(B) NS-Täter: Kundgebungsverbot angedroht!

AG Reggio-Emilia 14.07.2011 20:23 Themen: Antifa Blogwire Kultur Militarismus Repression
Die Versammlungsbehörde der Berliner Polizei drohte am heutigen Donnerstag mit einem weiträumigen Flächenverbot für die angemeldete Kundgebung anlässlich der Verurteilung des Reinickendorfer NS-Kriegsverbrechers Helmut O. Sein Anwalt fordert darüber hinaus ein völliges Verbot der Kundgebung. Die AG Reggio-Emilia kritisiert die reaktionäre Politik der Berliner Polizei, die eine Aufklärung der AnwohnerInnen bewusst verhindert und ruft weiterhin zu Protesten so nah wie möglich am Wohnhaus von Helmut O. auf.
Mit der Begründung des Schutzes der Privatsphäre des in einem öffentlichen Verfahren verurteilten NS-Kriegsverbrechers Helmut O. verlangte die Versammlungsbehörde der Berliner Polizei heute die Verlegung der in Reinickendorf angemeldeten Kundgebung „Keine Ruhe für NS-Kriegsverbrecher!“. Ursprünglich war sie an der Kreuzung Becherweg/ Lübener Weg - in der unmittelbaren Nähe seines Wohnhauses - angemeldet. Nun wird die Kundgebung erzwungenermaßen an der Ecke Lindauer Allee/ Klenzepfad stattfinden, außerhalb des Wohngebietes. Die Kundgebung verliert damit gänzlich den Bezug zur Nachbarschaft des Verurteilten. Ein wichtiges Ziel der Proteste ist die Aufklärung der AnwohnerInnen.

Der ehemalige Hauptmann und Kommandant der Flak-Batterie der Wehrmachtsdivision „Hermann Göring“ Helmut O. muss trotz der rechtskräftigen Verurteilung seine Haftstrafe nicht antreten, da der deutsche Staat ihn nicht ausliefert: Deutschland weigert sich bis heute, NS-Kriegsverbrecher ohne ihr Einverständnis auszuliefern. Die wenigsten NS-Täter wurden für ihre Taten bestraft. In Deutschland wird man nicht gerne daran erinnert, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus von Deutschen begangen wurden. Daher leben die Täter weiterhin ungestört in unserer Nachbarschaft - einer von ihnen eben auch in Berlin-Reinickendorf.

Das nun dargebotene Schauspiel deutscher Tradition fügt sich in eine Kontinuität ein, welche in Westdeutschland bereits in den 50er Jahren etliche hochrangige Nazis wieder in Posten brachte, um Polizei und Geheimdienst der BRD aufzubauen. Bis heute wird in Deutschland nur halbherzig gegen deutsche Nazis und NS-Kriegsverbrecher vorgegangen und wie nun mal wieder deutlich wird, ist sich die deutsche Polizei selbst im Jahr 2011 nicht zu schade, die Privatsphäre eines öffentlich verurteilten NS-Kriegsverbrechers über eine öffentliche Aufklärung der BewohnerInnen zu stellen. Nicht nur dass die Berliner Polizei einen verurteilten NS-Massenmörder aufgrund der Politik der Bundesregierung nicht festnehmen muss und ausliefert, sondern darüber hinaus - in scheinbar vorauseilendem preußischen Gehorsam - die von der AG Reggio-Emilia kritisierte Ruhe durchsetzt, damit er seinen Lebensabend ohne von Protesten gestört zu werden genießen kann, muss als politische Entscheidung gewertet werden. Mit dem angedrohten Verbot hat die Berliner Polizei das Ziel einer Aufklärung der Nachbarschaft erfolgreich vereitelt. Zu Kompromissen war sie nicht bereit. Außerdem hat sich nach Informationen der Versammlungsbehörde nun auch der Anwalt des NS-Kriegsverbrechers Helmut O. eingeschaltet. Er verlangt ein völliges Verbot der Kundgebung.

Das Militärgericht Verona hat am 06. Juli neben sechs weiteren Deutschen den ehemaligen Hauptmann und Kommandant der Flak-Batterie der Wehrmachtsdivision „Hermann Göring“ Helmut O. zu lebenslanger Haft verurteilt. Er war an mindestens drei Massakern im Frühjahr 1944 in Norditalien beteiligt, bei denen mehr als 350 ZivilistInnen ermordet wurden – darunter zu einem großen Teil Alte, Frauen und Kinder. Der Reinickendorfer war der Angeklagte mit dem höchsten Dienstgrad.

Der Prozess in Verona war voraussichtlich einer der letzten NS-Prozesse dieser Größenordnung. Insgesamt wurden sieben Deutsche zu lebenslanger Haft verurteilt, zwei wurden freigesprochen. Der Reinickendorfer Helmut O. war der Angeklagte mit dem höchsten Dienstgrad. Im gleichen Verfahren wurde die Bundesrepublik als Gesamtschuldnerin zu mehreren Millionen Schadensersatz an hunderte Angehörige der Opfer, norditalienische Provinzen und lokale Gemeindeverwaltungen verurteilt.

„Wir fordern die Auslieferung der NS-Kriegsverbrecher und die sofortige Zahlung der Schadensersatzansprüche durch die deutsche Regierung. Die juristische Strafverfolgung der NS-Täter und die Anerkennung der von der Wehrmacht begangenen Kriegsverbrechen sind zwingende Voraussetzung, wenn Deutschland seine nationalsozialistische Vergangenheit als aufgearbeitet betrachtet sehen will. Wie die aktuelle Verbotsandrohung allerdings zeigt, sind wir davon noch weit entfernt!“, so Rolf Kleiber für die AG Reggio-Emilia.

Die AG Reggio-Emilia ruft weiterhin zu einer Kundgebung in der Nähe des Wohnhauses von Helmut O. auf, fordert seine Auslieferung und kritisiert außerdem die reaktionäre Politik der Berliner Polizei aufs Schärfste.

Info:

KUNDGEBUNG „Keine Ruhe für NS-Kriegsverbrecher!“
am Sa, 16. Juli um 12 Uhr Lindauer Allee / Klenzepfad

Presse:

 http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F07%2F13%2Fa0165&cHash=3a153a28fa
 http://www.tagesspiegel.de/berlin/ns-taeter-lebt-in-reinickendorf-/4383080.html
 http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/515848/
 http://qs.spiegel.de/video/video-1137656.html

Der Urteilsspruch online:

 http://issuu.com/kobayashi/docs/cervarolo_dispositivo_sentenza_verona_winkler/23
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Ergänzungen

Warum klagt ihr nicht

Smitty 15.07.2011 - 02:34
Die Chancen stehen gut. Ihr gewinnt immer. Entweder ihr könnt die Kundgebung in der Nähe seines Hauses machen (denke schon dass das drin ist) oder aber ein deutsches Gericht verbietet das. Dann kann zumindest die italienische Presse das schön verwursten und das Ansehen Deutschlands im Ausland ist wieder beschädigt. So nach dem Motto: Verurteilter NS-Täter darf nicht mal 30 Minuten gestört werden. (Zumal er sowieso nichts hören würde). Ich frage mich eigentlich, warum Nazis immer so alt werden. Die verrecken doch alle im hohen Alter. Naja, hoffentlich sind die letzten Jahre eine wirkliche Qual. Verdient haben es die Schweine allemal.

Ihr braucht theoretisch nicht mal einen eigenen Anwalt und so ne einstweilige Verfügung (oder ist es in diesem Fall eine einstweilige Anorndnung?) kostet so um die 100€, wenn es daneben geht. Wenn ihr gewinnt zahlt ihr nix.

Zum Nazitrottel hier in den Kommentaren:
Amerikaner, Engländer, Russen, Franzosen haben Geiseln genommen und erschossen? Nee, das verwechselst du mit deinen Naziträumen. Das ist KEINE Realität. Ich meine, da lebt wahrscheinlich auch noch der Führer. Das ist ein Indiz dafür, dass du träumst! Achte mal drauf, wenn das wieder passiert.

Kommentare von Rechtsaussen

oliberlin 15.07.2011 - 03:39
Könnte eventuell mal ein Moderator die Kommentare von diesem reaktionären Crétin entfernen? Da bekommt man ja Augenkrebs vom Lesen, sowohl inhaltlich als auch von der Rechtschreibung und Grammatik.

Für alle anderen wäre vielleicht noch die Anreise interessant: Mit der U-Bahn Linie U8 (Wittenau - Hermannstraße) bis zum Bahnhof Paracelsusbad, dort Richtung Roedernallee / Humboldstraße aussteigen - vom Bahnhof ist es dann nur noch ein Steinwurf bis zur Ecke Lindauer Allee / Humboldtstraße / Klenzepfad.

Kartenlink:  http://bit.ly/qOtoKX

@strasser

donna tella 15.07.2011 - 11:35
Es geht nicht um Geiselnahmen, es geht um kaltblütige Erschießungen. Du kennst offenbar den Fall nicht, um den es hier geht. Helmut Odenwald hat in der Fallschirm-Panzerdivision Hermann Göring in Norditalien Zivilist*innen umgebracht. Auch das damaligen Kriegsrecht unterscheidet zwischen Kombattant*innen und Nichtkombattant*innen. 7-jährige Jungs, schwangere Frauen gehören wohl kaum dazu. Das Militärgericht von Verona hat eben genau diese Rechtsquellen (nämlich das Kriegsvölkerrecht), die du hier in Anschlag bringen willst, für sein Urteil als Grundlage genommen.

Und deine restlichen Anmerkungen, 1. wie schlimm doch Krieg ganz allgemein ist 2. was für achso grausame Kriegserlebnisse dieser Wehrmachtshauptmann hatte 3. welche Spiralen der Grausamkeit sich darin entwickelt haben 4. dass der Mensch darin angeblich in animalische Affekte zurückfalle, 5. dass Wehrmachtssoldaten bei Befehlsverweigerung erschossen worden wären, entschuldigen diesen Nazischlächter für gar nichts, interessieren bei der Bewertung des Falls überhaupt nicht, werden aber mindestens schon seit 1945 in der Debatte um die Rehabilitierung und Reintegration von NS-Kriegsverbrechern in die Gesellschaft schamlos vorgetragen. Mit irgendeinem abstrakten "Grauen des Krieges" kann man jedes Kriegsverbrechen moralisch und rechtlich entlasten. Ein Gemeinwesen hätte dann überhaupt keine Instrumente mehr, um sie sanktionieren.

Zu deinem Mythos des Sandkasten-Opas. Selbstverständlich wäre mein eigener Opa die längste Zeit mein eigener Opa, wenn herauskäme, dass er Frauen und Kinder auf dem Gewissen hat und aus purer Mordlust abgeknallt hat. Selbstverständlich würde ich dann Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit er die gerechte Strafe dafür erhält.

Und wer hat eigentlich behauptet, dass ich stalinistische Greueltaten und Erschießungen von Deserteuren nicht auch verabscheue? Dein Hinweis hat nur hier nichts zu suchen, weil wenn wir beginnen, Nazi-Verbrechen nicht mehr nach einem universalen Wertemaßstab (die Menschenwürde, "Du sollst nicht töten", die Gleichwertigkeit allen menschlichen Lebens usw.) zu verurteilen, sondern danach, wie schlimm diese NS-Kriegsverbrechen denn im Vergleich zu anderen Verbrechen waren und anfangen Opferzahlen gegeneinander aufzurechnen, verlieren wir uns in einen ziemlich fatalen Geschichtsrevisionismus und moralischer Beliebigkeit.

odenwald in d vor gericht bringen

dank den partisanen 16.07.2011 - 01:18
hi leute,

ich kenne mich mit der rechtslage nicht aus, inwieweit es juristisch möglich und realistisch ist, seine auslieferung durch öffentlichen druck zu bewirken.

aber wie wärs mit einer demo/kampagne vor zuständigen gerichten/staatsanwaltschaften/zentralstellen für die verfolgung von ns-verbrechen, damit der fall in der brd nochmal aufgerollt oder zumindest die akten aus italien übermittelt/ angefordert werden und sich nicht alles auf die auslieferung fokussiert.

der eigentliche skandal ist doch, dass das schwein bislang von den hießigen behörden so glimpflich angefasst wurde.
in den knast wandert der mit seinen 91 lenzen eh nicht mehr, irgendnen grund finden seine anwälte da schon, aber die unwilligkeit/unfähigkeit der brd-justiz, die verbrechen der ns-mörderbande zu ahnden, ließe sich mit einer solchen kampagne nochmal deutlich herausstellen. und dazu pressemitteilungen rausgeben etc, damit die sache im gespräch bleibt. vielleicht lassen sich auch über genoss_innen konktakte nach italien herstellen und auf die weise einfluss nehmen wegen der prozessakten etc. oder interviews mit angehörigen führen.

nur mal so als anregung.

und an die nazifressen hier von wegen 'lasst den alten gütigen opa in ruhe': wenn der nazi-scherge wegen des demo-geschreis nen herzkasper kriegt und elendig krepiert, wars die demo allemal wert, kapiert?

seine leute haben damals eiskalt abgedrückt und hunderte massakriert und er hat dafür keinerlei ungemach erleiden müssen, musste nicht einem einzigen hinterbliebenen in die augen blicken. der alte sack verdient keinen ruhigen lebensabend.

und eins am rande, an den kommentar, der von entführung nach italien faselt, oh mann, bevor du sowas planst, setz dich lieber mit aktiven faschos und deren strukturen auseinander, die stellen eine bedrohung dar gegenüber nichtweißen, linken, obdachlosen etc, der alte nazischerge zum glück nicht mehr.

antifaschistische grüße

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 6 Kommentare

AUSLIEFERN

shimon 14.07.2011 - 23:15
Die (mutmaßlichen) NS-Täter sollte man nach Israel ausliefern. Dort werden sie nach rechtstaatlichen Maßgaben verurteilt (oder, wenn sie unschuldig sind natürlich freigesprochen).

Was würde eigentlich

... 15.07.2011 - 00:15
... bei einer Entführung nach Italien passieren?

Du träumst ...

Smitty 15.07.2011 - 08:57
Aha, und weil irgendjemand auf nem Board seine Träume aufschreibt werden sie war? Soll dass deine Argumentation sein? Sorry, aber das hat einfach keinen "Karakter".

Wie gesagt, du musst lernen zwischen Traumwelt und Realität zu unterscheiden. Wenn Eva Braun, Leni Riefenstahl oder Hermann Göring dir schmutzige Sachen ins Ohr flüstern aber morgens nicht mehr in deinem Bett sind, bist du im Reich der Fantasie!


war=wahr

Smitty 15.07.2011 - 09:38
siehe oben.

Nazi-Links

donna tella 15.07.2011 - 11:41
Der Kommentar von Strasser (15.07.2011 - 03:34) enthält Nazi Links auf geschichtsrevisionistischen Content der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (SWG).
Könnten die Moderator*innen den Dreck bitte rausnehmen, es ist unerträglich.

ADRESSE!!!!!

jemand 16.07.2011 - 19:22
Schreibt doch seine Adresse hier!
Mann könnte doch mall zum klatschen vorbeikomen.