[Bln] Repression und Solidarität

LfA - MSuE 17.06.2011 12:33 Themen: Soziale Kämpfe
Am vergangenen Mittwoch fand in der kollektiv organisierten Kneipe „Tristeza“ im Neuköllner Reuterkiez die Auftaktveranstaltung zum diesjährigen Festival „Dein Block mein Kiez“ statt. Zu der Infoveranstaltung, die unter dem Motto „Solidarität statt Quartiersmanagment“ stand, kamen circa 50-60 Menschen. Nicht anwesend waren Vertreter_innen vom Verein Amaro Drom e.V., einer Initiative in Nord-Neukölln, die Sinti und Rroma bei ihrem alltäglichen Kampf mit institutionellem Rassismus sowie bei existenziellen Problemen unterstützt und so sowohl Sozial- als auch Kulturarbeit leistet. Die Absage kam, weil Amaro Drom von öffentlichen Geldern abhängig ist und es „sich nicht leisten“ kann bei einer Veranstaltung gegen rassistische Politik im Kiez und das Quartiersmanagment teilzunehmen. [1]
Mit dem Druck auf den Verein Amaro Drom, die seit Jahren erfolgreich im Kiez arbeiten und in diesem Jahr ein großes Straßenfest in der Boddinstraße organisierten, zeigt das Bezirksamt von Neukölln erneut, wie sie mit engagierten Initiativen umgeht, die sich erdreisten öffentlich über ihre (Sozial-) Arbeit im Kiez jenseits von „sozialer Kontrolle“ und repressiver Maßnahmen gegen Migrant_innen zu sprechen. Hierbei greifen der Überwachungsfetischist Buschkowsky und sein Kompagnon der Antiziganist Mengelkoch neben der Androhung des Entzuges von Fördermitteln auch auf rufschädigende Erklärungen und die Kriminalisierung renitenter Initiativen zurück. Dies bestätigte der ebenfalls bei der Veranstaltung anwesende Vertreter von Integra e.V. allein schon durch seine Anwesenheit und den (juristischen) Maulkorb, dem ihn das Bezirksamt verpaßt hatte.

Diese Art der „Öffentlichkeitsarbeit“ wurde schon im Strategiekonzept „TFO - Task Force Okerstraße“ angedeutet und setzt die jahrelange Intransparenz bei der Vergabe von Geldern an (soziale) Träger und bei den stadtteilpolitischen Akteuren im Kiez fort. Im Papier heißt es auf Seite 13, daß sich auf eine „gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit“ verständigt werden soll „um […] auszuschließen, dass der eine gegen den anderen in der Öffentlichkeit ausgespielt wird“. Gemeint ist, daß das öffentliche Auftreten von Bezirksamt, Jugendamt, Ordnungsamt, Wohnungsbaugesellschaften, Quartiersmanagmentern, der Polizei, den geförderten Initiativen usw. kontrolliert und abgesprochen stattfindet. Im Ergebnis findet eine transparente Beteiligung der Öffentlichkeit gar nicht statt.

Der Veranstaltung ging es auch darum diese Transparenz herzustellen und deshalb kann aufgrund des großen Interesses der Abend als Erfolg gewertet werden. Die Repression von Seiten der Politik und der Institutionen bestätigt leider viel zu eindrucksvoll die Notwendigkeit einer kritischen Begleitung der Entwicklung im Kiez.

Die wichtigsten Akteure im Kiez, deren Aktivitäten sensibel beobachtet werden sollten, sind das Bezirksamt selbst mit seinem Vertreter Arnold Mengelkoch, seines Zeichens vernetzter Vertreibungs- und Kriminalisierungsbeauftragter mit besonderem Fokus auf Sinti und Rroma, die Brandenburgische Stadterneuerungsgesellschaft mbH (BSG), ihre Quartiersmanagment-Büros und ihre anderen baupolitischen Aktivitäten. Hinzu kommt seit Anfang des Jahres die obskure Firma Interkulturelles Bündnis für Berlin gGmbH (iBfB), die zum Firmennetzwerk der navitas gGmbH mit Sitz in Schöneberg gehört.

Hintergrund des „TFO – Task Force Okerstraße Strategiekonzeptes“, das Kerstin Schmiedeknecht, Leiterin des BSG-Vorortbüros Quartiersmanagment Schillerpromenade im März 2009 abgeliefert hat, ist die Ersetzung von Sozialarbeit in den Kiezen durch eine vernetzte, repressive „soziale Kontrolle“. Gemeint ist damit, wie Arnold Mengelkoch in einem Vortrag bei einer Veranstaltung der Berliner Polizei zum Thema „Netzwerkarbeit und interkulturelle Öffnung“ schon am 10. September 2008 erläuterte, die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Jugend- und Ordnungsämtern, den Wohnungsbaugesellschaften, der Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel bei der Neuköllner Polizei-Abteilung Arbeitsgebiet Integration-Migration, AGIM) und langfristig auch dem öffentlichen Nahverkehr. Die Attribute dieses vernetzten Konzeptes sollten, wie Mengelkoch 2008 erklärte, „unmittelbar, direkt, operationalisiert“ - kurz UDO - sein. Im Konzept „Taskforce Okerstraße“ fließt dies nun zusammen und wird seit Ende 2009 offensiv umgesetzt. Eine Auswirkung von UDO / TFO ist, daß gegenüber Jugendlichen eine Null-Toleranz-Politik gefahren wird, die nicht von ungefähr an Kirsten Heisigs „Neuköllner Modell“ erinnert. Schließlich gehörte sie zum repressiven Netzwerk in Neukölln als ideologische Partnerin, politische Beraterin und enge Freundin von Mengelkoch dazu.

Die BSG als baupolitischer Akteur ist seit Anfang der 90iger in Neukölln aktiv. Seit 1993 betreut die BSG den „Ensembleschutz Schillerpromenade“ und kümmert sich um die Entwicklung von Konzepten zur Sanierung und Stadterneuerung im Schillerkiez. Seit 1999 übernahm die BSG das Quartiersmanagment Schillerpromenade um die Vergabe von Geldern aus dem Projekt „Soziale Stadt“ zu organisieren. Über die Arbeit der ersten Jahre ist sehr wenig bekannt. Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit existierte nicht. Die erste Stadtteilversammlung fand deshalb auch erst nach der selbstorganisierten durch die Stadtteilinitiative Schillerkiez statt. Heute ist die BSG mit 17 Quartiersmanagment-Büros in Berlin aktiv, wovon sich allen 9 in Neukölln befinden (u.a. Rollberg, Richardplatz, Reuterplatz, Schillerpromenade).Außerdem betreut die BSG in verantwortlicher Position die großangelegte PR-Kampagne „Aktion Karl Marx Straße“, die sich um ein neues Image der alten Nordneuköllner Flaniermeile bemüht.

Die Geschichte von Integra e.V. erinnert an die zu Beginn beschriebene massive Repression gegenüber unangepaßten und sich nicht zur Überwachung instrumentalisierenden Vereinen und Trägern. Die niedrigschwellige Sozialarbeit paßte offenbar nicht in das Konzept des Bezirksamtes. Dialog und Sozialberatung waren offenbar solange nicht erwünscht, wie die „Klientendaten“ nicht im Repressions-Netzwerk nutzbar gemacht werden konnten. Der Kampf gegen Mieterhöhungen und Verdrängung von Migrant_inne aus dem Kiez sowie die Herstellung gesunder Mietsituationen wurde offenbar nicht gern gesehen. Schließlich wird so die „soziale Durchmischung“, die sich Buschkowsky seit Jahren für sein Fürstentum Neukölln wünscht, verhindert. Leider darf er ja nicht „ausweisen“ und „übersiedeln“ lassen, wie das in Rotterdam und Amsterdam üblich ist. Deshalb gibt es, wie der Vertreter von Integra erklärte, in Neukölln nur ein „Amsterdam light“-Modell, das zwar weniger repressiv aber nicht minder rassistisch und sozialchauvinistisch umgesetzt wird.

Der Träger, der die Arbeit von Integra übernommen hat, vereint im Übrigen die drei Vereine Türkisch-Deutsches Zentrum e.V. (TDZ), die Deutsch-Arabische unabhängige Gemeinde (DAuG) unter dem Dach des Firmenkonglomerats von navitas. Das Bezirksamt hat von diesen Vereinen und Firmen wenig Kritik zu erwarten. Vielmehr ist davon auszugehen, daß devot und loyal jeder Überwachungs- und Kontrollauftrag korrekt sowie ausführlich umgesetzt wird.

Die Veranstaltung kam zu dem Ergebnis, daß nun vor allem Netzwerk- und Solidaritätsarbeit geleistet werden muß. Des Weiteren muß weiterhin offensiv über die repressiven Strukturen im Kiez informiert werden. Die Interventionen von Seiten des Behörden läßt außerdem erkennen, daß jede Kritik an der rassistischen und antiziganistischen Politik von Heinz Buschkowsky, für den "Multikulti" gestorben ist, und seinen "Migrationsbeauftragten“ Arnold Mengelkoch, der sich immer wieder in Interviews stolz mit der Vertreibung von Rroma-Familien aus Neukölln brüstet, durch institutionelle Maßnahmen und existenziellen Druck auf abhängige Akteure im Kiez verhindert werden soll. Deshalb ist sie um so wichtiger.

Das Festival „Dein Block mein Kiez“ wird am morgigen Samstag durch das Hiphop-Openair fortgesetzt und endet mit der Filmvorführung der Doku „Saren ani skola“ über jugendliche Rroma im Kosovo.

Dein Block mein Kiez:  http://deinblockmeinkiez.blogsport.de

Bericht im Neuen Deutschland
[1]  http://www.neues-deutschland.de/artikel/200034.taskforce-solidaritaet.html
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Ergänzungen

Der ganze Kiez haßt die QMs

nam*in 17.06.2011 - 19:22
Ein weiterer Artikel zur Veranstaltung erschien in der TAZ.
 http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/kiezler-schiessen-auf-task-force/

Die BSG in Neukölln

schmiedeknecht 19.06.2011 - 12:36
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