[S21] Der Böller von Stuttgart und Berlin

teilnehmende beobachterin 24.06.2011 15:32 Themen: Medien Repression Soziale Kämpfe
Die Polizeienten über schwerverletzte Polizist_innen bei der Besetzunsaktion von S21-Gegner_innen hat einmal mehr die Notwendigkeit einer Analyse staatlicher Repressionsmaßnnahmen auf die Tagesordnung gesetzt.
Zu Wochenbeginn überschlugen sich die Meldungen in den Medien. Die Proteste gegen den Bahnhof Stuttgart 21 werden militant. Sogar von schwerverletzten Polizisten und Ermittlungen von einem Mordversuch wurde geredet. Die grün-rosa Landesregierung und auch einige Gruppen der Anti-S21-Bewegung distanzierten sich pflichtschuldig. Derweil nutzten die Parkschützer die moderne Technik und veröffentlichten unter  http://www.bei-abriss-aufstand.de/2011/06/24/medienberichte-24-6/ Videos und Fotos über die Ereignisse, die relativ schnell enthüllten.

Die Meldungen erwiesen sich im Wesentlichen als falsch, vor allem was die Gewalt gegen Personen betrifft. So konnte man auf einen Video die Enttarnung eines bewaffneten Zivilpolizisten sehen, der natürlich beschimpft und geschubst wurde, aber von schwerer Körperverletzung, geschweige denn von Mordversuch war nichts zu sehen. Der Mann war aufgefallen, wie er Mitdemonstrant_innen zu Sachbeschädigungen aufforderte. Das Erinnerung an ein ähnliches Ereignis bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, wo ebenfalls aus der Enttarnung eines Zivilbeamten, der andere zu militanten Aktionen aufgefordert hatte, eine Kampagne gegen die Aktivist_innen auslöste. Auch hier war von schwerer Körperverletzung die Rede. Überflüssig zu erwähnen, dass die Falschmeldung offiziell nie dementiert wurde, aber ganz schnell aus der Medienlandschaft verschwand. Von den Medien, die die Polizeimeldungen zunächst unhinterfragt übernommen hatten, kam kein Dementi und jetzt wurde von kaum einer Journalistin ein Zusammenhang gezogen.

Böllerschuss von Berlin und Stuttgart
Mit einer Ausnahme: Peter Nowak erinnerte in einen Telepolis-Beitrag ( http://www.heise.de/tp/blogs/8/150030) an eine Parallele bei dem von der Polizei gemeldeten Böller, der bei einem Polizisten trotz Helm einen Gehörsturz verursacht haben soll. Ungeschützte Demonstrant_innen erlitten keinen Schaden. In dem Telepolis-Bericht heißt es:

„ Der Vorfall erinnert an ein ähnliches Ereignis im Juni 2010, wo ein am Rande einer Demonstration der Sozialproteste explodierender Böller medial zunächst als ein gegen Polizisten gerichteter Sprengsatz dargestellt wurde.“

Nicht nur in den Medien auch unter den Aktivist_innen werden solche Parallelen zu wenig gezogen. Dabei sind die Vergleiche wichtig, um die Tendenzen der staatlichen Repressionspolitik besser einschätzen zu können und sie weder zu verharmlosen noch zu mystifizieren. Die Beispiele zeigen, dass es dringend nötig wäre, dass es bundesweite Antirepressionsstrukturen gibt, die eine solche Analyse vornehmen, die solche Fälle, die für kurze Zeit in den Medien und auch in der linken Diskussion auftauchen und schnell wieder verschwinden, sammelt. Das Internet leistet da ja eine gute Arbeit, aber es braucht eben Menschen und Strukturen, Zeit und vielleicht auch einige finanzielle Mittel, um diese Arbeit zu machen. Vielleicht geben solche Fälle wie die Polizeienten von Stuttgart das nötige Bewusstsein dazu.
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Ergänzungen

Das Video und die Demonstration

baal-re-mesh.com 24.06.2011 - 17:43
"Mit einer Ausnahme: Peter Nowak erinnerte in einen Telepolis-Beitrag (  http://www.heise.de/tp/blogs/8/150030) an eine Parallele bei dem von der Polizei gemeldeten Böller, der bei einem Polizisten trotz Helm einen Gehörsturz verursacht haben soll. Ungeschützte Demonstrant_innen erlitten keinen Schaden."

Dass damals in Berlin ungeschützte "Demonstrant_innen" keinen Schaden erlitten haben, stimmt nicht! Wenn Verletzte, die vorher demonstriert haben, nicht ihren Namen preisgeben wollen, deswegen z.B. nicht direkt ins Krankenhaus gehen oder sich vor Ort von einem Sanitätsdienst behandeln lassen, dann heisst das nicht, dass sie nicht durch den Böller verletzt wurden. Tatsächlich wurden mehrere "Demonstrant_innen" an den Beinen verletzt und/oder hatten danach ein Piepen im Ohr.

Das zu verschweigen, einfach die Augen davor zu verschliessen oder die Verletzungen noch wahrheitswidrig zu negieren, ist nicht militant.

Das LKA hat damals drei Personen festgenommen, ich glaube, laut Pressemitteilung, weil sie sich "verdächtig" am Tatort verhielten. Was immer auch "verdächtig" ist. Wegen des Vorfalls wurde ein Verfahren wegen "versuchten Mord" eingeleitet. Daneben hat das LKA damals einige ihnen bekannten Gesichter vorgeladen, die ihre Operativkräfte (PMS) auf der Demonstration gesehen haben wollen. Ich wurde z.B. auch vorgeladen.

Das Video mit dem "Zivi" am 20. Juni 2011 in Stuttgart zeigt ein Gerangel von zwei Personen. Was davor geschah ist nicht bekannt und auch nicht aufgenommen worden. In ihrer Pressemitteilung schreibt die Polizei von einer "Personenkontrolle". Jedenfalls wurde ein Gerangel gefilmt, bei dem beide Personen jeweils die andere nach unten drücken wollen - was jeweils an der Hand am Nacken des jeweiligen Gegners zu erkennen ist. Eine Person (mit schwarzer Lederjacke) gewinnt die Oberhand, wobei andere "Aufhören!" rufen. Mehrere Personen ziehen die beiden Kontrahenten auseinander und die Kamera filmt nur noch auf die Person mit der Lederjacke, welche von einer anderen Person abgedrungen wird. Dabei ist zu hören: "Nimm jetzt die Knarre weg!". Eine Schusswaffe ist jedoch nicht auf dem Video zu sehen. Es sind aber noch weitere Kommentare wie "Verpiss Dich!" und "Bullenschwein" von hörbar erregten Menschen zu hören.

Dann ist übergangslos zu sehen, wie der Mann mit der Lederjacke zügig eine Strasse entlang läuft und dann nach links in eine Menschenmenge geht. Dazu muss er einen umgeworfenen Zaun übersteigen. Dabei wird er nur von der Menschenmenge, die er sich nähert, angeschaut, jedoch rufen Stimmen wütend "Bullenschwein". Plötzlich lassen die Menschen, auf die die Kamera gerichtet ist, den Mann mit der Lederjacke nicht durch. Die Rufe hinter der Kamera werden aggressiver. Aus dem Hintergrund treten mehrere Personen auf die Person in der Lederjacke zu und umzingeln diese.

Die Kamera dreht dabei nach unten weg, in Slow Motion ist aber zu erkennen, dass eine Person über den umgestürzten Zaun auf die Person in der Lederjacke springt, dann aber zu Boden geht. (weisse Schuhe) Ein Mann mit einem Regenschirm versucht die Person mit der Lederjacke aus der Menschenmenge zu begleiten. Eine Person ruft: "Nehmt ihm die Knarre weg!". Später ist ein Kommentar zu hören, der lautet: "Der hat ne Knarre.".

Es erfolgt ein Filmschnitt, die Kamera hat die Position gewechselt, bei denen mindestens 4 Personen den Mann mit der Lederjacke von umstehenden Leuten abschirmen und z.T festhalten. Mehrfach ist "Lasst ihn durch!" von diesen Personen zu hören. Die Person mit der Lederjacke versucht dabei Griffe an seinene Jacke im Seitenbereich des Oberkörpers abzuwehren.

Es erfolgt ein weiterer Schnitt, wobei nun der Mann mit der schwarzen Lederjacke in einem Polizeiauto telefonierend zu sehen ist.

Quelle:  http://www.youtube.com/watch?v=mSXNeC-zQSM

Das Video wurde am 21.06.2011 vom Account "RadioUtopie" auf Youtube veröffentlicht und trägt die Überschrift "Stuttgart: Festnahme von Agent Provocateur der Polizei durch S21-Gegner".

In der Beschreibung des o.g. Links, ist auch die Historie der drei einzelnen Videos beschrieben und es wird zu einem Bericht verlinkt.

Bewertung:

Da es zu Straftaten und Gesetzesverstössen kam (der umgestossene Zaun ist sogar auf den Video zu sehen) braucht sich niemand zu wundern, dass die Polizei anwesend ist. Anscheinend gab es zuvor auch eine angemeldete Montagsdemonstration. Die anmeldenenen Personen stimmen dort dem Einsatz der infiltrierenden Beamten in ziviler Kleidung zu! Also sollten sich die jetzt betroffenen Leute an die anmeldenen Menschen wenden, warum diese für den Einsatz von "Zivis" die rechtliche Grundlage liefern. Die abströmenden Menschen, die später den Zaun übertraten, standen noch unter dem Versammlungsrecht der vorherigen Demonstration.

alles ist relativ

wum 24.06.2011 - 23:31
Ohne die polizei zu mögen:

"Es hat sich auf der Internetseite der Parkschützer auch ein Augenzeuge zu Wort gemeldet, der den Beginn der Schlägerei anders darstellt. Er gibt sich mit vollem Namen zu erkennen als derjenige, dessen Personalien von dem Zivilbeamten aufgenommen wurden. Er schreibt, er habe gelesen, "dass das Theater um den angeblich schwer verletzten Zivilen damit begann, dass dieser zusammen mit einem Kollegen einen Demonstranten wegen des Verdachts auf Sachbeschädigung überprüfte. Das ist richtig. Dieser Demonstrant war ich. Habe mit einem Kugelschreiber einen Reifen des Baulasters um ein wenig Luft erleichtert." Damit bestätigt er die Darstellung der Polizei, wonach die Schlägerei begann, als ein Mann kontrolliert wurde, der sich am Reifen eines Baufahrzeugs zu schaffen machte"

 http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.protest-gegen-stuttgart-21-eine-entschuldigung-und-viele-vermutungen.a83bb877-1129-4cb7-9bb0-8f27ca840fe6.html

macht die polizei zwar nicht sympatischer,
aber verschwörungstheorien sind ja auch nix,

und ansonsten schließe ich mit den worten von mathias von hermann
"Gewalt als Methode, um Interessen durchzusetzen, ist abzulehnen" :)

mal schauen wer hier die ironie bemerkt

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