Stuttgart21-Gegner verhaftet und befreit

Baustopp selber machen 03.05.2011 01:53 Themen: Blogwire Repression Ökologie
Am Montag, den zweiten Mai um ca. 19.45 Uhr wurde ich wegen einer gewaltfreien Aktion zivilen Ungehorsams verhaftet. Zu dieser Zeit führten etwa 500 Stuttgart21-Gegner_innen eine Demonstration unter dem Motto "Baustoppbesichtigung" durch. Durch entschlossen-solidarisches Einmischen konnte meine Freilassung erwirkt werden.
Am Montag, den zweiten Mai um ca. 19.45 Uhr wurde ich von mindestens drei Polizisten wegen einer gewaltfreien Aktion zivilen Ungehorsams verhaftet. Zu dieser Zeit führten etwa 500 Stuttgart21-Gegner_innen eine Demonstration unter dem Motto "Baustoppbesichtigung" durch.
Um diese daran zu hindern, den versprochenen Baustopp zu überprüfen, wurden zwischen der Bahnhofsvorhalle und den Bahngleisen Hamburger Gitter angebracht. Auf der Höhe dieser Gitter wurde ich von mindestens drei Polizisten ohne Angabe von Gründen zur Seite gezerrt und auf den Boden gedrückt. Die Beamten legten mir Handschellen an und fügten mir Schmerzen zu, indem sie mir die Handgelenke umbogen und meinen Kopf auf den Boden drückten.

Daraufhin führten sie mich zu einer Polizeistation innerhalb des Bahnhofs, wo die Beamten mich beleidigten und bedrohten. Als ich mich nach der Dienstnummer der Beamten erkundigte, welche jeder Polizist in Deutschland hat, behaupteten sie einstimmig, sie hätten keine Dienstnummer. Stattdessen zog mir einer der Beamten Hose und Unterhose herunter.

Nach diesen Schikanen teilten mir die Beamten mit, mich nun auf eine andere Polizeiwache zu bringen und führten mich in Richtung der U-Bahn-Stationen ab.

Währenddessen hatten sich genau an dieser Station rund hundert Demonstrant_innen versammelt um meine Freilassung zu fordern. Nachdem sie erfuhren, dass ich nicht dort war, machten sie sich auf den Weg in unsere Richtung. Als die Beamten die Menge auf uns zukommen sahen, drehten sie sofort um und wollten mich dorthin zurück bringen, wo sie mich anfangs gefangen hielten.

Glücklicherweise bemerkten uns einige Demonstrant_innen und nahmen die Verfolgung auf. Ich verspürte eine unglaubliche Erleichterung und hatte das Gefühl, nicht mehr allein zu sein.
Ich fiel auf den Boden, was es den Demonstrant_innen ermöglichte uns einzuholen. Sie umzingelten uns und forderten meine Freilassung. Die Gefühle, die das in mir auslöste, sind unbeschreiblich. Ich war so froh, dass diese Menschen hier waren und mich nicht alleine liessen. Die Beleidigungen der Beamten verloren ihre Wirkung und ich wusste: Ich bin auf der richtigen Seite. Solidarität war keine bloße Worthülse, sondern wurde praktiziert. Es war so gut für mich, dass ich nicht allein war und ich möchte allen Menschen danken, die sich solidarisch zeigten, vor den Polizeiwachen demonstriert haben und sich nicht einschüchtern liessen.

Das Gefühl, welches die Beamten durch ihre Beleidigungen bei mir auslösen wollten, dass ich ein Übeltäter wäre, dass ich "Abschaum der Gesellschaft" wäre, dass ich meine Zukunft "verbauen" würde (wer baut denn hier???), löste sich auf.

Als die Beamten bemerkten, dass sie gegen UNS chancenlos waren, schlossen sie die Handschellen auf und liessen mich gehen. Sie gaben mir ein kleines Stückchen Freiheit zurück. Aber was ist das für eine Freiheit? Ich habe keine Handschellen mehr um meine Gelenke, aber wenn ich wirklich etwas tun will, wenn ich nicht tatenlos zusehen will, wie ein Bahnhof gegen den Willen so vieler Menschen abgerissen wird, wie Atomkraftwerke wieder angeschaltet beziehungsweise nicht abgeschaltet werden, dann werde ich meine Fesseln wieder spüren. Sei es in Form von Polizeiknüppeln oder in der Form, dass wenn ich meinen Job verliere, wenn ich nicht nach der Nase meines Chefs tanze. Oder dass ich dann, wenn ich mir mein Essen aus dem Müll der Supermärkte hole, aufpassen muss, dass mich die Polizei nicht erwischt, weil ich sonst eine Anzeige wegen "Diebstahl" bekomme.

Es gibt keinen Baustopp. Es klingt wie in einem schlechten Film, aber nachts wird Stuttgart21 weiter gebaut. Das Bahnhofsdach über den Bahngleisen wird in der Nacht nach und nach abgetrennt. Tagsüber zeugt ein grosses Stahlgerüst davon, welches das Dach stützen soll. Das hat nichts mit Renovierungsmassnahmen zu tun. Es soll Platz gemacht werden für die Baugrube, die bei der hinteren Hälfte der Bahngleise entstehen soll.

Deshalb müssen wir weiter Widerstand leisten. Und heute hat Mensch gesehen, dass niemand gegen uns eine Chance hat, wenn wir solidarisch sind und uns nicht einschüchtern lassen.
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Ergänzungen

hmz

hmz 03.05.2011 - 08:21
"Als ich mich nach der Dienstnummer der Beamten erkundigte, welche jeder Polizist in Deutschland hat, behaupteten sie einstimmig, sie hätten keine Dienstnummer."

Wenn es denn überhaupt so war, wie du hier schreibst: Nicht jeder Polizist hat in Deutschland eine Dienstnummer, auch wenn es imme rnoch viele glauben...

"Als die Beamten bemerkten, dass sie gegen UNS chancenlos waren, schlossen sie die Handschellen auf und liessen mich gehen."

Das ganze klärt ehrlich gesagt sehr unglaubwürdig. Selbst die Polizei rennt nicht mit Personen in Gewahrsam durch einen Bahnhof, wo angeblich hunderte Demonstranten warten.
Grade wg S21 könnten innerhalb kurzer Zeit soviel Polizisten mobilisiert werden, um eine Gefangenenbefreiung zu verhindern.

Und selbst wenn es sich so zugetragen haben sollte, woran doch erhebliche Zweifel bestehen, deine Daten sind bekannt, also: Zu früh gefreut.

Aber Lügen helfen nicht der Sache gegen S21...

Solidarität ist eine Waffe

5 Finger = 1 Faust 03.05.2011 - 11:07
um nicht in die Verlegenheit zu kommen, eine Straftat wie z.B. Gefangenenbefreiungo oder Widerstand gg Vollstreckungsbeamte usw. usf. gut zu heißen, und mich damit evtl. selbst strafbar zu machen, bedanke ich mich statt dessen für diesen ermutigenden Bericht und bei allen solidarisch handelnden Menschen für ihren Mut, ihre Standhaftigkeit und Stärke. Gelebte/erlebte Solidarität multipliziert sich. Danke für Eure!

Einen kleinen Hinweis noch an alle Beteiligten:

Trotz der Befreiung des Gefangenen, oder gerade wegen dieser, besteht die Möglichkeit, dass alle Beteiligten sich nun einer Strafverfolgung ausgesetzt sehen könnten. Darum sollten alle an der Aktion Beteiligten sich dringend rechtlichen Beistand und Rat einholen (EA so vorhanden, oder Rechtsanwalt).
Denn scheinbar gibt es leider Bilder auf welchen Gesichter zu erkennen sind, unter Umständen mehr als den Beteiligten lieb und bisher bekannt ist.

Schreibt Gedächtnisprotokolle über die gesamte Situation (am besten über die ganze Demo)!
Dieses nicht unbedingt zu Haus rumliegen lassen.

Sucht für euch selbst Zeugen für die Aktion. Ggf diskreten Kontakt untereinander halten.

Beachtet
§ 52 StPO Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen

(1)Zur Verweigerung des Zeugnisses (Red. Anm. gemeint ist Zeugenaussage) sind berechtigt
1. der Verlobte des Beschuldigten;
2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3. wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

... desweiteren
§53 StPO Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen

...und sehr wichtig für "Zeugen"

§ 55 StPO Auskunftsverweigerungsrecht
(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würden, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidirigkeit verfolgt zu werden.

Wart ihr also evtl. selbst Zeugen, müssen also gegenüber der Polizei oder Staatsanwaltschaft unter den oben genannten Umständen keine Aussagen gemacht werden, ihr könnt dazu nicht gezwungen werden und solltet darum auch keine machen (auch nicht auf Indymedia oder unter Freunden, auch das ist gelebte Solidarität in Fortsetzung). Wer versucht Euch entgegen §§52 oder 55 StPO zu einer Aussage zu zwingen macht sich selbst strafbar.
Für die Zeugen für die oben genanntes nicht zutrifft, bleibt aus Sicht der Polizei oder StA nur zu hoffen das die ganzen Ereignisse nicht in einer großen Erinnerungslücke verschwinden.

in diesem Sinne Anna&Artur usw.

mit solidarischen Grüßen
5Finger =1Faust

Video zu der Szenerie im Bahnhof!

egal 03.05.2011 - 11:19

Klingt unglaubwürdigt, Video beweist es aber

893983 03.05.2011 - 11:53
Ich hatte auch meine Zweifel, beim anschauen des Videos von egal 03.05.2011 - 11:19 " Video zu der Szenerie im Bahnhof!" wurden diese aber eingeräumt, in den letzten Minuten ist wunderbar zu sehen, wie die Polizei vollkommen ratlos in der den Gefangenen belagernden Masse ist und unter dem Jubel der anwesenden die Handschellen aufschließt. Als dann zwei Polizisten noch versuchen wollen, ihn ohne Handschellen aufzuheben, schreiten 2-3 beherzte Leute ein und geben den Cops zu verstehen, dass die das sein lassen können, worauf hin die dann abziehen müssen. Wie aus dem Bilderbuch. Schön gemacht! :-)

Dienstnummer - Dienstausweiß

RO 03.05.2011 - 14:20
Das verlangen der Dienstnummer ist ein von den Medien gestreuter Irrglaube.
Diese müssen Vollzugsbeamte nicht nennen. Wohl aber müssen sie sich im Rahmen
einer polizeilichen Tätigkeit, auf Nachfrage, als Polizeibeamte ausweisen.
Dies ist deshalb der Fall, um Amtsanmaßung zu erschweren.
Denn sollten diese Personen sich nicht als Polizeibeamte ausweisen (können),
kann davon ausgegangen werden es handelt sich um Betrüger. In diesem Falle
ist es Legitim, diese Personen bis zum Eintreffen ausgewiesener Polizeibeamter in
zivilen Gewahrsam zu nehmen, da es sich bei der Amtsanmaßung und Freiheitsberaubung
um Straftaten nach dem Strafgesetzbuch handelt.
Das bietet sich meist jedoch nur bei Zivis an. Bei einer Uniformierten Hundertschaft
kann diese Argumentationskette vor Gericht leider nicht stand halten.
Um aber auf den Punkt dieses Postings zu kommen; verlange nicht die Dienstnummer!
Verlange das sich die Beamten als solche Ausweisen! Und wenn sie ganz lustig sein
wollen, die von uns bezahlten Schläger, und ihren Ausweis nur ganz kurz zeigen wollen,
weise sie darauf hin, dass du dich nicht von der Echtheit und Gültigkeit des Ausweises
überzeugen konntest. Weiter ist es hilfreich die Telefonnummern der umliegenden
Polizeidienststellen zu kennen. So kannst du per Handy ganz entspannt die Daten
gegen prüfen lassen. WICHTIG: Nutze hierfür nicht 110, denn das wäre Missbrauch einer
Notrufeinrichtung!!! Wenn sie dir diese Überprüfung verwehren, greift obiges Argument und
du kannst von Betrügern ausgehen. Auch wichtig; diese Vorgehensweise bietet sich natürlich
nur in bestimmten Situationen. Vorzugsweise Zivis welche gerade einen Freund mitnehmen wollen,
oder dergleichen. In einer Bahnhofsstation ist diese Vorgehensweise natürlich so nicht möglich
da die Glaubwürdigkeit der Beamten durch den Ort an sich gegeben ist, was sie aber natürlich
nicht von der Ausweispflicht entbindet.

kleine Ergänzung

RO 03.05.2011 - 18:18
Es gibt zwei Gründe sich den Dienstausweis zeigen zu lassen.
Um sicher zu stellen das es sich um "echte" Beamte handelt.
Und um die Personalien, zwecks einer Anzeige festzustellen.
Wenn also erster Grund nicht langt, weil z.B. ersichtlich ist, es handelt sich um echte Beamte,
so kann argumentiert werden, dass Ihr euch eine Anzeige VORBEHALTET. Wichtig; nicht sagen das
Ihr Anzeigen wollt, denn dann kann es sein, dass diese gleich vor Ort aufgenommen wird und dann
folgt das übliche Spiel: Gegenanzeige Polizei, Freispruch Polizei, Schuldspruch Du.
Deshalb; "Ich behalte mir, in Rücksprache mit meinem Anwalt-in, eine Anzeige gegen Sie, wegen [...] vor."
Wichtig; zu keinem Zeitpunkt eine direkte Anschuldigung vorbringen, sonst kommt die Anzeige wegen
Verleumdung schneller als gedacht. Also am besten vor jeden, mit einem Polizisten gewechselten Satz:
Ich glaube, Ich vermute, Mir scheint... ;-)

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 4 Kommentare

Klingt leider unglaubwürdig

(muss ausgefüllt werden) 03.05.2011 - 02:18
Und, falls es doch stimmen sollte, sollten die ja deine Daten haben, denn diese werden sofort aufgenommen, meist im Wagen zur Wache oder eben sofort dort. Also freu dich nicht zu früh über die gewonnene Freiheit.

kein fake

zeuge 03.05.2011 - 09:12
der mann lügt nicht. bilder gibt es auf stuttgarter-nachrichten.de zu sehen. es sind die letzten paar der fotostrecke

auf die startseite damit

zeuge 03.05.2011 - 09:16
warum ist dieser artikel nicht auf der startseite

danke für deinen bewegenden bericht!

b 03.05.2011 - 09:41
b