Hamburg-Altona: Solidarität mit Müslin Sahin

anwohner 18.06.2011 14:26 Themen: Soziale Kämpfe
Was die Gegner der IKEA-Ansiedlung in Hamburg-Altona bereits vor zwei Jahren befürchtet hatten, tritt jetzt ein. Die Mieten im Stadtteil steigen rasant und u.a. kleine Läden werden Opfer des Verdrängungsprozesses. Besonders hart getroffen hat es den Imbiss-Besitzer Müslin Sahin, dem mit der fristlosen Kündigung seines Ladens (in den er noch vor kurzem 60.000 Euro investiert hatte) durch das Immobilienunternehmen Bruhn die Existenzgrundlage zerstört wurde. Am heutigen Sonnabend, den 18. Juni, gab es eine Solidaritätskundgebung für ihn vor seinem ehemaligen Laden in der Großen Bergstraße.
Müslin Sahin ist mittlerweile seit über einem Monat im Hungerstreik und befindet sich in einer zunehmend kritischeren Situation, da durch die Verweigerung der Nahrungsaufnahme akut die Gefahr besteht, dass seine Organe geschädigt werden. Anfang August 2010 war Sahin in den Laden eingezogen, sein Vertrag sollte eigentlich bis Ende 2013 laufen.

Doch angesichts der rapiden Aufwertung der Gegend im Zuge des IKEA-Neubaus inklusive explodierender Mieten stand sein Geschäft in der Neuen Großen Bergstraße 15 dem Immobilienunternehmen Bruhn offenbar im Wege. Der Bruhn-Unternehmensgruppe gehören mehrere Geschäfte in der Großen Bergstraße, der zentralen Einkaufsstraße in Altona (www.bruhn-unternehmensgruppe.de, Tel: 040-480 58-0). Mit dem Projektentwickler Herrn Tamm hat die Bruhn-Unternehmensgruppe einen eigenen Vertreter im Sanierungsbeirat S5 (Altona-Altstadt) sitzen.

Auf dem Grundstück von Sahins Imbiss ist der Neubau eines C&A-Geschäftes geplant. Mit einem Trick konnte Bruhn-Immobilien Sahin fristlos kündigen, indem die per Einzugsermächtigung erhobene Miete einfach nicht eingezogen wurde. In der juristischen Auseinandersetzung, die folgte, hatte Sahin insofern Pech, als er sich einen inkompetenten Anwalt nahm (der mittlerweile die Zulassung verloren hat) und vor Gericht aufgrund der Fehler des Anwalts verlor. Der Hungerstreik, in dem er sich seitdem befindet, ist Ausdruck der verzweifelten Situation, in die ihn das Immobilienunternehmen Bruhn (als einer der Träger des Aufwertungsprozesses) getrieben hat.

Aber nicht nur Sahin ist mittlerweile gekündigt worden - betroffen von den Folgen der kapitalistischen Umstrukturierung und "Aufwertung" der Gegend sind weitere Geschäfte, darunter auch ehemalige BefürworterInnen der IKEA-Ansiedlung wie das Sanitätshaus Funke und der Verein "Integrationshilfe". Mit Ausnahme der LINKEN haben die politischen Parteien (CDU, FDP, SPD, GAL) und die Verantwortlichen von Stadt und Bezirk den Umstrukturierungsprozess tatkräftig mit vorangetrieben. Die Stadtentwicklungsgesellschaft STEG spricht von einer positiven Entwicklung und bezeichnet Sahins Fall zynisch als "Einzelschicksal" (Taz, 31.5.2011). Der zuständige Sanierungsbeirat lehnte es ab, sich mit einem Schreiben an den Vermieter Bruhn zu wenden (Protokoll, 1.6.2011).

Um ein Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen von Aufwertung und Verdrängung zu setzen, organisierten Initiativen aus dem Hamburger "Recht auf Stadt"-Netzwerk (Avanti und die Altonaer Plattform gegen Verdrängung), gemeinsam mit dem engagierten neuen Anwalt und Freunden von Herrn Sahin für den 18. Juni eine Aktion vor seinem ehemaligen Laden.

Flugblätter und Postkarten wurden an PassantInnen verteilt, um über die aktuelle Situation aufzuklären und ihm Grußbotschaften zukommen zu lassen. Zahlreiche PressevertreterInnen (darunter türkische Zeitungen und Fernsehsender, die Mopo und Hinz & Kunzt) waren anwesend, um über den Fall zu berichten. Als zwei Häuser weiter zufällig der türkische Konsul vom Altonaer Bezirksamtschef Warmke-Rose im Rahmen des Straßenfestes "Altonale" begrüßt wurde, nutzten die AktivistInnen die Gelegenheit, um mit Plakaten ihr Anliegen deutlich zu machen.

Presseberichte zum Fall:
Mopo, 27.5.2011:  http://www.mopo.de/hamburg/panorama/hungerstreik---weil-ihm-sein-laden-gekuendigt-wurde/-/5067140/8498706/-/index.html
Taz, 31.5.2011:  http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ha&dig=2011%2F05%2F31%2Fa0190&cHash=ab509af1b4

Protokoll Sanierungsbeirat S5 Altona-Altstadt, 1.6.2011:
www.grosse-bergstrasse.de/dokumente/datei.php?nr=614
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