Dokumentation zur bundesweiten Demo in WB

Support 19.06.2011 18:15 Themen: Antifa Antirassismus Freiräume
„lasst uns träumen, doch lasst sie uns lebenFür selbstorganisierte Freiräume, gegen rassistische Sondergesetze.Her mit dem schönen Leben
Zum 25.06.2011 Rufen mehrere Gruppen zu einer bundesweiten Demonstration nach Wittenberg auf.

Hier eine kurze Dokumentation der Aufrufe:

 

Flüchtlingsinitiative Möhlau

Die Flüchtlingsinitiative Möhlau/Wittenberg, die Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen, The Voice Wittenberg geben der zuständigen Behörde bekannt, dass Flüchtlinge, die im Landkreis Wittenberg leben müssen, nicht sterben gelassen werden dürfen ohne Perspektiven und nicht unterdrückt sein sollen und traumatisiert von den Mechanismen der Isolation und des Ausschlusses. Dies ist und war Praxis im Landkreis Wittenberg für viele Jahre und jetzt sagen wir: "Nein! Genug ist genug!" Hört auf, die Leben und Perspektiven unschuldiger Flüchtlinge zu zerstören!
Hört auf uns das Recht auf Existenz in dieser kapitalistischen Welt durch repressive Mechanismen wie z. B. die Residenzpflicht, Arbeitsverbot, Ausbildungsverbot, der Zwang in einem hochgradig isolierten Lager zu leben ausgeschlossen von der Gesellschaft, die Verwehrung des Zugangs zu Geld durch Gutscheine und Deportationsandrohungen die zum Tode von unschuldigen Flüchtlingen führen können, zu verweigern. Flüchtlingen wird das Recht auf freie Bewegung aberkannt durch die Residenzpflicht, vor allem, wenn Anträge auf Verlassenserlaubnis abgelehnt werden. Diese repressiven Mechanismen werden nicht nur bei neuen Flüchtlingen angewandt, sondern auch bei denen, die schon seit vielen Jahren in Deutschland leben von bis zu 10 Jahren und mehr.

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no lager halle

Zur Situation im Landkreis Wittenberg, wie sie sich ähnlich an vielen Orten abspielt:

Der Landkreis Wittenberg gehört zu den sehr ländlich geprägten Regionen Ostdeutschlands. Neben den "typischen" Problemen, wie Abwanderung und Arbeitslosigkeit, prägt eine mehrheitlich konservative und z.T. rechtspopulistische Weltsicht die politische Landschaft. Für Menschen, die sich für alternative und linke Politik engagieren und für die wenigen Menschen mit sogenannten Migrationshintergrund, die in Wittenberg leben, hat dies in vielerlei Hinsicht spürbare Auswirkungen.
So haben die politisch Verantwortlichen des Landkreises bisher sowohl die Forderung nach einem selbst verwalteten Freiraum ignoriert als auch jahrelang die menschenunwürdige Unterbringung von Asylsuchenden billigend in Kauf genommen. Struktureller, rassistisch und politisch motivierter Ausschluss gehört hier zum Alltag für all jene Menschen, die sich nicht in das weiße, bürgerliche Bild der Mehrheitsgesellschaft einfügen.

Weshalb eine Freiraum- und gleichzeitig Antirassismus-Demo in Wittenberg?

Am 14. August 2009 besetzten Menschen ein Haus in Wittenbergs Innenstadt, um ein Autonomes Zentrum zu gründen. Am 25. August verließen die BesetzerInnen es wieder, da es Zusagen von der Stadt für ein legalisiertes Ausweichobjekt gab. Ein solches Ausweichobjekt wurde im Oktober 2009 gefunden. Ein Nutzungsvertrag kam aber bisher aufgrund von langwierigen Verhandlungen mit der Stadt nicht zustande. Nachdem im März 2011 endgültig alle bisherigen Pläne für ein Freiraumprojekt an den Kosten für ein Brandschutzgutachten scheiterten - entschloss sich die Freiraumgruppe Wittenberg zu der Demo am 25.6.

Parallel dazu kämpfen seit nunmehr 3 Jahren die BewohnerInnen der sogenannten Sammelunterkunft für Asylsuchende des Landkreises für eine Schließung des bisherigen Lagers in Möhlau und für ein menschenwürdiges Leben und Wohnen. Nachdem die Entscheidung zur Schließung des Lagers vom Juni 2010 in einer Landkreissitzung im April 2011 zurückgenommen wurde, beschlossen wir gemeinsam gegen die Stadt und den Landkreis Wittenberg vorzugehen.

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Kampange Träume Leben

Seit dem Jahr 2004 kämpfen alternative und antifaschistische Menschen um ein selbstverwaltetes Zentrum in Wittenberg. Nach jahrelangen, ergebnislosen Verhandlungen mit der Stadt Wittenberg und dem Landkreis, wurde am 14. August 2009 das alte Gesundheitsamt in der Wallstraße 1 besetzt. Am 25. August endete jedoch der kurze, elftägige Traum von einem kollektiven, selbstbestimmten und solidarischen Zusammenleben.

Nach der Räumung der Wallstraße 1 zeigte sich die Stadt verhandlungsbereit.
Die von ihr angebotenen Objekte waren allerdings zum größtenteil ausgebrannt, verschimmelt und zu klein. Also war mensch wieder auf sich gestellt und begab sich im Wittenberger Immobiliendschungel auf die Suche nach einem neuen Haus.
Im Oktober 2009 konnte schließlich ein geeignetes Domizil gefunden werden. Nachdem mensch sich nun anderthalb Jahre von Behörde zu Behörde gequält, eigene Grundrisse angefertigt und Architektentermine hatte, Kostenkalkulationen erstellt wurden und ein Mietvertrag ausgehandelt werden konnte, kam im März 2011 die traurige Gewissheit das dass geforderte Brandschutzkonzept von der Stadt und dem Bauamt Wittenberg nicht finanzierbar ist.

Alles auf 0???
Für uns ist klar, dass der Kampf um selbstorganisierte Freiräume und unkommerzielle Kultur weitergeht.
In einer Stadt in der es keine Konzertmöglichkeiten gibt, kaum Proberäume, keine Treffpunkte die nicht damit verbunden sind Geld auszugeben und kein Platz zur freien Entfaltung, ist dieser Kampf bitter notwendig. Auf welchem Weg er in den nächsten Monaten und Jahren geführt wird, wird sich zeigen.
Während in dieser ach so toleranten Stadt Wittenberg Menschen mit geringem Einkommen an den Stadtrand gedrängt werden, weil die Innenstadt zu einer reinen Luxus- und Touristenmeile gemacht wird, beschäftigt sich die Politik damit, ein neues Einkaufszentrum zu bauen, den Bahnhof komplett zu sanieren und die Stadtkirche zu restaurieren, sodass alles sauber und ordentlich bis zum Lutherjahr 2017 aussieht.

ABER: Wo bleiben dann die Obdachlosen, die Erwerbslosen und die Menschen denen eh kaum Geld zum leben bleibt?
Wo bleiben die Träume von so vielen in dieser Stadt, die keinen Bock drauf haben jeden Abend in den selben Kneipen zu versauern?
Wo bleiben die Menschen, die nicht in das Bild passen wollen das diese Gesellschaft normal nennt?
Wir haben kein Problem mit Luxus, nur dann soll der Luxus auch allen zugänglich sein. Für Jede, Jeden und allen Alters.

Unsere Alternativen zur Stadtentwicklung heißen: praktische Solidarität, unkommerzielle Kneipen, Fahrrad- und Kreativwerkstätten, Küchen für alle, Infoläden, bezahlbarer Wohnraum, Bauwägenplätze, kostenlose Kinos, Konzerte, Selbsthilfe, gemeinsame Organisierung des Alltags, große freizugängliche Parkanlagen, riesige Spielplätze, freie Graffittiflächen und Räume in denen Menschen ihre Träume von einer anderen Welt und einem besseren Leben, leben können. Kollektiv und solidarisch.

Wir wollen mit dieser Demo zeigen, dass wir weiterhin keinen Platz zum Entfalten unserer Träume haben und dass der Kampf um alternative, selbstorganisierte Freiräume in Wittenberg weitergeht. Gleichzeitig wollen wir am 25.Juni unsere Wut über die katastrophalen Zustände im Abschiebelager Möhlau, indem Menschen seit 20 Jahren in völliger Isolation und unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen, zum Ausdruck bringen.
Für ein Leben ohne Abschiebeknäste und kommerzieller rassistischer Stadtpoltik.

Für selbstorganisierte Freiräume, gegen rassistische Sondergesetze.
Her mit dem schönen Leben!“

 

Doch was spielt sich aktuell in Wittenberg ab?

Sechs Jahre vor dem hiesigen und „herbeigesehnten“ Reformationstag welcher 2017 sein 500 jähriges Jubiläum hat und der bereits laufenden Lutherdekade, wird die historische Altstadt langsam auf Hochglanz gebracht. Der Antisemit Martin Luther steht ungebrochen auf Platz eins der lokalen Stadtpolitik sowie deren Interessen. Das aktuelle Stadtbild spiegelt genau diese Interessen wieder. Wo jetzt noch Spielplätze stehen, müssen diese bald für Sehenswürdigkeiten weichen, um Touristen zu bespaßen. Die Arbeiten sind seit dem Jahr 2009 in vollem Gange. Einstige Jugendtreffpunkte mussten nun schon für den Lutherwahn weichen, und Jugendliche, Erwerbslose und kleine Familienunternehmen werden immer mehr aus der Innenstadt vertrieben um Platz für teure Geschäfte und Touristen zu schaffen.

Wenn mensch vor Jahren durch die Wittenberger Innenstadt gelaufen ist, waren die Straßen geprägt von kleinen Geschäften die teilweise seit mehreren Generationen von Familien betrieben worden. Diese werden nun durch teure Boutiquen, Cafés und Luthershops ersetzt oder müssen nun den Weg frei machen für die Umbauarbeiten rundum das geplante Einkaufszentrum welches bis Ende des Jahres 2012 für 42 Mio. € auf dem Arsenalplatz enstehen soll. Die Mieten in der Innenstadt werden bis dahin in einer Art und Weise explodieren, dass sich Menschen mit geringerem Einkommen die schon schwer bezahlbaren Wohnungen in Innenstadtnähe nicht mehr leisten können. So garantiert die aktuelle Stadtpolitik, dass sich auch wirklich nur die sogenannte „Oberschicht“ ansiedelt. Daraus resultiert, dass kein Platz für Jugendliche und jungebliebene Menschen sowie unkommerzielle Kultur vorhanden ist, Proberäume Mangelwahre werden und Treffpunkte
sowie Konzertmöglichkeiten zunehmend von der Stadtpolitik plattgemacht wurden.

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Refugee Initiative Wittenberg

no lager halle

Träume Leben

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