Berlin: 1500 Menschen gegen Naziangriffe

Antifa Berlin 28.06.2011 23:29 Themen: Antifa
Mehrere hundert Menschen haben sich heute am Heinrichplatz in Berlin-Kreuzberg zu einer kurzfristig mobilisierten antifaschistischen Protestdemonstration eingefunden. Anlass für die Demonstration war eine Serie von faschistischer Brandanschläge gegen linke Wohn-, Info-, und Kulturprojekte in der Nacht vom 26 auf den 27.Juni 2011. Zum Teil versuchten die Brandstifter dabei sogar Wohnhäuser in Brand zu stecken, nahmen also den Tod von Menschen billigend in kauf. Am Tommy-Weisbecker-Haus (Kreuzberg) gingen zwei davor geparkte Autos in Flammen auf, beim Haus- und Kulturprojekt Kastanie 85 (Prenzlberg), dem Bandito Rosso (Mitte) und dem antifaschistischen Infoladen Red Stuff (Kreuzberg) scheiterte der Versuch, die jeweiligen Läden anzuzünden glücklicherweise. Ein Kinder- und Jugendzentrum der „Sozialistischen Jugend Deutschlands – die Falken“ in Rudow brannte dagegen in weiten Teilen aus. Als erste Reaktion auf die Naziangriffe, die nur der vorläufige Höhepunkt einer Reihe von Angriffen gegen antifaschistische und linke Strukturen in der Haupstadt darstellt, mobilisierten antifaschistische Gruppen kurzfristig zu der Demonstrationen vom Heinrichplatz um Tommy-Weissbecker-Haus in Kreuzberg. Weiter Aktionen in den „Homezones“ der Nazis wurden angekündigt.
In Redebeiträgen wurde das Verhalten der Polizei, Medien und der bürgerlichen Parteien angesichts der Serie von Naziangriffen scharf kritisiert. Diese stellen die Ereignisse der letzten Tage als eine eskalierenden Gewaltspirale zwischen Links- und Rechtsextremisten dar, bei dem beide Seiten gleichermaßen „verachtenswert“ seien. Besonders hervorgetan hat sich einmal wieder der Berliner Innensenator Eckhardt Körting der in der heutigen Haupstadtpresse zu den aktuellen Angriffen äusserte das es sich bei Links- und Rechtsextremer um das „gleiche dummes Volk“ handele. Er entpolitisiere damit einen Konflikt und verharmlose faschistische Gewalt warfen ihm deshalb Verterter antifaschistischer Gruppen vor. Besonders entsetzt zeigten sie sich jedoch darüber das auch Vertreter von der Linkspartei und den Grünen angesichts von Brandanschlägen auf Linke nichts besseres wüssten als sich von „linker“ Gewalt zu distanzieren. Den die Anschläge der Nazis auf Wohnhäuser werden als Reaktion darauf dargestellt, das einige NPD-Politiker am Wochenende von beherzten Antifas verprügelt worden sind. Der Unterschied zwischen einen blauen Auge und einen Brennenden Wohnhaus ist jedoch eine komplizierte Sache mit denen Politiker demokratischer Parteien interlektuell hoffnungslos überfordert sind. Ein Vertreter der Kreuzberger Linkspartei hielt dem entgegen sich nicht in „gewaltätige“ und „friedliche“ Antifaschisten spalten zu lassen und solidarisierte sich mit allen die – mit verschiedenen Mitteln – gegen Faschismus altiv seinen. Ähnlich äusserten sich auch anwesende Vertreter der Ver.di-Jugend und des VVN-BdA. In einem weiteren Redebeitrag wurde auf den zusammenhang zwischen kapitalistischer Vergesselschaftung und faschistischer Krisenoptionen hingewiesen. In diesem Kontext wurde auf die aktuellen Ereignisse in Griechenland eingegangen, wo faschistische Gruppen versuchen die gesellschaftliche Verunsicherung zu nutzen um Progromstimmung gegen Migranten und Linke zu schüren. Das beste Mittel gegen faschistische Bestrebungen seien jedoch keine demokratischen Toleranzinitiativen sondern ein linke fortschrittliche Bewegung die auf antifaschistischer und antikapitalistischer Grundlage gegen die herrschende Gesellschafsordnung, die immer auch den Keim des Faschismus in sich trägt, kämpft. In diesem Zusammenhang wurde sich mit dem heutigen Generalstreik in Griechenland und den morgigen Massenprotesten gegen die Verabschiedung des Sparpaketes solidarisiert und ein internationaler Kampf für eine Welt gefordert, in der alle Menschen ihren Platz haben und Rassismus und Kapitalismus überwunden sind. Für etwas Irritation sorgte die Berliner Polizei, die sich spontan die Auflage ausdachte das stinknormale Kapuzen als Vermummung anzusehen seien und wollte deshalb die Demonstration nicht losziehen lassen. Nach einigen Minuten legte sich dann deren übertriebener Ordnungsdrang und der Demonstration machte sich mit Parolen und guter Musik auf den Weg Richtung Tommy-Weissbecker-Haus. Unterwegs schlossen sich spontan hunderte Menschen dem Umzug an, so das dieser schnell auf über 1500 Menschen anschwoll. Durch die Adalberstrasse ging es über das Kottbusser Tor die Skalitzer Strasse entlang Richtung Tommy-Haus. In kurzen Redebeiträgen, die sich mit Musik und lauten Parolen abwechselten, wurde immer wieder auf den Anlass des Protestumzuges hingewiesen. Kurz vor dem Abschlussort, ging es noch an der durch Polizeieinheiten gut gesicherten SPD-Zentrale vorbei, wo diese nochmal für ihre Duldung des biologistisch-rassistischen Hasspredigers Thilo Sarrazin in ihren Reihen und die Äusserungen ihren durchgeknallten Innensentors Körting zu der „Gewaltspirale“ zwischen linken und rechten „Idioten“ (verbal) angegriffen wurde. Vor dem Tommy-Haus wurde die Demonstration von den Bewohnern mit Fahnen und Transparenten begrüsst, es gab das unbestätigte Gerücht das die Polizei vor der Demonstration das Tommy-Haus gestürmt und Transparente entwendet haben soll. Nach einem Redebeitrag des VVN-BdA wurde auf folgende Proteste z.b. am 30.6. gegen Pro-Deutschland vor dem Bezirksamt Kreuzberg, am 8.Juli gegen die Nazikneipe „Henker“ in Schöneweide und am 16.Juli in Gedenken an den von der Polizei in Genua ermordeten Globalisierungskritiker Carlo Guilani hingewiesen und weitere Aktionen gegen Schmidtke und Friends dieses Sommer angekündigt.

Fotos: http://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157627071422498/
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Ergänzungen

Springer-Presse stellt sich auf Nazi-Seite

X 28.06.2011 - 23:58
Die Springer Presse (BZ, Welt usw) schreibt auch über die Anschläge, nennt aber zuerst "linksextremistische Gewalt" und stellt sämtliche linke Politik auf dieselbe Stufe wie Morde und Mordversuche durch Nazis. Springer wie man Springer kennt.

rechtsextreme journalisten

beobachter 28.06.2011 - 23:58
achtung!: auf der heutigen Soli-Demo in kreuzberg für die opfer der faschistischen anschlaege der letzten tage in berlin war auch ein mitarbeiter der rechtsextremen jungen freiheit der vor seiner entdeckung zahlreiche fotos der antifaschist_innen vor ort machen konnte.

nach energischen aufforderungen durch demonstrationsteilnehmer_innen die demo zu verlassen hat er dann schnell das feld geraeumt und ist mit unterstuetzung der polizist_innen abgehauen. bei dem typen handelt es sich wohl um den hier: bild 1:  http://www.jungefreiheit.de/uploads/pics/Volo-Blog.jpg bild 2:  http://www.jungefreiheit.de/uploads/pics/Hoffgaard_01.jpg hat jetzt kuerzere haare und einen ungepflegten bart.

also künftig drauf achten und der faschistischen presse keinen fußbreit des oeffentlichen raums ueberlassen und energisch und aktiv entgegentreten.

sogar deutlich mehr als 1500

heyel 29.06.2011 - 00:42
ich würde sagen, dass es deutlich mehr als 1500 waren. demo war gut, aber das alte problem: in kreuzberg. natürlich waren auch betroffene objekte in xberg und im eigenen kiez ist demonstrative raumproduktion auch immer eine gute sache. aber weh tut es den nazis erst, wenn wir dahin gehen, wo sie sind. das passiert hoffentlich lautstark und eindrucksvoll am 9.juli bei der antifa-demo in schöneweide.

und in xberg und anderswo gilt: antifaschistischen selbstschutz und nachtwachen organisieren, die "mutigen zündlern" (brennendes papier zum türankokeln, yeah) mal die ohren langziehen.

danke an die organisator_innen, war gut.

.

. 29.06.2011 - 08:02
Ich fand's ziemlich lahm. Das unmotivierte Rumstehen, als die Polizei uns wegen ein paar Kapuzen und Basecaps nicht loslaufen lassen wollte, war unnötig. Man hätte problemlos über die Mariannenstraße ausbrechen können.
Und dann eine Route die gesamte Skalitzer Straße herunter ist komplett idiotisch. Links fahren die Autos, darüber die U-Bahn und die Außenwirkung ist gleich Null. Dass dann auch die Parolen lahmer wurden, kann man niemand verübeln.

schwache und lahme Demo

Greece rise up 29.06.2011 - 09:51
die Demonstration war extrem schwach.
Nach solch einer Attacke durch Faschisten muß eine Demonstration wie diese ein klares Statement bringen in der öffentlichkeit.
Das Gegenteil war der Fall.
Die Route entlang der Skalitzer Straße war absolut sinnfrei, man lief durch menschenleere Gebiete und die Sprechchöre gingen im Ubahn und Straßenlärm komplett unter.
Anstatt durch die O-Straße weiter zu ziehen und mal dem Axel Springer Haus "hallo" zu sagen, die ja auch im Zusammenhang mit den Nazi-Übergriffen wieder schön gegen links gehetzt hat, ist man brav die Route abgelaufen und hat der Polizei nen entspannten Abend beschwert.
Wenn so die Wut von Menschen aussieht, die sich lautstark gegen Nazis artikulieren auf einer Demo, dann ist das ein Trauerspiel.
Als die Demo losging am Heinrichplatz, waren es ca. 500 Teilnehmer, nur mal so als Info am Rande....

Anzahl der Leute auf der Demo

rl 29.06.2011 - 10:14
Wir haben gezählt: es waren um die 2200 Leute, plus minus 50.
Soviel zur Statistik.

Mehr als 2000 Leute

rechso 29.06.2011 - 12:13
Wer sich die Demo mal vom Rande angeguckt hat, konnte gut sehen, dass locker 2000+ Leute auf der Demo waren. Deswegen sollte man das Spekulieren über Zahlen (bzw das bewusste Spammen und Infragestellen der Teilnehmer_innenzahl aus politischer Motivation) sein lassen und lieber über Nazis und Gegenwehr reden.

Ergänzung

Name 29.06.2011 - 15:20
Es war eine gute Demo. Aber weil wir immer noch besser werden können, hier noch einige Anmerkungen.

Wie oben schon erwähnt wurde, war die Route nicht besonders glücklich gewählt. Wenn sich jemand überlegt hätte, wie wir am besten vom Heinrichplatz zum Tommyhaus kommen und dabei möglichst wenig Menschen über die Nazianschläge und unsere Wut informieren können, hätte er kaum eine bessere Route gefunden als diejenige, die gestern gewählt wurde (vom Kotti zum Tommy-Haus über die Skalitzer, ohne ein einziges Mal davon abzuweichen. Dabei hätte es diverse gute Alternativen gegeben, natürlich vorneweg die Möglichkeit, vom Kotti über den O-Platz und dann die Oranienstraße runter zu gehen, mit direktem Kontakt nicht nur zum Springer-Haus, sondern auch zu Mietshäusern mit rassistischer Hausverwaltung, der taz, Friedrichsstraße usw.).

Wie aus ALB/ ARAB-Kreisen gewohnt, war die Moderation wieder einmal unterirdisch schlecht. Während der Auftaktkundgebung wurde mindestens zwei Dutzend mal wörtlich wiederholt, dass wir jetzt "entschlossen und kraftvoll" zum Tommyhaus gehen würden. Warum nicht einfach mal entschlossen und kraftvoll sein, anstatt das, vor der Demo, als Moderation ununterbrochen zu behaupten?

Während der Demo war der Lauti dann bemüht, aufkommende Sprechchöre so schnell wie möglich durch das Abspielen sinnfreier Musik wieder abzuwürgen. Haben die OrganisatorInnen noch nicht begriffen, dass das nervt? Oder ist das notwendig, um die angestrebte Dominanz gewisser großer Polit-Gruppen über die Demo auch hör- und fühlbar zu machen?

Besonders ätzend wurde es dann am Schluss. Die Moderation verabschiedete sich mit den Worten: "Es ist toll, dass sich so viele Menschen haben mobilisieren lassen, heute gegen Nazigewalt auf die Straße zu gehen." Hallo ALB/ ARAB: Begreift ihr den Unterschied zwischen den Sätzen "Es ist toll, dass wir heute so viele waren, die gegen Nazigewalt auf die Straße gegangen sind" und "Es ist toll, dass sich so viele Menschen auf die Demo haben mobilisieren lassen"???

Ich und viele andere sind NICHT auf die Straße gegangen, weil uns ARAB oder ALB dazu "mobilisiert" haben, sondern weil wie die Schnauze von dieser Nazi-Kacke gewaltig voll haben! Und das ist ein Unterschied.

Aber, wie gesagt: insgesamt eine echt gute Demo (und das lag weder am Lauti noch an den OrganisatorInnen, sondern an uns allen, die wir da waren), bunt bis dunkelbunt, auf jeden Fall gemischt. Und Danke nochmal ans Tommy-Haus für die VoKü im Anschluß!

weitere Fotos: Demo gegen Nazianschläge

Umbruch Bildarchiv 30.06.2011 - 15:42

Ffm: Spontandemo wg. Brandanschlägen

antifa 30.06.2011 - 17:45
Als Reaktion auf die Nazi-Brandanschläge in Berlin wird es am Freitag den 01. Juli eine Spontandemo in Frankfurt geben. Treffpunkt 19.00 Uhr vorm KOZ auf dem Uni-Campus Bockenheim.
Kommt zahlreich!

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