Gutscheinboykott in Hennigsdorf (bei Berlin)

u.r.i. - united against racism and isolation 29.05.2011 13:05 Themen: Antirassismus Kultur Repression Soziale Kämpfe
Für den 1.6.2011 planen die Bewohner_innen des Flüchtlingsheims Stolpe Süd einen Boykott der ihnen monatlich ausgezahlten Wertgutscheine. Das Sozialamt wurde bereits postalisch informiert, dass es die Leistungen für Juni als Bargeld auszahlen soll und die Erniedrigung und Ausgrenzung durch Gutscheine nicht weiter hingenommen werden.
Um diesen Boykott zu unterstützen und unserem Protest gegen das Gutscheinsystem Ausdruck zu verleihen, wird es am 1.6., ab 7 Uhr eine Kundgebung vor dem Flüchtlingslager Stolpe Süd in Hennigsdorf geben. An diesem Tag sollen ab ca. 9 Uhr die Gutscheine für Juni verteilt werden. Treffpunkt für Unterstützer_innen ist 8 Uhr S-Bahnhof Hennigsdorf (Weg). Des Weiteren wird am 3.6. um 15 Uhr eine Kundgebung auf dem Postplatz direkt beim S-Bahnhof in Hennigsdorf stattfinden.

Weiter Aktionen für den Zeitraum des Boykotts sind in Planung. Die Entscheidung darüber, ob die Versorgung von Flüchtlingen mit Bargeld, Gutscheinen oder anderen Sachleistungen stattfindet, liegt beim Landkreis Oberhavel. In zwei Drittel (12 von 18) der Landkreise in Brandenburg wurde schon auf Geldleistungen umgestellt. Flächendeckend ebenso in den Bundesländern Hamburg, Berlin, Bremen, Hessen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorp. und Rh-Pfalz. Mit wenigen Ausnahmen auch in NRW und Schleswig-H. und Sachsen (12 von 13 Kreisen). Dass der Landkreis Oberhavel die Umstellung auf eine Bargeldauszahlung verweigert, verkennt die Not der Flüchtlinge und die Nachteile von Gutscheinen.

Gründe gegen die Gutscheine gibt es viele. Flüchtlinge werden dadurch entmündigt. Sie können über ihr Geld nicht frei entscheiden. Zum Beispiel sind Bücher, Kinderspielzeug, Medikamente, Telefonkarten, Briefmarken, Eintritte in kulturelle Einrichtungen oder Sportstätten mit Gutscheinen nicht bezahlbar. Auch Fahrtkosten können mit Gutscheinen nicht bezahlt werden, was die (oft willkürlich einberufenen) Termine beim weit entfernten Sozialamt zu einem enormen Kostenpunkt macht (bei nur 40 Euro „Taschengeld“!). Sparen wird durch das Verfallsdatum der Gutscheine verhindert. Restbeträge (Rückgeld) werden nur bis zu 10% des Einkaufs erstattet und selbst das wird von einigen Geschäften in Hennigsdorf verweigert. Die Flüchtlinge müssen also in der Regel auf einen Teil des Wertes verzichten. All diese Gründe zwingen die Flüchtlinge zu versuchen, möglichst viele ihrer Gutscheine in Bargeld einzutauschen. Die Folge ist ein inoffizieller Markt für Gutscheine, bei dem die Flüchtlinge oft um einen Teil ihrer ohnehin extrem geringen Lebensgrundlage gebracht werden.

Dieser Umstand trifft Familien mit Kindern am härtesten, da gerade diese dem Druck ausgesetzt sind, neben der Lebenserhaltung auch die kindliche Entwicklung mit Spielzeug und Unternehmungen fördern zu müssen. Denn ist dies über die gesamte Dauer der Versorgung mit Gutscheinen von drei Jahren nicht möglich, sind die Entwicklungsschäden durch die fehlenden Betätigungsmöglichkeiten (in Kombination mit der innerfamiliären Stresssituation durch unverhältnismäßige Armut bei nur knapp 70% des Hartz-IV Satzes) kaum mehr zu beheben.

Darüber hinaus fördern die Gutscheine die Stigmatisierung und Ausgrenzung der Flüchtlinge. An der Kasse müssen die Flüchtlinge jedes Mal zeigen, dass sie fremd sind und von Sozialleistungen leben. Dies fördert Tag für Tag das rassistische Vorurteil „Die wollen nicht arbeiten“. Das faktische Arbeits- und Ausbildungsverbot für Flüchtlinge ohne gesicherten Aufenthaltsstatus wird hierbei jedoch stets unterschlagen.

Die Versorgung der Flüchtlinge, die sich an dem Boykott beteiligen, soll über private Spenden, sowie durch Spenden von Organisationen gesichert werden. Zu diesem Zweck ist ein Spendenkonto beim Flüchtlingsrat Brandenburg eingerichtet: Förderverein des Brandenburgischen Flüchtlingsrats e.V.

Mittelbrandenburgische Sparkasse Potsdam
Konto Nr.: 350 1010 000
BLZ: 160 500 00
KENNWORT: Hennigsdorf
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Ergänzungen

Solidarität!

antifa 29.05.2011 - 16:21
Antirassistische Aktionstage:
Zeitplan für die ABOLISH-Aktionstage und Flüchtlingskonferenz vom 9. bis 11. Juni 2011:

Donnerstag, 9. Juni:

* Anreise
* Pressekonferenz mit Vertreter_innen der Flüchtlingskämpfe
* Dezentrale Aktionen gegen Verfolgung, Isolation und Diskriminierung von Flüchtlingen

Freitag, 10. Juni:

* Flüchtlingskonferenz: Die Isolation aus den Lagern heraus durchbrechen!
* Später am Nachmittag: Vernetzungsdiskussion zur Fortsetzung der ABOLISH-Kampagne

Samstag:

* 13 Uhr: Demo
* Auftakt Pariser Platz / Brandenburger Tor, vorbei am Bundesministerium für Arbeit und Soziales (verantwortlich für das „Asylbewerberleistungsgesetz“!)

 http://kampagne-abolish.info/2011/05/11/9-bis-11-juni-in-berlin-abolish-%E2%80%93-aktionstage-und-fluchtlingskonferenz-diskriminierende-gesetze-gegen-fluchtlinge-abschaffen/

FICHT RACISM!
Solidarität muss praktisch werden:

Unterstützt den Streik der Flüchtlinge in Henningsdorf!
Beteiligt euch am 9.6. mit Dezentrale Aktionen gegen Verfolgung, Isolation und Diskriminierung von Flüchtlingen an den Antirassistischen Aktionstagen!
Kommt auf die Demo am 11.9. und unterstützt die Kämpfe der Flüchtlinge!

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Hin da! — Antifa Berlin