Auftakt von Mieter_Innenprotesten in Berlin

konferenzbesucher 19.04.2011 00:48 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Mit einem gutbesuchten Tageskonferenz der Berliner Mieter_Innengemeinschaft unter dem Titel "Vorsicht Wohnungsnot" begann am vergangenen Samstag die Koordination von Mieter_Innenprotesten in Berlin. Geplant ist ein außerparlamentarischer Widerstand, der auf die Berliner Abgeordnetenhauswahlen als gesellschaftlichspolitische Gegenmacht einwirken will. Hier ein subjektiver Bericht dazu:
Nicht besonders vorteilhaft sind die SpitzenkandidatInnen von SPD, Linken und Grünen für die Berliner Abgeordnetenhauswahl auf den Postern abgebildet, die am vergangenenSamstag im Foyer des Berliner DGB-Haus hingen. Damit macht ein Bündnis von Berliner Stadtteil- und MieterInneninitiativen deutlich, was es von den wohnungspolitischen Forderungen und Versprechungen dieser Parteien hält. Die Begründungen für die Distanz wurde auf der von der Berliner Mieter_Innengemeinschaft organisierten Tageskonferenz Vorsicht Wohnungsnot“ geliefert, die dort tagte. Das Publikum im überfüllten Saal verfolgte die Ausführungen von Ökonomen, Gewerkschaftler_Innen, Stadtteil- und MieterInnenaktvist_Innen aus Berlin, Hamburg und Witten mit großen Interesse. Im ersten Block ging es um die steuer- und finanzpolitischen Hintergründe der Berliner Wohnungspolitik. Der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Joachim Bischoff sieht in einer Haushaltspolitik, die Steuererleichterungen für SpitzenverdienerInnen zum politischen Credo erhebt, die Ursache für die gigantischen Einnahmeverluste in den Haushaltskassen. Die Folgen für den Wohnungsmarkt skizierte Joachim Oellerich von der Berliner Mieter_Innengemeinschaft. So seien die Mieten seit Anfang 2007 in der gesamten Stadt spürbar gestiegen, der Wohnungsneubau sei seit der Jahrtausendwende nahezu zum Erliegen gekommen. „Immer mehr Haushalte tummeln sich auf einem tendenziell schrumpfenden Wohnungsmarkt. Die Wohnungsversorgung verschlechtert sich“, so Oellerich. Mit seiner wirtschaftsliberalen Wohnungspolitik habe die rot-rote Landesregierung den Wohnungsmarkt sich selber überlassen. Besonders kritisiert wurde, dass die Berliner Landesregierung noch immer leugne, dass es in der Stadt eine Wohnungsnot gibt und dass der soziale Wohnungsbau aufgegeben wurde, was erst kürzlich von höchster Stelle bestätigt worden ist. Auf die Frage der niederländischen Königin Beatrix, ob das Land Berlin einen sozialen Wohnungsbau betreibt, antwortete Klaus Wowereit, laut Tagesspiegel: “Den haben wir gerade abgeschafft“.
Am Nachmittag ging es um Widerstandsperspektiven, die fuer Joachim Oellerich nur auf außerparlamentarischer Ebene gesucht werden können. Die zur Wahl stehenden Parteien seien so ununterscheidbar geworden, dass sie den windschnittigen Automobilen in den 80er Jahren glichen. Da alle Parteien unabhängig von ihren Versprechungen in der Wohnungspolitik die Vorgaben des Wirtschaftsliberalismus exekutieren, sei die Formulierung von Wahlprüfsteinen überflüssig. Nur ein stärkerer gesellschaftlicher Druck konnte auf politischer Ebene Veränderungen bewirken. Auch Samira van Zeer von der Treptower Stadtteilinitiative Karla Pappel setzte auf die Bewegung von unten und berichtete von einer für den 3. September geplanten Großdemonstration gegen Mieterhöhungen und sozialer Verdrängung unabhängig von allen Parteien. Obwohl sie für die SPD zur Abgeordnetenhauswahl kandidiert, fühlte sich Gerlinde Schermer in der Runde wohl. Sie werde auch im Abgeordnetenhaus ihre Meinung sagen und die laute: „Die Privatisierungspolitik aller Senate seit 1999 ist gescheitert“.
Als es im letzten Kongressteil um praktische Widerstandsmöglichkeiten ging, riet Andreas Blechschmidt vom Hamburger Netzwerk „Netzwerk Recht auf Stadt“, das für viele Berliner AktivistInnen Vorbildcharakter hat, zu dezentralen Aktionen. Die haben sich auch in Berlin schon entwickelt. So berichteten AktivistInnen aus verschiedenen Stadteilen über konkrete Projekte. Stephan Thiele stellte das neugegründete Bündnis „Wem gehört Kreuzberg“ vor, das schwerpunktmäßig den Verkauf von Wohnungen im Kiez verhindern will. In fünf Arbeitsgruppen recherchieren die AktivistInnen über Eigentumsverhältnisse von Häusern und bereiten Veranstaltungen und Kiezspaziergänge vor. Auf der Homepage  http://www.sozialmieter.de/ vernetzen sich BewohnerInnen des abgewickelten sozialen Wohnungsbaus. BewohnerInnen der vom Abriss bedrohten Barbarossastrasse 59\60 rufen dazu auf, bis zum 20. April Einwendungen gegen den Bebauungsplan im Schoeneberger Rathaus abzugeben. Eine Aktivistin will sich mit Mieter_Innen vernetzen, die eine Mietboykottkampagne planen. Die Gruppe Avanti plant eine Aktion zur Verkündigung des Mietspiegels. Insgesamt war die Konferenz ein guter Auftakt für einen mietenpolitischen Widerstand in Berlin. Dabei sollte eben Wert darauf gelegt werden, dass nicht an die Politiker_Innen appelliert wird, sondern selber was verändert wird.

Viele Vorschläge wurden gemacht, in den nächsten Wochen geht es um die Umsetzung.
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Ergänzungen

Berlin:1. Mai - Aktion gegen steigende Mieten

Hannes 19.04.2011 - 03:21
"--- bitte weiterleiten --- bitte veröffentlichen --- bitte ausdrucken und weitergeben ---

1. Mai 2011 // 16 Uhr // Mariannenplatz // Kreuzberg

Billige Mieten statt steigende Profite!

Gerechtigkeit für Alle statt Ausbeutung und Ausgrenzung!

Ein Leben ohne Angst statt Polizeigewalt, Sexismus & Rassismus!

Die Mieten explodieren in der Berliner Innenstadt. Alternative Wohnprojekte wie die Liebig 14 werden im Auftrag von Immobilien-Kapital und Senat durch tausende Polizisten geräumt. Nichtkommerzielle Freiräume
wie die Köpi sind akut bedroht. Einige werden immer reicher. Gleichzeitig wächst in Berlin mittlerweile jedes dritte Kind in Armut auf.

Diesen Verhältnissen und Entwicklungen setzten wir unsere Wut, unseren Widerstand und unsere Wünsche entgegen. Auch und gerade am 1. Mai.

Wir lassen uns auch nicht befrieden durch ein sogenanntes "Myfest", das von genau denen organisiert wird, die jeden anderen Tag im Jahr mit der Verwaltung der zunehmenden Armut und Verdrängung durch steigende Mieten beschäftigt sind. Und noch viel weniger lassen wir uns durch das Parteienfest auf dem Mariannenplatz befrieden, organisiert von denjenigen, die für Mietexplosion und Ausgrenzung direkt politisch verantwortlich sind.

Wir rufen zur allgemeinen Versammlung aller Wütenden und noch nicht Resignierten, an einer besseren Welt Interessierten am 1. Mai um 16 Uhr auf dem Mariannenplatz auf. Von hier aus wollen wir losziehen, um unserer Wut und unseren Wünschen Ausdruck zu verleihen.

Bringen wir Flyer, Transparente und Schilder mit! Achten wir aufeinander! Seien wir wütend und besonnen, entschlossen und kreativ, unnachgiebig und vorsichtig!

Dieser Aufruf soll einen Versuch starten, den 1. Mai im Herzen von Kreuzberg 36 neu zu politisieren, ohne unsere Wut und unsere Wünsche vorher beim Staat anzumelden. Es ist ein Versuch. Seien wir nicht
enttäuscht, wenn es ein Schritt ist und noch nicht die Revolution.

Wütende Mieter_innen und ihre Freund_innen, Besetzer_innen, autonome Gärtner_innen, Umsonstfahrer_innen, Stadtteilaktivist_innen und viele Andere

PS: Um 18 Uhr treffen wir uns auf dem unabhängigen Block der Initiativen
gegen steigende Mieten bei der "Revolutionären 1. Mai-Demo"!"

Flyer zum ausdrucken und verteilen(PDF):  http://media.de.indymedia.org/media/2011/04//304687.pdf
Plakat zum ausdrucken und aufhängen(PDF):  http://media.de.indymedia.org/media/2011/04//304690.pdf

Breiter werden!

Mieterin36 19.04.2011 - 09:28
Danke für den Bericht von der Tagung!!

Bitter finde ich aber wieder dieses Szenegesumpfe, was wiedermal die Liebig oder die Köpi ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellt, so wie der erste Kommentar & Flyer. Allein die Anzahl der ehemaligen Häuser des sozialen Wohungsbau und jetzt akut Betroffenen MieterInnen ist riesig!

160tausend Wohungen (!) und nochmal 28tausend (!) die nun schon aus der Anschlussförfderung raus sind und superkrasse Mieterhöhungen zt. erhalten!! Schaut euch mal die erwähnt Webseite www.sozialmieter.de an!

Und aktuell 2 x Berliner Kurier zum Mietkampf:

Die Wut der vergessenen Miethai-Opfer
Sie haben erbittert dafür gekämpft, dass Sozialmieter vor Spekulanten geschützt werden. Endlich hat der Senat ein Gesetz vorgelegt. Für sie kommt es zu spät
weiterlesen >  http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/print/berlin/344373.html

Vom Senat kommt keine Hilfe
Berlin - Der Streit ist nicht vorbei! Berlins Senat hat zwar ein Wohnraumgesetz zum Schutz der Sozialmieter verabschiedet. Aber für etliche Altfälle bietet es keine Hilfe.
weiterlesen >  http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/print/berlin/344424.html

Kapitalverwertung in den Stadtteilen stoppen

paula 19.04.2011 - 13:43
Hinweis auf eine Kundgebung inBerlin, auf der der Kampf im Stadtteil und am Arbeitsplatz verbunden werden soll, theoretisch und hoffentlich auch praktisch:


Videokundgebung: Der Kapitalverwertung im Stadtteil und am Arbeitsplatz Grenzen setzen
Mittwoch, 27. April 2011 • 21h • Boxhagener Platz, Fhain
In Redebeiträgen und Videos sollen Kämpfe im Stadttteil und im Job vorgestellt werden, mit denen der Kapitalverwertung Grenzen gesetzt werden.
Zum Abschluss zeigen wir den Fllm "Der große Aufwasch im Subunternehmen" über den langen, erfolgreichen Kampf migrantischer

Folgetreffen: Zur Mieter/innen-Bewegung

Mietmonster 23.05.2011 - 18:01
Nach der "Vorsicht Wohnungsnot!"-Konferenz gibt es nun ein Folgetreffen, wo es um die Fragen nach dem Aufbau einer Mieter/innen-Bewegung gehen soll. Welche Strukturen wollen wir uns geben, welche Aktivitäten angehen, um außerparlamentarisch Druck zu machen?

Freitag, 27. Mai um 18 Uhr
in der Schule für Erwachsenenbildung (SfE)
im Mehringhof, Gneisenaustr. 2a (2. Hof)
U-Bhf. Mehringdamm

Einladung der Berliner MieterGemeinschaft:
 http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/folgetreffen-nach-wohnungsnot-konferenz.html

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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