Sachsen: Catch me if you can

addn.me 29.06.2011 12:30 Themen: Antifa Blogwire Freiräume Repression
Wie der Grünen-Politiker Johannes Lichdi berichtet, hat die Polizei am 19. scheinbar auch so genannte IMSI-Catcher eingesetzt um damit offenbar auch Telefongespräche abzuhören. In den kommenden beiden Tagen wird sich der Landtag mit den Vorfällen beschäftigen, dabei werden sich die beiden verantwortlichen Minister Markus Ulbig (CDU) und Jürgen Martens (FDP) den Fragen der sächsischen Parlamentsabgeordneten stellen müssen.
Die Polizei hat am 19. Februar offenbar nicht nur wie bisher zugegeben, die Telekommunikationsdaten zehntausender Menschen gespeichert, sondern scheinbar auch teilweise Gespräche mitgeschnitten. Das geht aus einer Pressemitteilung des Grünen Landtagsabgeordneten Johannes Lichdi hervor. Da weder Landespolizeipräsident Bernd Merbitz noch Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) die Meldung in einer Sondersitzung von Innen- und Rechtsausschuss dementieren wollten, steht für den rechtspolitischen Sprecher der Grünen fest, "dass die Funkzellenabfrage die Spitze des Eisbergs ist und nur zugegeben wird, was bereits in die Öffentlichkeit gedrungen ist".

So soll die Sächsische Polizei über so genannte IMSI-Catcher verfügen, die nicht nur in der Lage sind, den Standort eines Mobiltelefons innerhalb einer Funkzelle zu bestimmen, sondern auch das Mithören von Handygesprächen ermöglichen. Dazu simuliert das Gerät eine Mobilfunkstation, so dass sich alle Handies in einem gewissen Umkreis bei dieser Funkzelle einloggen anstatt die Mobilfunkstationen der Telekommunikationsanbieter zu nutzen. Nach taz-Recherchen hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz und die beiden Geheimdienste des Bundes nach den Anschlägen vom 11. September die Befugnis für den Einsatz solcher Geräte zur Terrorbekämpfung bekommen. Bis 2009 hätten die Geheimdienste des Bundes insgesamt 81 mal einen IMSI-Catcher eingesetzt. Für eine Genehmigung der Maßnahme benötigt die Polizei entweder die Zustimmung durch die G-10-Kommission des Bundestags - bzw. bei den Länderverfassungsschutzämtern der entsprechenden Landtagskommission.

Die Grünen haben noch einmal die Dresdner Bevölkerung aufgerufen, von ihrem Auskunftsrecht Gebrauch zu machen und sich dazu mit einem Musterschreiben an Polizei und Staatsanwaltschaft zu wenden. Offiziell begründet die Polizei die in die Kritik geratene Maßnahme der flächendeckenden Funkzellenauswertung mit Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch. Stattdessen waren die so gewonnenen Ermittlungsergebnisse in mindestens 45 Fällen von der Polizei auch an die Staatsanwaltschaft wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz weitergegeben worden.

Am Montag hatte Innenminister Markus Ulbig auf die Vorwürfe reagiert und den für die Überwachungsmaßnahmen verantwortlichen Dresdner Polizeipräsidenten Dieter Hanitsch nach sechsjähriger Amtszeit in die Landespolizeidirektion Zentrale Dienste versetzt. Als Grund für die Abberufung nannte Ulbig jedoch nicht das unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei, sondern nur die Tatsache, dass die Regierung nicht über das volle Ausmaß der Überwachung informiert worden sei. Die Opposition sprach daraufhin von einem Bauernopfer. Vor der heute stattfindenden Landtagsdebatte forderte der Landesvorsitzende der sächsischen Jusos Tino Bucksch den Innenminister auf, das Parlament und die Öffentlichkeit umfassend und vollständig über die Vorgänge in seinem Ministerium zu informieren.
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Ergänzungen

den Bock zum Gärtner

... 29.06.2011 - 13:25
Diese 'Abberufung' ist ein Vollwitz. Harnisch wird damit an eine Stelle vesetzt, mensch könnte fast auch sagen befördert, auf welcher er sich nicht mehr für lästige Großeinsätze verantworten muss, sondern für die Beschaffung der hier illegal eingesetzten Technik verantwortlich sein wird. Das ist einfach ein schlechter Witz.

Auskunftsanfrage

Blockierer 30.06.2011 - 13:15
Eigentlich sollte das jedem klar sein, aber nur für alle Fälle:

Wenn ihr eine Auskunft anfordert, müsst ihr alle relevanten Daten angeben, ebenso eure Handynummer und in dem Moment kann man eurem Datensatz einen Namen zuordnen.

Also wenn ihr bei Aktionen mitgemacht habt, die aus polizeilicher Sicht irgendwie fragwürdig sein könnten, stellt keine Anfrage!!!

Diese Anfrage hat vor allem den Zweck zu belegen, dass nachweislich unbeteiligte Personen zu Unrecht überwacht wurden und ebenso die Rechte von Anwälten, Ärzten und Journalisten beschnitten wurde, um so das ganze Ausmaß der Unrechtmäßigkeit sichtbar zu machen. Es geht nicht darum, der sächsischen Staatsanwaltschaft das Fax zu sprengen!

Hat er oder hat er nicht?

Antifa 01.07.2011 - 01:29
Nach dem Dementi gestern musste Markus Ulbig (CDU) heute zugeben, dass am 19. Februar doch Telefone abgehört worden sind. Er sei nur nicht über die Ermittlungen der Dresdner Staatsanwaltschaft informiert gewesen, denn er lasse sich "generell nicht über laufende Ermittlungsverfahren informieren" so der Innenminister vor den Abgeordneten des Sächsischen Landtags. Demnach seien am 19. Februar zwei Telefonanschlüsse mit richterlichem Beschluss abgehört und SMS mitgelesen worden. Die Aktion diente den Ermittlungen gegen mutmaßliche Linke wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im April folgten mehrere Hausdurchsuchungen in Sachsen und Brandenburg. Den insgesamt 17 beschuldigten Personen wirft die Dresdner Staatsanwaltschaft die "Bildung krimineller Vereinigungen" vor.

Lustiger Aspekt am Rande. Für sein "Engagement bei der lokalen Demokratiegestaltung", erhielt Markus Ulbig vor zwei Jahren gemeinsam mit der Pirnaer "Aktion Zivilcourage" die Theodor-Heuss-Medaille. Damit erklärt sich auch die positive Berichterstattung der Gruppe gegenüber der Salamitaktik von Schirmherr Ulbig im Fall der flächendeckenden Telefonüberwachung am 19. Februar in Dresden.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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@blockierer

nn 30.06.2011 - 21:26
Was für ein Schwachsinn, wenn die Polizei meint, Du Dein Bewegungsprofil sei wegen der Handydaten verdächtig, dann fragen sie eh beim Provider nach Deiner Nummer. Also entweder halten Sie Dich auf Grund der Computeranalyse verdächtig (was nix mit der Realität zu tun haben muss, Computer sind doof) oder nicht. Ein neutrales Auskunftsersuchen ändert da nix dran.

ich und mein fake

simsalabim 03.07.2011 - 19:15
ich würde ja auch dings beantragen, aber meine sim-karte ist beim betreiber mit einem gefakten datensatz angemeldet. das ist eine empfehlung zur nachnutzung, solange das noch geht.