bürgerlichen von "Gießen bleibt bunt" und sangen Choräle, turnten auf Hüpfburgen oder lauschten der dargebotenen Musik. Ein Gewerkschaftler lud mich sogar ein, ich solle doch da hinkommen. Irgendwie hatte der wohl schon vergessen, dass hier in Gießen ein Naziaufmarsch war.
Das nichts möglich war, ist frei erfunden. Ich stand mehrfach jenseits der Bullenabsperrungen - und ich war nicht der Einzige. Aber wer sich in identitären Cliquen selbst einredet, dass alles krass ist und eh nichts geht, versucht es auch gar nicht. Ich habe nicht einen einzigen Versuch gesehen, den Naziaufmarsch irgendwie zu stören - geschweige denn einen kreativ-schlauen ...

Mein Tipp: Mal ein paar Direct-Action-Trainings. Und sich endlich mal emanzipieren von den WichtigfunktionärInnen bürgerlicher Gruppen und CheckerInnen im eigenen Lager.

videos

nicht von mir 18.07.2011 - 02:24
 http://www.youtube.com/playlist?list=PLCEA78FA4E18DA450 Reden der Fachos, allerdings kann man da auch einige erkennen!

kein erfolg

Enttäuschter 18.07.2011 - 07:37
Kann dem Tag nichts positives abgewinnen. Wie kann von einer erfolgreichen Mobilisierung gesprochen werden, wenn nur so wenig Leute ihren Arsch hochbekommen haben? Das war (anscheinend bis auf wenige Lichtblicke) eine einzige Katastrophe. Zu wenig Menschen, zu wenig Mut, zu wenig Ideen, zu wenig Zusammenhalt. Weder Nazis noch Polizei haben einen antifaschistischen Erfolg verhindert, sondern die Antifa selbst. Jetzt muss schleunigst was getan werden, um zu verhindern, dass die regionale Naziszene mit Rückenwind an uns vorbeizieht.

unübersichtlich

... 18.07.2011 - 09:55
Es waren schon viele Leute in der Stadt unterwegs, neben den gescheiterten Blockadepunkten hingen insbesondere am Oswaldsgarten mehrere hundert Leute fest, die nicht in die Weststadt oder woanders hingekommen sind. Das war wohl oft unübersichtlich. Die FR (auch wenn sie es dem Bunt-Fest zurechnet) spricht von 1750 GegendemonstrantInnen an der Strecke. Da die GI bleibt bund definitiv nicht aus der Innenstadt rauswollten, haben diese zumindest nicht zu den bunten gehört. Über die gelungene Mobilisierung kann sich durchaus gefreut werden. Ansonsten über nichts. Ich finde, die PM von Giessen bleibt Nazifrei macht dies auch durchaus deutlich.

Eine weitere Kritik

fridolin 18.07.2011 - 13:23
Ich kann mich manchen meiner Vorkommentatoren nur anschließen, die Polizei war der klare und souveräne Sieger.

Blockaden wären sicher möglich gewesen, allerdings nicht mit dem hier vorherrschenden Pseudoaktionismus. Was bitte hilft es, wenn man lautstark grölend hinter der Polizeiabsperrung steht und fest davon überzeugt ist, dass man damit etwas bewirkt. Am Neustädter Tor/ Owaldsgarten hatte ich das Gefühl, dass sich wirklich viele Leute da richtig krass vorkamen, besonders da der Großteil erst kurz vorm Vorbeiziehen der Nazis da war (also vermutlich ne halbe Stunde vorher aufgestanden?!). Herzlichen Glückwunsch.
Desgleichen empfand ich die ACAB-Rufe und andere Provokationen der Polizei gegenüber an der Ecke Liebigstraße/ Bahnhofstraße einfach dämlich. Die Polizei stand mit großem Aufgebot da, hat klar gemacht, dass da keiner zum Bahnhof kommt und wir warten erst mal alle auf die „kraftvolle Spontandemonstration“, die natürlich nicht zum Bahnhof kam. Wenn ich Polizist gewesen wär, hätt ich uns ausgelacht. Aber als eingefleischter Linker muss man einfach nochmal demonstrieren, dass man die Polizei verabscheut und dass sie ja so böse sind, weil sie einem den direkten Weg zum bevorzugten „Spielplatz“ versperren. Kam mir sehr kindisch vor, hätte auch ne Lehrerin im Unterricht einen kaugummikauenden Schüler auffordern können, den Kaugummi rauszunehmen und der spukt ihn ihr vor die Füße. Gleiches Schema, meinem Empfinden nach.

Ich persönlich bin nicht in der Weststadt gewesen, habe es kurz nach 9h über die Fußgängerbrücke versucht, nur war die auch dicht. Allerdings habe ich auch später nicht das Gefühl gehabt dort was zu verpassen, denn es kamen keine Infos rüber, dass die Leute sich da anders verhalten hätten als am Neustädter Tor (zumal mir auch die ein-x entschlossenen Personen gefehlt haben, mit denen ich rüber gewollt hätte).

Ich habe schon bessere Studentenproteste erlebt, mit z.T. erfolgreichen Blockaden und auch erfolgreiche Blockaden gegen Naziaufmärsche in anderen Städten. Es findet sich immer ein Hinterhof, durch den man zu ner Blockade kommt, wenn man es wirklich will. Aber genau das ist ja der Punkt, lieber sicher hinter der Polizei rumstehen und sich einreden, dass man was bewirkt…

Gießen bleibt bunt erschien mir kein Erfolg zu sein, am Vormittag war die Innenstadt totenstill und außer am Kirchplatz und im Seltersweg habe ich wenig Menschen gesehen und der Großteil schien sich fast vor Angst in die Hose zu machen. Ich hatte auch das Gefühl, dass an einem normalen „Einkaufswochenende“ mehr Leute in der Stadt unterwegs gewesen wären.

Die geografischen Gegebenheiten waren für die Polizei sicherlich von Vorteil, das lässt sich nicht abstreiten, allerdings wäre man ohne Probleme in die Weststadt gekommen und wenn man durch die Lahn geschwommen wär… An sich hätte man aber auch die Tatsache nutzen können, dass auf beiden Seiten der Lahn Leute unterwegs waren, denn egal wieviel Polizei da war, auf drei Gruppen (Nazis mitgerechnet), die sich bewegen, lässt sich schlechter Acht geben, v.a. wenn diese sich gezielt geteilt hätten... Nun ja, vielleicht kommt der Lerneffekt noch.

Schade, wirklich schade wie es gelaufen ist!

majestätischer griff ins klo

egal 18.07.2011 - 16:53
Nun gibt es in Giessen tatsächlich keine Nazi-Szene, sondern nur bzw. höchstens Einzelpersonen. Das hat auch Gründe, wie z.B. kontinuierliche antifaschistische Arbeit. Der Slogan Giessen bleibt Nazifrei weist daraufhin. Auch wurde die hessische NPD nie stark geredet oder von einer Giessener NS-Szene fabuliert. Das alles ändert aber nichts daran, dass von Nazis (und wenn es nur ein Einzelner ist, der mal aus dem LDK Urlaub macht, shoppen geht...) eine reale Gefahr, wie im Beitrag oben schon angesprochen, insbesondere für Menschen, die nicht dem Weltbild der Nazis entsprechen. Ein Aufruf zur Demobilisierung verharmlost dies und - noch dazu - vergisst er, dass die No-Go-Area (auch wenn sie zeitlich stark begrenzt war) bereits mit der Entscheidung der Verlegung des Eritrea-Festes geschaffen wurde. Einer No-Go-Area die durch das Verhalten der Stadt oder durch eine Demobilisierung bestätigt wird.

Polizeiverhalten

d-o-e 18.07.2011 - 18:07
An dieser Stelle möchte ich zunächst "Neutraler Beobachter" zitieren:

"Die einzigen (beobachteten) Polizeiaktionen gingen in der Weststadt leider ziemlich eindeutig aus einer Provakation von (entweder) rechtlich schlecht beratenen Demonstranten (oder solchen mit Lust am Opfersein) hervor"

Ich persönlich kann dies nicht bestätigen.
Einige Demonstranten_Innen wurden bereits am Gleis festgehalten, herausgezogen, hatten keinerlei Möglichkeit der polizeilichen Repression zu entweichen und wurden zudem - und das in diesem Falle absolut willkürlich und wohl aus der Lust an Unterdrückung heraus - mit einer ordentlichen Ladung Pfefferspray in Gießen willkommen geheißen.

Weiter ging dies mit Abfangaktionen unserer Grashüpfer in der Unterführung bishin zum Bahnhofsplatz, wo nach dem Durchlaufen der Unterführung erstmals der Zugang zum Bahnhofsgelände durch die Polizei und ein Gitter verhindert wurde.
An gleicher Stelle kam es zu Übergriffen der Beamten mit Pfefferspray und Schlagstöcken.

All das schon zu Beginn und ohne jeglichen Grund/ Begründung. Das ist Repression und hatte in diesem Falle keinerlei Grundlage auf vermeintliche Provokation der Demonstranten_Innen o.Ä.!

Da ist in Gießen wohl verdammt was schief gegangen. Und man kann der Stadt und ihrer Hilfskräfte in Grün nur ein großes "Shame on you!" aussprechen.

Wege in die Weststadt

neutraler Beobachter 18.07.2011 - 18:13
Nur zu Ergänzung. Wege in die Weststadt waren für jeden zu erreichen. Selbstverständlich wäre
es ein leichtes (wenn auch unrealistisch) gewesen in die der Lahn baden zu gehen. Ein einziges Polizeiboot und 5-6 Reiter (von einer Reiterstaffel kann kaum die Rede sein) sollen einen kompletten Flussbereich überwachen? Ungefähr 500-600 Meter lahnaufwärts wäre ein überqueren problemlos möglich gewesen.

Die zweite (und fast noch leichtere) Möglichkeit bestand über die Wissmar. Zugegeben, ein Marsch von 6 Kilometern (in eine Richtung) ist wirklich nicht jedermanns Sache. Aber auch für Autos war der Verkehr über Wissmar gänzlich frei...und damit auch der Weg in die Weststadt. Darauf haben (pflichtgetreu) sogar Polizisten hingewiesen wenn man sie entsprechend freundlich gefragt hat wie man denn zur Kundgebung kommt.

Wer natürlich am Samstag erst einmal ausschlafen...dann in Ruhe sein emanzipatorisches Frühstück einnehmen, die coole Autonomenkleidung anlegen und sich dann mal langsam auf den Weg in die Weststadt machen will...der scheitert. Vielleicht sollte man in Zukunft vom allgegenwärtigen Festivalcharakter und dem typischen zeigen der (nicht vorhandenen) Muskeln absehen und eher versuchen die ganze Sache etwas "sportlich" anzugehen. Aber dass wäre ja ein Traum.

Aufruf zur Demobilisierung

Absender unbekannt verzogen 18.07.2011 - 19:48
Im Folgenden der "Aufruf" zur Demobilisierung, der bereits obenstehend angesprochen wurde und an der Infoveranstaltung vereilt wurde:

 http://verzogen.wordpress.com/

Bulle mit Granatenpistole

egal 18.07.2011 - 22:25
wahrscheinlich zur einschüchterung: Bulle mit Granatenpistole in der Bahnhofsstr.:

Bla

Bla 19.07.2011 - 09:05
Einmal kurz meinen Senf dazugegeben...

Wer diesen Tag auch nur im entferntesten als Erfolg deklariert, hat keinen realitätssinn.
Okay, die Bullen dürfen den Tag als Erfolg sehen.

Es wurde einfach alles abgeriegelt und kontrolliert.
Die "Antifa" muss sich einfach mal wieder andere Konzepte überlegen. Vielleicht nicht mehr nur im Schwarzen Block rumrennen? Sondern wie die Projektwerkstatt gesagt hatte, auch einmal andere Aktionen vornehmen.

Ich denke das Konzept BlackBlock und Blockaden sind beide ausgedient. Wir müssen uns was anderes überlegen.
Es muss einfach wieder mehr Kleingruppen geben...


Und mal eine Frage am Rande: Seit wann gibt es fast nurnoch Hippie, Peacefull Aktionen gegen Naziaufmaersche?!(Dresden 2011 einmal Ausgenommen)
Was ist mit der guten, alten Militanz geworden? Wo sind heutzutage die Sportgruppen?
ich erinere mich noch an Demos, wo die Faschos einfach dadurch nicht laufen konnten (oder nur kurze Teilstrecken), da es zu viel Riots gab. und damit das Gefährdungspotentiall einfach viel zu Groß war.

Bezeichnet mich als Macker und Krawallkid, oder was auch immer. Wenn ihr euch dadurch besser fühlt.
Aber es ist aus meiner sicht einfach Fakt, das Friedliche Aktionen gegen naziaufmärsche nichts, aber auch rein garnichts bringen.....

fürher ankommen

hosi 19.07.2011 - 12:26
Ja, früher fahren schön und gut, nutzt nur auch nix, wenn viele Bullen in Friedberg stehen, euch ausm Zug holen und ein ganzes Abteil dicht machen und die 2 Nazis die da sind, zu den "normalen" Leuten ins Abteil stecken und euch auf den nächsten Zug verweisen, der im Inet bekannt gegeben wurde und so schön von den Bullen empfangen wurde. naja

wer spricht von Erfolg?

nazifrei statt bunt 19.07.2011 - 15:32
nochmal: das bündnis giessen bleibt nazifrei hat den tag an keiner stelle als erfolg gewertet. wenn von erfolg gesprochen wurde, dann im zusammenhang mit der mobilisierung. weil es waren viele leute in giessen. für die größe der stadt sehr viele und dass war sehr erfreulich. deshalb geht ein grosser dank an alle raus die da waren. ob aus giessen, marburg, frankfurt, dresden, kassel, darmstadt, siegen, bremen, jena, friedberg und wo auch immer. das viele gekommen sind, tat sehr gut. umso schlimmer wie der tag verlaufen ist.
weiter gilt: das bündnis hatte einen plan, den aufmarsch zu verhindern. dabei wurde niemand gezwungen daran zu partizipieren. alle hätten früher kommen können, durch die lahn schwimmen können, böschungen erklimmen können oder sonstwie selbstständig agieren können. wahrscheinlich wäre es gar nicht schlecht gewesen, wenn es viele kreative aktionen gegegeben hätte, vielleicht hätten sich in deren schatten dann kundgebungen zu blockaden entwickeln können.
so bleibt ein schlechter tag. allerdings, und dass hat nichts mit rumheulen zutun, gibt es viele faktoren, die zum scheitern das konzepts geführt haben. das bündnis wird sich dazu sicher noch ausführlicher äußern, als in der pm.
auch bleibt: naziaufmärsche müssen verhindert werden, in giessen und überall!

Rückblick Gießen

DUDI 20.07.2011 - 16:55


“Mehrere tausend Menschen haben in Gießen in den zwei Bündnissen „Gießen bleibt Nazifrei“ und „Gießen bleibt bunt“ friedlich gegen die NPD demonstriert. Die Relation zu den Neonazis zeigt deutlich die relative Schwäche der hessischen NPD. Denn 120 Neonazis, davon etwa die Hälfte nicht aus Hessen kommend, stellen einen absoluten Reinfall für die sog. bundesweite Großdemonstration der NPD dar. Wir freuen uns, dass so viele Menschen gegen den neonazistischen Wahnsinn auf die Straßen gegangen sind und sich in den verschiedenen Aktionsformen wiederfinden konnten.
Wir als Antifaschistische Bildungsinitiative e.V. konnten mit unserem Stand hunderte Menschen erreichen, viele interessante Gespräche führen und neue Mitglieder gewinnen. Wir sind glücklich, dass etwa 200 Menschen aus der Wetterau gegen die NPD demonstriert haben und dem Aufruf des Wetterauer Bündnis zur Teilnahme an den Gegenprotesten gefolgt sind. Die Pluralität der DemokratInnen ist ihre Stärke und spiegelt auch den Zustand eines demokratischen Systems wieder.
In Gießen wurde jedoch ein hoher Preis bezahlt, denn mit dem Aufmarsch der NPD wurden die Grundrechte der demokratischen GegnerInnen massiv beschnitten. Die Verstöße der Neonazis gegen die polizeilichen Auflagen, das skandieren menschenverachtender Parolen und das offene Tragen von Hakenkreuzen wurde nicht geahndet. Im Gegensatz zu ihren demokratischen GegnerInnen konnten die NPD-Anhänger ihren Kundgebungsort ungestört erreichen. Somit wurde das Demonstrationsrecht der Neonazis durch die Polizei höher bewertet als das Demonstrationsrecht ihrer vielen demokratischen GegnerInnen, darunter auch den Jugendverbänden der verschiedenen demokratischen Parteien. Es ist ein vernichtendes Signal an diese, wenn Sie schlechter gestellt werden als offen antidemokratisch auftretende Neonazis. Somit haben die Neonazis einen inhaltlichen Teilerfolg erzielt, denn an diesem Tag wurde auch ein weiteres Stück Demokratie abgebaut. Nun ist es wichtig, dass sich in Zukunft mehr Menschen demokratisch und antifaschistisch organisieren um gegen einen weiteren Abbau von demokratischen Grundrechten zu demonstrieren. Eine Demokratie stirbt am Mangel an DemokratInnen und deshalb sind solche negativen Erfahrungen gerade ein Grund sich weiter zu engagieren.
Es ist politisch schizophren, dass mit dem Argument einer Demonstration von Neonazis die demokratischen Grundrechte ihrer GegnerInnen abgebaut werden und die demokratische Gesellschaft somit über ihre Exekutive ihre wichtigste Grundlage - die Menschen, die sich für Demokratie engagieren – bekämpft und vielleicht auch verliert. Und es ist absolut inakzeptabel, dass Einzelpersonen eines Bündnisses gegen Nazis die friedlichen Aktionen des anderen Bündnisses delegitimieren und sabotieren. Denn die Spaltung der DemokratInnen ist der zweite inhaltliche Erfolg für die Neonazis.”

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