1. Mai: Kundgebung des DGB in Kassel

ulf 01.05.2011 16:25 Themen: Soziale Kämpfe
In Kassel fand dieses Jahr die Hauptkundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes statt.
Nach einer Demonstration aus dem Nordstadtpark zur Innenstadt begann auf dem zentralen Königsplatz die Kundgebung. Schätzungsweise 4000 Menschen waren anwesend.
Begonnen wurde die Kundgebung durch ein Grusswort des Kasseler Oberbürgermeisters Bertram Hilgen (Mitglied der SPD und der IG Metall). Dieser aus klassenautonomer Sicht fragwürdige Auftritt eines politischen Repräsentanten stiess jedoch auch auf Kritik. Auf einem Schild stand zu lesen: "Was hat Herr Hilgen hier zu suchen ? Die lohnabhängige Klasse kann sich nur selbst befreien. Langes Feld: Frischluftzufuhr ist wichtiger als "Arbeit, Arbeit, Arbeit". Für den Communismus." Das Lange Feld ist ein Naherholungsgebiet nahe der Fulda am Rande der Stadt und spielt laut Gutachten eine zentrale Rolle für die Frischluftzufuhr der in einem Talkessel gelegenen Stadt Kassel. Hilgen betreibt hier die Ausweisung von Gewerbeflächen, um Kapital anzusiedeln (welches sich dann verwerten und ein paar Steuern abwerfen wird).
Später redete der DGB-Vorsitzende Michael Sommer. In seiner Rede forderte er einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro anstelle der Subventionierung von Armutslöhnen durch Hartz IV. Seine Aussage, die Tarifautonomie verteidigen zu wollen, stiess unter anderem bei denjenigen DemonstrantInnen auf Verwunderung, die mit einem großen, an Gasluftballons befestigtem Transparent gegen eine gemeinsame Initiative des DGB und der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände protestierten, welche sich für ein Gesetz aussprechen, dass das Streikrecht von in einem Tarifbereich sich in der Minderheit befindenden Gewerkschaften (z.B. verfügt die Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer nur über etwa ein Fünftel der Mitgliedschaft der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft)stark einschränken würde.
Auf dem Königsplatz, der an (Groß)veranstaltungsfreien Tagen durch den Strassenbahnverkehr zerteilt ist, hatten neben den Mitgliedsgewerkschaften des DGB auch verschiedene andere Organisationen Stände aufgebaut, so z.B. auch iranische KommunistInnen.
Mit einem großen Bett und Transparenten wiesen Beschäftigte der Logistikfirma "Bettenwelt" ( Homberg (Efze)) auf den Versuch der Käuferin ihrer Arbeitskraft hin, Betriebsratsmitglieder zu kündigen. Anlass der angestrebten fristlosen Kündigungen ist eine Stellungnahme des Betriebsrats, nachdem "Bettenwelt" einem Beschäftigten unter Zuhilfenahme von Daten des Zugangskontrollsystems, welches erfasst, wer wann welchen Raum betritt, kündigen wollte. Der Betriebsrat kritisierte eine "unzulässige Verhaltenskontrolle, die uns an die dunkelsten Kapitel der jüngsten deutschen Geschichte erinnern lässt". Der Leiter der Logistik sah sich durch diese Aussage in die Nähe der Verwendung von Stasi-Methoden gerückt, den Tatbestand der Beleidigung gegeben und gab das dadurch gestörte Vertrauensverhältnis als Grund für außerordentliche Kündigungen der Betriebsräte an. Nachdem bisher die Kündigungen von Gerichten für unwirksam erklärt wurden, hat die Geschäftsführung in drei von vier Fällen Widerspruch eingelegt. Am 9. Mai findet um 11.30 Uhr eine Verhandlung vor dem LAG Frankfurt/M. statt, Treffpunkt für eine gemeinsame Hinfahrt aus Kassel ist um 8.15 am Servicepoint des Bahnhofs Wilhelmshöhe.
Die Firma "Bettenwelt" beliefert über 670 Filialen des "Dänischen Bettenlagers", diese würden sich für Protestaktionen anbieten.

Ebenfalls demonstrierten Mitglieder der Gruppe "Alternative Metaller" bei der DaimlerChrysler AG Kassel gegen die gegen sie angestrengten Gewerkschaftsausschlussverfahren.

Links:
Langes Feld:  http://langesfeld.bplaced.net/
DGB-BDA-Initiative:  http://www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/tarifpolitik/dgbbda.html
Bettenwelt:  http://www.labournet.de/branchen/dienstleistung/eh/bettenwelt1.html
Alternative Metaller:  http://www.sozonline.de/2011/04/ig-metall-und-demokratie/#more-2303
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Ergänzungen

Kassel 1.Mai

Werner Weiland 02.05.2011 - 21:30


Fensterreden



Sommer in Kassel.



Verbale Kämpfe von Herrn Sommer für den Mindestlohn von 8,50 Euro. Abgesehen von der Mickrigkeit dieser Forderung: Kein Wort wie diese Forderung durchzusetzen sei. Und die Unternehmer und ihre Regierung werden sich kringeln vor Lachen, wenn ihnen der DGB-Chef böse ist. Die klassischen Kampfmittel von Gewerkschaften einzusetzen, dass kommt dem lieben Michael nicht in den Sinn, er möchte das Streikrecht beschneiden lassen und auf seinen Kurs zurechtfrisieren ( Initiative „Tarifeinheit“ mit BDA-Chef Hund)



4000 GewerkschafterInnen sollen es diesmal in KS gewesen sein. Mehr als im Vorjahr bestimmt, dazu hatte man diesmal auch in allen nordhessischen Bereichen nach KS mobilisiert. Was wir im übrigen richtig gut fanden, konnten wir doch auch Kollegen aus Korbach, Melsungen usw. mit unseren Forderungen vertraut machen. Zumindest die, die nicht nur wegen einer DGB-Bratwurst nach Kassel gekommen waren.



Sommer warb für einen gerechten Lohn. Der alte Engels würde im Grab rotieren, wenn er hören könnte, was ein Spitzenfunktionär und SPD-Mitglied an reformistischem Murks von sich gibt. Hat doch der DGB durch seine Tarifpolitik der letzten Jahre selbst die Ungleichheit des Lohns für gleiche Arbeit mitzuverantworten.



Genauso wie mit dem Mindestlohn verhält es sich mit anderen Punkten, die Sommer in seiner Rede ansprach. Gegen die Atompolitik von Schwarz-Gelb hat er sich ausgesprochen. Text von der SPD. Kein Wort dazu, was geschehen soll, wenn Merkel die verlängerten Laufzeiten beibehält. Kein Wort zu einer Politik der Arbeiterkontrolle und zum Schutz der KollegInnen in den AKWs, zu deren Perspektiven.



Kein Wort auch dazu, dass die SPD weiterhin kompatibel zu Sozialdarwinisten wie Sarrazin ist. Stillschweigend wird dadurch schon der Kampf gegen Fremdenhass aufgegeben, der sowohl wegen der Arbeitnehmerfreizügigkeit ab 2.5. entstehen wird als auch wegen zunehmender Migration aus Afrika.

Die Wut türkischer und anderer migrantischer KollegInnen auf die Politik der SPD gegenüber Sarrazin ist durchaus verständlich. Vielleicht ist es Sommer entgangen, dass viele GewerkschafterInnen einen migrantischen Hintergrund haben. Dass sie auf ein klares Wort gewartet haben.



Opposition



Im vorfeld des 1.Mai 2011 hat sich in Bündnis gebildet, das gegen den Kurd der DGB-Führung opponiert, Es wurde vereinbart, ein gemeinsames Flugblatt zu produzieren sowie audder 1.Mai-Demo und Kundgebung mit Transparententen aufzutreten gegen Co-Management , gegen Gewerkschaftsausschlüsse und gegen Einschränkungen des Streikrechts (was der DGB zusammen mit dem BDA durchsetzen möchte).

Die Transparente, die Forderungen mit einer gemeinsamen grafischen Gestaltung zeigten, verfehlten nicht ihre Wirkung. Uli Messmer, Kasseler SPD-Bundestagsabgeordneter, IGM-Bevollmächtigter und unermüdlicher Rüstungslobbyist, tauchte vor der Demo bei den Transparenten auf, wurde aber von anwesenden oppositionellen IGM-Betriebsräten verscheucht. Auch DGB-Hessen-Vorsitzender Körzell, der SPD-Landtagsabgeodnete Schaub sowie der Kasseler SPD-OB schlichen an den drei gut sichtbaren Transpis mit versteinerten Mienen vorbei. Im Bündnis hatten sich verschiedenen Gruppierungen zusammengeschlossen, wie Gewerkschaftsforum Kassel, Alternative Metaller Daimler Benz, ISL, Gruppe Arbeitermacht, Jugendorganisation Revolution u.a..



Angekommen am Königsplatz in Kassel begann Sommer mit seiner Rede. Er hätte jedes „Phrasenschwein“ innerhalb Minuten zu Bersten gefüllt. Im Wesentlichen enhielt seine Rede das, was er Tags uvor im Lokalblatt HNA in einem Interview von sich gegeben hatte.



Während seiner Rede tauchte am Königsplatz ein großes Transparent auf, in die Höhe gezogen von vier Ballons, mit den zentralen Parolen des Oppositionsbündnisses 1.Mai.. GenossInnen von Gruppe Arbeitermacht und Revo hatten allerdings mehr mit dem starken Wind zu kämpfen als mit den DGB-Ordnern, die diesen propagandistischen Luftangriff kaum erwartet hatten. Die Forderungen erhoben sich für alle sichtbar über dem Königsplatz und waren Gesprächsstoff.



Zu bemerken ist noch, dass weder Linke noch Zentristen wie die SAV mit Kritik an der DGB-Führung in Erscheinung aufgefallen sind, am Oppositionsbündnis 1.Mai 2011 haben sie sich genauso wenig beteiligt. Da wächst zusammen, was zusammengehört.



Bilder

REVOlutionär 03.05.2011 - 01:15
Hier noch ein paar Bilder vom Transparent an den Ballons!

Flugblatt mit Kritik an DGB

RoterHorst 03.05.2011 - 01:45
Neben der Ballon-Aktion und weiteren Transparenten gab es auch ein DGB-kritisches Flugblatt. Grafisch war es bewusst am Layout des DGB angelehnt, inhaltlich wurde der DGB-Parole: "Das ist das Mindeste..." dann "Das ist das letzte..." entgegengesetzt.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Köln: Erster Mai — AS Köln/Bonn

@bla — blubb