USA: Troy Davis akut von Hinrichtung bedroht

Troy Davis war 1991 in Savannah (US Bundesstaat Georgia) beschuldigt worden, den weißen Polizisten Mark Allen McPhail Sr. erschossen zu haben. McPhail war einem Obdachlosen zu Hilfe geeilt und dann in einer Gruppe von Umstehenden erschossen wurde. (1)

Der ursprüngliche Tatverdächtige belastete den damals Jugendlichen Troy Anthony Davis. In weiteren Festnahmen übte die Polizei massiven Druck auf Bekannte von Troy Davis aus, so dass ihn schließlich neun Zeugen mit einer Aussage belasteten. Troy Davis stellte sich selbst der Polizei, um seine Unschuld zu klären. Es gab keinerlei forensische Beweise, keine Tatwaffe, kein Motiv - trotzdem sprach ihn die Jury schuldig.

Inzwischen haben sieben der neun Belastungszeugen ihre Aussagen zurückgezogen. Manche gaben an, nach gewalttätigen Verhören durch die Polizei falsche Aussagen gemacht zu haben, um nicht selbst beschuldigt zu werden. Andere wiederum hatten Angst vor dem ursprünglichen Hauptverdächtigen und folgten daher seiner Argumentation. Lediglich der ehemalige Verdächtige und ein von Ärzten als schwer wahrnehmungsgestört eingestufter Zeuge blieben bei ihren Aussagen.

Als der erste Hinrichtungsbefehl gegen Troy Davis im Sommer 2007 veröffentlicht wurde, entbrannte ein Sturm der Entrüstung. Der Bewährungsausschuss von Georgia riet dem Governeur, weitere juristische Untersuchungen abzuwarten. Die Hinrichtung wurde verschoben. (  http://mumia-hoerbuch.de/archivstopptodesstrafe.htm#troydavis4 )

Im Herbst 2008 versuchte der Staat zweimal, die umstrittene Hinrichtung durchzuführen. Er scheiterte beide Male am massiven Widerstand der US Anti-Todesstrafen Bewegung, die von internationalen Online-Protesten begleitet wurden:  http://mumia-hoerbuch.de/archivstopptodesstrafe.htm#troydavishinrichtungsterin

Als bei einer Online Aktion über 200.000 Menschen gleichzeitig an den Governeur von Georgia schrieben, brach der Regierungsserver des Bundesstaates zusammen und löste damit viele Blockaden im öffentlichen Leben aus. Das verschaffte den permanenten Demonstrationen vor Justiz- und Regierungsgebäuden in Atlanta (Hauptstadt von Georgia) weltweite Öffentlichkeit. Auch in der BRD gab es Solidaritätsaktionen (  http://de.indymedia.org/2009/05/251049.shtml ).

Innerhalb von Tagen solidarisierten sich nicht nur Menschenrechtsaktivist_innen aus aller Welt mit Troy Davis, sondern auch der ehemalige US Präsident Jimmy Carter, Friedensnobel Preisträger Desmond Tutu, der katholische Papst und verschiedene Länderparlamente in Europa (u.a. UK und Frankreich). Auch das EU Parlament setzte sich für das Leben des Gefangenen ein (  http://strasbourg.cafebabel.com/en/post/2008/10/25/European-Parliament-issue-appeal-against-execution-of-Troy-Davis ) (2)


Erst im vergangenen Oktober hatte das Europäische Parlament in einer Resolution an die US Regierung gefordert, sich für "Rechtsstaatlichkeit" im Fall des ebenfalls unter zweifelhaften Umständen zu Tode verurteilten Journalisten Mumia Abu-Jamal ein zu stetzen (siehe Anhang). Darin formuliert die EU,"dass die vollständige Abschaffung der Todesstrafe weiter eine der wichtigsten Zielvorgaben der EU-Menschenrechtspolitik darstellt..."

Die generelle Abschaffung der Todesstrafe in den USA ist eine Forderung, die von allen Menschenrechtsorganisationen und vielen Gefangenen Solidaritätsbewegungen erhoben wird. Zum einen ist deutlich, dass in den Todestrakten der USA überwiegend People Of Color sitzen, obwohl sie nicht einmal 20% der Bevölkerung ausmachen. Allen Gefangenen gemein ist auch, dass sie mittellos waren und selbst keine adäquate Verteidigung aufbauen konnten. Zum anderen könnten sich andere Staaten bei der Beendung des staatlich legitimierten Ermordens Gefangener nicht mehr hinter den USA als sog. Demokratie verstecken. Der Weg zu einer weltweiten Abschaffung wäre damit offen.

Der Druck der Anti-Todesstrafen Bewegung wächst. Erst am 10. März 2011 schaffte der US Bundesstaat Illinois die Todesstrafe endgültig ab, wobei ihm in den letzten Jahren New York City, New Mexico und New Jersey vorausgegangen waren. Derzeit ist die Todesstrafe in den USA auf dem Rückzug. Seit 1978 hat die Zahl der hinrichtenden Bundesstaaten einen Tiefstand erreicht.

In ersten Reaktionen der weltweiten Anti-Todesstrafen Bewegung sagte Anton Mestin (Berlin): "Auffällig an der nun gescheiterten Berufungsphase ist, dass es eigentlich nicht um die tatsächlichen Umstände der Ermordung des Polizisten geht, sondern nur um Formalien der Justiz. So sollte Troy Davis zwischen 2008 und dem Sommer 2010 selbst seine Unschuld beweisen. Dass der Staat derjenige ist, der ihn umbringen will und daher in der Beweispflicht seiner Schuld stünde, ist ein in der us-amerikanischen Justiz beinahe unbekannter Gedanke - jedenfalls wenn arme und nicht-weiße Angeklagte in Berufungsverfahren stehen."

Kurt Sonntag (Berliner Free Mumia Bündnis): „Es wäre illusorisch, nun auf den Aufschrei der Entrüstung aus den Parlamenten zu warten. Die `Koalition der Willigen´ bombardiert zur Zeit gemeinsam in Afrika. Gefangene werden nur durch die Kraft von einfachen Menschen am Leben erhalten, die gemeinsam handeln.“

Für die kommenden Tage werden Proteste gegen die drohende Hinrichtung von Troy Davis erwartet.

Die Webseite seiner Familie und Unterstützer_innen lautet
 http://www.troyanthonydavis.org/

Die Kampagne zur Beendigung der Todesstrafe (CEDP) ist us-weit für das Leben von Troy Davis aktiv  http://www.nodeathpenalty.org/


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Anmerkungen:

(1) ausführlicher Hintergrund Artikel vom 27.08.2010
 http://de.indymedia.org/2010/08/288503.shtml

(2) EU Resolution - Human rights: Kashmir, Bangladesh, death penalty in USA
 http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+IM-PRESS+20080709IPR33878+0+DOC+XML+V0//EN

weitere Berichte über den Fall auf Indymedia:

Todesstrafe USA: Troy Davis' Tag im Gericht (18.06.2010)
 http://de.indymedia.org/2010/06/284343.shtml

Kampf für Menschenrechte mit langem Atem (15.11.2009)
 http://de.indymedia.org/2009/11/265848.shtml