Düsseldorf: Breiter Protest und Tumult bei Romaabschiebung

Abschiebung stoppen 14.04.2011 14:46 Themen: Antifa Antirassismus
Breite Mobilisierung, Pressekonferenz, eine angemeldete Kundgebung und Aktivist_innen, die die Einfahrt zum Gate F, dem Abschiebegate mit Transparenten verstellten: Ca. 60 Menschen protestierten lautstark und entschlossen am Düsseldorfer Flughafen gegen einen erneuten Abschiebecharter in den Kosovo. Vereinzelt waren Gespräche mit den Abzuschiebenden möglich, Einzelschicksale, die die volle Härte der Abschiebemaschine aus Sicht der Betroffenen deutlich machen.
D´Dorf - breiter Protest + Tumult bei Roma-Abschiebung

Breite Mobilisierung, Pressekonferenz, eine angemeldete Kundgebung und Aktivist_innen, die die Einfahrt zum Gate F, dem Abschiebegate mit Transparenten verstellten: Ca. 60 Menschen protestierten lautstark und entschlossen am Düsseldorfer Flughafen gegen einen erneuten Abschiebecharter in den Kosovo. Vereinzelt waren Gespräche mit den Abzuschiebenden möglich, Einzelschicksale, die die volle Härte der Abschiebemaschine aus Sicht der Betroffenen deutlich machen.

8:30h, Düsseldorfer Flughafen, Gate F. Einige wenige Menschen stehen gegenüber auf der anderen Straßenseite, halten ein Banner hoch „Kein Mensch ist illegal“. Mit Zetteln und als einzelne Buchstaben wurde „Stoppt die Abschiebungen“ an die Wand neben der Toreinfahrt geklebt. Außer Taxifahrern und ab und zu ein Versorgungsfahrzeug des Flughafens gibt es kein Publikumsverkehr. Ein längliches unscheinbares Gebäude, neben der Feuerwehr, abseits gelegen, weg vom turbulenten Geschehen im Reiseterminal: Von hier aus, auf der anderen Seite des Gebäudes starten die Abschiebeflieger. Gecharterte Flugzeuge, gebucht für die gesammelte Abschiebung von ca. 150 Personen. Für heute ist ein Flug in den Kosovo angesetzt, über 100 Roma sollen nach Pristina gebracht werden. Abgeschoben, besser wäre es wohl zu sagen verschleppt, denn freiwillig geht wohl keine_r von ihnen, hat keine_r ihr Lebensumfeld, Freunde, Verwandte, Schule und Arbeitsplatz verlassen.

Ab und an werden Sprechchöre gerufen. Jetzt fahren einige Wagen der Ausländerbehörden vor. Es sind Kleinbusse, 6-9-Sitzer die hinteren Scheiben sind verdunkelt, es ist kaum möglich in das Wageninnere zu blicken. Das Elend der Menschen im Inneren der Busse soll nicht nach außen dringen. Die Kleinbusse fahren nicht gleich durch die Gitter der Toreinfahrt, sondern bleiben noch draußen am Straßenrand stehen. Einigen Aktivist_innen gelingt es mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen, ihre Geschichte zu erfahren.
Da sitzt ein Mann mit seiner Diabeteskranken Mutter, seine Kinder dürfen bleiben, weil sie noch eine so genannte „Duldung“ besitzen. Der Mann hatte die Behörden gebeten ihn nicht alleine, sondern zusammen mit seinen Kindern, die derzeit noch eine Duldung besitzen abzuschieben, noch zu warten. Doch die Ausländerbehörden haben es eilig, der Mann wird mit seiner Mutter alleine, ohne die Kinder abgeschoben. Eine gängige Praxis der Ausländerbehörden. Der Vater wird abgeschoben, den Kindern oder anderen Familienangehörigen, denen die Duldung nicht so leicht entzogen werden kann ist es „frei gestellt“ ob sie bleiben wollen oder sie „freiwillig“ mitkommen möchten. Entführung und Erpressung nennt sich so etwas, wenn es nicht von Behörden ausgeübt wird.
2500 Roma jedes Jahr, 10.000 insgesamt sollen in den kommenden Jahren abgeschoben.werden.

Nach und nach kommen weitere Aktivist_innen zum Gate, befestigen Transparente am Gitterzaun und verstellen mit Transparenten die Toreinfahrt. Der WDR ist mit Kamera vor Ort. Die Polizei kommt, will wissen was los ist und eine_ Ansprechpartner_in. Doch dieses ist eine spontane Ansammlung, von Menschen, die nicht länger einfach nur wegschauen möchten, wenn Abschiebungen durchgeführt werden.
Obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch wenige sind, vielleicht 10 Leute wird der nächste anfahrende Kleinbus einer Ausländerbehörde von der Polizei zur Seite gewunken, wendet. Ca. zweihundert Meter weiter vorne gelegenen zum Tor 36 werden die Busse nun gelenkt. Ein Grund für einige Aktivist_innen auch dort hin zu gehen. Mittlerweile ist die Gruppe auf ca. 30 Leute angewachsen. 20 am Tor 36, Zehn am Gate F. Auch die Polizei hat Verstärkung herangezogen und steht mit einigen Wannen am Straßenrand und beobachtet. Wieder kommt einer dieser Kleinbusse, (z.T. )städtisches Kennzeichen, verdunkelte Scheiben. Die Einfahrt zum Tor 36 ist weitläufig, doch einige Aktivist_innen begeben sich zügigen Schrittes zum Bus. Das war wohl zuviel. Hektisch wird und aus den Wannen ausgestiegen und die vorher wartende Staatsgewalt kommt angerannt. Unsanft werden die Leute vom Bus weg geschubst. Ein Kontakt zu den von Abschiebung Betroffenen soll offenkundig unterbunden werden. Es könnten wohl noch mehr Geschichten über die widerliche und menschenverachtende Praxis der Abschiebebehörden bekannt werden.
Noch eine kleine Weile geht das so, immer wenn ein Bus kommt werden Parolen gerufen, wechselnd, von verschiedenen Leuten durchs Megafon gerufen, die Transparente hochgehalten und wenn Sichtkontakt mit den Flüchtlingen möglich ist Solidarität gezeigt.

Dann wird es der Polizei wohl zuviel, sie kesselt die Aktivist_innen und untersagt das weitere demonstrieren in der Toreinfahrt. Begründung: Sie würden den Ablauf des Flugverkehrs behindern. Nun das wäre doch schon mal ganz toll, wird von jemanden angemerkt, denn das wäre doch ein guter Effekt, den Abschiebungsflugverkehr zu behindern...
Natürlich keine Begründung, die die Polizei gelten läßt. Ihr „Angebot“ doch auf die gegenüberliegende Straßenseite zu gehen wird ausgeschlagen, stattdessen beschlossen gemeinsam zurück ins Terminal zu gehen und sich der angemeldeten Kundgebung anzuschließen. Nach kurzer Besprechung wird seitens der Polizei grünes Licht gegeben, doch statt die Leute ziehen zu lassen wird eine Person herausgegriffen. Da sie gerade das Megafon trug wäre sie die offensichtliche Versammlungsleiter_in. Alle zeigen sich solidarisch es entsteht ein Tumult und Gerangel. Die Polizei wirft Leute auf den Boden und hält sie dort fest, eine Person schlägt mit dem Kopf auf dem Asphalt auf und wird trotzdem noch weiter in Würgeposition gehalten.
Nachdem sich die Lage beruhigt hat, alle wieder aufstehen konnten, wird gewartet, bis die Personalien der herausgegriffenen Person festgestellt wurden und sie wieder zu den Aktivist_innen darf. Dieses dauert eine Weile, zwischenzeitlich werden die Leute der Kundgebung im Terminal konnte benachrichtigt werden und es kommen weitere Leute aus Solidarität.
Ein kleiner Trost für die Betroffenen war, dass der auf einmal einsetzende heftige Schauer die Staatsbüttel im Regen hat stehen lassen, während die Aktivist_innen unter einem kleinen Dach Zuflucht finden konnten.

Schlussendlich wird mit einem kleinen Demozug von ca. 40-50 Personen zum Terminal gegangen.
Dort warten noch andere, die Pressekonferenz vom Rom e.V. und der Initiative Stay e.V., sowie einige Landespolitiker_innen ist gerade vorbei und die Kundgebung kann beginnen. Im Terminal der Abflughalle - seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil offiziell erlaubt. Mit Megafon, Sprechchören und vielen Flugblättern kann nun noch einmal vor dem reisenden Publikum auf die Abschiebungen aufmerksam gemacht werden.
Dabei wird auch von einem weiterem heftigen Fall berichtet. Es wurde herausgefunden, dass im jetzigen Abschiebeflieger eine Mutter mit 4 kleinen Kindern sitzt und in den Kosovo verschleppt wird, während ihr Mann lebensgefährlich erkrankt in Deutschland im Krankenhaus verbleibt!! Die volle Härte des Systems. Einzelschicksale, die aber das ganze Ausmaß der Abschiebemaschine deutlich werden lassen.

Kritik wird auch an der Rolle der Grünen und SPD geäußert, die den Krieg im Kosovo geführt hatten und dadurch maßgeblich an der Flucht vieler Menschen beteiligt waren, die sich außerdem an sämtlichen Verschärfungen des Asylgesetze beteiligt haben und nun da stehen und auf einmal einen begrenzten Abschiebestopp für Roma fordern. Dieser Wahlkampfkurs erinnert doch sehr an die Art und Weise wie mit der Atompolitik verfahren wird.
Die Kundgebung lief noch einmal durch die gesamte Halle, so dass auch Terminal C und A beschallt werden kann und wird dann aufgelöst.
Es war ein breiter, von unterschiedlichen Gruppen und Einzelpersonen getragener Protest, trotz der schwierigen Uhrzeit waren ca. 60, laut Medienberichten sogar 100 Leute da. Sie konnten ihre Abschiebung durchführen, aber nicht so leise und ungesehen, wie sie es gerne gehabt hätten.
Und – wir werden wieder kommen! Wir werden keine Ruhe geben!

Abschiebeflieger stoppen!
Abschiebemaschine demaskieren!
Bleiberecht für alle!
No border – no nation.
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Ergänzungen

Infos zum Flug, bei Ankunft in Priština

Papiere für alle 14.04.2011 - 15:16
43 Menschen am Flughafen Priština ausgesetzt

Gestern gegen 17 Uhr kam das Abschiebeflugzeug nach einem Zwischenstopp in Wien in Priština an. Einer unserer Unterstützer vor Ort konnte 43 Personen ausmachen, die mit dem Flieger ankamen. Somit sind es zumindest weniger als die geplanten über 100 Passagiere und auch weniger als zunächst am Flughafen Düsseldorf geschätzt wurde. Dennoch ist jede Abschiebung eine zu viel und verursacht bei den Betroffenen großes Leid! Unser Beobachter berichtete uns von nur schwer für ihn zu ertragenden Szenen am Flughafen Priština: weinende Kinder, enttäuschte und verzweifelte Menschen auf der Suche nach einem Platz an dem sie unterkommen können.

weiter:  http://www.alle-bleiben.info/news/info-news50.htm

medienberichte

egal 14.04.2011 - 15:23
aus:  http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/Proteste-gegen-erneute-Roma-Abschiebung_aid_986714.html

Flughafen Düsseldorf: Proteste gegen erneute Roma-Abschiebung

Düsseldorf (RPO). Rund 100 Menschen haben am Dienstag am Düsseldorfer Flughafen gegen eine erneute Sammelabschiebung von Roma demonstriert. Sie forderten einen sofortigen Stopp der Ausweisungen. Von dem Airport aus sollten am Dienstagmittag erneut rund 50 Roma aus ganz Deutschland in den Kosovo ausgeflogen werden, 27 davon aus NRW.

In der vergangenen Woche waren 36 Menschen, meist Roma, vom Düsseldorfer Flughafen aus nach Serbien abgeschoben worden.
In den Wintermonaten hatte es aus humanitären Gründen keine Sammelabschiebungen nach Serbien und in den Kosovo gegeben. Der dafür ausgesprochene Erlass galt jedoch nur bis zum 31. März.

Der migrationspolitische Sprecher der Linken im Düsseldorfer Landtag, Ali Atalan, forderte die rot-grüne Landesregierung auf, den befristeten Abschiebestopp zu verlängern. Die Grünen-Landesvorsitzende Monika Düker sagte, dies sei rechtlich nicht möglich.
"Betroffene erwarten katastrophale Lebensbedingungen"

Nach Angaben der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration (FFM) in Berlin erwarten die Roma in den Balkanländern katastrophale Lebensbedingungen. Viele von ihnen landeten auf Müllkippen, Kinder könnten nicht die Schule besuchen, weil sie diskriminiert und geschlagen würden. Arbeit gebe es für die meisten nicht.

Iris Biesewinkel, Sozialarbeiterin beim Verein Rom e.V., sprach von einer historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber den Roma, die in der NS-Zeit verfolgt worden waren. Allein schon deshalb dürften sie nun nicht abgeschoben werden. Zudem lebten viele von ihnen bereits zehn Jahre oder länger in Deutschland. Gerade Kinder, die hier geboren worden seien, könnten nicht einmal die Sprache der Länder, in die sie abgeschoben würden.

In NRW lebten nach Angaben des Innenministeriums Ende März rund 4300 ausreisepflichtige Minderheitsangehörige aus dem Kosovo, darunter 3500 Roma.

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