Lk Wittenberg: rassistische Flüchlingspolitik

no lager halle 12.04.2011 17:33 Themen: Antirassismus
Asylsuchende werden im Landkreis Wittenberg weiterhin im Lager Möhlau festgehalten.

Am 11. April ging es im Wittenberger Kreistag um die Frage, ob die Asylsuchenden im Landkreis weiterhin in einer ehemaligen Kaserne der sowjetischen Armee in Möhlau leben müssen oder neu untergebracht werden.
Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung wurde entschieden, dass das Lager Möhlau nicht geschlossen wird und die Flüchtlinge weiterhin dort leben müssen. Diese Entscheidung ist absolut erschreckend; leider sind die Details, wie es zu so einer solchen kommen konnte, bisher nicht öffentlich zugänglich.
Zur Erinnerung: Das Lager Möhlau ist ein ehemaliges Kasernengelände außerhalb eines 2000-Seelen-Dorfes, 30 Kilometer von der Kreisstadt Wittenberg entfernt. Anfang der 90er Jahre lebten in den Gebäuden 1100 Asylsuchende. Inzwischen sind es, aufgrund der stark rückläufigen AsylbewerberInnenzahl, weniger als 200 Menschen. Das Lager rottet vor sich hin. Die BewohnerInnen leben seit bis zu 17 Jahren dort. Für sie gibt es keine Möglichkeit das Lager zu verlassen, da der Landkreis bei langjährig Geduldeten nur die Unterbringung im Lager Möhlau vorsieht.
Weder für Familien mit Kindern, die teilweise ihre gesamte Kindheit und Jugend im Lager verloren haben, noch für Alleinreisende oder Ehepaare gibt es eine Möglichkeit, in eine andere Unterbringung außerhalb des Lagers umzuziehen. In vielen anderen Landkreisen können sich Asylsuchende nach einem halben Jahr, einem Jahr oder auch 5 Jahren eine eigene Wohnung suchen oder zugewiesen bekommen. Im Landkreis Wittenberg ist dies nicht so, hier kann das Lager nur durch Heirat, Tod oder Abschiebung dauerhaft verlassen werden. In vielen anderen Landkreisen erhalten Asylsuchende eine Arbeitserlaubnis, in Wittenberg wird diese konsequent verweigert. Deshalb blieb den Betroffenen das Bleiberecht verwehrt, weil eine Voraussetzung dafür ist, den Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.

Die Verwaltung des Landkreises wollte bei der öffentlichen Ausschreibung im Herbst 2010 nur solche Alternativ-Vorschläge annehmen, die ein neues Lager (also zentrale Unterbringung in einer sog. Gemeinschaftsunterkunft) für Alleinreisende (Asylsuchende ohne Familie) und Wohnungen für Familien vorsehen. Dass die Asylsuchenden sich selbst Wohnungen suchen, wurde ihnen verweigert. Es wurde die bürokratische und teurere Unterbringung bevorzugt. Aber auch diese „Kompromisslösung“ wurde nun im Kreistag abgelehnt.

Institutionalisierter und alltäglicher Rassismus

Die rassistische Asylpolitik des Landkreises Wittenberg wird fortgesetzt.
Asylsuchende werden weiterhin in eine Ruinenlandschaft hinter dem Friedhof in Möhlau ausgelagert. Sie werden zermürbt, drangsaliert, bevormundet und isoliert.
Die Politik des Landkreises Wittenberg gegenüber den Asylsuchenden ist gekennzeichnet durch eine kontinuierliche Verweigerung von grundlegenden Rechten wie Gesundheitsversorgung, Zugang zum Arbeitsmarkt und Zugang zu Wohnungen.
Der Landkreis zielt darauf ab, die Asylsuchenden zu entmutigen und zur „freiwilligen“ Ausreise zu zwingen. Dies gelang z.B. Anfang April 2011 bei einem kurdischen Ehepaar aus Syrien. Die beiden lebten seit 17 Jahren im Lager Möhlau und litten unter Diabetes und Bluthochdruck. Durch die konsequente Verweigerung einer adäquaten medizinischen Versorgung durch die zuständige Verwaltung stellten sich bei den Betroffenen Folgeerkrankungen wie Schädigung der Augennetzhaut durch Bluthochdruck sowie Knochenbrüche und Muskelschmerzen ein. Laut Aussagen anderer BewohnerInnen des Lagers, war das betroffene Ehepaar psychisch wie physisch am Ende. Das ältere Ehepaar befindet sich nun wieder in Syrien, obwohl ihre Kinder weiterhin Deutschland leben. Ihre Lebensumstände und ihr gesundheitlicher Zustand dort sind uns nicht bekannt.


Mehrmals mahnte bereits das Innenministerium Sachsen-Anhalt die Arbeit der Ausländerbehörde des Landkreises an, da diese sich nicht an Weisungen und Erlasse des Ministeriums, wie z.B. Abschiebestopps gehalten hatte.
Und auch das Landesverwaltungsamt von Sachsen-Anhalt forderte bereits vor 2 Jahren die Situation in Möhlau und die Lebenssituation der Asylsuchenden im Landkreis zu verbessern. Zudem gibt es im Landkreis kein Integrationskonzept, das vom Land Sachsen-Anhalt eigentlich vorgeschrieben wird.


Erneut haben die politisch Verantwortlichen ihr völliges Desinteresse gegenüber der Situation der Asylsuchenden im Landkreis bewiesen und ein mal mehr muss die Asylpolitik im Landkreis Wittenberg als das benannt werden, was sie ist - unmenschlich und rassistisch.
Die negative Entscheidung des Kreistages ist ein Rückschlag für die Betroffenen. Aber sowohl die Flüchtlingsinitiative Wittenberg/Möhlau als auch ihre UnterstützerInnen werden weiter für die Rechte von Asylsuchenden und ein menschenwürdiges Leben kämpfen und nicht Ruhe geben bis es grundlegende Verbesserungen gibt.
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Ergänzungen

Weiter Kritik am Asylbewerberheim Möhlau

mz 13.04.2011 - 01:12
 http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1302585634628&openMenu=1121028317628&calledPageId=1121028317628&listid=1121028317620

Asylbewerberheim in Möhlau
Eingang des Asylbewerberheims in Möhlau (Landkreis Wittenberg) soll
renoviert werden.

Wittenberg/Magdeburg/dpa. Die Unterkunft von Menschen im
Asylbewerberheim Möhlau (Landkreis Wittenberg) sorgt wieder für Kritik.
Nach dem Willen des Kreistags soll das Gebäude renoviert werden. «Wir
sind dabei, rechtlich zu prüfen, ob diese Entscheidung des Kreistages
umgesetzt werden kann oder ob der Landrat (Jürgen Dannenberg (Linke))
gezwungen sein wird, dieser zu widersprechen», sagte ein Sprecher des
Landkreises am Dienstag. In dem Fall müsste sich der Kreistag erneut
damit befassen. In dem Asylbewerberheim sind derzeit rund 200 Menschen
untergebracht, darunter auch Familien. Die Grünen in Sachsen-Anhalt
halten die Unterkunft in Möhlau nicht länger für die Unterbringung von
Flüchtlingen und ihren Familien geeignet. Die Landkreisverwaltung hätte
bereits 2009, als die Probleme bekannt wurden, dringend handeln müssen,
sagte Grünen-Landeschef Christoph Erdmenger.

Die zentrale Unterbringung in dem zudem abseits gelegenen Heim in Möhlau
war in der Vergangenheit öfters in die Kritik geraten. Deshalb wurde im
Landkreis auch über eine dezentrale Unterbringung der Menschen in
Wohnungen nachgedacht. Das Thema sei mit dem Kreistagsbeschluss nicht
endgültig vom Tisch, sagte der Sprecher unter Hinweis auf die
Möglichkeit des Widerspruchs. Für die Linke in Sachsen-Anhalt ist die
zentrale Unterbringung von Asylbewerbern unhaltbar und inhuman.

Für die Betroffenen führen Sammelunterkünfte zu zusätzlichen psychischen
Belastungen, Privatsphäre und Bewegungsfreiheit bleiben ihnen weitgehend
verwehrt. Die konzentrierte und oft isolierte Unterbringung mache die
Teilhabe der Menschen am sozialen und kulturellen Leben faktisch
unmöglich, sagte die Sprecherin der Fraktion für Asyl-, Flüchtlings- und
Migrationspolitik, Henriette Quade.

weitere PMs zum Thema

Möhlau 13.04.2011 - 15:02
 http://www.dielinke-fraktion-lsa.de/nc/politik/presse/detail/zurueck/aktuelles/artikel/menschenwuerdiges-wohnen-von-asylsuchenden-gewaehrleisten/

12. April 2011 Henriette Quade
Menschenwürdiges Wohnen von Asylsuchenden gewährleisten

Der Kreistag von Wittenberg hat die die dezentrale Unterbringung von
Asylbewerber-Familien in Wohnungen abgelehnt und stattdessen mit großer
Mehrheit beschlossen, lediglich schwere Mängel im Asylbewerberheim
Möhlau zu beheben. Dazu erklärt die Sprecherin der Fraktion für Asyl-,
Flüchtlings- und Migrationspolitik Henriette Quade:

„Selbstbestimmtes und menschenwürdiges Wohnen gehört zu den
unverzichtbaren Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft, die
zwangsweise Unterbringung in einem Asylbewerberheim ist mit der Würde
des Menschen nicht vereinbar.

Für die Betroffenen führen Sammelunterkünfte zu zusätzlichen psychischen
Belastungen, Privatsphäre und Bewegungsfreiheit bleiben ihnen weitgehend
verwehrt. Die konzentrierte und oft isolierte Unterbringung macht die
Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben faktisch unmöglich. Die
restriktiven Kontrollmaßnahmen in den Sammelunterkünften und in ihrem
Umfeld vermitteln den Betroffenen das Gefühl des Ausgeliefertseins und
sind oftmals Grundlage ihrer Stigmatisierung.

Für DIE LINKE ist die zentrale Unterbringung von AsylbewerberInnen
unhaltbar und letztlich inhuman. Die Fraktion DIE LINKE steht gemeinsam
mit Flüchtlingsorganisationen und Sozialverbänden für die dezentrale
Wohnunterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen und für eine an
Menschenrechten und Teilhabechancen orientierten Zuwanderungspolitik.“

Magdeburg, 12. April 2011

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 http://www.gruene-sachsen-anhalt.de/presse/anzeige/detail/politik-der-verschlossenen-tuer-gescheitert-loesung-fuer-fluechtlinge-finden-12-april-2011.html

Dienstag, den 12. April 2011
Politik der verschlossenen Tür gescheitert, Lösung für Flüchtlinge
finden 12. April 2011
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt halten die Flüchtlingsunterkunft in
Möhlau nicht länger für die Unterbringung von Flüchtlingen und ihren
Familien geeignet.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt halten die Flüchtlingsunterkunft in
Möhlau nicht länger für die Unterbringung von Flüchtlingen und ihren
Familien geeignet. Gestern hatte der Kreistag des Landkreises
Wittenberg eine Ausschreibung aufgehoben, in der eine Unterbringung in
Wohnungen und zentraler gelegenen Gebäuden vorgesehen war. Die vom
Landkreis betriebene Politik, das Problem hinter verschlossenen Türen
lösen zu wollen, sei gescheitert. "Es ist beschämend, dass die
Flüchtlinge jetzt weiter in der maroden Russenkaserne leben müssen. Die
Landkreisverwaltung hätte bereits 2009, als die Probleme bekannt wurden,
dringend handeln müssen. Sie hat dann dafür geworben, hinter
verschlossenen Türen eine Lösung erarbeiten zu können. Mit Flüchtlingen
und Flüchtlingsinitiativen wurde das Gespräch ebenso wenig gesucht wie
mit Anwohnern. Den vorhandenen Ängsten bei Kreistagsmitgliedern und in
Teilen der Bevölkerung kann man so nicht begegnen. Diese
Gutsherrenpolitik ist gestern im Kreistag gescheitert." so der
Landesvorsitzende Christoph Erdmenger.

Protest

emaN nieD 14.04.2011 - 12:22

Eine Kundgebung unter dem Motto: „Menschenwürde mit Rabatt“ findet am 14. April 2011, von 14.00 bis 16.00Uhr auf dem Marktplatz von Wittenberg statt.



PM der Initiative Flüchtlingsheim Möhlau: /a>

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Relocation in Wittenberg instead of — Renovation in Möhlau