Besetzung in Münster/Westf. geräumt

Jan Matthys 14.04.2011 14:35 Themen: Freiräume Repression
Heute wurde in Münster/Westf. die Grawertstraße 34 geräumt. Seit Freitag, dem 25. März 2011 wohnten dort BesetzerInnen, die mit ihrer Besetzung auf den Leerstand von rund 50 Wohnungen allein in der Grawertstraße - nahe der Innenstadt - aufmerksam machen und ein alternatives Wohn- und Kulturprojekt dort etablieren woll(t)en. Nach einem kurzen Frühling der Anarchie, der immerhin 20 Tage andauerte, ist nun erstmal Schluss.
Hier ist eine erste Erklärung der BesetzerInnen von deren Homepage:

"GERÄUMT
14. April 2011
Heute morgen um 9 Uhr wurde die Grawertstraße von der Polizei geräumt. Wir sind traurig und wütend, dass offensichtlich eine politische, einvernehmliche Lösung nicht erwünscht war. Zugleich sind wir zuversichtlich das unsere Ideen und Konzepte weiter diskutiert werden und werden daher auch mit der Wohn+Stadtbau sprechen.
Die drei Menschen, die zum Zeitpunkt der Räumung im Haus waren, sind wieder frei.
Wir treffen uns mit allen, die Lust haben, das weitere Vorgehen mitzudiskutieren um 20 Uhr vor dem Haus, also in der leeren Grawertstraße."( http://grawertstrasse.blogsport.de/)

Damit ist klar: die BesetzerInnen machen weiter und lassen sich nicht durch die Räumung entmutigen. Es ist aber auch ein Skandal: Zwei Jahre stand die komplette Grawertstraße leer. Die Häuser wurden während der ganzen Zeit des Leerstandes beheizt und die rund 50 Wohnungen für eventuell zurückkehrende britische Streitkräfte vorgehalten. Nun übernimmt die Stadt Münster die Nutzungsrechte der gesamten Straße, die zuvor einer Geisterstadt glich - bis die BesetzerInnen in die Nr. 34 einzogen. Bei den sonntäglichen Nachbarschafts-Cafés wurde deutlich, dass die NachbarInnen aus dem Viertel sich über die BesetzerInnen freuten, kehrte nun doch wieder mehr Leben in Ihr Viertel zurück.
Um dennoch die Räumung in einem positiven Licht erscheinen zu lassen, veröffentlichte die Münsteraner Stadtverwaltung am gleichen Morgen in der Lokalpresse, dass die Stadt Münster über ihre Tochter, der Wohn- und Stadtbau GmbH, gedenke, ausgerechnet hier "sozialen Wohnungsbau" zu betreiben. "Sozialer Wohnungsbau" - seit über zehn Jahren kein Thema mehr in Münster, und nun ganz plötzlich und ausgerechnet hier.
Ist ja toll, wenn sich die Stadtverwaltung an die Notwendigkeit preiswerten Wohnraumes innerhalb der Stadt erinnert - aber bitteschön nicht in diesem Zusammenhang: während man einen Versuch platt macht, bei dem junge Menschen preiswerten Wohnraum überhaupt erst nutzbar machen und beginnen, alternative Kultur- und Lebensformen auszuprobieren. Langweilig! Auch in der westfälischen Provinzmetropole greift sich der Kapitalismus jeden Raum und zerstört alle Strukturen, die versuchen, der Logik des reinen Marktes und der Profitinteressen einiger Weniger zu widerstehen. Denn neben dem Feigenblatt "sozialer Wohnungsbau" ist auch schon wieder von Eigentumswohnungen zu lesen - einer beliebten Einnahmequelle des notorisch klammen Stadtsäckels. Es wäre nicht das erste Mal, dass angeblich eine Besetzung in Münster geräumt wird, damit preiswerter Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann. Bei der Räumung und dem Abriss der Uppenbergschule im Jahr 2000 ("Milleniumssquat") lockte man mit behindertengerechter Bebauung. Neun Jahre prangte eine Brache anstelle eines damaligen Sozialen Zentrums ("Uppe") an der Grevener Straße, bevor dann hochpreisige Eigentumswohnungen den Charkter des Quartiers versauten. Gentrification everywhere...
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