Durchsuchung im Schanzenbuchladen 11.05.

Prof. Dr. Sickalot 11.05.2011 17:22 Themen: Freiräume Kultur Print Repression Soziale Kämpfe
Durchsuchung im Schanzenbuchladen (Hamburg) am 11. Mai 2011

Worum geht’s?

Am 11. Mai 2011 wurden wir aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts Hamburg durch Beamte des LKA durchsucht. Ziel war es, die Ausgabe Nr. 161 der ZECK zu beschlagnahmen. Aufhänger war laut Beschluss ein Artikel auf Seite 10, der angeblich zu rechtswidrigen Taten aufruft. Dem Beschluss lässt sich entnehmen, dass wegen dieses Artikels ein Verfahren wegen Aufrufes zu Straftaten gegen Unbekannt läuft.
Bei der Durchsuchung konnte die Polizei kein Exemplar der Zeck auffinden und hat auch sonst nichts beschlagnahmt.

„Gesicherte Erkenntnisse“

Die Durchsuchung wird damit gerechtfertigt, dass die polizeilichen Ermittlungen angeblich ergeben haben sollen, dass im Schanzenbuchladen mehrere Ausgaben der ZECK kostenlos zur Mitnahme ausgelegen haben sollen.
Nach Ansicht der Repressionsorgane hat die Ausgabe 161 der ZECK einen derartigen Inhalt, dass angeblich jede vorsätzliche Verbreitung in Kenntnis des Inhaltes den Tatbestand der Aufforderung zu Straftaten erfülle.

Berlin legt vor und Hamburg geht mit

Wer die Ereignisse der letzten Monate in Berlin verfolgt hat, kann sich vorstellen, worauf das Ganze auch in Hamburg unter Umständen hinaus laufen kann. Nach mehreren Razzien in linken Buch- und Infoläden wurde in Berlin versucht, die Geschäftsführer_Innen persönlich für die Inhalte beschlagnahmter Zeitungen haftbar zu machen und somit dem Staat als Kontrollinstanz vor zu schalten. Der erste Prozess wurde unbegründet eingestellt, andere Verfahren befinden sich momentan in der Schwebe. Dieser Einschüchterungsversuch von Seiten der Berliner Staatsanwaltschaft kann also vorerst als gescheitert angesehen werden.

Ob die Staatsanwaltschaft Hamburg einen ähnlichen Weg einschlagen wird, bleibt abzuwarten.
Fest steht: Auch wir lassen uns weder einschüchtern noch kriminalisieren.

Wir haben über unsere Anwältin Britta Eder Beschwerde gegen die Durchsuchung eingelegt.

Das Kollektiv der Buchhandlung im Schanzenviertel

Hamburg, 11. Mai 2011
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Ergänzungen

Bullen werden frecher!

xxx 11.05.2011 - 18:14
Das ist Teil der Bullenstrategie die Berliner Verhältnisse und Arbeitsweisen der Polizei nach Hamburg zu importieren. Jahrelang war Göttingen quasi "Experimentierfeld" der Bullen, nun ist es Berlin. Bullen aus ganz Europa und von sonst wo werden nach Berlin geschichkt um dort zu lernen. Vor allem das Berliner LKA dürfte für die Hamburger sehr interessant sein. Seit der IMK-Demo vor ein paar Monaten lässt sich sehr deutlich beobachten, dass hier eine andere Gangart bei Demonstrationen eingelegt wird. Wanderkessel in übelster Form (was die Bullen in Berlin ja nicht machen) ist, wie es die revolutionäre 1. Mai Demo dieses Jahr bestätigt hat, das Zukunftsszenario, das die Polizei gern hätte. Ebenso wird seit neuem intensiver mit Zivis gearbeitet. Auf Demos bekommen öfter einzelne Gruppenzusammenhänge ihre Privat-Zivis zugewiesen, am 1. Mai gab es so etwas wie das Berliner PMS. Einige Zeit bevor die Demo losging, standen dort ein paar Hanseln, tlw. unverhohlen mit Knopf im Ohr, die wirklich aussahen wie PMSler. Diese Leute sind da um Gesichter zu checken und zu schauen mit wem ihre Pappenheimer rumhängen usw. Das führt in seiner krassesten Auswirkung (siehe Berlin) dazu, dass PMSler Festnahmen anordnen, wenn sich bestimmte ihnen bekannte Gesichter an einem Ort zusammenrotten. Sprich: 7 Leute, die sie als Gewaltpotenzial einordnen stehen nach einer Demo zusammen an einer Strassenecke: zack einkassiert.

Die Idee einfach mal Buchläden zu durchsuchen weil da die Zeck rumliegt, ist auch so eine Geschichte wie sie in Berlin total gerne gemacht wird. Letzten Endes zeigt der Umschwung der Polizeistrategie am deutlichsten die Dichtscheißung der Schanze. Schanzenfest letztes Jahr, die Nächte um den 1. Mai rum dieses Jahr, war die Schanze einfach abgeriegelt wie eine militärische Sperrzone. Was wir hier in Hamburg nicht haben sind solche "politischen" Vorgehensweisen wie in Berlin z.B. das Myfest, um Gewalt mit nichtpolizeilichen Mitteln einzudämmen. Wir haben hier ja auch glücklicherweise keine Linkspartei an der Macht.

Wir sollten uns der neuen Polizeistrategie in Hamburg bewusst werden und entsprechende Konsequenzen ziehen.

Nicht alles Neu

@xxx 11.05.2011 - 19:12
Was Repression angeht muss Hamburg leider nicht nach Berlin schauen. Wanderkessel in übelster Form und inflationäre Wasserwerfereinsätze sind hier doch schon seit schwarzschill bundesweites Vorbild. Einen Wechsel der Polizeistrategie von Deeskalation zu dieser Form der Eskalation gab es bereits nach der radikal Demo 1995. Auch das auftreten der Zivis ist nicht neu. Bei den letzten Schanzenfesten operierten teilweise geschlossene Einheiten als vermummter Mob in der Menge. Anfang der Neunziger die sogenannte E-Schicht welche erst nach internationalen Protesten wegen Gewalt- und Foltervorwürfen aufgelöst und später mit der P-Schicht neu aufgelegt wurde.

Zensur geht weiter - Medien werden zensiert

baal-re-mesh.com 11.05.2011 - 20:36
In Berlin werden auch schon mal ganze Homepages vom Staatsschutz zensiert, d.h. es gibt hier nicht nur Präzensur (der Host schaltet aus Angst vor Repression die Homepage ab), sondern die Staatsgewalt schaltet selbst die Homepages ab. So geschehen mit einigen emanzipatorischen Foren.

Da werden auch Verlage aufgesucht und diese unter Drohungen zu Präzensur veranlasst, nun sogar ganze Bücher zensiert. In Berlin gibt es deswegen in den nächsten Wochen ein Prozess:

Prozess gegen Roland in Berlin
28. Juni 2011 - 11 Uhr 30 - Raum 1104
Amtsgericht Kirchstrasse (!)
Kirchstrasse 6
Nahe S-Bahnhof Bellevue (S7)


Erklärung der Roten Flora zur Durchsuchung

N.N. 12.05.2011 - 17:23
Am Vormittag des 11. Mai 2011 wurde der Schanzenbuchladen durch Beamte des Hamburger LKA mit dem Ziel durchsucht, die vorletzte Ausgabe Nr. 161 der ZECK zu beschlagnahmen. Dem liegen ein Beschluss des Amtsgerichts Hamburg zugrunde, weil in der betreffenden Ausgabe zu Straftaten aufgerufen werden sein soll. In einem Beitrag unter dem Titel "We're not gonna take it...anymore" werden konkrete Aktivitäten gegen u.a. Gentrification und der ökonomischen Verwertung des öffentlichen Raumes und zugleich zur Verteidigung linker Projekte vorgeschlagen. Es werden neben Besetzungsaktionen die farbliche Gestaltung von Objekten, Glasbruch, Buttersäureeinsatz und die thermische Entsorgung von geeigneten Fahrzeugen angeregt. Ziele könnten weiterhin Eigentumswohnungsobjekte, Immobilienfirmen, Maklerbüros, Verantwortliche in Politik und Wirtschaft sein.
Selbstverständlich haben weder das Amtsgericht noch das Hamburger LKA erwartet, mit einer Beschlagnahme von ZECK-Exemplaren irgendwelche Hinweise auf die behaupteten Urheber_innen des Artikels zu erhalten. Wir gehen vielmehr davon aus, dass mit der Durchsuchungsaktion nicht nur linke Medien kriminalisiert werden sollen, sondern zusätzlich auch Orte von Gegenöffentlichkeit wie der kollektiv geführte Buchladen im Schanzenviertel angegriffen werden soll. Dies liegt auf der Linie der Staatsschutzangriffe gegen Berliner Buchhandlungen, die wegen des Vertriebs der INTERIM, PRISMA und der RADIKAL mit Gerichtsverfahren überzogen werden. Ziel soll es hier wie dort sein, staatliches Zensurinteresse unter repressiven Drohungen in politische Strukturen hinein zu tragen. Diesen staatlichen Versuch, Selbstzensur als Ausdruck eines präventiven Kontrollstaates zu installieren, werden wir nicht hinnehmen. Wir solidarisieren uns ausdrücklich mit dem Schanzenbuchladen. Wir werden auch weiterhin für einen politischen Widerstand eintreten, in dem inhaltliche Diskussionen und praktische Aktionen ohne Scheren im Kopf öffentlich diskutiert werden und ihren Ausdruck in vielfältigen - auch militanten - Interventionen finden.
Gegen staatliche Repression und Zensur!
Für eine vielfältige Widerstandspresse!
Plenum der Roten Flora 11. Mai 2011

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Sponti — 19:30 Uhr!

DEMO — egal