Demmin: erneut rassistischer Vorfall in AuslB

AGHRo 16.06.2011 12:28 Themen: Antirassismus Repression
Zum wiederholten Mal handelte die Demminer Ausländerbehörde zutiefst menschenverachtend. Bei einer versuchten Abschiebung einer armenischen Familie aus dem Landkreis Demmin kam es zu massiven Rechtsverletzungen.
Am 11. Mai 2011 sollte in einer Nacht und Nebelaktion eine armenische Familie abgeschoben werden. Die Mutter der Familie befindet sich jedoch schon seit 2004 durchgängig in psychiatrischer Behandlung. Aus diesem Grund traf der Anwalt der Familie mit der zuständigen Ausländerbehörde Demmin die Vereinbarung, dass vor einer geplanten Abschiebung zuerst eine ärztliche Voruntersuchung durchgeführt werden müsse, die eine „Reisefähigkeit“ bestätigt und über deren Termin die Familie, sowie ihr Anwalt informiert werden müssen. Als in der Nacht des 11. Mai jedoch die Familie aus ihrer Wohnung gerissen und in einen Bus gebracht wurde, lag keine ärztliche Voruntersuchung, geschweige denn ein Termin für eine solche vor. Im Gegenteil, in der Wohnung der Familie fand sich im Nachhinein sogar ein Schreiben, dass die Ausländerbehörde Demmin mit zu „hundertprozentiger“ Sicherheit (Vor-) Erkrankungen ausschließen könne. Hier wurden also massiv juristische Vereinbarungen hintergangen und bewusst die Gefährdung der Gesundheit der Familie in Kauf genommen!

Bereits in der Wohnung wurden der Familie die Handys abgenommen, sodass sie nicht die Möglichkeit hatten, ihren Anwalt zu informieren. Auch während der Fahrt wurde es ihnen nicht gestattet, zu telefonieren. Erst auf dem Frankfurter Flughafen, eine halbe Stunde vor dem Flug, bekamen sie ihre Handys wieder ausgehändigt und es gelang, den Anwalt der Familie zu informieren, der dann im letzten Moment eine Abschiebung verhindern konnte.

Dies ist nicht das erste Mal, dass die Ausländerbehörde Demmin wegen solch einer menschenverachtenden Tat negativ auffällt. Bereits 2007 hatte sie für Aufsehen gesorgt,
als bekannt wurde, dass Mitarbeiter_innen der Behörde „zur Selbstverteidigung“ Gaspistolen in den Diensträumen herumliegen ließen. Zudem wurde Rainer Plötz, der Leiter des Demminer Ordnungsamtes, im Oktober 2008 wegen Nötigung eines Asylbewerbers zu einer Geldstrafe von 5.400€ verurteilt, die jedoch im Berufungsverfahren wieder aufgehoben wurde.

Aufgrund der jüngsten Vorfälle fordert nun auch der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern personelle Konsequenzen in der Ausländerbehörde Demmin. Weiterhin läuft eine Faxaktion, die eine vollständige Aufklärung des Falls sowie personelle Konsequenzen fordert.

Wenn auch ihr euch an der Faxaktion beteiligen wollt, nutzt den Vordruck in den Anlagen


Links:

Pressemitteilung des Flüchtlingsrats Mecklenburg-Vorpommern:
 http://www.fluechtlingsrat-mv.de/abschiebung-von-armenischer-familie-aus-landkreis-demmin/660/

Der Nordkurier berichtete:
 http://www.links-lang.de/presse/11126.php


Bisherige Vorfälle in der Ausländerbehörde Demmin:

Juli 2004
Bewohner_innen des Flüchtlingsheims protestieren gegen die zweimal im Monat vorgenommen Auszahlungen des Taschengeldes und besetzten dabei kurzzeitig die B 194.
 https://systemausfall.org/wikis/air-pub/Presse.htm

Zwei Wochen nach den Protesten wird der togolesische Flüchtling Tomlakiwhe K., für eine angeordnete Umverlegung nach Parchim, von einem Angehörigem der Ausländerbehörde und Polizeibeamt_innen abgeholt. Als Tomlakiwhe K. im Flur des Heims Kontakt zu anderen Bewohner_innen aufnehmen will, wird er von den Polizeibeamt_innen und dem Angehörigen der Ausländerbehörde geschlagen, auf den Boden gedrückt und gewürgt. Tomlakiwhe K. wird mit Handschellen nach Parchim gebracht. Dort wird ihm ärztliche Hilfe verweigert. Die Ausländerbehörde bezeichnete Tomlakiwhe K. als sogenannten Rädelsführer der Protestaktionen. Ein Jahr später wird Tomlakiwhe K. wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt vor dem Amtsgericht Malchin angeklagt. Die Verhandlung wird wegen Unklarheiten über die Zuständigkeit der Umverteilung zunächst vertagt. Es wurde eine Strafverfahren gegen das vorgehen der Beamten eingeleitet. Der Ausgang des Strafverfahrens stand im Januar 2006 ebenfalls noch aus.
 http://www.ari-berlin.org/doku/text_04.htm

Oktober 2006
Marat Wartadian sieht bei einem Termin in der Ausländerbehörde Demmin Schusswaffen herumliegen. Bei einem anderen Termin begegnen ihm Mitarbeiter mit schwarzen Handschuhen mit Nieten und schüchtern ihn ein.
Rainer Plötz, Leiter der Ausländerbehörde, droht ihm, dass es sich negativ auf seinen Aufenthaltsstatus auswirken könne, falls er sich an die Öffentlichkeit wenden sollte.

August 2007
Marat Wartadian wendet sich an die Presse. Es werden Artikel in der Zeit, taz und regionalen Medien veröffentlicht.
Plötz erklärt, dass das Tragen von Waffen Privatsache sei. Er ordnet an, dass Waffen nicht mehr sichtbar getragen werden sollen.

Oktober 2008
Plötz wird wegen Nötigung vom Amtsgericht Neubrandenburg zu einer Geldstrafe von 5400 Euro verurteilt wogegen er Berufung einlegt. Angeblich wurde die Strafe im Berufungsverfahren aufgehoben.

November 2008
Die Grünen fordern im Kreistag Demmin den Rücktritt von Plötz. Der Landrat Konieczny erwägt keine personellen Maßnahmen bis die Berufung angenommen wird.

Gegen die Ausländerbehörde wurde mehrfach Klage wegen Untätigkeit eingereicht weil Anträge monatelang nicht bearbeitet werden. Dabei geht es zum Beispiel um kranke Flüchtlinge,die dringend aus der entlegenen Unterkunft ausquartiert werden müssten. Rainer Plötz benennt als Grund die »Enge personelle Situation«.
 http://www.zeit.de/2007/33/LS-MVP-Waffen
 http://www.proasyl.de/fileadmin/proasyl/fm_redakteure/Newsletter_Anhaenge/144/Seiten_aus_human_place_netz1.pdf
 http://www.fluechtlingsrat-mv.de/wp-content/uploads/2008/10/human_place_netz1.pdf (gleicher Artikel)
 http://www.welt.de/politik/article1134233/Rechtsextreme_treten_immer_selbstbewusster_auf.html

Mai 2009
Das Urteil, welches auf die Anklage Rainer Plötzs wegen Nötigung gefällt wurde, wird vom Amtsgericht Neubrandenburg aufgehoben. Als Begründung heißt es, das der genaue Wortlaut, mit dem Plötz Marat Wartadian im August 2008 gedroht habe, nicht festzustellen sei.
 http://www.fluechtlingsrat-mv.de/wp-content/uploads/zeitungen/heft19.pdf
 http://www.neues-deutschland.de/artikel/148329.demmin-chef-der-auslaenderbehoerde-freigesprochen.html

Mai 2011
Die Ausländerbehörde Demmin ordnet die Abschiebung einer armenischen Familie an. Der Anwalt der Familie konnte mit einem Gerichtsbeschluss die Abschiebung verhindern. Die Familie war bereits in den Bus gebracht worden, der sie zum Flugzeug bringen sollte. Da die Mutter an psychischen Erkrankungen leidet wurde der Familie zugesichert, dass sie, solange keine Untersuchung eines Amtsarztes vorliegt, sie nicht abgeschoben werden. Eine amtsärztliche Untersuchung wurde nicht durchgeführt. Es wurde trotzdem versucht, die Familie abzuschieben. Der Flüchtlingsrat MV fordert abermals personelle Konsequenzen in der Ausländerbehörde.
 http://www.kirche-mv.de/Auslaenderbehoerde.19335.0.html
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Ergänzungen

Vordruck Faxaktion

AGHro 16.06.2011 - 12:34
Herr Siegfried Konieczny
Landrat Demmin
 landrat@lk-demmin.de
 Siegfried.konieczny@lk-demmin.de
Adolf-Pompe-Straße 12-15
17109 Demmin
Fax: 03998-434260

Ansprechpartnerin Kreistag Demmin
Frau Britta Freese
 britta.freese@lk-demmin.de
Adolf-Pompe-Str. 12-15
Haus A/Raum U 04
17109 Demmin
FAX: 03998/434 992

Herr Edgar Kliewe
Kreistagspräsident
 c.kliewe@t-online.de
Tentzerow 4a
D-17111 Hohenmocker

Landtagsmitglieder aus Wahlkreis Demmin

Marc Reinhard MdL
 reinhard@cdu.landtag-mv.de
Wahlkreisbüro
Wallstraße 4
17153 Stavenhagen
Fax: 03 99 54 - 25 62 7

Peter Ritter MdL
 p.ritter@dielinke-mv.de
Wahkreisbüro Demmin
H.-Heine-Str. 39/40
PF 1114
17139 Malchin
Fax: 03994 / 22 22 57

Ute Schildt
 ute.schildt@spd.landtag-mv.de
Wahlkreisbüro
Jahnstraße 11
17109 Demmin
Fax: 0 39 98 - 22 25 65







Renate Holznagel Vizepräsidentin
 holznagel@cdu.landtag-mv.de
Wahlkreisbüro Loitz
Renate Holznagel
Greifswalder Straße 252
17121 Loitz
Fax: 039998 – 31547

Gleichstellungsbeauftragte
Dr. Margret Seemann
 margret.seemann@spd.landtag-mv.de
Friedrich-Heincke-Str. 1
19230 Hagenow
Fax: 03883/725116

Sylvia Bretschneider, Präsidentin des Landtags
Feldstr. 2
17033 Neubrandenburg
Fax: 0395/566 49 20
 spd-mv-sylvia.bretschneider@t-online.de

Innenminister des Landes MV
Lorenz Caffier
Innenministerium
Ministerbüro
Alexandrinenstr. 1
19055 Schwerin
Fax: 0385-588 2984
 lorenz.caffier@im.mv-regierung.de

Hans-Heinrich Lappat
Innenministerium
Abteilung 3 - Kommunalangelegenheiten; Ausländerrecht
Alexandrinenstr. 1
19055 Schwerin
 hans-heinrich.lappat@im.mv-regierung.de
Fax: 0385-588 2979

Ministerpräsident Erwin Sellering
Schloßstraße 2-4
19053 Schwerin
Fax 03855881009
 erwin.sellering@stk.mv-regierung.de





------------------------dies ist ein öffentlicher Brief und wird auch an die Presse gesendet--------------------------------

Sehr geehrter Landrat Konieczny, Anfang Juni 2011
Mitglieder des Kreis- und Landtags,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Erwin Sellering,
sehr geehrter Herr Innenminister Lorenz Caffier,

ich schreibe Ihnen aus tiefer Beunruhigung und Sorge um die Arbeitsweise in der Ausländerbehörde Demmin, in der Mitarbeiter allem Anschein nach absichtlich das Leben von Menschen gefährden.
Erst kürzlich wurde dies wieder deutlich: Eine Familie aus dem Landkreis Demmin wurde beinahe Opfer einer Abschiebung trotz mehrfacher ärztlicher Hinweise auf gravierende Vorerkrankungen.

Nach Angaben des Anwaltes der Familie Thomas Wanie fand am 11. Mai 2011 nachts ein Abschiebungsversuch durch Polizei und einen Mitarbeiter der Ausländerbehörde Demmin statt. Die Mutter ist sie seit 2004 durchgehend in ärztlicher und psychiatrischer Behandlung und musste sich mehrmals in eine Klinik begeben.
Auf Grundlage ärztlicher Stellungnahmen und dem Hinweis auf eine mögliche Reiseunfähigkeit vor zwölf Monaten kündigte die Ausländerbehörde Herrn Wanie schriftlich im Juni 2010 an, dass ein Termin mit dem Gesundheitsamt vereinbart werden wird, um die Reisefähigkeit festzustellen und Herr Wanie über die Ergebnisse informiert werde. Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde hatten diesen Termin NICHT vereinbart. Im Gegenteil, bei der Familie fand sich nach der Abschiebung ein Schreiben, dass die Ausländerbehörde Demmin mit „hundertprozentiger Sicherheit“ Vorerkrankungen oder aktuelle Erkrankungen ausschließen könne. Das deutet darauf hin, dass die Ausländerbehörde ärztliche Stellungnahmen missachtet und absichtlich die Gesundheit der Familie gefährdete.
Der Anwalt der Familie konnte eine halbe Stunde vor der geplanten Abschiebung per einstweiliger Anordnung die Abschiebung verhindern. Die Familie ist verzweifelt, bei der Frau ist eine Re-Traumatisierung zu beobachten. Bei den Kindern besteht die Gefahr einer Traumatisierung.

Aber das ist nicht das erste Mal, dass die Ausländerbehörde erst durch das Gericht zurecht gewiesen werden musste:
Vor der Abschiebung der Familie gab es eine Hausdurchsuchung, die ebenfalls durch das Landgericht in Neubrandenburg für rechtswidrig und unverhältnismäßig erklärt wurde.
2008 hatte die Ausländerbehörde Demmin bereits für Aufsehen gesorgt, da dort Schreckschusspistolen gefunden worden waren und Flüchtlinge von Einschüchterungsversuchen, mehrmaligen Durchsuchungen mit Gummihandschuhen und regelmäßigen Schikanen berichteten.

Es ist beunruhigend zu erfahren, dass sich seither trotz der vielen Beteuerungen, u.a. des Landrates nichts an der Atmosphäre und dem Umgang mit Flüchtlingen in der Demminer Ausländerbehörde. geändert zu haben scheint. Die schon damals geforderten personellen Änderungen sollten deshalb dringend nachgeholt werden!

Sowohl die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Europäische Grundrechtscharta, als auch die vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution 1973 fordern den Schutz von Flüchtlingen. In dem von mir beschriebenen Fall wird eben dieser Schutz nicht nur verletzt, sondern es wird regelmäßig versucht, diesen zu unterlaufen.

Ich fordere Sie hiermit dazu auf,
• den vorliegenden Fall und das Verhalten der Ausländerbehörde Demmin unabhängig und unverzüglich aufzuklären bzw. deren Aufklärung zu veranlassen und
• personelle Konsequenzen zu ziehen!

Ich bitte um eine schnelle Rückmeldung und verbleibe mit freundlichen Grüßen,