RaS Kongress: Besetzung des Real Gebäudes

dagewesen 04.06.2011 13:32 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Im Rahmen des Recht auf Stadt Kongresses in Hamburg wurde am gestrigen Freitag die ehemalige Rinderschlachthalle an der Feldstraße zur öffentlichen Begehung geöffnet. Gegen 20 Uhr zogen mehrere hundert Menschen in Form einer Kuhperformance zu dem Gebäude. In den Metallzaun vor dem Haus wurde ein großes Loch geschnitten und die Türen geöffnet. Im Anschluss erfolgte ein heftiger Polizeieinsatz, der zu mehreren Verletzten führte.
Der Recht auf Stadt Kongress findet seit Donnerstag in Hamburg statt. Zum Auftakt besuchten ca. 300-400 Leute eine Veranstaltung in der Roten Flora, auf der das Kongressprogramm vorgestellt wurde. Den Freitag über fanden überall in der Stadt verteilt Workshops mit jeweils 7-80 Teilnehmer_innen zur Theorie und Praxis von Recht auf Stadt statt. Unter anderem gab es Veranstaltungen mit internationaler Beteiligung über die Organisierung von Hüttenbewohnern in Südafrika, zur Stadtentwicklung in New York und Zürich, Workshops zu Strategien der städtischen Aufwertung und der Entwicklung von Aneignungspraktiken, Stadtteilrundgänge und Vernetzungstreffen von Projekten.

Gegen 20 Uhr trafen sich ca. 300 Leute vor dem ehemaligen Real Gebäude an der Feldstraße, um parallel zum Kongress eine praktische Erprobung von Aktionsformen durchzuführen. Etwa hundert Menschen in Kuhkostümen wurden durch die Straßen in Richtung der leerstehenden ehemaligen Rinderschlachthalle getrieben. Dort sollte nach Plänen des Bezirkes Mitte eine Music Hall für 4000 Besucher_innen entstehen. In der Folge gab es Proteste von Anwohner_innen. Vor dem Gebäude angelangt, war bald ein großes Loch im Metallzaun und die Tür geöffnet. Zahlreiche Leute besichtigten das Haus.

Nach kurzer Zeit traf ein größeres Polizeiaufgebot ein. Zuerst wurde versucht, den Eingang abzuriegeln. Da ca. 100 Leute sehr solide Ketten bildeten, war ihnen dies nicht möglich. Es entstand eine Art Pattsituation. Die Teilnehmer_innen der Aktion konnten zwar das Gebäude nicht frei betreten, da sie selbst in Ketten und die Polizei davorstanden, aber die Polizei auch nicht den Eingang einnehmen. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich. Einige Kühe trieben andere über den Platz, läuteten Glocken oder muhten einfach vor sich hin. Eine Vokü wurde aufgebaut und ein Soundsystem machte Musik.

Die Bullen zogen sich nach einer Weile zurück, worauf sich die Ketten auflösten und einige Kühe wieder das Gebäude betraten. Direkt darauf erfolgte ein Überaschungsangriff der Polizei in Richtung des Eingangs. Leute, die sich in den Weg stellten, wurden niedergeknüppelt und mit Pfefferspray angegriffen. Es gab mehrere Verletzte, eine Person mußte wegen einer blutenden Wunde am Kopf im Krankenhaus behandelt werden. In einem Fall wurde mit dem Griff des Tonfas voraus in die Menge geprügelt, was wegen der schweren Verletzungsgefahr einen Straftatbestand darstellt. Der Angriff der Bullen war heftig und die Stimmung vor Ort entsprechend geladen.

In der Folge wurde eine Veranstaltung im Rahmen des Kongresses, die fünf Minuten Terrine, vor das Gebäude verlegt. Internationale Gäste des Kongresses aus Südafrika, Venezuela und Ägypten protestierten gegen die Brutalität der Einsatzkräfte und taten anschließend ihre Solidarität in Redebeiträgen kund:"Shame on the police who beats people who ask for their rights." Die Situation entspannte sich wieder und ein Soundsystem regte die Leute zum Tanzen an, was zum Leidwesen der eingesetzten Beamten vor deren Nasen passierte. Um das Real Gebäude dichtzuhalten, wurde schließlich eine Wanne vor dem Loch im Zaun geparkt, während sich einige anwesende Bullen zwischen Wanne und tanzende Kühe quetschten.

Der Kongress geht heute u.a. weiter mit Workshops zu Hardt/Negri und einem internationalen Vernetzungstreffen zu Recht auf Stadt Kämpfen in der Flora, zu Kämpfen um Wohnraum und einer Veranstaltung im Gängeviertel zur aktuellen Praxis und unterschiedlichen Konzepten von Hausbesetzungen mit internationaler Beteiligung.

Das weitere Programm:  http://kongress.rechtaufstadt.net/programm/
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Ergänzungen

bilder

REAL 04.06.2011 - 14:57
Die Kühe vor dem Real.

Fotos gestern

die 11 04.06.2011 - 15:00
mit Pfeferspray und Tonfas gegen Kuh-Aktion.

Video

Muh 04.06.2011 - 22:19

"BRD - BULLENSTAAT! WIR HABEN DICH ZUM MUHEN SATT!"

Ein erstes Video von der Aktion an der alten Rindermarkthalle ist nun online. Weitere Videoberichte, die auch den brutalen Bulleneinsatz zeigen und dokumentiert haben, werden sicherlich folgen.
Link:  http://www.youtube.com/watch?v=hjztBeRgREg

Almauftrieb vorm Real

Kuh 2.0 05.06.2011 - 11:45
Am Freitag abend fand am Neuen Kamp eine künstlerische Intervention im öffentlichen Raum statt. Mehrere hundert AktivistInnen, AnwohnerInnen, HausbesichtigungseinladerInnen und Wohnungssuchende machten sich auf den Weg zum Ex-Real-Areal. Im Rahmen der Almauftrieb-Performance war auch – passend zur Örtlichkeit – eine große Anzahl von „KuhistInnen“(Kuh-AktivistInnen“) vor Ort. Hier der Text vom verteilten Flyer vor Ort:
 http://centrosociale.breitaufgestellt.de/__oneclick_uploads/2011/06/almauftrieb-vorm-real.pdf

PM: Almauftrieb am Rindermarkt

Kuhistin 05.06.2011 - 16:46
Almauftrieb am Rindermarkt

Am Freitag, den 3. Juni 2011, abends gegen 20:30 Uhr fand am Neuen Kamp eine künstlerische Intervention im öffentlichen Raum statt. Mehrere hundert AktivistInnen, AnwohnerInnen, HausbesichtigungseinladerInnen und Wohnungssuchende machten sich auf den Weg zum Ex-Real-Areal. Im Rahmen der Almauftrieb-Performance war auch – passend zur Örtlichkeit – eine große Anzahl von „KuhistInnen“(Kuh-AktivistInnen“) vor Ort.

Während des Aufenthalts der Herde am Haupteingang der Rindermarkthalle öffnete sich dieser zur freudigen Überraschung aller anwesenden Kühe.
Eine anwesende Kuhistin („Kuh-AktivistIn“): „Ich finde es richtig und wichtig, dass solche Orte von den Menschen, die hier leben, beplant und genutzt werden – und nicht von meistbietenden Immobilienverwertern und ihnen hörigen Politikern.“

Wie zu erwarten wurden die Bullen durch die große, muhende Kuh-Herde magisch-hypnotisch angezogen. Den klugen Kühen gelang es – unter anderem durch die Bildung von Kuhketten – längere Zeit den gänzlich offenen Eingang zum Gebäude zu nutzen. Diverse Kuhgruppen nutzten die offenen Türen zur Hausbesichtigung.

Da die Bullen längere Zeit anscheinend den Kühen ihr Recht auf Rindermarkt gewährten, herrschte vor Ort auf Seiten der Kühe eine entspannte Stimmung. Vor Ort gab es Essen und Getränke,Informationen und Musik – SpaziergängerInnen und AnwohnerInnen gesellten sich dazu.

Einen scheinbaren, kurzen Rückzug nutzten die Bullen um Anlauf zu nehmen und – ohne irgendeine Ankündigung – in die Menge vor dem Eingang zu rennen. Nach einem wahllosen, massiven Pfefferspray-Einsatz folgten Schlagstock-Attacken auf die Köpfe der sich bereits
zurückziehenden Anwesenden. Durch diesen maßlosen Einsatz kam es zu diversen Verletzungen, die zum Teil notärztlich behandelt werden mussten.

Eine Anwohnerin: “Ich finde es skandalös, dass die Hamburger Polizei ein leer stehendes städtisches Gebäude mit Knüppeln und Pfefferspray gegen interessierte Menschen, die möchten, dass das Gebäude im Sinne der hier lebenden Menschen genutzt wird, verteidigt.“

Die anwesenden KuhistInnen werteten die temporäre Belebung des Areals als großen Erfolg und feierten ausgelassen bis in die späten Abendstunden vor den immer noch anwesenden Bullen, die sich längere Zeit abmühten, dass Gebäude zu sichern.

Eine Kuh zum Abschluss der Aktion: „Eine Kuh macht Muh – viele Kühe machen Mühe. Heute ist nicht alle Tage – wir kommen wieder, keine Frage!“

a

a 05.06.2011 - 19:14
ich war auch dabei und finde, dass die aktion nicht wirklich als erfolg gewertet werden kann. ich stand mit meiner bezugsgruppe in der ersten reihe und musste mich von extrem brutalen cops rumschubsen, schlagen und besprühen lassen,während die menschen, die laut organisatorInnen ins gebäude gehen sollten, nach wenigen minuten einfach wieder rauskamen und nichts kommunnizierten. außerdem entstand für mich der eindruck, dass viele aktionsteilnehmerInnen nicht darüber nachgedacht hatten, was sie gegen die cops tun würden, sodass mensch sich aus den eigenen reihen sprüche wie "wir sind nicht hier, um uns mit den bullen zu prügeln" anhören musste, nur weil wir das herumschubsen durch die cops nicht ganz wiederstandslos hinnehmen wollten. auch das verhalten derer, die sich nicht innerhalb der ketten befanden, erschien mir teilweise unsolidarisch, so wurde auf das eintreffen der cops kaum oder gar nicht reagiert, sodass wir problemlos gekesselt werden konnten und die menge von ca. 250 leuten, die nicht in den ketten waren, quasi unnötig hinter den cos standen.
eigentich wäre die aktion echt toll gewesen, und ich hatte mich auch schon drauf gefreut, aber so wie das gelaufen ist, gehts echt nicht.
fürs nächste mal sollte mensch sich vorher überlegen, wie genau sich gegenüber den cops verhalten wird, und sollte dies auch kommunizieren, ansonsten überleg ich mir zweimal ob ich mich für so was verprügeln lass.

@a

b 06.06.2011 - 14:01
Von einem Erfolg bei der temporären Realbesetzung zu sprechen finde ich auch schwierig, wobei die Choreographie der Aktion selber sehr gut und erfolgreich war. Der erste Angriff der Cops konnte mittels Ketten trotz Pfeffer und Schlägen noch abgewehrt werden. Erst als sich diese auflösten setzten die Bullen zum für sie erfolgreichen Angriff mit vielen Verletzten auf unserer Seite an. Insofern war das Konzept richtig aber es hat schließlich an der Verbindlichkeit gefehlt dies längere Zeit aufrechtzuerhalten.

Im übrigen wurde sich mit den Cops durchaus auch handfest auseinandergesetzt. Was bleibt einer_m auch anders übrig?! Aber klar ist doch wohl das wir eine solche Konfontation als Rangelei immer verlieren werden, weil die Bullen besser geschützt und bewaffnet sind und irgendwann eben draufkloppen. Es geht also mehr darum mit vielen in Ketten stehen zu bleiben, bzw solche schnell zu bilden und Selbstschutz zu organisieren um deren Angriff abzuwehren, als sich individuelle Boxkämpfe unter ungleichen Vorraussetzungen zu liefern.

Nach dem Angriff ging die Moderation mir allerdings ebenfalls zu schnell zum allgemeinen Programm über ohne die Situation und die Verletzten ausreichend zu berichten und den Polizeieinsatz als Manifestation mit Nachdruck zu skandalisieren. Kommunikationstechnisch war das nicht das gelbe vom Ei. Da hätte mensch ruhig noch mal ein paar Minuten Empörung zum Ausdruck bringen können und sollen. Die späteren Reaktionen der Internationalen fand ich da z.B. wesentlich solidarischer und kraftvoller...

Im Fazit trotzdem eine gute Aktion!

Radiobericht vom FSK (93,0)

... 06.06.2011 - 19:17

Freies Sender Kombinat (FSK, 93,0) mit einem Radiobericht zu der Polizeigewalt am vergangenen Freitag:
"Mit der Bereitschaft zum Töten: Hamburgs Polizei setzt auch unter dem SPD Senat eine Serie von Überfällen fort" ( http://www.freie-radios.net/41392)

Woran misst sich Erfolg?

Genosse Schwertfisch 06.06.2011 - 23:24
Ich muss a zustimmen. Unsere Gruppe hat ebenfalls in der 1. Reihe die Köpfe für Leute hingehalten, die sich zuerst durch "Haltet doch auch die andere Wange hin"-Kommentare beliebt machten, und dann auch noch ohne ein Wort zu sagen verschwanden, so dass Menschen plötzlich ziemlich alleine vor den Cops standen und anschließend in REAL rein und wieder aus REAL raus geprügelt wurden. Toll.

Nur für all die, die es immer noch nicht verstanden haben: Wenn wir kollektiv eine Straftat begehen, eine politische noch dazu, wird die heranrückende Bereitschaftspolizei nicht erst einen Runden Tisch einberufen. Und sie wird auch nicht ohne Gewalt vorgehen, wenn wir friedlich sind. So schön diese Kunstperformance auch sein mag, vielleicht besonders weil sie so "friedlich", "bunt", kreativ und anschlussfähig erscheint, hatte das Konzept eindeutige Schwächen.

So blöd es auch klingen mag, an 50 vermummte Dunkelbunte mit dicken Fahnen in der Hand hätten sich die Cops nicht so schnell rangetraut. Und ohne Menschen ausschließen zu wollen: Wer nicht bereit ist auch mal etwas von den Pigs auf die Fresse zu kriegen, sollte sich nicht nach ganz vorne stellen bzw. wenn man es tut nicht andere davon abhalten sich zu verteidigen.

Allgemein hätte das alles viel einfacher gehen können, wenn Menschen sich ein paar Gedanken über Solidarität in ihren eigenen Grenzen gemacht hätten.

Im Übrigen: Weiß jemand etwas über das neue Pfefferspray der Bullen? Das war ja megaätzend.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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War am Freitagabend! — Wenn es geht bitte ändern

Super Video!! — pfft

Kuhkostüme — ...

@Genosse Schwertfisch — auch mitgeschubst