Bln: Hintergrund zur "Pro"-Blockade in XBerg

°-° 04.07.2011 02:52 Themen: Antifa Antirassismus
"Wenn wir jetzt aufgeben, kommen wir nirgendwo mehr rein!" Lars Seidensticker, Pro-Deutschland Landesvorsitzender von Berlin. Am 30. Juni haben knapp 500 entschlossene AntifaschistInnen eine Veranstaltung von Pro-Deutschland im Rathaus Kreuzberg (Yorckstraße) durch Blockaden verhindert. Es fragt sich warum eigentlich in Schöneberg (17. Juli 2010), Neukölln (29. Oktober 2010), Steglitz-Zehlendorf (4. März 2011) und zuletzt in Charlottenburg (16. Juni 2011) die verantwortlichen Bezirksämter weder von ihrem Hausrecht gebrauch gemacht, noch den Klageweg ausgeschöpft haben.
Viele Organisationen hatten bereits am frühen Nachmittag Stände in den Gängen des Gebäudes aufgebaut und die Aufgänge zum Bürgersaal besetzt. Rund um das Rathaus versammelten sich mehrere hundert Menschen. Eine gemeinsame Kundgebung des Bündnis Rechtspopulismus Stoppen ( http://rechtspopulismusstoppen.blogsport.de/) und der Initiative Gegen Rechts Friedrichshain ( http://initiative-gegen-rechts.de), die vor dem Rathaus stattfinden sollte, wurde von der Polizei im Vorfeld untersagt bzw. verlegt. Erst das faktische Erscheinen hunderter DemonstrantInnen setzte das Demonstrationsrecht unter der Schirmherrschaft des Bürgermeisters (der Vorplatz des Rathauses gehört zu seinem Hoheitsgebiet) durch.
Am frühen Abend versuchte die Polizei schließlich, ein Dutzend AnhängerInnen von Pro Deutschland (u.a. Manfred Rouhs und Lars Seidensticker) durch die Menge zu prügeln, was aber nicht gelang. Es gab mindestens vier Festnahmen und einige Verletzte. Schließlich ließ die Polizei von ihrem Vorhaben ab, weil sich eine große Anzahl von ParlamentarierInnen in der blockierenden Menge befanden. Die gewaltätige Räumung wurde aber auch deshalb unterlassen, weil dies Pro-Deutschland auch nur bis zur Tür gebracht hätte. Im Rathaus selbst waren weitere GegendemonstrantInnen, die die Treppen blockiert hielten. Auch lehnte der Bürgermeister als Hausherr den Polizeieinsatz innerhalb des Gebäudes ab und verwies auf eigene Secruity-Leute. Manfred Roughs bot an die BlockiererInnen selbst wegzuräumen wenn weder Polizei noch Secruity helfen würde. Daraufhin bekamen die Pro Deutschland Funktionäre Platzverweise ausgesprochen und wurden aus dem Bereich eskortiert. Weitere 20 AnhängerInnen wurden am Mehringdamm von der Polizei nicht durchgelassen und mussten ebenso wieder abziehen. Die Kundgebung vor dem Rathaus dauerte noch bis 22 Uhr. Pro-Deutschland schäumt vor Wut und kündigte an sich weitere Termine im Rathaus zu erstreiten.

Hintergrund:
Eigentlich wollte Pro-Deutschland schon am 7. April 2011 im Rathaus Kreuzberg tagen, um den Bezirksverband der Partei zu gründen. Der Raum war aber durch andere Organisationen und Fraktionen für Monate im Voraus ausgebucht. Ihren Kreisverband gründeten sie deshalb in einer Kneipe am 10. Mai mit dem Vorsitzenden Peter Blank (Republikaner) und kündigten für den 17. Juni eine Kundgebung gegen das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg an. Denn dieses untersagte der Partei außerdem auch Informationsstände im öffentlichen Straßenland.
Pro-Deutschland strengte parallel das Verwaltungsgericht an, um als Partei das Recht im Rathaus zu tagen, einzufordern (wie schon 2010 beim Rathaus Schöneberg). Die Klage war am 16. Mai vor dem Kammergericht teilweise erfolgreich: Das Bezirksamt hatte Pro-Deutschland zeitnah Räumlichkeiten für eine Veranstaltung zur Verfügung zu stellen. Auch in der Sache Informationsstände wurde das Bezirksamt Anfang Juni verpflichtet Standgenehmigungen für fünf Orte (Landsberger/Petersburger am SEZ, Frankfurter Allee/ Ringcenter an der Sparkasse, Mehringdamm/ Gneisenaustraße an der Commerzbank, Koppenstraße an der Galeria Kaufhof Ostbahnhof und Eckertstraße am Reicheltmarkt jeden Tag 8-18 Uhr) zu erteilen. Hierzu gab es sogar eine stundenlange Begehung der Örtlichkeiten mit Pro-Deutschland, dem Verwaltungsrichter und dem Bezirksamt. Seit dem 13. Juni führen sie deshalb an den genannten Orten regelmäßig Infostände durch, um Unterschriften für den Wahlantritt zu sammeln. Die Kundgebung am 17. Juni am Frankfurter Tor ( http://de.indymedia.org/2011/06/310423.shtml), war in dem Zusammenhang größtmöglicher, aber verspäteter Wahlkampfauftakt der Partei in dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, während in anderen Bezirken die Kreisverbandsgründungen und Infostände schon lange durch waren.
An dem verwaltungsrechtlichen Geplänkel in Friedrichshain-Kreuzberg zeigt sich, dass es sehr wohl einen Unterschied macht ob das Bezirksamt auch als politischer Akteur auftritt und seine Hausaufgaben macht. Die Blockadehaltung kann zumindest nicht allein auf die Profilierungspose des "einzigen grünen Bezirksbürgermeisters" reduziert werden. Auch die Stadträte und die gesamte Bezirksverordnetenversammlung standen hinter dem Konzept. Der Saal wurde schon eine Woche vorher mit Transparenten und Plakaten geschmückt um es Pro-Deutschland so unangenehm wie möglich zu machen.
Schon Ende März lud Bezirksbürgermeister Schulz alle möglichen Organisationen, Vereine, Sozialverbände, Parteien, Bürgerinitiativen und Kulturtreibene ins Rathaus ein, um Ideen gegen die drohenden Pro-Deutschland Propagandashow auszutauschen. Gemeinsam wurde zu einem "Offenen Rathaus" unter dem Motto "Für einen interkulturelles und vielfältiges Friedrichshain-Kreuzberg" mobilisiert. Der Bezirk möge sich mit Ständen und Protesten so vielfältig darstellen, wie er ist. Die Initiative Gegen Rechts und das Bündnis "Rechtspopulismus Stoppen" wollten vor dem Rathaus parteiunabhänig demonstrieren und mobilisierten mit eigenem Aufruf "Ein Wahlrecht für alle", der praktischen Anti-Rassismus in Form von Mitbestimmungsrechten für MigrantInnen einforderte.
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Ergänzungen

Klageweg wurde in Schöneberg ausgeschöpft

Tausend Nadelstiche 04.07.2011 - 12:18
"Es fragt sich warum eigentlich in Schöneberg (17. Juli 2010), Neukölln (29. Oktober 2010), Steglitz-Zehlendorf (4. März 2011) und zuletzt in Charlottenburg (16. Juni 2011) die verantwortlichen Bezirksämter weder von ihrem Hausrecht gebrauch gemacht, noch den Klageweg ausgeschöpft haben."

Wieso der Ruf nach staatsautoritären Lösungen für das Problem mit rechtspopulistisch gebärenden Naziidioten? Mehrere Stunden antifaschistischer Ausnahmezustand um den Tagungsort, für den mobilisiert und auf dem über Personenstrukturen, Ausrichtung und Nazikontakte/ -Vergangenheiten von rechtspopulistischen Parteien aufgeklärt werden, bekämpfen das Problem viel nachhaltiger, man bildet sich für die Zukunft, stärkt die Bewegung und kommt mal mit Freunden an die Luft. Dann werden alle Zufahrtsstraßen und Eingänge blockeirt. Wieviel Vertrauen habt Ihr denn in die SPD/CDU-Kommunalverbände?
Der Tagungssaal im Rathaus Schöneberg war im übrigen von der herrschenden Justiz für Pro Deutschland freigemacht worden, eben genau, nachdem das Bezirksamt seine Hausordnung gegen ProDeutschland in Stellung bringen wollte (Oberverwaltungsgericht-Entscheidung Aktenzeichen OVG 3 S 40.10, Pressemitteilung des OVG (ACHTUNG Staats-Website!):  http://bit.ly/j3uPZo, Mitteilung auf rechtspopulismus-stoppen.de vom 29. Juni 2010:  http://bit.ly/k0FxC4, Siehe auch Tagesspiegel vom 3.6.2010 "Rechte dürfen ins Rathaus Schöneberg":  http://bit.ly/bzEHHz, taz vom 17. Juli 2010, in dem auch Gereon Asmuth nach einem "starken Staat" gegen Rechtspopulisten rief:  http://bit.ly/lBAYTf)

Video

Nichtarbeit 04.07.2011 - 16:40
Demo gegen den Pro-deutschlandauftritt im Rathaus Kreuzberg vom30.6.2011  http://www.youtube.com/watch?v=ZTpBvM8finw

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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