Wie funktioniert die spanische Revolution

todos somos sol 30.05.2011 16:54 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Die gegenwaertige Revolte in Spanien ist wahrscheinlich eine der groessten horizontalen Bewegungen in der juengeren europaeischen Geschichte. Sie laesst sich nicht allein anhand ihrer Ziele und Absichtserklaerungen verstehen, das eigentlich beeindruckende an dieser Bewegung ist ihre Praxis. In Madrid sind gerade tausende von Menschen dabei sich Basisdemokratisch zu Organisieren.
Das ist grund genug sich ihre Methoden genauer anzuschauen.
Wie Funktioniert die Spanische revolution ?

Die gegenwaertige Revolte in Spanien ist wahrscheinlich eine der groessten horizontalen Bewegungen in der juengeren europaeischen Geschichte. Sie laesst sich nicht allein anhand ihrer Ziele und Absichtserklaerungen verstehen, das eigentlich beeindruckende an dieser Bewegung ist ihre Praxis. In Madrid sind gerade tausende von Menschen dabei sich Basisdemokratisch zu Organisieren.
Das ist grund genug sich ihre Methoden genauer anzuschauen.

Zunaechst einmal: keine Partei oder formal existierende politische Gruppierung hat auf das Camp an der Puerta del Sol einen offiziellen Einfluss. Nach einer Ideologie gefragt bezeichnen sich die Menschen als Versammlungs-isten. Sie eint die Wut auf einige Grundprobleme der Gesellschaft. Ihre Analysen dieser Probleme und ihre Loesungsansaetze sind jedoch vielfaeltig. Dennoch gelingt es all diese unterschiedlichen Menschen basisdemokratisch und nach dem Konsensprinzip zu Organisieren.

Die Organisationsstruktur des Camps in Madrid gliedert sich in zwei Ebenen, die sich hauptsaechlich anhand der groesse der jeweiligen Gremien unterscheiden. Einerseits gibt es Arbeitsgruppen und Komissionen, die sich mit spezifischen Problemen befassen. Waehrend sich die Kommissionen mit Problemen auseinandersetzen, die das Camp direkt betreffen, also es organisieren und am laufen halten, wird in den Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen gearbeitet die nicht unbedingt direkt mit dem Camp zu tun haben.
Zusaetzlich zu dieser Organisation in kleinen themenbezogenen Gruppen gibt es eine taegliche Vollversammlung.
Die Kommissionen, die Arbeitsgruppen und die Vollversammlung sind partizipativ organisiert und stehen jedem offen. In den Plena der jeweiligen AG´s und Komission, sowie der Vollversammlung werden nach dem Konsensprinzip Entscheidungen getroffen. Alle Plena sind oeffentlich Zugaenglich. Die Entscheidungen der AG´s und Komissionen werden zunaechst als Arbeitsrichtlinien betrachtet, es koennen alle Entscheidungen einer AG oder Kommission in der Vollversammlung erneut diskutiert und abgelehnt oder angenommen werden. Erst wenn sie in der Vollversammlung im Konsens angenommen wird gilt eine Entscheidung einer AG oder Komission als ratifiziert.

Man muss sich allerdings nicht Teil einer Arbeitsgruppe oder einer Komission sein, um Vorschlaege die ihre Arbeit betreffen machen zu koennen. Dies ist insbesondere fuer die Arbeitsgruppe Politik bedeutsam, da sich ihre Untergruppen damit beschaeftigen zu verschiedenen politischen Problemen Konsensfaehige Loesungen zu formulieren. Fuer jede AG bzw. Komission gibt es einen Briefkasten, in den jeder Vorschlaege die die Arbeit dieses Gremium betreffen einwerfen kann. Diese Vorschlaege werden dann im Gruppenplenum diskutiert. Vorschlaege die in den Plena im Konsens angenommen werden, werden der Vollversammlung zur debatte vorgelegt. Dies ist der Weg auf dem ueblicherweise Vorschlaege in die Vollversammlung eingebracht werden, so wird dafuer gesorgt das die Debatte in der Vollversammlung trotz weit ueber tausend Teilnehmern Strukturiert bleibt.

Seit gestern breitet sich diese Form der Organisation auf die Viertel von Madrid und die umliegenden Gemeinden aus. In den Vierteln finden Basisdemokratische Versammlungen statt in denen die Menschen ueber ihre Probleme diskutieren und versuchen gemeinsam Loesungen zu finden. Diese Versammlungen sind vom Protestcamp unabhaengig organisiert, duerften aber in ihrer Organisationsstruktur der des Camps aehneln. Diese Versammlungen entsenden Delegierte in ein Koordinierungsplenum, das woechentlich an der Puerta del Sol stattfinden soll. Beim ersten Deli Plenum gestern Nachmittag waren bereits 121 Delegierte anwesend. Das Koordinierungsplenum dient nur dem Informartionsaustausch, Entscheidungen werden nicht getroffen. Allerdings koennen Vorschlaege aus dem Koordinierungsplenum von den Delegierten zurueck in ihre Stadtteilversammlungen getragen und dort zur diskussion vorgelegt werden. Die Ergebnisse dieser Diskussionen werden dann beim naechsten Koordinierungsplenum vorgelegt.
So kann, falls notwendig, die ganze Stadt gemeinsam Entscheidungen treffen.

Das sich in Madrid tausende Menschen nach dem Basisdemokratisch organisieren, muss uns als Inspiration dienen um uns in Zukunft auch in unseren eigenen Bezuegen massenhaft und Basisdemokratisch zu Organisieren. Wir brauchen keine Politiker um unser Zusammenleben zu Regeln, wir muessen aufhoeren den luegen der politischen und finanziellen Eliten zu glauben, die uns einreden wollen, das wir sie brauchen.

Que se vayan todos!!! - Bis sie alle gehen !!!
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Ergänzungen

I dont need to choose a side

baal-re-mesh.com 30.05.2011 - 18:31
"""Wie Funktioniert die Spanische Revolution? (...) Die gegenwaertige Revolte in Spanien (...)"""

Um was geht es denn nun? Revolte oder Revolution? Wisst Ihr was Ihr wollt und über was Ihr redet?

Eine Protestbewegung, die sich gegen Stellvertretungspolitik richtet, dann aber "Delegierte" aufstellt, ist irgendwie merkwürdig? Warum wird eine Stellvertretung aufgebaut, wenn sich gegen Stellvertretung eingesetzt wird?

Dann zum sogenannten "Konsens": Ein Konsens ist kein Kompromiss. Was ich aus der politischen Praxis, d.h. in basisdemokratischen Bewegungen, kenne, sind aber nur Kompromisse, die dann später zur Auflösung von Aktivität und zu weiteren Konflikten führen. Entweder es gibt einen Konsens oder es gibt keinen. Und bei einer so grossen heterogenen Menschenmenge kann es eben kein Konsens geben. Wichtiger ist es in meinen Augen, sich auf die gemeinsamen Nenner zu konzentrieren. Alle brauchen was zu essen, alle brauchen eine Gesundheitsversorgung.

Wenn das eine horizontale Bewegung ist, dann aber "die Bewegung des mittleren Horizonts". Wie kann sich ein ein schwarzafrikanischer Migrant an den Vollversammlungen beteiligen, wenn er kein spanisch kann? Woher erfährt die Obdachlose, die keinen Computer bedienen kann, wenn über Facebook zur Platzbesetzung aufgerufen wird?

Trotzdem ist der Bericht - obwohl propagandistisch - gut. Denn er nähert sich mehr als ein Schweigen an die Verhältnisse an und thematisiert das Geschehen. Ich wünsche mir mehr Berichte über spanische Proteste und mehr Aktivitäten in Deutschland dazu.


....

fulti 31.05.2011 - 10:37
Die "Deligierten" (genauso wie Moderatoren) sind unumgaenglich, da sich auf dem Plaza del Sol nicht alle 24.000 Madriter, die am Samstag in den Stadtteilversammlungen teilgenommen haben, zur Vollversammlung einfinden koennen.
Die partizipatorische Basisdemokratie, deren Aufbau hier versucht wird, ist so horizontal und herrschaftsfrei wie eine politschen Organisationsstruktur, die fuer eine Millionenstadt und womoeglich ein ganzes Land funktionieren soll, sein kann.
Auf den Vollversammlungen hat jeder ein Recht darauf Widerspruch gegen ein Konsensvorschlag einzulegen und vor allen seine Meinung zu begruenden. Da hier Menschen mit politischem Bewusstsein versammelt sind, die auch ueber ihren ideologischen Tellerrand kucken koennen, und einen gemeinsamen Nenner haben: naemlich die Einsicht das unsere Gesellschaft grundlegend und sofort umgestaltet werden muss, wird ein Konsens (oft nach langer Diskussion und Umformulierungen) meistens gefunden.
Es gibt hier eine Arbeitsgruppe die sich speziell fuer die Rechte von Migranten einsetzt und auch in einigen Stadtteilversammlungen hat die mangelnde Anwesenheit von Migranten dazu gefuehrt, dass sich Arbeitsgruppen der "Information" darum bemuehen wollen Migranten in ihrem Viertel zur Teilnahme zu bewegen.
Ort und Zeitpunkt der Stadtteilversammlungen werden in jedem Viertel angeschlagen - man findet also auch ohne Internet dazu.
Ich finds bewundernswert, was hier in zwei Wochen auf die Beine gestellt worden ist.

Erg.

nombre(s) 31.05.2011 - 19:08
Repress in Frankreich gegen Camp in Unidad mit Espana

 http://www.jungewelt.de/2011/05-31/038.php

(Y que? wie wärs denn mal Leute mit "Revolution Real"
wollen wir nicht auch mal....vorm Reichstag oder so...
alertaaaaa!!!!!!!!!!!!!!!

„Hasta la vista Sindicalista?“

Info: 01.06.2011 - 21:00
Do. 23.06. [19.00 Uhr]
Info: „Hasta la vista Sindicalista?“
Über die aktuelle Protestbewegung in Spanien und basisgewerkschaftliche
Auseinandersetzungen informiert Miguel Sanz, Mitglied der SAT Sevilla und Teil
der Bewegung „Echte Demokratie Jetzt!“. Anschließend Diskussion.

Ja,so stelle ich mir echte Baisdemokratie vor

Martin Bartonitz 02.06.2011 - 13:51
Ich bin mir mittlerweile auch sicher, dass eine Vertretung durch Parteien nur zu dem von uns allen leicht zu erkennenden Sumpf von Machterhalt und Korruption führt.
Wir wählen nur alle paar Jahre Jemanden, der uns etwas versprochen hat, wozu er uns erst verführen musste (Wahlkampf), um dann anschlißend sein Wort nicht zu halten und lieber für die Politikerfrlüsterer (Lobbyisten) zu arbeiten, womöglich, weil man ein komplexes Thema selbst nicht durchdringen kann.
Im Prinzip auch eine Diktatur, nur dass wir wählen dürfen, wer uns in der nächsten Legislaturperionde (ver)führen darf.
Basisdemokratie ist genau das, was in dem Artikel beschreiben wird:
a) die Vorschläge kommen von den kleinen Gruppen (unten) und nicht von Möchtegernregierenden (oben)
b) die Vorschläge werden im Konsens erarbeitet. Jeder wird abgeholt, seine Meinung respektiert. Das dauer lange, hat aber den Vorteil, dass hinterher nicht mehr geschrien wird, "mich hat aber keiner gefragt"
c) Jeder Bürger ist beteiligt und trägt damit direkte (Mit)Verantwortung
d) Die Delegierten sind nicht Entscheidungsbefugt sonder tragen nur die getroffenen Entscheidungen zur Abstimmung eine Ebene weiter nach oben. Die Basis entscheidet!
Ich habe gestern Quellen gefunden, dass in den Jahren 1910 bis 1935 viele solche Organisationen existierten, diese aber leider im Zuge der Faschistischen Machtergreifung aufgelöst wurden. Es hatte damals gut funktioniert, warum sollte das heute nicht noch besser funktionieren?

Verantsaltung in Berlin am 4.6.

antifa.de 03.06.2011 - 11:47
Die Ereignisse haben Spanien völlig überrascht. Zumindest die politische Eliten und bürgerlichen Medien sowie die großen Gewerkschaftsverbände. Doch eigentlich war nur der Zeitpunkt überraschend, denn viele Spanierinnen und Spanier stehen ökonomisch mit dem Rücken zur Wand.

Zum Thema "SpanishRevolution" mit Erfahrungsberichten der besetzt gehaltenen Plätze in Madrid und Barcelona findet am Samstag, 04.06.2011 in Berlin eine Infoverantaltung u.a. mit einer Vertreterin von Democracia Real YA! statt:

Samstag, 4.6. | 19 Uhr | Haus der Demokratie | Greifswalder Str. 4

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Hoch, hoch — Chewbacca

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