Vorbehalte gegen Oberstaatsanwalt bestätigt

Initiative in Gedenken an Oury Jalloh 17.05.2011 15:48 Themen: Antirassismus Repression
In den Prozess gegen den Polizeibeamten Andreas Schubert im Fall Oury Jalloh kommt mehr und mehr Bewegung.Im Rahmen der vergangenen Verhandlungstage hatten zwei beachtliche Aspekte zu einer Art Wende im Revisionsverfahren vor dem Magdeburger Landgericht beigetragen. Nun versucht der Oberstaatsanwalt Christian Preissner, die daraus resultierenden neuen Entwicklungen auf lächerlichste Weise zu torpedieren. Am 16. Verhandlungstag zeigte Preissner einmal mehr sein wahres Gesicht.
Nachdem der Zeuge Torsten Bock in einer durchaus glaubwürdigen Aussage dargelegt hatte, dass die Polizeibeamten März und Scheibe - entgegen ihrer eigenen Angaben - kurz bevor Oury Jalloh verbrannte, noch einmal in der Zelle waren, deutet alles darauf hin, dass die beiden etwas mit dem Tod des Afrikaners zu tun haben könnten.

Wie sich nun zeigte, denkt der Oberstaatsanwalt da jedoch ganz anders. Er forderte in einem ersten Beweisantrag, die Beamten März und Scheibe sowie eventuell den Zeugen Thippe erneut zu laden. In einer längeren Rede erklärte er, dass sich Torsten Bock getäuscht haben muss, als er davon sprach, gegen Mittag noch einmal in der Zelle gewesen zu sein. „Ich mache dem Zeugen Bock keinen Vorwurf, das kann ja auch nur ein Irrtum gewesen sein.“, äußerte sich Preissner und unterstellte dem Zeugen Bock „unbeabsichtigte Erinnerungsfehler“. Im Rahmen seines Beweisantrages nimmt er die Aussagen von März und Scheibe jedoch vorweg: Preissner scheint bereits heute schon sicher zu wissen,dass die Beamten gegen Bock aussagen werden.

Daraufhin stellte die Nebenklagevertretung erneut die Frage nach dem Verbleib des Fahrtenbuches von März und Scheibe. Dieses könnte darüber Aufschluss geben, ob die beiden Beamten nach der Ingewahrsamnahme mit dem Funkstreifenwagen noch einmal im Stadtgebiet unterwegs waren oder nicht. Das Fahrtenbuch, welches sich eigentlich in Besitz des Oberstaatsanwaltes befinden müsste, ist nun allerdings nicht mehr aufzufinden.

Das wäre nicht das erste Beweismittel, das im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen einfach verschwindet. Neben den Videoaufzeichnungen des Gewahrsambereiches, auf welchen man alle Personenbewegungen am Vormittag des 07. Januar 2005 hätte sehen können, und dem zweiten Paar Handschellen, mit denen Oury Jalloh fixiert worden war, ist damit erneut ein wichtiges Beweisstück verschwunden.

Aber es verschwanden bis jetzt nicht nur Dinge im Fall Oury Jalloh, es tauchten auch Gegenstände auf. So zum Beispiel ein Feuerzeug, welches auf der ersten Asservatenliste nicht notiert war, aber einige Tage später auf einer zweiten Liste vermerkt wurde.

Fazit: Video, Handschellen und Fahrtenbuch verschwinden – ein Feuerzeug taucht auf!

Als Reaktion auf die Revierbesichtigung in Dessau, stellte Christian Preissner darüber hinaus einen zweiten Beweisantrag. Dieser stößt ebenfalls auf völliges Unverständnis - und diesmal nicht nur bei den Prozessbeobachter_innen. Auf die Tatsache hin, dass man mögliche Hilfeschreie von Oury Jalloh aus der Zelle bis in das Zimmer des damaligen Dienstgruppenleiters Andreas Schubert deutlich hätte hören müssen, führte der Oberstaatsanwalt an, dass in den Jahren nach dem Feuertod von Oury Jalloh Baumaßnahmen im Revier erfolgt seien. Um auszuschließen, dass diese möglicherweise die Akustik im ganzen Revier verändert haben, beantragt Preissner nun die Ladung des für den Bau Verantwortlichen als Sachverständigen.

Selbst die Verteidigung hält diesen Beweisantrag anscheinend für völlig schwachsinnig. Infolge der Besichtigung des Dessauer Polizeireviers und dem vor Ort durchgeführten Akustik-Test überraschten die beiden Verteidiger RA Teuchtler und RA Böger bereits zu Beginn des 16. Verhandlungstages mit einer Erklärung:
Die Problematik, ob man nun Hilferufe aus der Zelle 5 bis in den Raum des Dienstgruppenleiters habe hören können oder nicht, spielt für diesen Prozess keine Rolle, äußerte sich Teuchtler. "Es ist nicht erwiesen, dass Oury Jalloh überhaupt geschrien hat, weil kein Zeuge jemals etwas von lauten Hilferufen berichtet hat", begründete er seine Meinung. Sein Kollege Böger fügte hinzu, „dass nicht erwiesen ist, ob ein Leichnam verbrannt ist, oder ein Mensch bei lebendigem Leib.“

Die Richterin wies anschließend darauf hin, dass sich demnächst die zwei entsprechenden Sachverständigen über diese Problematik äußern werden. Woraufhin die Nebenklagevertreterin Gabriele Heinicke in den Raum warf:
„Sie meinen zu der Problematik, ob jemand der verbrennt schreit oder nicht schreit?“

Ausgerechnet die Verteidigung räumt demnach ein, wovon die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh von Anfang an überzeugt war: Oury Jalloh hat nicht geschrien als er verbrannte.
Dafür gibt es nur zwei mögliche Erklärungen: entweder war er bewusstlos geschlagen worden (Nasenbeinbruch)oder bereits tot, als er angezündet wurde. Beide Varianten schließen auf jeden Fall aus, dass er sich selbst angezündet hat.

Es wird offensichtlich eng für Christian Preissner. Aber durch derart abstruse Beweisanträge und verschwindende Beweismittel wird er die Wahrheit nicht länger unter den Teppich kehren können.

Oury Jalloh – Das war Mord!
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Ergänzungen

Video Mahnwache Dessau

boshkash 17.05.2011 - 16:07
Hier gibt es ein Video vom Hauptverhandlungstag in Dessau
mit kurzen Interviews:

 http://www.youtube.com/watch?v=j9Ah9n5tpJM

dritte Möglichkeit

Amöbenreiter 17.05.2011 - 16:20
"Dafür gibt es nur zwei mögliche Erklärungen:(...)"
Nein es gibt noch eine dritte. Er könnte an Rauchvergiftung gestorben sein.
Das passiert eigentlich regelmäßig in solchen Fällen.
Allerdings verstehe ich nicht, warum diese Frage nicht im Rahmen der Obduktion geklärt wurde.


hitzeschock

leroy 17.05.2011 - 18:31
Oury Jalloh ist offiziell an einem Hitzeschock gestorben.
Allerdings bekommt man eine feuerfeste Matratze nicht mit nem popligen
Feuerzeug an und man schreit, wenn man brennt.
Komisch ist der Nasenbeinbruch, der erst bei einer zweiten Obduktion festgestellt wurde,
welche über di eInitiative in Gendenken an Oury Jalloh in Auftrag gegeben wurde.
Es gibt einfach ein haufen ungeklärte Sachen in dieem Prozess!

Äl

Bandi 17.05.2011 - 19:57

Demo

vivien 17.05.2011 - 21:52
Am Donnerstag gibt es nach der Hauptverhandlung eine Demonstration durch Magdeburg!
Ab 16.00 Uhr vor dem Magdeburger Landgericht.