Hamburg: Reaktionäre vs. Reaktionäre

Montgomery Burns 10.07.2011 00:27 Themen: Antifa Antirassismus
Zu einem großen Auflauf von Spinnern unterschiedlicher Couleur kam es am Samstagabend in Hamburg. Der radikal-islamische Prediger Pierre Vogel hatte zu einer Kundgebung aufgerufen, was wiederum die rechtsreaktionäre Partei „Die Freiheit“ zu einer Gegenkundgebung motivierte. Einige Linke stellten sich dem Gesamt-Irrsinn entgegen.
Dass es im 21. Jahrhundert für junge Menschen eine wichtige Frage ist, welcher Gott denn nun der Richtige, welcher Prophet zu welcher Zeit nun sein Wort verkündet habe und was denn nun genau der Wille dieses Gottes sei, ist nicht gerade ein Beweis für eine geglückte allumfassende Aufklärung. In dieser Hinsicht muss wohl noch einiges getan werden. Für rund 800 Leute (die Veranstalter sprechen von 1500) waren heute diese Fragen jedenfalls von großer Relevanz und so fanden sie sich beim radikal-islamischen Prediger Pierre Vogel am Hamburger Dammtorbahnhof ein. Ungefähr 50 Anhänger der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ versuchten währenddessen ihre Demagogik zu vertreten und etwa ebenso viele Menschen sprachen sich währenddessen gegen die Intoleranz von beiden Seiten aus.

Der Islam-Konvertit mit dem passenden Namen Pierre Vogel ( http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Vogel) war bereits gestern von der Presse reißerisch als „Hassprediger“ angekündigt worden. Vogel bezeichnete sich selbst als islamischer Fundamentalist. Er lobte die Selbstversklavung der Menschen vor Gott. Es würden sich ja ohnehin alle Menschen gegenüber irgendetwas versklaven. Gott aber habe ja schließlich die Welt erschaffen, weshalb es am besten sei, ihm gegenüber ein Sklave zu sein. Und Männer und Frauen seien ja nun mal unterschiedlich, weswegen für sie auch unterschiedliche Gebote gelten würden. Einem Mann sei es nicht erlaubt vier Frauen zu haben, es sei denn er könne gerecht für sie sorgen. Es sei aber unmöglich, dass eine Frau gerecht für vier Männer sorgen könne. Soweit seine unbestechliche Logik. Und die Frauen sollten doch bitte Kopftücher tragen, während Männer doch bitte einen Bart tragen sollten. Und, ja, er sei ja so froh, dass seine Frau keinen Bart tragen müsse. Derartige Witzchen tauchten in seiner Predigt immer wieder auf.

Vogel war es per Auflage verboten, direkt oder indirekt Osama Bin Laden und die Al Kaida zu thematisieren. Dadurch sah er sich außer Stande etwas zu den Krisenherden im Nahen und Mittleren Osten zu sagen. Er konnte sich allerdings nicht verkneifen zu erwähnen, dass auf der arabischen Halbinsel mittlerweile Häuser gebaut würden, die höher als das World Trade Center seien. Was natürlich wiederum als Gottesbeweis herhalten musste. Ganz im Stil evangelikaler Priester rief er die Menschen, die den Islam annehmen wollten zum öffentlichen Bekenntnis auf die Bühne. Sieben Neumitglieder bekam die Umma an diesem Tag. Im Publikum fanden sich überwiegend Mitglieder der migrantischen Community und verstreut auch diverse Gegner, rechtspopulistischer, offen faschistischer, christlicher, humanistischer, atheistisch-hedonistischer und sonstiger Gesinnung, die mal laut mal leise ihren Unmunt kundtaten.

Die Partei „Die Freiheit“ stand einige Meter weiter weg unter der Dag-Hammarskjöld-Brücke und rief vor allem ihren Parteinamen „Freiheit!“. Nach eigenen Aussagen sieht die Partei sich als national-liberal an, beruft sich auf Gustav Stresemann und fordert hauptsächlich mehr Plebiszite. Sowohl das durch Deutschland- und andere Nationalfahnen geprägte Erscheinungsbild der Kundgebung, wie auch ihre Flyer („Für eine Begrenzung der Zuwanderung, Gegen Kuschel-Justiz“) deuteten aber eher auf eine nationale statt liberale Ausrichtung hin.
Die Linksjugend.['solid] Altona/St. Pauli / SAV hatte derweil zu einer Kundgebung gegen Salafisten(*) und Rassisten aufgerufen. Sie stellten sich unmittelbar vor die Zusammenrottung der „Freiheit“ und konfrontierten sie mit der durchaus passenden Parole „Kein Gott – Kein Staat – Kein Vaterland!“. Daraufhin beschimpften sich beide Gruppen mit „Nazis raus!“.

Nach drei Stunden hatte Vogel seine Predigt beendet. Die meisten der linken und rechten Gegner waren zu dieser Zeit schon nicht mehr am Ort. Zumindest zeitweise hatte einige „antideutsche“ Aktivisten offenbar kein Problem damit, sich gemeinsam mit Leuten von der „Freiheit“ hinter einer Israel-Fahne zu postieren. Trotz der relativ aufgeheizten Stimmung kam es zu keinen Zwischenfällen oder physischer Gewalt, lediglich die Bereitschaftspolizei meinte zum Schluss noch eine sehr rabiate Personalienfeststellung bei einem mutmaßlichen Antifa durchführen zu müssen.

Ein passendes Abschlussstatement überlässt der Autor der Band Terrorgruppe:  http://www.youtube.com/watch?v=QFd-lioE2Qg

*: Unter Salafiyya oder Salafismus (arabisch ‏السلفية‎ as-salafiyya) versteht man diejenigen Strömungen des Islams, die sich an der Zeit der Altvorderen (arab. Salaf ‚Vorfahren‘) orientieren.

Bürgerliche Presse:

 http://www.mopo.de/hamburg/panorama/1100-feiern-hassprediger-vogel-am-dammtor/-/5067140/8652400/-/

 http://www.abendblatt.de/hamburg/article1952224/Hassprediger-Vogel-mobilisiert-1100-Menschen-am-Dammtor.html
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Ergänzungen

in Frankfurt...

antif 10.07.2011 - 11:16
... gab's das Schauspiel im April:

 http://de.indymedia.org/2011/04/305375.shtml

Weiteres Foto + noch mehr Presse

Monty 10.07.2011 - 15:34

Wiedersprüche platthauen wollen....

Wertkritischer Klassenkämpfer 10.07.2011 - 23:08
Was soll man als Linker machen wenn auf der einen Seite religiöse Fundamentalisten ( Salafisten) und auf der anderen Seite die Rechtspopulisten von der Partei „die Freiheit“ (die auch gerne mal mit Israelfahnen auftreten) sich gegenüberstehen?? Sicherlich sicht nicht auf eine der Seite stellen, sondern gegen Islamismus UND antimuslimischen Rassismus protestieren!!!

Das heißt weder Religionen im allgemeinen (Christentum, Hinduismus, Judentum usw.), noch ‚den Islam’ zu verteidigen, aber gleichzeitig auf einen rassistischen Diskurs (Sarrazins, Konservative, rechtspopulistische Parteien, Bahamas-Fraktion, Faschisten usw.) aufmerksam machen, der sich zurzeit verstärkt gegen Muslime oder Menschen, die als solche wahrgenommen werden richtet aufmerksam zumachen.

Und zu verstehen, dass antimuslimischer Rassismus und Islamismus zwei Seiten eines rassistischen Diskurses sind: „Sowohl die rassistische als auch die islamistische Argumentation bedienen sich der gleichen Mechanismen und argumentieren auf der gleichen Basis. Ihre Konstruktion „des Islam“ ist die gleiche und verhindert eine selbstbestimmte Entwicklung, gerade weil sie gegenwärtige Phänomene als unabhängige zu begründen versucht.“ (Quelle:  http://tinyurl.com/63kuvf8 )
Islamisten und rassistische Rechtspopulisten argumentieren ähnlich, nämlich tendenziell rassistisch. Sie gehen von "dem Islam" aus, und vernachlässigen den historischen und sozialen Kontext und die Machtverhältnisse der derzeitigen Gesellschaften.

Was bei dieser Auseinadersetzung gaaaaarnicht hilft, ist diese dumme inner-linke Sektendiskussion von Anti-D’s und Anti-Imps die sich gegenseitig als Nazis beschimpfen, und in der es weder um Rassismus und Antisemitismus geht!!!


Gegen Nationalisten und religiöse Spinner!!
Nationale > Kulturelle > Religiöse > Kollektive kippen

Für den libertären Kommunismus


PS: Gute Texte zum Thema:

- Seminar-Reader zum Wochenendseminar „Erscheinungsformen, Kritik und Analyse des antimuslimischen Rassismus“  http://wochenendseminar.blogsport.de/images/seminarreader_01.pdf

- Guter Text von Ums-Ganze gegen den anti islamisierungskongress in Köln
 http://umsganze.de/media/UG/Aufruf_Koeln_2008.pdf

Aus der linksliberalen Presse

Monty 11.07.2011 - 08:55

Rechte_Terrorist_innen_ÜBERall_im_ganzen_Land

Mohamad Kelicy 11.07.2011 - 09:22
...ohne Worte

Wofür steht die "Freiheit"?

das kleingedruckte lesen 11.07.2011 - 15:24
Hier zwei lesenswerte Artikel zur sogenannten "Freiheit"

www.netz-gegen-nazis.de/artikel/die-freiheit-2415

www.apabiz.de/publikation/broschueren/Rechtspop_final_Ansicht.pdf

Personalienfeststellung

Scheiß Hamburg 11.07.2011 - 15:41
Zum Thema Personalienfeststellung: Ein Arschloch von der "Freiheit" ist direkt zu den Leuten mit dem Transparent "Rassismus ist keine Freiheit" gegangen und hat die angepöbelt. Daraufhin kam es zu einem verbalen Schlagabtausch, worauf das Arschloch von der "Freiheit" zu den Bullen ging und eine Anzeige wegen "Beleidigung" erstattete. Die Bullenschweine sind dem dann dankbar nachgegangen(s.o.).

Das die "Antideutschen" Spinner auch da waren, war nur das "Sahnehäubchen".

Diskriminierung auf den Müllhaufen, egal ob rassistisch oder "kulturalistisch".

Pressemitteilung der Linksjugend ['solid] HH

MB 13.07.2011 - 00:02
Sie nennen es „Freiheit“ – Wir nennen es Rassismus!

Protest gegen die Kundgebung der Partei „Die Freiheit“ am 9.07.2011

Am 9.07.2011 protestierte die Linksjugend [’solid] gemeinsam mit anderen linken und antirassistischen Gruppen am Stephansplatz unter dem Motto „Kein Raum für Rechtspopulisten – weder in Hamburg noch sonst irgendwo!“. Anlass gab eine u.a. von der Partei „Die Freiheit“ und Pax Europa organisierte Kundgebung mit dem Titel „Hamburg gegen Islamismus“, die sich gegen eine Veranstaltung des Salafisten Pierre Vogel richtete. Während Mitglieder der „Freiheit“ sich als freiheitsliebende Demokraten inszenierten, machten etwa 50 Linke durch Flugblätter, Redebeiträge und Transparente mit Slogans wie „Rassismus ist keine Freiheit“ auf den politischen Hintergrund dieser Partei aufmerksam.

Die „Freiheit“ ist eine rechtspopulistische Partei, die mit ihren Positionen in der BRD nicht allein dasteht. In der Mitte der Gesellschaft bildet sich eine neue rechte Strömung, zu der u.a. auch die Bürgerbewegung „ProKöln“ und das Nachrichtennetzwerk „Politically Incorrect“ gehören. Zu ihrem ideologischen Kern zählen antimuslimischer Rassismus und Nationalismus ebenso, wie christlich-jüdischer Fundamentalismus, die Instrumentalisierung der Antisemitismuskritik und die instrumentelle Bezugnahme auf emanzipatorische Errungenschaften wie „Frauenrechte“.

Die „Freiheit“ gibt ihre politischen Thesen als rationale Erkenntnisse und „Islamkritik“ aus – sie propagiert jedoch eine neue kulturelle Form des Rassismus, der vor allem auf Muslime und den Islam abzielt. Sie identifizieren diese fälschlich als Kollektiv mit Attributen wie Gewalt, Frauenunterdrückung und Rückständigkeit, während die „Freiheit“ selbst vorgibt, einen emanzipatorischen Anspruch zu haben. Auch wenn sie sich auf diese Weise von Neonazis oder klassischen rechten Parteien abgrenzt, ist sie keineswegs weniger gefährlich. Im Gegenteil.

„Kulturrassismus ist heutzutage populär und als Ideologie viel wirkmächtiger als „rassische“ Zuschreibungen“, argumentiert Christin Bernhold, Pressesprecherin der Linksjugend [’solid] Hamburg. „Die „Freiheit“ leugnet, rassistisch zu sein. Doch man braucht keine Menschenrassen, um Ausgrenzung zu produzieren – auch wenn Grenzen anhand der Kultur oder Religion gezogen werden, ist das Rassismus.“

Die Funktionen, die diese Form von Rassismus in der kapitalistischen Gesellschaft erfüllt, liegen auf der Hand. „Erstens werden soziale Probleme kulturalisiert, die Widersprüche der Klassengesellschaft und ihre Folgen – Armut und Hunger, Ausbeutung und Krieg – werden verschleiert und berechtigter Unmut der Bevölkerung wird gegen Muslime als Sündenbock kanalisiert“, so Bernhold. „Zweitens suggeriert das Feindbild „Islam“ eine ständige Bedrohung inner- und außerhalb der BRD. So wird die Zustimmung zur „Sicherheitsarchitektur“ im permanenten Ausnahmezustand und zur neoimperialistischen Kriegspolitik organisiert.“

Linksjugend [’solid] sympathisiert nicht mit Salafisten, gegen die die „Freiheit“ demonstriert hat.

Aber dass sich die Neue Rechte und christliche Fundamentalisten als Freiheitskämpfer aufspielen und unter dem Deckmantel der Religionskritik antimuslimische Hetze betreiben, können wir nicht hinnehmen. „Wir wollen eine Gesellschaft ohne Gewalt, Armut, Unterdrückung und Ausbeutung für alle Menschen. Die „Freiheit“ steht diesem Ziel entgegen.“

 http://www.linksjugend-solid-hamburg.de/

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war einfach nur eklig — Hamburg

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Hmm — W. Seelenbinder

@ Dr. Gonzo — du Spassvogel

Solidjugend — veganschmecktbesser