#greekrevolution Camps und Demos am 13.Tag

May 2011 06.06.2011 23:50 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Seit 13 Tagen campieren nun Griechen, die sich in Anlehnung an die Spanier "Empörte" nennen, auf den zentralen Plätzen in allen größeren griechischen Städten. Sie organisieren abend für abend Volksversammlungen mit offenem Mikrophon und live-stream, verabschieden Beschlüsse und Resolutionen und mobiliseren europaweit.
Größte Demo seit der Junta
So mobilisierten die Empörten am Sonntag, den 05.Juni, 200.000 bis 500.000 Athener zu einer Kundgebung auf dem Athener Syntagma-Platz, der an das Parlamentsgebäude angrenzt, um gegen das Schuldenmoratorium der "Troika" aus EZB, EU und IWF zu protestieren. Es war die größte Demonstration seit dem Sturz der Junta und der Demokratisierung des Landes 1974. Auch in vielen anderen Städten Griechenlands gab es Kundgebungen und Demonstrationen, in Thessaloniki demonstrierten rund 40.000. Die Menge rief dabei immer wieder "Diebe, Diebe" in Richtung des Parlamentsgebäudes, das mit Zäunen abgesperrt war. Die Polizei hielt sich auffallend im Hintergrund, nur in einigen Nebenstraßen kam es zum Einsätz von Tränengas. Menschen aus allen Bevölkerungsschichten waren in allen Straßen auch rund um den Syntagmaplatz noch bis in de frühen Moregn unterwegs.

Keine Parteien
Doch die Demonstranten folgten diesmal nicht dem Aufruf einer der Gewerkschaften oder Parteien, die sonst häufig die Protestzüge in Griechenland anführen, sondern den "Empörten", die sich mit ihrer Bewegung "Direkte Demokratie Jetzt" an den Spanischen Indignados orientieren und nun seit dreizehn Tagen auf den Plätzen in vielen griechischen Städten ähnlich wie beispielsweise an der Puerta del Sol campieren und ihren Aufruf bewusst offen formulieren: "Wir sind einfache Menschen. Wir sind wie ihr seid: Menschen, die jeden Morgen studieren, arbeiten oder Arbeit finden gehen, Menschen, die Familie und Freunde haben. Wir sind Menschen die jeden Tag hart arbeiten, um zu leben und um eine bessere Zukunft für unsere Mitmenschen anzubieten."

Camps von "Empörten" in allen Städten
Dabei haben sie neben dem offenen Aufruf auch die Organisationsstrukturen aus Spanien übernommen, auf dem Syntagma beispielsweise gibt es Teams für Sicherheit, Medizin, Multimedia, Koordination, Öffentlichkeitsarbeit, Sauberkeit usw. Jeden abend wird eine offene Versammlung abgehalten, in der alle das Mikro nutzen können, um ihre Meinung öffentlich zu äußern. Die Rednerliste wird dabei per Los bestimmt, jeder erhält einen Zettel mit einer Nummer, diese Nummern werden dann nach dem Zufallsprinzip ausgerufen. Prinzipien und Verfahrensformen sollen den Grundsätzen der direkten Demokratie folgen.Viele bekunden das erste Mal überhaupt am Mikro öffentlich zu sprechen, was häufig mit Beifall quittiert wird. Insgesamt bemühen sich die versammelten um eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts, auch wenn die Meinungen der Vielen, die aus den unterschiedlichsten gründen auf den Plätzen zusammenkommen, häufig deutlich voneinander abweichen.

Solidarität aus Spanien und Portugal
Die offenen Versammlungen in Athen und Theessaloniki werden auch per livestream übertragen, viele nutzen diese streams und kommunizieren gleichzeitig per twitter auf den feeds #greekrevolution und #25mgr über die Inhalte der Versammlungen. Über twitter laufen auch europaweit Informationen und Kommentare über die Ereignisse in Spanien, Portugal und Griechenland und im übrigen Europa. Ein kraftvoller Moment am Sonntagabend war die Live-Schaltung per Skype, in der spanische Indignados und auch Empörte aus Portugal ihre solidarischen Grüße in die Athener Versammlung übermittelten. In Thessaloniki wurde am Samstag abend die Grußadresse eines britischen Gewerkschafters Trevor Philips verlesen, der soziale Kämpfe in Großbritannien darstellte  http://www.youtube.com/watch?v=RI8rVWzLiW4&feature=share .

Medien
In den deutschen Medien werden die Ereignisse kaum berücksichtigt, insbesondere wird die Verbindung zu den spanischen Camps, aber auch zum Tahrir Square nicht beleuchtet. Das griechische Staatsfernsehen sah sich am Sonntag abend, wohl aufgrund der Konkurrenz durch die Übertragung bei den privaten Medien und den streams der sozialen Netzwerke, die Versammlung, gezwungen live zu übertragen, allerdings immer wieder unterbrochen durch Verlautbarungen der Politiker der verschiedenen Parteien.

Volksentscheid
Am späten Montagabend, dem 06.06., erklärte Premierminister Papandreou, dass er bereit sei, die Möglichkeit eines Volksentscheides über die Maßnahmen des Sparpaketes zu prüfen. Die massiven Proteste, bei denen auch angekündigt worden war, durch das Sammeln von Unterschriften eine Volksabstimmung herbeizuführen, zeigen eine erste Wirkung. Papandreou wird nicht entggangen sein, dass diese Bewegung keine traditionelle Führung hat, mit der hinter den Kulissen zum nationalen Konsens aufgerufen werden kann, wie es in der vergangenen Woche während des Besuchs der Kontrolleure der Troika der Fall war. Sie hatten gefordert, dass zunächst der innenpolitische Streit zwischen der Regierungspartei PASOK und der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia beigelegt werden müsse, bevor über die nächste Zahlung weiterer Milliarden gesprochen werden kann. Die linke SYRIZA Partei und die kommunistische Partei KKE waren ebenfalls zu den Gesprächen beim Staatspräsident eingeladen und waren dieser Einladung gefolgt. Ganz im Gegensatz zu den Zielen der Troika und der griechischen Regierung kam es nicht zu dem angestrebten Bild eines nationalen Konsenses innerhalb der Rhetorik der "nationalen Rettung", sondern wurde wurde durch die größte Demo der Nachjuntazeit deutlich torpediert.

Nationale Rettung und antideutsche Rhetorik
Gerade in den ersten Tagen (besonders bei den ersten großen Demos am 25. und 29. Mai mit ca. 50.000 Leuten) waren viele griechische Fahnen zu sehen. Auch Theodorakis, der am 01.06. in der Nähe des Syntagmacamps auftrat, appellierte an die Idee der nationalen Rettung, indem er an die Befreiung von Nazideutschland durch den Widerstand durch die Griechische Befreiungsfront erinnerte. Er mobilisierte damit geschickt die in der Bevölkerung existenten antideutschen Emotionen und kanalisierte diese historisch um von den heutigen hegemonialen Bestrebungen der deutschen (und auch französischen) Politik innerhalb der EU abzulenken, eine Taktik, die in den eher sozialistischen bis sozialdemokratischen Lagern immer wieder bemüht wird. Breite Teile der Bevölkerung kennen die Forderungen von Teilden der deutschen Politik (FDP: "Verkauft Eure Inseln") und die Hetzkampagnen der deutschen Medien, die den Griechen Faulheit attestieren (Focus-Titel). Sie kennen das Engagement deutscher Firmen in Griechenland, die korrupte Politik der Siemensmanager, die über Jahrzehnte hinweg Politiker schmierten um an Aufträge zu kommen, wurde über jahre in allen Zeitungen und Fernsehen breit reflektiert. Die deutsche Telekom ist stark an der nationalen Telefongesellschaft OTE engagiert, die Wassergesellschaft DEI steht gerade vor der Privatisierung usw.. Die Privatisierung dieser ehemals staatseigenen Betreibe wird als Ausverkauf der nationalen Souveränität empfunden, dementsprechend stark ist hier der Widerstand.

Rüstungsgeschäfte
Die laufenden französischen und deutschen Rüstungsgeschäfte mit Griechenland umfassen Milliardenvolumina, das Essener Unternehmen Ferrostaal hatte Griechenland 2010 beispielsweise vier U-Boote im Wert von über 2 Milliarden verkauft, nachdem sie vorher den griechischen Verteidigungsminister geschmiert hatten. Zum Vergleich: Im Juli soll Griechenland die zweite Tranche von 12 Milliarden Euro aus dem "Rettungsfond" erhalten.
Dazu:  Daniel Cohn-Βendit im EU-Parlament über Schuldenkrise und Rüstungsexporte  http://www.youtube.com/watch?v=EkCNE29SQ0E&playnext=1&list=PL41216744188B6190

Offener Charakter der Versammlungen
Den Camps ist es sehr wichtig, sich nicht der Rhetorik der Rettung der Nation anzuschließen und sie kritisieren daher immer wieder auch das Hissen von griechischen Fahnen. Demonstranten, die in griechische Fahnen umhüllt auftraten, wurden gefragt, warum beispielsweeise der schwerreiche Reeder Niarchos nicht mitdemonstriere, er sei schließlich auch Grieche, um zu der Schlussfoglerung zu gelangen, dass die Demonstranten dort seien, weil sie arm sind- nicht weil sie Griechen sind. In den Camps gibt es Übersetzergruppen, die die Texte und Beschlüsse insbesondere in die Sprachen der Migranten übersetzen. Im offenen Charakter der Camps und der Versammlungen liegt auch die Chance dieser Bewegung, vielen den Zugang zu ermöglichen und die politischen Bewegungen häufig innewohnenden Verdrängungs- und Ausschlussmechanismen zu vermindern.

Democracia Real ya! Amesi dimokratia tora!

Quellen:
Bericht Versammlung am Syntagma am 28.-29.05.  http://de.indymedia.org/2011/05/308917.shtml
Hauptseite des Camp am Syntagma-Platz  http://www.real-democracy.gr/
Hauptseite des Camp in Thessaloniki  http://aganaktismenoi-thess.blogspot.com/
 Video über Schuldenkrise  http://www.debtocracy.gr/
 Daniel Cohn-Βendit im EU-Parlament über Schuldenkrise und Rüstungsexporte  http://www.youtube.com/watch?v=EkCNE29SQ0E&playnext=1&list=PL41216744188B6190
Live Stream Syntagma  http://www.thepressproject.gr/
Twitter: #greekrevolution #25mgr #m25gr
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Ergänzungen

Antideutsche Stimmung?

hahaha 07.06.2011 - 00:38
Das bisken so zu betonen ist genauso lächerlich wie die paar bayrischen Fahnen.
Wenn's da antideutsch zugehen würde, wäre Lidl und der andere Dreck schon längst verjagt worden.
Und berechtigt wäre es bei den imperialistischen/rassistischen Zumutungen von der Kundusbomberstaffel Merkel und deutsche "Presse" allemal. Also müssen die die Kritik auch ab können. Das als "antideutsch" zu bezeichnen ist Schwachsinn. Die Reparationen einzufordern, sind in der Logik auch antideutsch.

Apropo: Der U-Boot-Deal wurde von deutscher Seite vor einem Monat gekündigt.

schöner video

mit Livestream 07.06.2011 - 00:44

DEI

. 07.06.2011 - 01:04
Die DEI ist der staatliche Energieversorger und nicht Wasser. Ansonsten ist der Artikel korrekt, auf die Startseite damit!

aber hallo nicht shclecht

grom 07.06.2011 - 01:55
könnte klappen das ganze.

kommunikation ist der schlüsselfaktor.

wenn volksabstimmung gegen kaputtsparen (was das ergebnis sein dürfte), muß der gegenvorschlag nach der abstimmung aus der bevölkerung vorgetragen werden. papa scheint konzessionsbereit zu sein; wenn syntagma seine hausaufgaben macht, ist die wahrscheinlichkeit daß er sich nicht beschwert erheblich geringer als bei den nd-spinnern zu erwarten wäre (die hätten vermutlich längst die polizei scharf schießen lassen, wenn nicht schlimmeres. berlusconi-klone.)

jedenfalls ist da eine generelle situation, die ein etwas offensiveres/konkreteres vorgehen der leute ermöglicht, wenn nicht sogar verlangt. noch zweckgebunden, also die dicken dinger wie weltrevolution oder kapitaismus abschaffen sind jetzt nicht schlecht, aber als hauptziel sinnfrei weil noch zu diffus. jetzt ist erst mal wichtig, die verträge zu verhindern, denn wenn die unterschrieben werden hat man nachher zum griechischen regime zusätzliche "eigentümer" die zusätzliche scherereien machen. ein demokratisch gewähltes regime ist dem zugriff der bevölkerung weitaus ausgesetzter als ein korporiertes.

die drohung von iwf/wb/eu ist natürlich, die leute verhungern zu lassen (in argentinien sah man, daß das nicht metaphorisch gemeint ist). der joker in der griechischen hand ist, daß man sich innerhalb der eu natürlich leichter arrangieren kann, als mit privatbanken. letztere wird man wohl oder übel nachhaltig verärgern müssen; irgendwer muß ja mal den anfang machen. aber man wird sie dadurch auch nachhaltig schwächen, und wenn die rolle der rater in ihren agenturen mal aufs korn genommen wird, dann ist schon mal ein erster schritt zur überwindung des kapitalismus getan. auch hier muß ja irgendwo angefangen werden, und diese stelle scheint mir die am leichtesten angreifbare (auch argumentativ, sogar unter kapitalisten haben die keinen guten ruf, und sie bauen ja auch eigentlich nur scheiße und wetten auf die von ihnen manipulierten wetten)

aber erst mal alles gute für die nächsten tage. bis jetzt läuft es ja. laßt euch nicht spalten, laßt euch nicht verwirren. öffentliche vorträge, wo details der scheiße erklärt werden; der geistig-politisches event-charakter solcher versammlungen kann einfach nicht zu groß geschrieben werden.

außerhalb von griechenland scheint es furchtbar wichtig zu werden, die idee der (trans)europäischen solidarität zu fördern. eine europäische einigung von unten als gegenmodell zur eu muß her, denn die kräfte die eine rückkehr zum ethnisch gestreamlineten nazionalstaat fordern regen sich gewaltig. "eine partei die die griechenland-bailouts ablehnt würde ich sofort wählen, egal was die sonst will". die denkschiene, achtet mal drauf. das "egal was" ist der springende punkt, nicht "partei" oder so. wenn sich das durchsetzt, hat man 2 jahre zeit einen irren führer zu verhindern, und danach geht nur noch indem man die sau abknallt. und das will ja keineR.

Problem: Reformismus

Anarchist 07.06.2011 - 08:26
Zitat: "Jedenfalls ist da eine generelle situation, die ein etwas offensiveres/konkreteres vorgehen der leute ermöglicht, wenn nicht sogar verlangt. noch zweckgebunden, also die dicken dinger wie weltrevolution oder kapitaismus abschaffen sind jetzt nicht schlecht, aber als hauptziel sinnfrei weil noch zu diffus. jetzt ist erst mal wichtig, die verträge zu verhindern, denn wenn die unterschrieben werden hat man nachher zum griechischen regime zusätzliche "eigentümer" die zusätzliche scherereien machen. ein demokratisch gewähltes regime ist dem zugriff der bevölkerung weitaus ausgesetzter als ein korporiertes."

Diese Sätze entlarven gut das Taktieren eines weiten Teiles der Protestbewegung. Er ist nichts als verbaler Radikalismus. Die Revolution schwirrt irgendwo im Kopf herum, wird aus Kalkül aber (angeblich) erst noch zurückgehalten. Was an der konkreten Forderungen wie "Kapitalismus abschaffen" diffus sein soll, verstehe ich nicht. Wer wirkliche Veränderung erreichen will, muss das System permanent bekämpfen und nicht auf Sankt Nimmerleinstag warten. Es geht um mehr als nur die Verträge zu verhindern! Es geht ums Ganze! Gerade in dieser "generellen Situation"

Der 15. Juni, Tag des Generalstreiks, vespricht interessant zu werden, weil nicht nur die AnhängerInnen des Reformismus auf der Straße sein.

Konkret: Papandreou Votum kippen

. 07.06.2011 - 13:08
So wie es sich abzeichnet wird sich Papandreou in einer Volksabstimmung die Legitimation für das Sparprogramm holen:

 http://www.tagesschau.de/wirtschaft/griechenland1138.html

Diesbezüglich ist die Stimmung im Land derzeit NOCH gespalten. Nicht wenige wünschen sich eine Alternative, gehen auch zu den Protesten, glauben aber letztenendes doch an einen unausweichlichen Sparzwang als einzige Möglichkeit das Land vor dem Untergang zu retten. Mit dieser weit verbreiteten Einschätzung kann es Papandreou gelingen, das Sparprogamm demokratisch zu legitimieren und damit wäre nicht nur jeglichem Revolutionsprozess ein von der Mehrheit akzeptiertes Ende bereitet, im Gegenteil: Der Ausplünderung wären unter Zustimmung der Mehrheit Tür und Tor geöffnet. Konkret gilt es also nun dieses Votum eindeutig negativ ausfallen zu lassen und das geht nur über massive Aufklärungsarbeit, Vernetzung und Information. Sollte diese Abstimmung negativ ausfallen hätte dies enorme Konsequenzen: Papandreou wäre erledigt und eine parteipolitische Alternative ist in Griechenland derzeit nicht existent. Damit wären die idealen Voraussetzungen für einen wirklich revolutionären Prozess gegeben.

Portugal

. 07.06.2011 - 13:24
Wie schwierig die Situation ist zeigt sich an Hand der gerade in Portugal abgehaltenen Wahlen. Dort hat die Bevölkerung, wenn auch unter sehr geringer Wahlbeteiligung, einen neoliberalen Hardliner gewählt, der Sparmaßnahmen und Privatisierungen noch radikaler umsetzen wird als sein "sozialistischer" Vorgänger. Ein Umdenken, Bewusstseinswandlungsprozess oder ähnliches hat es hier wenn überhaupt in die falsche Richtung gegeben:

 http://www.fr-online.de/politik/neuer-mann--alte-probleme/-/1472596/8528962/-/index.html

Politikerin angeblich im Steinhagel

vote with a gun 07.06.2011 - 13:53
Zwischenfall nach Rede der Staatssekretärin Anna Dalara

erschienen am 07.06.2011 um 13:44 Uhr

Zu Zwischenfällen zwischen aufgebrachten Bürgern und der Bereitschaftspolizei MAT kam es am Montagnachmittag vor dem Kulturzentrum des Athener Stadtteils Zografou. Dort hatte die Staatssekretärin im Arbeitsministerium Anna Dalara eine Rede gehalten. Etwa 100 bis 150 Bürger protestierten vor dem Kulturzentrum und bewarfen die Staatssekretärin, als sie das Gebäude verlassen wollte, mit Wasserflaschen und Steinen. Die Polizei, die bereits vorsorglich vor Ort war, schritt sofort ein. Einigen Medienberichten zufolge soll ein Beamter verletzt worden sein. Bereits in der vorigen Woche war Regierungssprecher Jorgos Petalotis im Athener Vorort Argyroupolis mit Eiern, Joghurt und Steinen beworfen beworfen worden, am Mittwoch voriger Woche belagerten Demonstranten das Parlament und bedrohten Parlamentarier und Angestellte, als diese in ihren Fahrzeugen die Volksvertretung verlassen wollten. Ebenfalls am Mittwoch mussten rund 50 europäische und griechische Politiker auf der Insel Kerkyra mit einem Fischerboot vor einer aufgebrachten Menge in Sicherheit gebracht werden. (Griechenland Zeitung / eh)

DEI = Elektrizitätswerke (Korrekturen)

May 2011 07.06.2011 - 16:14
DEI ist die Abkürzung der bezeichnung der öffentlichen griechischen Elektrizitätswerke, sie stehen zur Privatisierung.Die Gewerkschaft der DEI-Angestellten, GENOP, wehrt sich momentan massiv gegen die Privatisierung.
Wasserwerke stehen ebenfalls zur Privatisierung, beispielsweise das EYATH- Wasserwerk in Theassaloniki.
 http://www.handelsblatt.com/politik/international/athener-ausverkauf-ohne-plan/4211918.html

Zu nationalistische Rhetorik:
Mit einer Rhetorik der nationalen Befreiung von der Unterdrückung durch das Ausland verortet der öffentliche griechische Diskurs die Verantwortung für die Krise im Ausland und schont die eigene Regierung und die Beteiligung des griechischen Kapitals. Beabsichtigt ist die Schaffung einer nationalen Klammer jenseits des gesellschaftlichen Dissenses und eines Nationalbewusstseins, das sich traditionell in den Kämpfen des griechischen Widerstandes gegen die Besatzungen, besonders gegen "die Türken" und "die Deutschen", begründet. Der antideutsche -historisierende- Diskurs ruft dabei Assoziationen eines Widerstandes gegen "die Unterdrückung" auf, ohne dass über das destruktive Vorgehen des -internationalen und nationalen Kapitals- der Gegenwart klarer gesprochen werden muss.

Dazu geanuer: Detlef Hartmann, John Malamatinas: Krisenlabor Grichenland, Assoziation A 2011

3 Szenarien: Viva la Revolution!

Ultra-Anarcho 07.06.2011 - 23:10
Ich denke es gibt drei Szenarien:

1.) am 15. Juni ist Super-Demo-Tag und die Leute stürmen das Parlament, möglicherweise fließt viel Blut weil die Cops einschreiten, vielleicht gelingt es auch weitgehend friedlich und Papandreou schmeißt hin und somit wäre die Revolution da

2.) Papa lässt nach den massiven und friedlichen Massenprotesten vom 15. Juni abstimmen und der Sparplan wird mehrheitlich abgelehnt, daraufhin ist Papa erledigt und die Revolution kommt zwangsläufig, da keine politisch alternative Kraft im Land existiert

3.) Papa lässt abstimmen und der Sparplan wird mit Hilfe der Medienmaschine mehrheitlich "demokratisch" abgesegnet, in Folge dessen flaut der Protest ab, die verbleibenden Reste werden nach und nach kriminalisiert und niedergeknüppelt.

Papa wird in jedem Fall letzteres versuchen, wahrscheinlich Abstimmung nach der Sommerpause, bis dahin ist ausreichend Zeit für Propaganda und nach dem Sommer sind einige Leute dank Tourismus auch wieder etwas besser bei Kasse und nicht ganz so schlecht drauf wie jetzt. Szenario 1 birgt enorme Risiken und derzeit scheinen mir die Leute noch nicht genug mobilisiert, aber es ist ja noch eine Woche Zeit, da kann viel passieren :-) Szenario 2 halte ich für das realistischste im Hinblick auf einen revolutionären Umbruch!

Live vom Platz

anarchist 07.06.2011 - 23:44

Augenzeugenbericht vom Syntagma-Platz

ist egal 08.06.2011 - 03:32
So Leute, ich war jetzt so einige Abende auf dem Syntagma-Platz, ein paar Eindrücke aus erster Hand:
- Auf dem Platz ist der Unterschied zwischen unterer Hälfte (eher jugendlich/linksalternativ geprägt) und oberer Hälfte (eher bürgerlich/unpolitisch/nationalistisch geprägt) eindeutig spürbar.
- Selbst auf dem oberen Teil des Platzes sind nicht so viele Griechenlandflaggen zu sehen, wie die Berichte der griechischen Presse vermuten lassen.
- Die Gay/Lesbian-Pride-Demo am Sonntag ist durch den oberen Teil gelaufen, wurde von ca. 100-200 Versammelten ausgebuht bzw. bespottet, die aber gegen die Demoteilnehmer keine Chance hatten. Die Bullen haben dabei wohl einige wenige junge Faschos eingesammelt.
- Organisierte Faschos bleiben dem Platz wohl fern, ebenso wie der harte Kern der Anarchisten.
- Auffallend ist die absolute Abwesenheit von Migranten auf der ganzen Veranstaltung, und das im sehr migrantisch geprägten Zentrum von Athen. Ausgenommen ein Typ, der Laser-Pointer verkauft, und ein paar Musiker. Die Erasmus-Studenten zähle ich mal nicht mit.
- Ein Migrant wurde wohl von der Überwachungsgruppe des unteren Teils des Platzes den Bullen übergeben und ein anderer des Platzes verwiesen, über die Gründe gibt es widersprüchliche Angaben. Das Plenum hat jedoch die Auflösung der Überwachungsgruppe abgelehnt.
- An den Plena nehmen weit über 1000 Leute teil, am Anfang kam auch jeder zu Wort, mittlerweile dominieren die typischen linken Babygesichter mit Bart und Brille mit den typischen 1,5-Minuten-Vorträgen und Parolen über Regimewechsel und unbefristeten Streik. Das turnt so einige der Nichtstudenten ab, die sowieso früher oder später den Ort des Geschehens verlassen. Ein Dialog findet nicht statt, stattdessen trägt jeder sein Anliegen vor. Trotzdem entzückend zu sehen, wie sich ältere bürgerliche Damen Zeitungen suchen, um sich zur Teilnahme auf den Boden zu setzen.
- Am Dienstag wurde ein Plenum mit der Bekanntmachung unterbrochen, dass die Gruppe der "300 Griechen" auf dem oberen Teil des Platzes ein Interview an einen TV-Sender gibt und darin die Ausweisung von Migranten verlangt. Ob das auch tatsächlich stattgefunde hat, weiß ich nicht, auf jeden Fall formierten sich in Kürze ca. 500 Leute mit eindeutigen Lynchabsichten gegen diese 300 Griechen, von denen war aber nichts mehr zu sehen war. Ihr Transparent blieb jedoch hängen. Es scheinen wohl irgendwelche Spinner mit nationalistischen Tendenzen zu sein, aber keine organisierten Faschos.
- An den Kiosken gibt es neuerdings T-Shirts mit der Aufschrift "Die Empörten" und "I Love Greece" auf der Hinterseite zu kaufen.
- Vor einem Zelt hängt ein Transparent mit der Aufschrift "Greek people demand the return of the marbles of the Parthenon" (καθένας το χαβά του).

Mein persönliches Fazit:
- Auf dem Platz sehe ich fast ausschließlich die Mittelklasse, die am meisten durch die Sparmaßnahmen betroffen ist. Selbst wenn man vom Politischen absieht, finde ich es positiv, dass diese Leute endlich mal die Glotze ausgeschaltet haben und einen öffentlichen Platz vereinnahmt haben. Positiv überraschend finde ich auch die starke Bemühung ohne Gewalt auszukommen und die Bereitschaft, miteinander zu reden. Wer Plena mitbekommen hat, die in Gebrüll und mit Kopfnüssen abgeschlossen wurden, weiß was ich meine. So meinte auch ein Redner auf dem Plenum, dass er es toll findet, dass hier von Linksextremen bis Rechtsextreme alle miteinander reden können. Ich weiß, was er meinte, aber hier sehe ich auch das Problem dieser Geschichte: Wenn sich unter Ausschluss der Migranten Linke und Rechte plötzlich so toll verstehen, geschieht dies unter der Schirmherrschaft der Nation.
Ist natürlich interessant zu sehen, was passiert, wenn das Parlament zum Votum für das neue Memorandum blockiert wird. Wer aber hier eine Revolution vermutet, sieht Tagträume. So hat das Plenum mehrere Abende darüber debattiert, ob nun ein Konzert auf dem Platz stattfinden soll und falls ja mit welchen Künstlern, nur um sich dann doch dagegen zu entscheiden. Die Debatte über einen Systemwechsel dürfte dann wesentlich länger dauern, wobei es noch die paar Millionen Athener gibt, die dem Syntagma-Platz fernbleiben.

Deutsche demonstrieren in Athen

May 2011 08.06.2011 - 15:12
Deutsche des AK Distomo demonstrieren in Athen für Entschädigungszahlungen

 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/ak-distomo/veroeffentlichungen2011/presse-03062011.html

Angehörige des Arbeitskreises Distomo aus Hamburg haben auch in diesem Jahr an den Gedenkfeierlichkeiten zum Jahrestag des Massakers im griechischen Distomo teilgenommen. Am 6. Juni 2011 forderten ein Dutzend von ihnen bei einer Kundgebung vor der griechischen Botschaft in Athen eine Summe von insgesamt 28 Millionen Euro zuzüglich Zinsen als Entschädigung an die Kläger aus Distomo zu zahlen.
In Distomo in Mittelgriechenland erschossen am 10. Juni 1944 Angehörige eines Regimentes der 4. SS-Polizei-Panzergrenadier-Division 218 der - an Partisanenkämpfen unbeteiligten - ca. 1.800 Dorfbewohner. Unter den Opfern befanden sich vor allem alte Menschen, Frauen, 34 Kinder im Alter von einem bis zehn Jahren und vier Säuglinge im Alter von zwei bis sechs Monaten. Das Dorf wurde niedergebrannt.
Der Areopag, das höchste griechische Gericht, verpflichtete bereits im Mai 2000 die Bundesrepublik Deutschland rechtskräftig zur Zahlung einer Entschädigung von 28 Millionen Euro. Bis zum heutigen Tage hat die Bundesrepublik Deutschland keinen Cent gezahlt und fordert in allen Entschädigungsverfahren "Staatenimmunität" für die Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen Nazi-Deutschlands. Die griechische Regierung stimmt bis heute der Zwangsvollstreckung in deutsches Eigentum in Griechenland nicht zu und beugt sich damit dem politischen Druck aus Deutschland. Deutschland hat bis zum heutigen Tage an Griechenland keinerlei Reparationen und Entschädigungen für die Verbrechen, Verwüstungen und Plünderungen während der nationalsozialistischen Besatzung Grichenlands im 2. Weltkrieg gezahlt.

Laut der online-zeitung in.gr regten die Teilnehmer der Kundgebung die Beschriftung eines Transparentes auf dem Syntagmaplatz an:
"Deutschland soll zahlen – Das Geld gibt es. Nehmt Euch über 200 Milliarden an Entschädigungen und Reparationen jetzt!" .

Schätzungen gehen von einer deutschen Kriegsschuld in Höhe von mindestens 162 Milliarden Euro zuzüglich Zinsen an Reparationen, Darlehen und anderen Obligationen aus. Das beinhaltet das Besatzungsdarlehen, dessen Zahlung Deutschland und Italien von Griechenland 1941 erzwangen und die 7 Milliarden Dollar Reparationszahlungen zuzüglich 3% jährlicher Zinsen, die bei der Pariser Friedenskonferenz beschlossen wurden (Griechenland hatte 12 Milliarden Dollar gefordert).

Die griechischen Opfer der Massaker von Wehrmacht und SS wie auch die meisten Überlebenden des Holocausts haben bis heute keine Entschädigungsleistungen erhalten. Sie fordern von der deutschen Regierung die Anerkennung der Verbrechen und eine angemessene Entschädigungsleistung. Aus Berlin kommt von der Bujdesregierung jedoch stets dieselbe monotone Antwort: Es wird nicht gezahlt!

Deutsche Schulden Griechenland Milliarden (19.03.2011):  http://de.indymedia.org/2011/03/302859.shtml

Film über ein überlebenden Jungen aus Distomo:
 http://www.fontanafilm.ch/DOKFILME/argyris/

verhungern / Augenzeuge

May 2011 08.06.2011 - 17:13
@grom
Ja, so ist es: "die drohung von iwf/wb/eu ist natürlich, die leute verhungern zu lassen (in argentinien sah man, daß das nicht metaphorisch gemeint ist)" und mit dieser Drohung sind nicht nur die Menschen in Griechenland gemeint, sondern im nächsten Schritt die Portugiesen, Iren und Spanier- schließlich wir alle, in einer Art dumping-Spirale hinsichtlich der sozialen und existenziellen Standards. Dabei erfüllt das Märchen von der Leistungsbezogenheit der Entlohnung und des Lebensniveaus, das den Deutschen erzählt wird – also die rassistische Propanganda von "dem undisziplinierten und faulen Kind im Süden" – klar- die Funktion einer Legitimation der sozialen Ungleichheit. Gleichzeitig lenkt diese Rhetorik auch ab von den Prozessen der seit über 20 jahren verstärkt laufenden Verarmung der Bevölkerung in Deutschland, die damit völlig überblendet wird.

@ist egal
Mein Eindruck ist, dass das Plenum auf dem Syntagma -zurecht- lange über die Frage des Auftritts von Künstlern diskutiert hat, weil sich durch deren Auftritt der Charakter der Versammlung in Richtung Volksfest verändert hätte. Ich teile aber den Eindruck, dass sich die Atmosphäre über die Tage verändert hat. Von einer studentischen Veranstaltung zu sprechen wäre dennoch unpassend- zumal es immer wieder den Schulterschluss mit Arbeitern und anderen Bevölkerungsgruppen gibt: Arbeiter der Milchwerke Dodoni kündigten dort gestern an, in den Streik zu treten und die Milch an die Campenden auf dem Syntagma zu verteilen. Die wichtigere (leise) Kritik ist, dass es noch die paar Millionen Athener gibt, die dem Syntagma-Platz fernbleiben, insbesondere die vielen Migranten. Was den durch die Sicherheitsgruppe abgewiesenen Migranten anbetrifft, gab es einen Beschluss gegen die mobilen Händler von Laserpointern u.ä. auf dem Platz, das könnte die Ursache gewesen sein.

the real economics of greece

democat 08.06.2011 - 18:11


The real economics of Greece:

a) national debt=387 billion
b) estimated WWII debt owed to Greece=1.5 Trillion (2011 estimate)
c) EU legislative loan/profit ratio=10.0
d) military spending=13.9 USD billion
e) 20% live below the annual €6,000 threshold (2008) – now MUCH HIGHER
f) GDP=311.8 billion (PPP, 2011 estimate)
g) GDP per person=27.8K USD per year
(PPP, 2011 estimate)
h) average net salarly=1,371 euros per month

Comments:

1. EU law permits countries to lend but only to receive double the loan amount (i.e. loan/profit ratio=2.0) –> illegally implemented
2. Orthodox church is public sector – but not taxed
3. The state, the banks, employers and shop-owners are impoverising a totally sustainable economy
4. Debt is a red herring to create new profits for a failing military-industrial complex

Conclusion: …. AGANAKTISMENOI AN8ROPOI (Pissed-off people taking squares in their 100,000s and auto-organising via direct democracy and mutual cooperation…)

Ellada, Tourkia, Germania
Ekros einai stis trapezes kai stin ypourgeia!

(Greece, Turkey, Germany
The enemy is in the banks and the ministries!)

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für 8:42 Anarchist — anti-imp-aa