Greifswald: 1. Mai - Aktueller Stand

IMC-MV 29.04.2011 17:41 Themen: Antifa
+++ NPD-Demonstration erlaubt +++ Mehr als 300 Menschen auf Kundgebung nach Brandanschlag in Greifswald +++ Weiteres Landtagsmitglied unterstützt Blockade +++

Noch zwei Tag bis zum Ersten Mai. Das Bündnis Greifswald-Nazifrei ruft zu Blockaden gegen einen Aufmarsch der NPD auf, die am Ersten Mai, durch die Hansestadt marschieren will. Mehr zum aktuellen Stand und einige Einschätzungen...
Wie in Halle oder Heilbronn wollen sich auch in Greifswald zahlreiche Menschen gegen einen Naziaufmarsch am Ersten Mai wehren.
Die NPD ruft unter dem Motto "Unsere Heimat- unsere Arbeit! Fremdarbeiterinvasion stoppen." zu einer Demonstration durch die Greifswalder Stadtteile Schönwalde I und II auf. Die Stadt hatte die Demonstration zunächst verboten, weil sie im Motto eine strafbare Volksverhetzung sah. Wurde diese Einschätzung noch erstinstanzlich bestätigt, hob heute Vormittag das Oberverwaltungsgericht das Verbot auf. Zwar habe das Motto erkennbar fremdenfeindliche Züge, jedoch sei dies von den geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen bezüglich der Meinungsfreiheit gedeckt. Auch konnte der NPD nicht nachgewiesen werden, dass das Motto eine Verharmlosung der NS-Herrschaft darstellt. Unter der Bezeichnung "Fremdarbeiter" oder "Ostarbeiter" wurden Millionen Menschen zur Zwangsarbeit im Dritten Reich verschleppt. Da der Begriff jedoch nicht ausschließlich während des Nationalsozialismus Verwendung fand, fehlten die entsprechenden Voraussetzungen, wie sie nach §130 Abs. 3 nötig gewesen wären.

Das Urteil kommt wenig überraschend und war allgemein erwartet worden. Auswirkungen könnten sich nun auf andere angemeldete Veranstaltungen ergeben, die im Demonstrationsgebiet liegen. Nachdem der "Rechtskampf" nun zugunsten der Neonazis entschieden ist, herrscht dennoch alles andere als ungetrübte Stimmung bei den Rechten vor. Die Befürchtungen, durch Blockaden massiv gestört zu werden, scheinen inzwischen so groß geworden zu sein, dass man bereits vorsorglich zurückrudert. So heißt es im NPD-nahen Portal "Mupinfo":

Aufgrund großmäuliger Ankündigen sind die Linken geradezu verdammt, die nationale Demonstration vollständig verhindern zu müssen. Alles andere wäre peinlich und würde den gesamten antifaschistischen Budenzauber als Luftnummer entlarven.

Damit offenbart sich das krude Politikverständnis innerhalb der Neonaziszene. Demonstrationen sind in ihren Reihen tatsächlich nur der wortwörtliche Kampf um die Straße. Aus ihrer Anmeldestrategie (einer extrem langen Route durch zwei Stadtteile, die unproblematisch durch Versammlungsbehörden oder dem Einsatzleiter ad hoc beschnitten werden kann) lässt sich schließen, dass sie offenkundig zu keinem Zeitpunkt damit rechneten ihre Route vollständig gehen zu können.

Als politisches Signal ist jedoch nicht entscheidend, ob und wie viele Meter die Neonazis gehen, sondern das sie dies eben nur unter Polizeischutz und gegen einen vehementen Widerstand - wenn überhaupt - können. Gerade Massenblockaden, die seit Dresden en vouge sind, jedoch in Greifswald über eine eigene länger zurückreichende Tradition verfügen, führen dazu, dass die radikale Linke weit ins bürgerliche Lager vorstoßen kann. Dies ahnend echauffiert man sich folgerichtig bei "Mupinfo" auch über die breite Beteiligung am Blockadebündis. Sofern dies auch zu einer breiten Beteiligung bei den Blockaden führt, scheint eine vollständige Verhinderung des Aufmarsches auch nicht als völlig abwegig.

Breites Bündnis gegen Rechts



Nach Angaben von "Greifswald-Nazifrei" unterzeichnete nun auch Barbara Borchard (MdL, Die Linke) den Blockadeaufruf. Bisher unterstützten bereits zahlreiche Politiker vor allem der Grünen Aktionen des zivilen Ungehorsam. Aber auch Vertreter der Kirche und Kulturschaffende rufen zu Protesten auf. So will das Kollektiv "Fortschritt 3000", welches vom Fusionfestival bekannt ist, bei den Blockaden auflegen.
Vertreter der Stadt planen eine Demonstration die direkt ins Aufamrschgebiet der NPD führt. An der Demonstration will auch der Ministerpräsident Sellering (SPD) und der Innenminister Caffier (CDU) teilnehmen. Für die beiden Politiker keine einfach Aufgabe. Sollte es in Greifswald zu hässlichen Szenen, wie prügelnden Polizeibeamten gegen Sitzblockierer geben, während die politisch und fachlich Verantwortlichen unweit des Geschehens Sonntagsreden gegen Rechts halten, würde dies wohl Kritik erzeugen. Anderseits ist die Polizei natürlich aufgefordert im Rahmen ihrer Möglichkeiten und der Verhältnismäßigkeit für einen reibungslosen Ablauf der Nazidemonstration zu sorgen. Gerade nach den jüngsten Brandanschlägen gegen alternative Projekte erscheint ein allzu hartes Vorgehen der Polizei jedoch kaum der Öffentlichkeit vermittelbar.

Protest nach rechten Angriffen



Bereits gestern versammelten sich mehr als 300 Menschen auf dem Greifswalder Marktplatz um gegen zwei Brandanschläge auf alternative Projekte zu demonstrieren. In Redenbeiträgen wurden die Anschläge einhellig verurteilt. Pfarrer Mathias Gürtler hob die wichtige Rolle der betroffenen Einrichtungen für das Zusammenleben in Greifswald hervor und rief zu Widerstand gegen den Naziaufmarsch auf. An der Veranstaltung hatten neben Personen aus dem antifaschistischen Spektrum vor allem viele Bürger teilgenommen, also genau jene Mischung, welche für die Blockaden angestrebt wird.
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Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

Ist Greifswald weiter? — Dresdner bürgerlicher Blockierer...

... — Beobachter_In

Sellering, Caffier.... — Sommerkind