Kehrtwende – Polizei ermittelt in den eigenen Reihen

addn.me 27.04.2011 18:42 Themen: Antifa Repression
Direkt im Anschluss an die Hausdurchsuchungen vom 12. April hat die Dresdner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ausgeweitet. So wird inzwischen auch nach Angaben ihres Sprechers in den eigenen Reihen ermittelt, nachdem observierende Ermittler vor einem der für eine Durchsuchung vorgesehenen Objekte am Abend vor der Razzia rege "Betriebsamkeit" bemerkt hätten. Im Verdacht stehen nicht nur die 400 Beamtinnen und Beamte die an der Razzia unmittelbar beteiligt gewesen sind, sondern auch noch einmal "doppelt so viele" die, so Oberstaatsanwalt Lorenz Haase weiter, von der bevorstehenden Polizeiaktion gewusst haben dürften.
Nach den Hausdurchsuchungen vor knapp zwei Wochen hat die Dresdner Staatsanwaltschaft nach Presseangaben damit begonnen, in den eigenen Reihen wegen "Verletzung von Dienstgeheimnissen" zu ermitteln. Es besteht der Verdacht, dass vermeintliche Gewalttäter aus der linken Szene im Vorfeld über eine geplante Razzia informiert waren. Das Gesetz sieht in einem solchen Fall Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder empfindliche Geldstrafen vor. Die Polizei hatte demnach die Durchsuchung des alternativen Wohnprojektes "Praxis" in letzter Sekunde abgeblasen, nachdem Ermittlern zufolge in dem Haus in den Stunden davor "ungewöhnliche Betriebsamkeit" geherrscht hätte.

In den frühen Morgenstunden des 12. Aprils hatten knapp 400 Beamtinnen und Beamte die Privat- und Geschäftsräume von insgesamt 15 Personen in Sachsen und Brandenburg durchsucht. Den insgesamt 17 Beschuldigten wirft die Staatsanwaltschaft vor, kriminelle Vereinigungen gebildet zu haben. Aus diesem Grund wurden über mehrere Monate die Telefonanschlüsse einiger Verdächtiger überwacht. Nach den Durchsuchungen waren einige der betroffenen Personen mit einem richterlichem Beschluß zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung und der Abgabe ihrer DNA verpflichtet worden. Erst wenige Tage zuvor hatte der 50-jährige Jurist Jörg Michaelis (CDU) den Posten an der Spitze des sächsischen Landeskriminalamtes mit dem Ziel übernommen, in den kommenden Monaten stärker gegen so genannte linksextreme Gewalttäter vorzugehen.

Noch vor Beginn der Razzia waren ausgewählte Medienvertreter über die bevorstehenden Durchsuchungen informiert worden, so konnte in Leipzig die BILD-Zeitung mit Fotos von vermummten Spezialkräften der Polizei vor einem Wohnhaus im alternativ geprägten Stadtteil Connewitz auf die Ereignisse aufmerksam machen. Begleitet wurde die wochenlang vorbereitete Aktion von Äußerungen des Pressesprechers der Dresdner Staatsanwaltschaft, Lorenz Haase, über die Gefährlichkeit und Bedrohung, die von der linken Szene in Sachsen ausgehen würde. Als Beleg dienten dabei Fotos von Verletzungen bei Geschädigten der rechten Szene aber auch Bilder der beschädigten Busse vom 19. Februar im Dresdner Vorort Freital. Beschlagnahmt wurde nach Angaben von Haase vor allem Computer- und Kommunikationstechnik, aber auch Fahnen, Transparente, Schlagstöcke, Pyrotechnik, Reizgas und Vermummungs- bzw. Kleidungsgegenstände wurden von den Ermittlern zur Untersuchung mitgenommen.

In einer Stellungnahme zeigten sich Dresdner Antifaschistinnen und Antifaschisten solidarisch mit den Beschuldigten und verwiesen auf die Unfähigkeit der sächsischen Landesregierung, gegen Nazi-Angriffe oder -Aufmärsche vorzugehen. Stattdessen werde versucht, mit neuen Gesetzen die Meinungsfreiheit einzuschränken und antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren. Bereits wenige Stunden nach der Razzia hatte das Libertäre Netzwerk Dresden in einer Pressemitteilung die Maßnahme als "Einschüchterungsversuche gegen linke Strukturen in Sachsen" verurteilt und eine "Einstellung aller laufenden Verfahren gegen Linke und Anarchist*innen" gefordert.

Weiterer Artikel: 17 Antifas auf einen Streich
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Ergänzungen

Bedenkliche Entwicklung

DDer 28.04.2011 - 02:08
In der Sächsischen Zeitung finden sich erste Versuche Übergriffe von Neonazis in "Racheakte" umzudeuten.

 http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2748926

Ich denke, das Ziel dieser Aktionen ist es, die Proteste gegen NS-Aufmärsche zu kriminalisieren und gleichzeitig bei rechten Wählern zu punkten, denen man bereits geschafft hat den größten europäischen Neonaziaufmarsch als linke Chaostage zu verkaufen.

Wer weiss, ob man diesmal überhaupt vor hatte, die Praxis zu durchsuchen. Schade übrigens dass die Polizei in Löbtau am 19.02. nicht so tüchtig war, vielleicht waren das ja die "observierenden Beobachter"? Und abgesehen davon soll die Polizei mal ruhig bei sich selber Razzia machen. Ich habe nämlich den Verdacht, dass am 19.02. Straftaten direkt vom Polizeipräsidium aus koordiniert wurden.

LKA Panne

andy 13.05.2011 - 22:21
In jeden anderem Bundesland hätte ein neue Präsident des Landeskriminalamtes
nach so einen großen und lang geplanten Razzia seinen Abschied einreichen können,nach dem die Hausdurchsuchungen aus den eigenen Reihen scheinbar verraten wurden.erschwerend kommt dazu das Herr Dr. Jörg Michaelis (CDU)  http://www.polizei.sachsen.de/lka/2662.htm
schon seid Jahren(1998) beim LKA Sachsen ist.In Dresden hat auch bis jetzt noch keiner die frage gestellt ob Jörg Michaelis der richtige ist für das Amt.

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Erinnerung — ...

Razzia Popazzi — Frager

Richtig so: — Kontroverso